13
Ryk kam zu der Ansicht, dass Oli nicht wusste, wer er war.
Das ging vielen Leuten manchmal so, war für jemanden wie ihn aber sicher bemerkenswert.
Derzeit war er ein Großmaul, Schlächter und Regelbewahrer im Auftrag des Hives, ein Teil des Hives, aber auch ein irgendwie autonomes Individuum auf der Suche nach einer Möglichkeit, sich mit der eigenen Umgebung auseinanderzusetzen, sich verständlich zu machen und die Trennung vom Hive irgendwie zu überleben.
Dass er getrennt worden war, wurde schnell ersichtlich. Theosius zeigte auf die vernarbte Wunde am Kopf. Es war der einzige körperliche Makel, der sofort erkennbar war.
»Sie haben mit ihm gekämpft?«, fragte Uruhard.
Ryk sah aus dem Augenwinkel, dass Sia sofort den Kopf schüttelte. Sie wusste, was geschehen war.
»Dort habe ich ihm einen Teil des Gehirns entfernt«, erklärte Theosius. »Tatsächlich habe ich nie mit ihm gekämpft. Ich habe ihn verletzt gefunden, offenbar die Folge eines Unfalls. Ein glücklicher Zufall.« Er machte eine betonte Pause. »Für alle Beteiligten, will ich meinen.«
»Sie selbst?« Sia schien fasziniert. Als Hybride hatte sie kein sonderlich distanziertes Verhältnis zu ekligen Operationen.
»Was getan werden muss, tut man am besten selbst. Alles, was man anderen überlässt, wird meist nicht richtig erledigt.«
Oli neigte den Kopf. Er merkte zweifelsohne, dass über ihn gesprochen wurde und nicht mit ihm. Er wirkte in diesem Moment nicht bedrohlich, eher abwartend und neugierig, richtiggehend harmlos. Dennoch musste es einen Grund geben, warum er angekettet war und Theosius sich außerhalb der Reichweite seiner Arme aufhielt. Einem Großmaul war letztlich nie zu trauen.
»Ich habe vorher bereits an einigen Exemplaren experimentiert, die ebenfalls in … meine Hände gerieten, alles normale Soldaten des Hives«, fuhr Theosius fort. »Die meisten starben oder blieben mit dem Hive verbunden. Bei dem hier gelang es mir schließlich, die Verbindung zu unterbrechen und das Experiment der allmählichen Isolierung zu beginnen. Es hat einige Jahre gedauert. Das größte Problem war, ihm Sprache beizubringen. Er verfügt bemerkenswerterweise über die notwendige Ausstattung, aber er nutzt sie nicht. Meine Theorie ist, dass der Hive die Großmäuler aus dem genetischen Material einer einst eroberten Zivilisation geschaffen hat. Ich musste ihm das Sprechen beibringen und stellte rasch fest, dass ich dazu eine neue Methode brauchte. Jedenfalls konnte ich bei Oli nur Erfolge erzielen durch einen sprachlichen Rhythmus, der repetitiv war, eindringlich, in sich geschlossen und, wenn ich so sagen darf, nicht allzu anspruchsvoll. Es war, als müsse ich neue Synapsenverbindungen in seinem Gehirn trainieren.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, murmelte Ryk, der sich einmal mehr verloren vorkam. Sia schien hingegen keine Probleme zu haben, dem Mann zu folgen. Bildung, so erkannte der Springer, hatte doch einen gewissen Wert und der Mangel an derselben biss einen irgendwann mächtig in den Arsch.
»Er hat ihm die Sprache beigebracht, auf eine Weise, die für ihn funktionierte. Durch Wiederholung, einfache Worte, Rhythmus, Reim und ständige Wiederholung«, erklärte ihm Uruhard leise. Dann, an Theosius gerichtet: »Wie haben Sie das gemacht? Waren Sie selbst sehr geduldig oder haben Sie einen Hauslehrer für ihn engagiert? Haben Sie ihm aus alten Gedichtbänden vorgelesen?«
Theosius lächelte. »Das habe ich anfangs sogar versucht, aber es überstieg seine Fähigkeit der sprachlichen Anpassung. Es dauerte ein wenig, bis ich die Lösung gefunden hatte.«
Er zeigte auf den großen, toten Bildschirm. »Visualisierung hat sehr geholfen. Ich habe ein umfangreiches Archiv von Werbespots aus der guten alten Zeit, die ich ihm immer wieder vorgespielt habe, verbunden mit Filmen und Fotos, die den Sinn der Worte untermalten. Danach haben wir geübt und, gewissermaßen gemeinsam, einen Interpretationsrahmen festgelegt. Er ist nicht sehr intelligent, mein Oli. Ein brutaler Auftragsschlächter des Hives, aber immerhin als Feldwebel ein Sonderfall. Ich musste ihm entgegenkommen und ich räume ein, er hat sich irgendwann angestrengt. Ich denke, es hat ganz gut funktioniert. Oder, was meinst du?«
Theosius sah Oli an, der jetzt begriff, dass er gemeint war.
»Dann klappt’s auch mit dem Oli!«, erwiderte das Großmaul. Es wirkte sehr zufrieden mit sich selbst und artikulierte die Worte mit einer seltsam berührenden Bedachtsamkeit.
Alles in Ryk sträubte sich dagegen, aber er war kurz davor, seinen Feind als Lebewesen mit … einer Seele? Verstand? Einem Ich? … wahrzunehmen.
»So ist es«, sagte Theosius zu Oli, dann wandte er sich an seine Gäste: »Sie können ihm Fragen stellen. Benutzen Sie einfache Worte und vermeiden Sie Bandwurmsätze. Aber er kann abstrakt denken, im Rahmen seiner Möglichkeiten, und er versteht besser, je mehr Sie sich mit Ihren Fragen auf vertrautem Gebiet bewegen.«
Theosius sah auffordernd in die Runde. Erst traute sich niemand, was bemerkenswert war. Niemand hatte je mit dem Hive kommuniziert, denn der Hive hatte kein Interesse daran oder war nicht dazu fähig. Was Theosius gelungen war, wenn seine Behauptungen stimmten, war revolutionär. Es kam Hunderte von Jahren zu spät, aber es war trotzdem von historischer Bedeutung. Und gleichzeitig – das war das Tragische – nur noch von akademischem Interesse.
Oder etwa doch nicht?
»Oli, warum greift der Hive andere Welten an?«, versuchte es Sia sichtlich neugierig. Das Großmaul sah sie eingehend an, als sei es von der Schönheit der Hybriden und ihrer sanften Stimme fasziniert. Oder hatte es Angst? Ein sanftes Zittern durchlief seinen Körper. Erregung? Ryk wollte an so etwas Ekelhaftes gar nicht erst denken.
Dann fabrizierte Oli ein menschlich wirkendes Nicken, eine völlig unerwartete Geste, die Ryk beinahe schon als obszön ansah. Aneignung. Das gehörte nicht zu ihm. Menschen nickten. Großmäuler …
Ja, was taten die eigentlich?
»Alle reden von Krieg. Wir nicht«, sagte Oli mit großer Überzeugung. »Wir wollen so bleiben, wie wir sind.«
Ryk schaute Theosius hilflos an, doch der lächelte nur. »Seine Aussagen bedürfen der Interpretation, sind aber nicht willkürlich.«
Oli fixierte Sia weiterhin, wohl in Erwartung einer Antwort. »Das Gute daran, ist das Gute darin«, erklärte er mit Nachdruck, als wolle er damit ein Argument unterstreichen, das er gerade gemacht hatte. Sia sah die anderen hilflos an. So richtig konnte auch sie nichts mit dieser Reaktion anfangen.
»Oli, wie können wir mit dem Hive reden? An wen können wir uns wenden?«, fragte nun Uruhard und Ryk vermutete, dass die Formulierung das Großmaul bereits überforderte.
Oli aber sah gar nicht überfordert aus, eher nachdenklich. Er legte wieder den Kopf schief wie ein Hund.
Theosius lächelte völlig gelassen still vor sich hin. Wie viele Fragen hatte er wohl schon gestellt und dann Stunden damit verbracht, die Antworten zu interpretieren?
»Dahinter steckt immer ein kluger Kopf. Man sagt, er habe magische Kräfte«, erklärte Oli. Seine Mandibeln, ständig in Bewegung, erzeugten bei manchen Worten ein schabendes Geräusch, das wirklich sehr unangenehm war.
Uruhard seufzte und sah Theosius an. »Ich verstehe, wo das Problem liegt. Man bekommt immer eine Ahnung dessen, was er ausdrücken möchte, aber er kann es aufgrund einer ganz anderen Denkweise nicht auf die gleiche Weise in Worte fassen wie wir. Es gibt eine … Barriere zwischen uns, die wir nur schwerlich überbrücken können.«
Theosius nickte.
»Wissen, was wichtig wird«, bestätigte Oli sehr ernsthaft.
Ihr Gastgeber sah Ryk an. »Und, hat der junge Mann hier auch noch eine Frage?«
Ryk hatte die ganze Zeit überlegt. Es gab so vieles, was er herausfinden wollte, doch es schien, als würde ihnen das Großmaul nur sehr begrenzt Auskunft geben können.
»Hat der Hive eine Schwachstelle? Gibt es eine Möglichkeit, ihn richtig zu bekämpfen?«, fragte er dann und befürchtete erneut, zu viele Worte benutzt zu haben.
Oli aber schien kein Problem mit dem Verständnis seiner Frage zu haben, jedenfalls zeigte er keine ablehnende oder verwirrte Reaktion. Auch Loyalität schien für ihn, getrennt vom Hive, kein großes Problem darzustellen. »Erst der Mensch, dann die Maschine«, war die Antwort und ehe Ryk verwirrt die Stirn krausziehen konnte, fügte Oli noch erklärend hinzu: »Entdecke die Möglichkeiten!«
Ryk schaute von einem zum anderen, in der Hoffnung, dass dies für intelligentere und besser gebildete Zuhörer plötzlich Sinn ergab, der Eindruck drängte sich aber nicht auf. Dennoch, es war genauso, wie Uruhard sagte: Das war kein erratisches und sinnloses Geplapper. Ryk hatte wirklich das Gefühl, dass Oli ihnen etwas mitteilen wollte. Doch es fehlte allen dermaßen an Kontext, den ihnen das Großmaul auch nicht vermitteln konnte, dass es unmöglich schien, auf den Kern der Aussagen zu kommen. Es war, als würde man ständig am Rand einer großartigen Erkenntnis stehen, ohne sie je zu begreifen, da man den letzten und entscheidenden Schritt nicht machen konnte. Ein sehr frustrierendes Gefühl.
Sie versuchten es noch eine halbe Stunde und bekamen einen guten Überblick über Werbeslogans aus mehreren Jahrhunderten, was teilweise amüsant, teilweise ermüdend, meist unverständlich und oft schlicht rätselhaft war.
Es wurde interessanter, als ihr Gastgeber die Diskussion übernahm und Fragen auf eine sehr seltsame Art stellte. Es zeigte sich, dass er Erfahrung in der Kommunikation mit dem Großmaul hatte, das ihn ansah wie ein Hund sein Herrchen. Theosius’ Sätze bestanden selten aus mehr als drei oder vier Worten, er sprach sie mit einem Unterton aus, der wie ein Singsang klang, und oft reimten sich die Satzenden, wie bei einem sehr einfach gestrickten Kinderlied. Die Stimme des Mannes hatte dabei stets die gleiche Lautstärke, nur die Höhen und Tiefen änderten sich. Oli schien davon mindestens genauso fasziniert zu sein wie von den Werbespots, die er sich hier tagein, tagaus reinzog. Er antwortete in den üblichen Slogans und Theosius schien sie zu verstehen, wo Ryk manchmal nur die Andeutung eines Sinnzusammenhanges erfasste.
Dann versuchte es Sia auf die gleiche Weise und es brachte erneut die Reaktion hervor, die Oli bereits vorher gezeigt hatte, nur stärker. Ihre Fragen waren nun angepasst und zielgerichtet, soweit möglich, und Theosius nickte ihr mehrmals anerkennend zu. Ryk und Uruhard hielten von da an den Mund.
Mit der Zeit wurde Oli immer aufgeregter und so viel verstanden sie alle: Je näher sie dem Kern der Frage kamen, wie man Zugang zu einem der Sporenschiffe erlangen konnte und wie es gelingen mochte, die Erde zu verlassen, desto unangenehmer wurde das Gespräch für den Hivesoldaten. Er begann, sich in seinen Ketten zu winden, einmal durchfuhr ein wahrhaft erregtes Zittern seinen Leib und obgleich er stets aufmerksam zuhörte und in seinen kryptischen Antworten keinesfalls nachließ, wurde für alle erkennbar, dass dieses Gespräch für ihn zu einer Tortur wurde.
Daher beendete Theosius es schließlich. Die Erregung, die das Großmaul erfasst hatte, ließ dennoch nicht nach. Als sie die Zelle verließen und Ryk ein letztes Mal durch das Sichtfenster in der Tür nach Oli sah, zog dieser immer noch zitternd an seinen Fesseln und widmete den wieder laufenden Werbefilmchen nicht einen Moment der Aufmerksamkeit. Das Gespräch hatte ihn aus irgendeinem Grunde sehr aufgewühlt.
Theosius verbarg es gut, aber er sah besorgt drein.
Er lud sie ein, ihm in den Salon zu folgen, wo die Reste ihres Abendessens, sorgfältig zusammengestellt auf einem Buffettisch, auf sie warteten. Ryk merkte, dass das Gespräch mit Oli anstrengender gewesen war als gedacht, und nahm sich einen späten Snack, ehe sie sich wieder zusammensetzten.
»Warum hat das Großmaul so reagiert? Ist es das erste Mal?«, fragte Uruhard.
»Es ist keinesfalls ungewöhnlich, dass gewisse Themenbereiche Oli … ich sage mal … psychisch angreifen. Ich halte ihn manchmal für einen Simpel, dann aber scheint er mir zu erstaunlich komplexen Regungen in der Lage. Ich gebe zu, diesmal ist es besonders schlimm, daher habe ich unsere Begegnung abgebrochen. Ich bin selbst ein wenig nervös geworden.« Theosius nickte. »Zu viele ungewohnte Gesichter. Zu viele Fragen auf einmal. Wir haben zu sehr auf die Absicht abgezielt, wie man diesen Planeten verlässt. Das scheint bei Oli irgendein tief einprogrammiertes Tabu berührt zu haben. Oder er weiß darüber gar nichts und es schmerzt ihn, nicht hilfreich zu sein. Es ist schwer, das eine vom anderen zu unterscheiden.«
»Was genau meinen Sie mit ›einprogrammiert‹?«, fragte Sia, die keine Minute ihr Interesse an dem Gefangenen verloren hatte und nahezu begierig schien, mehr über das Experiment zu erfahren.
»Ich bin mir immer noch nicht darüber im Klaren, was bei Hivelebewesen der dominante Teil ist – der biologisch-organische oder der aus adaptierter Technik, der, den Hybriden nicht unähnlich, in ihre Körper integriert ist.« Theosius sah Sia an, als erwarte er Protest gegen diesen Vergleich, aber der kam nicht. »Bei mobilen Einheiten wie Oli, die grundsätzlich etwas komplexere Aufgaben bewältigen müssen, scheint es der organische Teil zu sein. Erstaunlich fand ich, dass der Hive offenbar auch emotionale Reaktionen zulässt, wie Sensoren, die er in alle Welt schickt, um diese umfassend zu erfahren. Ich weiß nicht, ob der Hive als Ganzes zu Gefühlen in der Lage ist, er benutzt den Input aber und verarbeitet ihn. Wie? Warum? Fragen Sie jemanden, der sich damit auskennt.«
»Davon gibt es nicht mehr viele«, sagte Uruhard. »Sie dürften dem Ideal eines Experten noch am nächsten kommen. Bis auf ein paar richtige Spinner, die ihr Interesse mit religiösen oder anderweitigen, abwegigen Absichten verbinden, kenne ich niemanden mehr, der sich systematisch mit dem Feind auseinandersetzt.«
»Weil er oft nicht mehr als Feind wahrgenommen wird. Er ist einfach da«, sagte Ryk spontan und alle nickten.
»Das tägliche Leben verlangt viel von uns allen«, ergänzte Theosius. »Wir haben keine Ressourcen mehr für Gelehrsamkeit. Sehr schade, aber wohl nicht zu ändern. Was ich sagen will, ist: Oli reagiert auf die Themen des Gesprächs auf unterschiedliche Weise. Und dieses hat ihn über die Maßen aufgeregt. Aber wir haben wertvolle Detailinformationen erhalten.«
»Haben wir das?«, fragten Uruhard und Ryk wie aus einem Munde, sogar mit dem gleichen verwunderten Tonfall.
»Aber ja«, erwiderte ihr Gastgeber lächelnd. »Ich nehme es Ihnen nicht übel, dass es Ihnen entgangen ist. Man bedarf einer gewissen Erfahrung im Umgang mit ihm, um ihn richtig zu verstehen. Darf ich in meinen Worten zusammenfassen, was ich glaube, was er uns mitzuteilen versucht hat?«
Dagegen hatte niemand etwas einzuwenden.
»Es gibt eine Luftabwehr, die kennen wir gut, wir nennen sie die Drachen. Sie sind jedoch letztlich nichts anderes als die Großmäuler der Lüfte. Sie sind seit zweihundert Jahren nicht mehr für ihren eigentlichen Zweck eingesetzt worden, aber es gibt sie und wir wissen, dass sie manchmal Bodenmissionen unterstützen. Selbst wenn Sie einen Gleiter finden, wird es also in jedem Fall nicht einfach werden, dort oben einfach hinzufliegen und auf ein Sporenschiff zu springen. Oder vielmehr auf die oberste Startplattform, um von dort in eines dieser Dinger einzudringen.« Er sah Ryk bezeichnend an, als sei das seine Idee gewesen. »Sie müssen sich entweder verteidigen oder schützen. Wahrscheinlich müssen Sie einfach nur schnell sein. Wenn Sie erst im Sporenschiff sind und sich ruhig verhalten, verliert der Hive das Interesse.«
»Wie bei den Triebwürmern«, nickte Ryk. »Ist das Steuergroßmaul ausgeschaltet, kann man als Passagier mitfahren, ohne gestört zu werden.«
»Die Sporenschiffe sind, soweit dieses Wort hier zutrifft, in sich geschlossen operierende Automaten. Sie haben keine Besatzung, operieren autonom, wie es ein Feldwebel kann, und sind ganz auf die Navigation des Transportes ausgerichtet«, fügte Theosius hinzu.
»Wann hat er das gesagt?«, fragte Ryk verwundert.
»Als Sia ihn danach gefragt hat. Seine Antwort war, es sei der Geschmack von Freiheit und Abenteuer.«
»Ah.«
Ryk beschloss, die weitere Interpretation Theosius zu überlassen, so lange sie ihm nicht zu absurd erschien. Er war offensichtlich besser in diesen Dingen.
»Und er sagte, es gäbe eine Möglichkeit, die Abwehranlagen des Hives zu überlisten.«
»Hat er das?«, vergewisserte sich nun Sia, die von ähnlichem Unverständnis geplagt wurde wie ihr Gefährte.
»Ja. Nachdem er meinte: Ich bin doch nicht blöd.« Theosius zeigte wirklich eine große Geduld und schien sehr davon überzeugt, Olis Aussagen korrekt zu deuten.
Sia warf Ryk einen Blick zu, der deutlich zeigte, dass sie von wachsendem Zweifel erfüllt war. Dennoch nickte sie ihrem Gastgeber nur zu, als habe sie es nun auch verstanden. »Und was für eine Möglichkeit wäre das?«
»Sie müssen ihn mitnehmen.«
»Ihn? Ihn selbst?«, echote Uruhard.
»Aber ja. Erinnern Sie sich? Nur wo Oli draufsteht, ist auch Oli drin.«
Und mit dieser Aussage führte Theosius ein Glas Wein an seine Lippen, als wolle er damit demonstrieren, dass alles gesagt sei. Seine vier Gäste reagierten erst einmal gar nicht, sie betrachteten die Wände oder die eigenen Gläser.
»Das ist … unerwartet«, murmelte Uruhard. »Und stellt uns vor Probleme.«
»Es löst möglicherweise ein Problem«, sagte Theosius leise. Er schien die Idee mit einer gewissen Distanz zu betrachten, war sich aber offenbar selbst noch nicht ganz sicher, was davon zu halten war.
Sie sagten für eine ganze Weile nichts weiter, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft. Es war erstaunlicherweise Momo, der die etwas betretene und ratlose Stille brach. »Sia«, flüsterte er beinahe bittend. »Sia, sing doch was für uns.«
Die Hybride lächelte, alle Ratlosigkeit und aller Zweifel wichen aus ihrem Gesicht und auch die Stimmung aller anderen hellte sich erwartungsvoll auf. Sie seufzte, ein wenig gekünstelt, als schätze sie die plötzliche Aufmerksamkeit nicht, doch ihr Widerstand war erkennbar verhalten.
»Ich spiele die elektrische Zither«, erklärte Theosius und wies auf einen kleinen Schrank an der rückwärtigen Wand. »Ich bin recht gut darin.«
Das gab den Ausschlag. Sie versammelten sich um das Instrument, das ihr Gastgeber aus der Wand klappte, und ja, er war recht gut. Seine schlanken Finger glitten mit großer Sicherheit über die halb durchsichtige Tastatur und für einen Moment genügte es, den ätherischen Klängen des Instruments zuzuhören, um völlig verzaubert zu sein. Theosius war zweifelsohne ein Mann vieler Talente.
Dann, nach einem leichten und spielerischen Präludium, nickte er Sia zu. Zwei Musiker, die sich ohne Worte verstanden, und als der Rhythmus eines bekannten Volksliedes aus der Zeit des Alten Henderson erklang, war auch klar, was es vorzutragen gab.
Sia sang.
Es war wunderschön.