2. Veit
Ich traue meinen Augen kaum. Steht da wirklich Thomas vor mir auf der Treppe? Mit Bier und einem verlegenen Lächeln, das mein Herz zum Explodieren bringt. Allerdings wirkt er, als würde er gleich flüchten.
»Das ist ja eine Überraschung«, sage ich mit zittriger Stimme.
Hoffentlich merkt er nicht, wie nervös mich sein Anblick macht. Er ist hier. Thomas steht vor meiner Wohnungstür. Wir haben uns noch nie privat getroffen, obwohl ich oft darüber nachgedacht habe, ihn zu fragen. Eine unverfängliche Verabredung, aber bisher fiel mir einfach kein guter Grund ein. Außerdem habe ich mich davor gefürchtet, dass er mitbekommt, was ich für ihn empfinde.
»Ich dachte, ich nehme spontan dein Angebot an, aber es war wohl keine gute Idee«, entgegnet er, scheinbar enttäuscht. Dass er ausgerechnet heute meinen beiläufig geschriebenen Spruch wahrnimmt, damit habe ich nicht gerechnet.
»Du bist hier«, murmle ich wie ein hirnloser Idiot.
»Es klingt, als wärst du nicht allein. Ich hatte irgendwie nicht darüber nachgedacht, also sollte ich …« Er dreht sich halb weg, aber ich kann auf keinen Fall zulassen, dass er geht.
»Halt, warte!«, rufe ich und hoffe er hört nicht, wie aufgeregt ich bin. »Ich habe zwar Besuch, aber du störst nicht. Ganz im Gegenteil. Ich freue mich wirklich, dich zu sehen. Komm doch bitte rein.« Am liebsten würde nach seiner Jacke greifen und ihn hineinzerren.
Sein Zögern bringt mich um den Verstand. Ich will nicht, dass er es sich anders überlegt. So eine Gelegenheit bekomme ich vermutlich nicht noch einmal.
»Mensch Veit, wirst du die Zeugen Jehovas
wieder nicht los?« Dennis kommt zur Tür und legt demonstrativ einen Arm um meine Schulter. »Willst du mit uns über Homosexualität sprechen? Du bist allerdings echt heiß. Vielleicht steht dir ja eher der Sinn nach einer unvergleichlichen Erfahrung zu dritt?«
Entsetzt starre ich Dennis an. Das hat er jetzt bitte nicht gesagt. Ich trau mich nicht, Thomas anzusehen.
»Das ist mein Arbeitskollege«, flüstere ich, bevor er noch weitere obszöne Angebote macht.
»Oh, der Arbeitskollege
.« Dennis betont jede Silbe und grinst wissend.
Er zieht mich zu gern mit meiner Schwärmerei für Thomas auf. Ich weiß, dass sie albern ist und mich schon viel zu lange gefangen hält, aber ich bin mir sicher, dass dieser Mann … unter anderen Umständen … Also, er wäre mein Mister Right, trotz des kleinen Makels, dass er nicht schwul ist und in mir nicht mehr als einen Mitarbeiter sieht.
Vielleicht ist es doch besser, wenn Thomas geht, bevor Dennis irgendwelche peinlichen Details meiner Verliebtheit preisgibt. Ich glaube, ich könnte nie wieder normal mit ihm zusammenarbeiten, sollte er erfahren, dass ich schon seit Jahren in ihn verknallt bin. Wir sind ein super Team. Er hat mich nie wie einen Anfänger behandelt, sondern mir selbst im ersten Lehrjahr das Gefühl gegeben, dass ihm meine Meinung und Ideen wichtig sind.
»Und Bier hat er auch mitgebracht«, ruft Dennis in die schrecklich peinliche Stille und klatscht affektiert in die Hände. »Da steht einer kleinen Party ja nichts im Wege. Weshalb befinden wir uns alle noch im Hausflur? Es wird kalt, kommt endlich rein.«
Dennis benimmt sich, als würde er hier wohnen. Er schiebt mich in den Flur und winkt dann Thomas theatralisch heran.
»Er ist hetero«, murmle ich und ziehe verärgert die Augenbrauen zusammen. »Spiel hier nicht die Supertunte.«
»Oh Liebling, hast du Angst, dass ich dich blamiere?«, fragt er viel zu laut und lässt seine Stimme furchtbar nasal klingen. Er knickt sogar das Handgelenk ab.
»Störe ich wirklich nicht?«, erkundigt sich Thomas, während er Dennis von oben bis unten aufmerksam mustert.
»Nein, er freut sich«, antwortet Dennis, bevor ich reagieren kann. »Beachte die Tunte einfach nicht.«
»Genau, wenn sie sich nicht benimmt, fliegt sie raus.« Ich werfe Dennis einen grimmigen Blick zu.
»Ich will keinen Streit provozieren«, meint Thomas sichtlich unbehaglich. »Es war nur eine spontane Idee. Ich hätte dich vorher einfach anschreiben sollen. Tut mir leid.«
»Alles gut«, behaupte ich eilig und schenke ihm ein breites Lächeln. »Willkommen in meiner kleinen Wohnung.«
»Darling, wir streiten uns doch nie«, raunt Dennis spöttisch und drückt mir einen schmatzenden Kuss auf die Wange.
Ich verpasse ihm im Gegenzug eine Kopfnuss und scheuche ihn aus dem Flur zurück in die Küche.
Thomas fummelt zögerlich am Reißverschluss seiner Jacke. Er scheint immer noch unsicher zu sein, ob er bleiben oder gehen soll. Ich habe Mühe, meine Aufregung unter Kontrolle zu halten.
»Wir sind gerade mit den letzten Vorbereitungen für morgen beschäftigt«, plappere ich in die bedrückende Stille. »Dennis hat sich in den Kopf gesetzt, unbedingt einen Kuchen in Form einer Aidsschleife zu backen. Dabei sind wir beide absolute Backnieten. In meiner Küche herrscht schreckliches Chaos, aber wir sind fast fertig. Du bist somit der erste, der unser Kunstwerk begutachten darf.« Ich halte inne und ziehe die Unterlippe verschämt zwischen die Zähne.
Wenigstens lächelt Thomas, während er die Schuhe von den Füßen streift.
»Morgen ist Weltaidstag, oder?«
»Der Kandidat bekommt einhundert Punkte«, schallt es aus der Küche. »Veit, die Scheißglasur läuft weg. Hilf mir!«
»Komm mit«, rufe ich alarmiert und greife impulsiv nach Thomas‘ Hand, um ihn in die Küche zu ziehen. Im nächsten Augenblick verharre ich und starre entsetzt auf meine Finger. Sie umschließen tatsächlich Thomas‘.
Ein unglaubliches Prickeln rast über meine Haut. Es ist wie ein Stromschlag. Sämtlichen Nervenenden explodieren gleichzeitig. Ich bekomme sogar eine Gänsehaut. Erschrocken sehe ich Thomas an, der ebenso verwirrt zu sein scheint. Mit einer genuschelten Entschuldigung ziehe ich meine Hand zurück. Meine Wangen beginnen, vor Verlegenheit zu brennen. Ich hasse diese Reaktion, denn die leuchtendrote Schattierung beißt sich auf fiese Weise mit meinem Haar.
Er ist hetero und verheiratet, auch wenn seine Frau ihn verlassen hat. Eigentlich fand ich sie bei den Firmenfeiern nett, aber jetzt erscheint sie mir wie ein fieses Luder. Natürlich kenne ich nicht alle Einzelheiten. Thomas so müde und verloren zu sehen, bricht mir echt das Herz. Wie gern würde ich ihn trösten, aber das, was meine Fantasie mir dabei vorgaukelt, sollte ich ganz schnell wieder
vergessen. Am Ende läuft er schreiend davon, verprügelt mich oder sorgt dafür, dass ich meinen Job verliere.
Es besteht somit kein Grund, irgendetwas in seinen Besuch zu interpretieren, abgesehen von der Tatsache, dass er sich allein fühlt. Das ist alles.
Thomas folgt mir in die Küche, die einem wahren Schlachtfeld gleicht. Zwei Backanfänger, die von den Grundlagen keine Ahnung haben und gleich einen Kuchentraum kreieren wollen. Das kann ja nur im Chaos enden. Es ist schon verwunderlich, dass wir die Küche nicht in Brand gesetzt haben.
»Himmel«, sagt Thomas und bleibt wie erstarrt im Türrahmen stehen.
»Keine blöden Kommentare«, ruft Dennis, der es geschafft hat, sich die rote Glasur in die Haare zu schmieren. Da sie platinblond gefärbt sind, sieht er jetzt wie eine Zuckerstange aus.
Thomas hebt abwehrend die Hände, kann sich ein Lachen jedoch nicht verkneifen. Der finstere Blick, mit dem Dennis ihn ansieht, scheint ihn nicht abzuschrecken.
»Wie seid ihr denn auf die Idee gekommen, so einen Kuchen zu backen?«, erkundigt er sich und kommt vorsichtig näher.
»Ich habe gelesen, dass solche Schleife in einem Café zum Weltaidstag angeboten wird. In Berlin oder so. Also dachte ich, dass wir das auch hinbekommen können.«
»Und ich hatte keine Chance, ihm die Idee auszureden«, füge ich mit einem tiefen Seufzen hinzu.
»Wir haben es doch geschafft. Die Schleife sieht gut aus, oder Thomas?«
»Nur, dass ich am Montag meine Küche renovieren muss«, grummle ich und versuche, nicht über das Chaos nachzudenken.
Thomas sagt nichts dazu. Sein Blick ruht derart intensiv auf mir, dass ich immer noch diese winzigen Stromstöße fühlen kann. Womöglich ist es eine schlechte Idee, dass wir uns privat treffen. Ich bin ihm schon jetzt restlos verfallen. Er wird mir das Herz brechen und es nicht einmal bemerken.
Wie ein gefallener, viel zu trauriger Engel lehnt er im Türrahmen. Ich weiß nicht, wie diese Frau sich von ihm trennen konnte. Thomas ist dermaßen attraktiv und sexy, dass mein Kopfkino regelrecht
durchdreht.
Manchmal weiß ich gar nicht, wie ich die Arbeitszeit überstehe. Einige Male musste ich schon auf der Toilette Druck abbauen, was an Peinlichkeit kaum zu übertreffen ist. Seine Nähe bringt mich total um den Verstand.
»Hast du überhaupt eine Ahnung von HIV?«, erkundigt sich Dennis schließlich und lenkt meine Aufmerksamkeit weg von den erregenden Gedanken.
Fehlt nur noch, dass ich eine Latte bekomme. In der Jogginghose wäre sie nicht zu übersehen und Dennis würde mich für den Rest meines Lebens damit aufziehen.
»Sag ja«, flüstere ich Thomas flehend zu. »Und nicke ganz heftig.«
Verwirrt schaut er mich an, dann nickt er, aber es sieht leider keineswegs überzeugend aus. Natürlich erkennt Dennis‘ raubtierhaftes Wesen sofort, dass Thomas lügt. Er macht ein zweifelndes, missmutiges Geräusch und zeigt mit dem Pinsel auf Thomas, während dicke rote Tropfen Zuckerguss auf die Arbeitsplatte fallen.
»Es gibt in deiner Gruppe einen gewissen Anstieg an Neuinfektionen«, teilt er ernst mit.
»Meine Gruppe?«
»Ältere Heterokerle«, präzisiert mein ehemals bester Freund mit einem breiten Grinsen.
Ich möchte bitte sterben. Wie kann er so einen Scheiß sagen?
»Hm, darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Der ältere Heterokerl hat sich nämlich bis vor kurzem in einer Ehe befunden.«
»Eine Ehe bedeutet nicht viel. Hast du dich schon mal testen lassen?«
»Bisher gab es keinen Anlass dafür, denn ich bin nicht fremdgegangen.«
»Das monogame Leben ist ja nun vorbei. Immerhin kann man behaupten, dass du dich für dein Alter gut gehalten hast.«
»Mann, Dennis!«, rufe ich genervt dazwischen. »Musst du dich immer wie ein Arschloch aufführen?«
»Es ist okay«, behauptet Thomas und lächelt mich unsicher an. Gott, er sieht so süß aus, dass ich ihn an liebsten in den Arm nehmen möchte.
»Nein, das ist es überhaupt nicht. Du musst dich hier vor niemanden rechtfertigen. Dennis macht ständig so ein Theater, dabei ist er es doch, der durch sämtliche Betten tobt.«
»Ich weiß, was Safer Sex 3.0 bedeutet und habe selbst den passenden Schutz gefunden, um kein unnötiges Risiko einzugehen. Er hat aber keine Ahnung.«
»Abgesehen von dem Tripper, den du dir Anfang des Jahres eingefangen hast«, gifte ich ihn an.
»Tja, so was kann schon mal passieren. Ich wette er weiß nicht mal, wie man ein Gummi richtig benutzt.« Dennis verschränkt die Arme vor der Brust und schaut mich grimmig an.
Ich will mich nicht mit ihm streiten, aber er darf Thomas nicht so blöd anmachen. Immerhin weiß Dennis doch genau, was dieser Mann mir bedeutet.
»Ich hätte wirklich nicht einfach so in eure Samstagabendbeschäftigung reinplatzen sollen«, meint Thomas und streicht sich verlegen über den Kopf. »Das war absolut unüberlegt von mir. Tut mir leid, Jungs.« Er dreht sich um und mir rutscht das Herz in die Hose. Verdammt!
Zum Glück wendete er sich wieder in unsere Richtung. »Aber du hast Recht, Dennis. Ich habe mich seit einer Ewigkeit nicht mehr mit HIV oder Aids beschäftigt. Ich weiß auch nicht, was Safer Sex 3.0 bedeutet und ein Gummi hatte ich seit Jahren nicht mehr in der Hand.«
Seine Offenheit berührt mein Herz. Dennis pfeift anerkennend, obwohl er die Situation damit nicht besser macht.
»Deine Ehrlichkeit beeindruckt mich. Wenn du mehr wissen willst, kannst du dich jederzeit vertrauensvoll an mich wenden.«
»Besser nicht«, grummle ich, obwohl Dennis großartige Aufklärungsarbeit leistet. Im Moment möchte ich ihn einfach nur zum Mond schießen.
»Bitte geh nicht«, wende ich mich an Thomas. »Du hast doch Bier mitgebracht und Dennis hat meine Gastfreundschaft ohnehin schon überstrapaziert.«
»Sei keine Dramaqueen, Veit«, grummelt Dennis und setzt eine beleidigte Miene auf. »Du kannst mich nicht einfach rausschmeißen.«
Er ist mein bester Freund. Ich liebe ihn, aber im Moment weiß ich nicht, wie ich mich verhalten soll. Ich bin hin und her gerissen und ziemlich irritiert.
Thomas presst die Lippen zusammen. Die beiden starren sich an, als wären sie Gegner in irgendeinem Spiel. Ich bin mir nicht sicher, worin sich dieser Konkurrenzkampf begründet.
»Hier an der Seite fehlt noch was von der roten Glasur«, meint Thomas und geht einige Schritte in die Küche hinein. »Sieht nicht schön aus.«
»Mach doch selbst«, fordert Dennis ihn auf und hält ihm den Pinsel entgegen.
Ohne zu zögern ergreift Thomas ihn und beginnt, die freie Stelle mit der klebrigen Masse zu bedecken. Als er damit fertig ist, streicht er sich mit einer Hand über die Stirn, was einen breiten roten Zuckerstrich zur Folge hat. Mein Schwanz ist ganz angetan von der Vorstellung, wie ich über die süße Masse lecke.
Dennis fängt an zu grinsen. Fragend sieht Thomas mich an. Ich schlucke schwer und deute auf seine Stirn.
»Du hast dich angemalt«, erkläre ich mit viel zu rauer Stimme.
Dennis‘ Grinsen wird noch breiter.
»Wenn das eine Aidsschleife werden sollte, dann bist du echt ungeschickt«, meint er glucksend, taucht einen Finger in die rote Glasur und zeichnet eine Schleife auf Thomas‘ Wange. »Perfekt.«
Ich befürchte, dass Dennis ihn nun endgültig vertrieben hat. Thomas legt den Pinsel bedächtig zur Seite, versenkt ebenfalls einen Finger in der Schüssel und verpasst Dennis ein Kunstwerk auf die Wange.
»Eine Schleife kann ich auch malen«, sagt er mit einem teuflischen Grinsen.
»Hey, nicht schlecht …« Dennis fängt haltlos zu lachen an.
Nach einem kurzen verwirrten Moment stimmen wir ein. Es ist, als würde sich die schwere und unangenehme Stimmung in Luft auflösen.
»Der Kuchen ist jetzt fertig«, verkünde ich. »Und das hier artet auf keinen Fall in eine Essenschlacht aus. Also wascht euch den Zucker vom Gesicht und lasst uns ins Wohnzimmer gehen.«
Vorsichtshalber nehme ich die Schüssel mit der restlichen Glasur
vom Tisch, spüle sie gleich mit lauwarmem Wasser aus und stelle sie anschließend in die Spülmaschine. Danach reiche ich jedem ein Küchentuch, damit sie sich saubermachen können. Ich habe jedoch nicht damit gerechnet, dass sie sich dabei helfen.
Ich beobachte die beiden, wie sie sich gegenseitig im Gesicht herumwischen. Mein Herz beginnt heftig zu schlagen. Gegen den Anflug von Eifersucht kann ich nichts machen, deshalb drehe ich mich schnell weg und fang an, die eingesauten Backutensilien abzuwaschen. Ich weiß, dass es nichts zu bedeuten hat, aber Dennis ist ihm gerade näher, als ich es in all den Jahren geschafft habe.
»Ich schätze, wir müssen ins Bad. So wird das nichts. Das Zeug klebt wie die Pest.« Dennis zieht Thomas hinter sich her.
Ich bleibe allein mit meinen verdammten Zweifeln zurück und frage mich, ob er es fertigbringt, Thomas im Badezimmer anzumachen. Im Gegensatz zu mir hat Dennis keine Hemmungen. Für ihn steht, abgesehen von einer Abfuhr, nichts auf dem Spiel. Entsetzt schließe ich die Augen und verfluche meine überschäumende Fantasie. Das eifersüchtige Gefühl ist absolut albern. Trotzdem zwickt es wie verrückt in meinem Bauch.
»Mann, ich hatte das Zeug ja sogar in den Haaren«, schimpft Dennis wenige Augenblicke später. »Du bist ein ganz mieser Freund, dass du mich so rumlaufen lässt.«
»Du doch auch«, grummle ich. »Das hast du verdient. Sogar diesen rosaroten Schimmer, der wie Zuckerwatte aussieht. Wo ist Thomas?«
»Auf dem Klo. Ich habe ihn ganz gentlemanlike
allein gelassen, obwohl ich ihm zur Hand gehen wollte. Er hat jedoch dankend abgelehnt.«
»Arschloch«, knurre ich.
»Deine Eifersucht ist süß, aber unbegründet. Allerdings habe ich den Eindruck, dass du weniger zurückhaltend sein musst. Er wirkt, als wäre er nicht abgeneigt, wenn du ihm zur Hand gehst.«
»Er ist mit einer Frau verheiratet.«
»Aber sie ist ja nun weg und er ist hier. Bei dir ... und er ist eifersüchtig auf mich.«
»Das bildest du dir nur ein. Ich meine, ja, er ist hergekommen, nur nicht ...«
»Um zu kommen? Ich glaube, dass ihm das ziemlich gut gefallen
würde. Wer weiß, wann er den letzten guten Orgasmus hatte. Du könntest ...«
»Nein«, unterbreche ich ihn, während mein Kopfkino mir verflucht heiße Bilder vorgaukelt. »Hör auf damit. So etwas wird zwischen uns einfach nie passieren.«
»Ich habe Hunger«, jammert Dennis.
Der plötzliche Themenwechsel liegt an Thomas‘ Auftauchen in der Küche.
»Aber ich brauche dringend etwas Deftiges. Ich habe bestimmt schon einen Zuckerschock von all dem süßen Kram.«
»Deshalb bist du vermutlich so unausstehlich.« Ich werfe mit dem Abwaschlappen nach ihm, aber Dennis fängt ihn problemlos auf.
»Wie wäre es mit Pizza?«, fragt Thomas. »Ich lade euch ein, weil ich den Abend durcheinandergebracht habe.«
»Das hast du überhaupt nicht«, erwidere ich eilig und stupse Dennis in die Seite, damit er es ebenfalls verneint.
»Doch, klar hast du das«, widerspricht er.
Ich verdrehe genervt die Augen.
»Es ist absolut angemessen, dass du Veit eine Pizza spendierst. Ich mache mich vom Acker. Ich habe nämlich noch ein Date. Das bedeutet jede Menge williges Fleisch und Proteine.«
Während ich erneut rot werde, schaut Thomas verwirrt zwischen uns hin und her.
»Ich dachte, ihr seid ein Paar.«
»Natürlich sind wir das.« Dennis kommt auf mich zu und drückt mir einen dicken Schmatzer auf den Mund. »Hast du noch nie was von offenen Beziehungen gehört? Das ist tausendmal ehrlicher als der monogame Scheiß, den sich die meisten Heten antun.« Er zwinkert Thomas zu und geht an ihm vorbei.
»Fuck«, knurre ich und schüttle genervt den Kopf. »Er verarscht dich nur. Wir sind …« Ich erhebe meine Stimme, sodass sie bis in den Flur schallt. »Wir sind keinesfalls ein Paar und nach diesem Mist überlege ich mir, ob wir überhaupt noch befreundet sind.«
Dennis lacht und erscheint wenige Sekunden später im Türrahmen. Er hat seine dicke, weiße Jacke an, in der er wie ein süßer Schneemann aussieht. Auf dem Kopf trägt er die alberne Weihnachtsmütze, die er letzte Woche bei unserer furchtbar
peinlichen Shoppingtour gekauft hat.
Nur mit Mühe konnte ich ihn überzeugen, dass wir keinesfalls Anzüge mit Zuckerstangen und Wichteln kaufen werden. Sein Argument, dass wir verdammt heiß damit aussehen, habe ich abgeschmettert. Gegen die Pullover mit dem albernen Rentierkopf konnte ich mich jedoch nicht wehren. Für die heutige Aktion sollte ich das Teil sofort in den Müll werfen. Fick dich, heilige Weihnachtstradition.
Ich bin so wütend und konfus, dass ich mir einen Moment wünsche, sie würden beide verschwinden.
»Ich hole dich morgen kurz vor eins ab«, sagt Dennis und drückt mir einen weiteren Kuss auf die Lippen.
Ich weiß, dass es keine erneute Provokation ist, aber gerade fühlt es sich total falsch und unangenehm an.
»Und du …« Er zeigt auf Thomas.
Mir rutscht das Herz in die Hose. Wieso kann er nicht einfach verschwinden?
»Du solltest in die Gänge kommen, bevor es zu spät ist. Also, mach dich locker.«
Ehe Thomas begreift was geschieht, bekommt er ebenfalls einen Kuss. Zum Glück nur auf die Wange.
Schweigend sehen wir zu, wie Dennis aus unserem Blickfeld verschwindet. Kurz darauf fällt die Wohnungstür ins Schloss. Mein Herz beginnt, wild in der Brust zu donnern. Ich kann jetzt auf keinen Fall mit Thomas allein sein.