K omm einfach wieder zurück.
Damit ist die Nachricht zu Ende, und mein Herz hämmert so hart in meinem Brustkorb, dass ich jetzt garantiert nicht wieder einschlafen kann.
Er will meine Hand halten. Oh Gott, ich will auch seine Hand halten. Am liebsten sofort. Ich ertappe mich dabei, wie ich den Browser öffne und nach früheren Verkehrsverbindungen suche. Und ich finde einen Zug, der vormittags an der Pennsylvania-Station startet und fünf Stunden bis nach Boston braucht. Dort müsste ich dann mit dem Greyhound zum Busbahnhof nach Dartmouth weiterfahren. Es ist umständlich, und ich werde ewig unterwegs sein, dennoch habe ich die Verbindung innerhalb von einer Minute gebucht. Davor habe ich noch genug Zeit, um zur Polizei zu gehen. Auch wenn ich Angst davor habe, ich werde das jetzt durchziehen, weil Verdrängung keine Option ist.
So werde ich zwar erst am späten Nachmittag ankommen, aber ich will nicht länger hierbleiben. Zum Glück haben die Aufnahmen direkt gesessen. So kann ich heute noch verschwinden. Und eine umständliche Verbindung ist allemal besser, als noch eine Nacht in diesem Hotelzimmer zu verbringen. Ohne Noah.
Ich habe ihm so viel zu sagen. Aber dieses verdammte What if in meinem Kopf schreit plötzlich wieder so laut, dass ich mich selbst dafür verfluche. Das liegt nur an dem, was Ivy mir eben erzählt hat. Meine Hand zittert. Mit der Fingerkuppe berühre ich Noahs Profilbild, dann fasse ich meinen ganzen Mut zusammen und drücke auf das Mikrophonsymbol.
«Hey.» Ich muss mich räuspern. Wie eine professionelle Sprecherin höre ich mich im Augenblick definitiv nicht an. Sondern einfach nur nervös und hilflos nach Worten suchend.
«Das war nicht nur ein Spruch, Noah. Aber es war auch nicht das, was ich eigentlich sagen wollte. Weil ich zu feige bin, das zu schreiben, was ich sagen will … Oh Gott, klingt das bescheuert? Vermutlich. Wenn … wenn du jemals diesen Müsliwerbespot siehst, lachst du mich aus. Er ist total dämlich. Aber ich habe während der Aufnahmen die ganze Zeit an dich gedacht. Und an das, was wir getan haben. Du beherrschst meine Gedanken, Noah, und nicht nur die, sondern auch die Stille dazwischen. Ich kann dich immer noch spüren. In mir. Überall in mir.»
Tränen schießen mir in die Augen, und ich beginne zu zittern. Ich schaffe es nicht, den Finger auf dem Symbol zu halten. Als die Nachricht abgeschickt wird, überlege ich einen Moment panisch, ob ich sie nicht besser löschen sollte. Aber dann spreche ich einfach eine weitere Nachricht auf.
«Wahrscheinlich mache ich dir Angst, wenn ich dir verrate, was in mir vorgeht.» Ich lache hilflos auf. «Tut mir leid, aber die Wahrheit ist, dass ich ziemlich viel für dich empfinde, Noah. Oh Mann, das … das ist so ein großer What-if-Moment für mich, und jetzt, wo ich damit anfange, ist es eigentlich ein Oops, und ich sollte das alles löschen. Aber ich glaube, ich liebe dich.» Ich fasse mir an den Kopf, am liebsten würde ich mich selbst ohrfeigen. Aber ich wollte mutig sein, oder nicht? «Heute habe ich mir etwas vorgenommen. Einfach einen Scheiß auf meine Angst zu geben. Wenn ich mich also völlig danebenbenommen habe, weil ich dir das gesagt habe und es dafür vielleicht noch zu früh ist, also für dich zu früh ist, dann tut es mir leid. Wenn du nicht so fühlst, ist das okay. Ich komme irgendwie damit klar. Oder vielleicht auch nicht.» Wieder lache ich auf, und dann fange ich unvermittelt an zu heulen, und im nächsten Moment rutsche ich mit meinem völlig verschwitzten Finger ab und meine Sprachnachricht plumpst in den Papierkorb.
Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn liebe, und die Worte sind im Mülleimer gelandet. Im Müll . Das ist … entsetzlich.
Oh Gott! Soll ich die Nachricht noch einmal aufsprechen? Nein. Nein, es ist zu viel, zu früh. Und es gibt noch einiges, das wir beide in unserem Leben regeln müssen. Ich brauche eine Ewigkeit, um wieder ruhig zu werden, und liege lange Zeit mit meinem Smartphone in der Hand da. Minutenlang. Dann höre ich mir an, was ich ihm aufgesprochen habe und ob es seltsam klingt, wenn danach nichts weiter mehr kommt. Ja, es klingt seltsam, deshalb schreibe ich Noah eine Textnachricht.
Aubree: Ich schulde dir noch ein Lettering für heute. Erwarte nicht zu viel, es ist einfach das, was ich als Letztes gemalt habe.
Ich schieße ein Foto meines «Don’t give a fuck»-Spruchs und schicke es ihm.
Und als ich nach dem Frühstück wieder ins Hotelzimmer komme, wo ich mein Handy ans Ladekabel gehängt habe, hat Noah mir mit meinem Bild geantwortet. Er hat etwas auf das Foto unter meinen Spruch getippt. Etwas, das einfach typisch Noah ist. Etwas, womit er mich zum Lachen bringt. Dieses feinfühlige Arschloch.
Unter meinen Satz Don’t give a fuck hat er ein Sternchen eingefügt und eine Fußnote geschrieben:
*Unless you are fucking, then give everything.
***
Auf der Zugfahrt nach Boston habe ich viel Zeit. Verdammt viel Zeit, um darüber nachzudenken, wie es weitergehen soll. Aber sobald ich auf meinem Platz sitze, schreibe ich erst einmal eine Nachricht an Noah.
Aubree: Magst du Überraschungen?
Zweimal habe ich ein Herz angehängt und es wieder gelöscht und die Nachricht schließlich ohne das blöde Herz abgeschickt. Besser wäre es, ihn das gar nicht erst zu fragen. Ich komme einen Tag früher zurück, na toll, große Überraschung! Wahrscheinlich sollte ich einfach nach Hause zu Ivy ins Wohnheim fahren. Aber allein, dass ich von dieser Wohnung schon als zu Hause denke, bedeutet doch etwas, oder? Alles in mir sehnt sich nach Noah und danach, nur ein Wort von ihm zu hören. Aber er ist nicht online, und der Zug fährt ohne eine Antwort von ihm weiter.
Heute Morgen bin ich zum nächsten Police Department gefahren und habe Anzeige erstattet. Das Foto hat mir Taylor noch einmal per WhatsApp geschickt. Zusammen mit dem Namenszettel und dem Befund von Dr. Ward hat eine junge Polizistin meine Anzeige aufgenommen. Wie sie nun vorgehen, weiß ich nicht, für mich bedeutet es erst einmal nur zu warten. Wahrscheinlich werde ich meine Aussage irgendwann vor Gericht wiederholen müssen. Meine Gedanken schweifen zu Ginnifer. Soll ich sie anschreiben? Sie anrufen? Die Möglichkeit, das alles Ivy zu überlassen, ist sehr verlockend. Und wahrscheinlich ist es auch wirklich besser, wenn sie als Außenstehende das übernimmt.
Aber eine Sache gibt es, die ich gerne tun würde. Und während Bäume und Ortschaften wie im Zeitraffer an mir vorbeirasen, klappe ich meinen Laptop auf und gebe die Worte Moultonborough und Farm in die Suchzeile meines Browsers ein. Das Ganze ist eine spontane Idee. Sehr wahrscheinlich nicht mal eine gute. So abweisend, wie Noah auf das Thema reagiert hat, kann es sein, dass er es mir übelnimmt, wenn ich über Ebony Nachforschungen anstelle. Aber ich kann nicht vergessen, wie er sich verhalten hat, als Asher ihn darauf angesprochen hat. Das ist etwas, worüber er reden muss.
Asher hat behauptet, dass Noah sich nicht genug um das Tier gekümmert hat, aber das kann ich mir nicht vorstellen. Was ich mir hingegen sehr gut vorstellen kann, ist, dass Noah denkt, er habe es verdient, dass man es ihm wegnimmt. Und dabei zieht sich mein Herz zusammen. Nach allem, was Ivy mir über ihren Stiefvater erzählt hat, bin ich inzwischen davon überzeugt, dass er Noah liebt und nur das Beste für ihn will. Nur dass Noah das nicht wahrhaben will. Dass sein Vater ihn nicht bei seinem Studium unterstützt, hat vielleicht ganz andere Gründe, als ich bisher dachte. Vielleicht ist das seine Art, Noah zu zwingen, am Ball zu bleiben. Zu testen, wie wichtig ihm das wirklich ist und ob er das nicht nach kurzer Zeit wieder in den Sand setzen wird.
Mit diesem Gedanken im Kopf durchstöbere ich das Netz. Bei meiner Recherche finde ich etliche Höfe in der Umgebung von Moultonborough, aber nicht alle halten Pferde, und ich suche vier heraus, die nicht nur mit ihrer Zucht werben, sondern auch noch damit, Stallplätze zu vermieten. Und ich habe Glück: Gleich im zweiten Stall, den ich anrufe, antwortet der Typ am Telefon positiv, als ich nach Ebony frage. Ja, ein Pferd namens Ebony sei hier untergebracht, aber als er wissen will, warum ich das frage, verabschiede mich schnell.
Ja, es ist eine dämliche Idee. Aber ich ziehe das jetzt durch. Bis zur Farm ist es für mich ein ziemlicher Umweg, weil ich früher aussteigen, mehrfach umsteigen und ein ganzes Stück zu Fuß gehen muss. Das Gestüt liegt inmitten endloser Grasweiden mit Blick auf die White Mountains. Braune Hügel ziehen sich wie Wellen über den Horizont, und die Ahornbäume, die die Gebäude umgeben, tauchen alles in ein orangerotes Licht.
Ich laufe die lange Einfahrt entlang, die durch rote Holzzäune abgetrennt wird, vorbei an sorgsam gemähten Wiesen. Auch die Gebäude sind rot mit weißen Blechdächern, die durch die Witterung teilweise eine grüne Patina angesetzt haben. Vor dem ersten stehen etliche Autos in einer langen Reihe.
Es kostet mich ziemlich viel Überwindung, einfach so in den Stall zu spazieren. Unsicher ziehe ich den Kragen meiner Jacke hoch. Vermutlich werde ich gleich wieder rausgeworfen, aber als ich mich umsehe, kann ich niemand entdecken. Pferde sehe ich allerdings auch keine. Wahrscheinlich sind sie noch auf der Weide oder dem Reitplatz. Bis auf den Betonboden besteht alles hier aus Holz, und es riecht nach Pferd und Heu. Ein Geruch, der mir durch Noah seltsam vertraut ist. Es stimmt, dass ich gesagt habe, ich würde mögen, wie Pferde riechen. Vor allem, wenn es Noah ist, der nach Pferd riecht, muss ich mir eingestehen. Angespannt gehe ich tiefer in den Stall. An den Boxen sind überall Namensschilder angebracht. Die meisten stehen offen, aber aus ein paar wenigen weiter hinten hört man malmende Geräusche und leises Geraschel.
Ich gehe die Reihe ab.
Churchill. Rembrandt. Clooney. Black Jack. Dakota. Greyson. Eine Doppelbox mit Sonny & Cher. Dante’s Inferno. Lady Liberty. Ich bin fast am Ende. Autumn, Mystery, und da stehen zwei entzückende kleine Ponys dicht aneinandergekuschelt, die Cookie und Cute-as-a-button heißen.
Dann die letzte Box. Es ist hier hinten immer dunkler geworden, weil die Sonne von der anderen Seite durch das Tor hereinscheint. Die Deckenbeleuchtung kann ich schlecht einschalten, deshalb muss ich nah an das Schild herangehen, um die Schrift lesen zu können.
Ebony.
Da steht ihr Name, außerdem noch Geburtsdatum, -ort und Besitzer. Sie ist zehn Jahre alt und kommt aus Middletown, New York. Oh mein Gott, sie ist New Yorkerin genau wie ich. Es ist vermutlich blöd, aber das nimmt mich sofort für sie ein. Mein Zeigefinger fährt an den Daten entlang. Unter dem Punkt «Besitzer» steht nur ein B.
Ich spähe durch die Stäbe und sehe ein großes schwarzes Pferd ganz hinten in der Box. Sie muss es einfach sein.
«Hey», raune ich vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, und schlucke. «Ebony?» Auf ihren Namen reagiert sie sofort, hebt den Kopf und spitzt die Ohren.
Sie ist beinahe komplett schwarz bis auf eine kleine weiße Stelle genau zwischen den Nüstern. Auf Noahs Profilbild hat Ebony an seinem Gesicht geknabbert, und sie wirkten vollkommen vertraut. Daran muss ich jetzt denken, als sie mich so aufmerksam ansieht.
Meine Finger fassen an den Türrahmen, ich stelle mich auf die Zehenspitzen und strecke die Nase in die Box. Ebony bewegt sich auf mich zu. Sie senkt den Kopf und täuscht Desinteresse vor, als würde sie im Stroh etwas total Spannendes vorfinden, aber sie kommt dennoch direkt zu mir. Dann hebt sie den Kopf an, und im Licht, das vom Tor bis zu uns fällt, kann ich das neugierige Blitzen in ihren Augen erkennen.
«Hallo, du Hübsche.» Ich räuspere mich. «Du … du bist wunderschön. Kein Wunder, dass Noah dich liebt.» Und kaum habe ich es ausgesprochen, fange ich heftig an zu blinzeln. Noah liebt diese Stute. Er vermisst sie.
Ich muss einen Schritt zurückweichen, um meine Hand über die hohe Pforte schieben zu können, und Ebony atmet in meine Handfläche. Ihr Maul ist so weich, dass ich vor Ehrfurcht die Luft anhalte. Genau wie das von Woodstock.
«Ich wünschte, Noah wäre jetzt hier», flüstere ich. «Du hast ihn bestimmt nicht vergessen, oder? Nein, es ist unmöglich, Noah zu vergessen. Ich könnte es niemals. Ganz egal, was er tut, ganz egal, ob er mich verlässt, ich würde ihn auch niemals vergessen.» Ich rede immer weiter, auch wenn es völlig sinnlos ist, weil sie mich nicht versteht. Vielleicht rede ich nur, um meine Gedanken zu sortieren oder um mich zu beruhigen, weil mich das hier mehr berührt, als ich dachte.
«Ich weiß, dass er dich vermisst. Sehr sogar.»
Mit einem sanften Nicken schwenkt ihr Kopf zur Seite.
«Er hat dich nicht mit Absicht allein gelassen, weißt du? Er denkt bestimmt, dass er dich nicht verdient hat. Aber das stimmt nicht. Ich werde versuchen, ihm das klarzumachen.»
Sie gibt ein Schnauben von sich, dann dreht sie sich weg und stakst zum Ende der Box zurück. Sie hat das Interesse an mir verloren. Klar, ich habe ihr ja auch nichts mitgebracht, ich Idiotin. Keine Möhre, keinen Apfel, nichts. Beim nächsten Mal werde ich dran denken.
«Hey!»
Die Stimme ist so laut und scharf, dass ich zusammenfahre und die Hand zurückreiße. Prompt stoße ich mich dabei am Türrahmen. Verdammt. In meinen Fingerknöcheln brandet ein stechender Schmerz auf.
«Was zum Teufel machen Sie hier?»
Der Mann, der im Stalltor steht, ist nicht sehr groß. Aber er trägt etwas in seinem Arm, das irgendwie bedrohlich aussieht, nur kann ich es nicht erkennen, weil die Nachmittagssonne hinter ihm steht und ich von ihm nur eine Silhouette sehe.
Einen Schmerzenslaut unterdrückend reibe ich meine Hand. «Ich sehe mir nur die Pferde an.»
«Haben Sie einem der Tiere irgendwas zu fressen gegeben? Sagen Sie mir jetzt nicht, dass sie irgendwas in die Box geworfen haben.»
«Nein, natürlich nicht.» Ich bekomme trotzdem sofort ein heißes Gesicht, weil ich gerade noch daran gedacht hatte, Ebony eine Möhre zu geben. Aber, mein Gott, eine Möhre wird ja wohl erlaubt sein, oder?
Jetzt tritt er zur Seite und hängt das, was er in der Hand gehalten hat, an einem Haken auf. Es sind nur ein paar Trensen, das kann ich erkennen, nun wo das Licht an ihm vorbeifällt, und vor Erleichterung atme ich aus.
«Also. Was wollen Sie bei Ebony? Mann, Sie sind das Mädel vom Telefon, oder? Die heute Nachmittag angerufen hat.»
Unschlüssig trete ich auf der Stelle. «Ich … ich wollte sie mir nur mal ansehen», gebe ich zurück. «Ich weiß nicht, warum Sie gleich so laut werden, ich hatte ja nicht vor, sie zu entführen oder so.»
Er lacht auf. «Gut zu wissen. Trotzdem haben Sie hier nichts zu suchen.» Seine ausgestreckte Hand deutet mir unmissverständlich den Weg. Er hat sehr viele Falten im Gesicht. Wettergegerbt. Er sieht aus wie jemand, der die halbe Zeit seines Lebens draußen verbracht hat. Ich mag es sehr, wenn Gesichter Geschichten vom Leben erzählen, aber die steile Falte, die sich nun auf seiner Stirn gebildet hat, sagt sehr deutlich «Verpiss dich» zu mir.
Ich hebe beschwichtigend die Hände. «Tut mir leid, okay? Ich gehe ja schon. Aber können Sie mir noch sagen, ob Ebony zum Verkauf steht? Ich … ich hatte das gehört und wollte fragen, ob ihre Besitzer sie wirklich verkaufen.» Wenn ich schon hier bin, kann ich auch nachfragen. Nur um auf Nummer sicher zu gehen.
«Ganz sicher nicht. Einfach lächerlich.» Er kommt in meine Richtung und automatisch weiche ich zur Seite aus. Aber der Typ wirft lediglich einen Kontrollblick in die Box und rüttelt am Riegel, um zu gucken, ob er fest verschlossen ist.
«Ich habe ja nicht behauptet, dass ich sie kaufen möchte.»
«Das ist mir schon klar, aber Sie können sich wohl vorstellen, dass wir es hier nicht gerne haben, wenn fremde Leute sich an ein wertvolles Turnierpferd ranmachen.» Er mustert mich ungeniert und schüttelt dann wieder den Kopf.
«Tut mir leid. Ich wusste nicht, dass man das nicht darf. Und dass sie so wertvoll ist.»
Jetzt fängt er an zu grinsen. «Sie haben echt keine Ahnung von Pferden. Und glauben Sie mir, das sieht man auf den ersten Blick. Allein wie Sie durch den Stall schleichen. Daran merkt man sofort, dass Sie nicht in Ihrem gewöhnlichen Habitat sind.» Sein Lachen ist kehlig. «Keine Ahnung, wo Sie von Ebony gehört haben, aber sie steht auf keinen Fall zum Verkauf. Sie hat vor zwei Jahren an den World Equestrian Games in North Carolina teilgenommen.»
An meinem vermutlich ziemlich dämlichen Gesichtsausdruck sieht er sofort, dass ich keinen Schimmer habe, wovon er redet.
«Das sind die verdammten Weltmeisterschaften, Schätzchen.»
«Aber …» Ich bin wie vor den Kopf geschlagen. Verflucht, Noah hat mir das nie erzählt. Ich dachte, das Reiten wäre mehr oder weniger ein Hobby von ihm. Aber Weltmeisterschaften?
«Ebony ist nicht einfach nur irgendein Reitpferd.» Er schnaubt wie eines der Tiere hier im Stall. «Was für ein Witz.»
Gott, ist das peinlich. Mein Gesicht glüht auf. «Ich wollte sie mir wirklich nur mal ansehen, weil sie einem Freund von mir gehört. Glaube ich.» Natürlich ist das Noahs Ebony, daran habe ich gar keinen Zweifel. Eigentlich. Ich verziehe den Mund zu einem schiefen Grinsen. «Ich kenne sie bisher nur von einem Foto.»
Ganz unerwartet legt er den Kopf schräg. «Heißt Ihr Freund Noah Blakely?»
Ich beiße mir auf die Unterlippe. «Und wenn es so ist?»
Seine ganze Haltung verändert sich auf einen Schlag, und seine Lippen verziehen sich zu etwas, das fast als Lächeln durchgehen könnte. Oh Mann, jetzt wird daraus sogar ein richtig breites Grinsen.
«Noah Blakely hat uns verdammt stolz gemacht mit seiner Platzierung. Er ist einer von uns, im Granite State geboren und aufgewachsen.»
So ganz begreife ich nicht, was das bedeutet. Aber wenn ich das richtig einschätze, dann hat dieser Typ gerade so was Ähnliches wie einen Fangirl-Moment.
«Und damit sind Sie ab sofort auch meine Freundin, Schätzchen. Ich bin Doug.» Er streckt mir seine Hand hin, und als ich sie ergreife, bricht er mir fast die Knochen.
Mit einem Ächzen ziehe ich sie zurück. «Aubree», sage ich gequält.
«Ich sag ja, man merkt sofort, dass Sie noch nie einen Stall ausgemistet haben.» Er schüttelt den Kopf. «Was für Mädchenhände.»
«Nein, es ist nur, ich habe mich eben gestoßen. Weil … Sie haben mich erschreckt.» Meine Fingerknöchel brennen wie Feuer.
«Und was ist jetzt mit Mr. Blakely? Wird er endlich mal herkommen und nach seinem verdammten Gaul sehen?»
Oh Gott, er nennt Noah Mr.  Blakely. In mir bildet sich ein albernes Lachen, das ich Gott sei Dank unterdrücken kann. «Ich hoffe es. Ich hoffe es sehr.»
Sein Kopf wackelt in einem langsamen Nicken auf und ab. «Ebony ist hier in besten Händen, glauben Sie mir. Sie hat sich gut erholt, aber sie braucht mehr Abwechslung. Das ist kein Leben für ein Pferd.»
«Weil sie zu wenig bewegt wird?»
«Weil sie nicht mit den anderen auf die Weide darf. Das Gras macht die Gäule fett und träge, und wir sollen Ebony fit halten, deshalb wird sie regelmäßig bewegt. Aber ansonsten steht sie im Stall. Das muss dein Freund doch wissen.»
Ich beiße mir auf die Lippe, weil ich ganz sicher nichts Privates von Noah ausplaudern will. Aber ich möchte auch nicht, dass Doug ihn in einem schlechten Licht sieht.
«Natürlich weiß er das. Noah hat … er wollte kommen, aber er konnte nicht. Sonst hätte er sich mehr um sie gekümmert», schließe ich lahm.
«Wenn er herkommt, dann will ich auf jeden Fall dabei sein. Auf diesen Tag warte ich seit Wochen, seitdem man sie zu uns in den Stall gebracht hat.»
«Ich kann ihn bitten, Sie anzurufen, wenn es so weit ist.»
Doug nickt und reibt sich mit dem Handrücken über das stachelige Kinn. «Abgemacht.»
Bevor ich mich verabschiede, frage ich Doug, ob ich ein Foto von Ebony machen darf, und als ich mein Handy aus der Tasche hole, sehe ich Noahs Antwort auf meine Frage, ob er Überraschungen mag.
Noah: Hatte heute schon genug verfickte Überraschungen.