Willow
Ich kratzte verzweifelt über den Stein und versuchte, ihn zu durchstoßen. Meine Nägel schabten an der Oberfläche und Blut tropfte auf das Siegel, als ich mich zum Rand bewegte und mich bereit machte, meine Hände darauf zu legen.
»Nein!«, rief Gray und sprang auf mich zu. Er schlang seine Arme um meine Taille und riss mich von dem Siegel zurück, während ich mich in seinem Griff wand. Mein Blut sickerte aus der Wunde, die nicht heilen wollte, und floss unaufhörlich über meine Seite.
Gray hielt mich immer noch fest, als er mich auf dem Boden des Tribunalraums auf den Bauch legte. »Lass mich los!«, schrie ich und strampelte, um mich zu befreien. Selbst jetzt fühlte sich mein Körper so verdammt müde an, dass es mich jedes Quäntchen Energie kostete. Nur das Adrenalin hielt mich aufrecht, denn die Quelle weigerte sich, mich loszulassen.
»Du nützt ihr nichts, wenn du tot bist!«, schrie er und drehte mich auf den Rücken. Er hob sein Handgelenk zu seinem Mund und riss sich mit stumpfen, menschenähnlichen Zähnen die Haut auf. Ich zuckte zusammen, als sich sein Fleisch löste, aufklaffte und Blut auf mein Gesicht tropfte.
Er presste sein Handgelenk mit solcher Wucht an meinen Mund und gegen meine Zähne, dass ich spürte, wie meine Lippe aufplatzte. Ich schüttelte den Kopf hin und her und verweigerte sein Blut.
Trotzdem drückte er den Arm an meinen Mund und zwang meine Lippen, sich zu öffnen. Sein Blut glitt zwischen meinen Zähnen hindurch und der Geschmack von ihm war so köstlich wie immer. Er explodierte auf meiner Zunge und schmeckte wie reine, unverdünnte Magie. Es war die Quelle, die durch ihn floss, der Geschmack von Leben und Tod, die in ihm existierten.
Ich packte seinen Arm und zog ihn näher zu mir heran, während das Blut meine Kehle hinunterfloss. Ich konnte nicht aufhören, ich war völlig entrückt von der Magie, die mich erfrischte und stärkte. Ich wusste, dass ich von ihm trinken würde, bis er nichts mehr zu geben hatte.
Ich nahm vage Stimmen wahr, als Gray mit jemandem sprach, und der tiefe Tenor des anderen Mannes kam mir bekannt vor. Ich machte mir nicht die Mühe, mich umzusehen, während ich trank. Wärme flutete durch meine Seite aus, als der Schaden durch das Messer endlich heilte.
Das Knochenmesser, das ich immer noch fest in einer Hand hielt.
»Kleine Hexe«, sagte Gray und strich mir schließlich über die Wange. Er versuchte, sein Handgelenk von meinem Mund wegzuziehen, aber ich hielt ihn fest und versenkte meine Zähne in seiner Haut, um meine Ablehnung deutlich zu machen.
Er lachte leise, als ein anderer Mann kam und seinen Arm aus meinem Griff befreite. Gray riss sich los und ich sah schwer atmend zu, wie er auf seinem Hintern landete. Er umklammerte seinen Arm, die Wunde heilte langsamer, als sie sollte.
Leviathan half mir, mich aufzusetzen, und richtete meinen Rücken mit einer sanften, brüderlichen Berührung auf.
Mein Blick fiel sofort auf das Siegel. Ein erstickter Schluchzer blieb mir in der Kehle stecken, als mir klar wurde, dass ich Della und Nova sagen musste, dass Iban tot war und Margot …
Scheiße .
»Sieh mich an«, sagte Gray und sein Gesicht füllte mein Blickfeld aus. Er stellte sich zwischen mich und das Siegel und umfasste meine Wangen. »Beelzebub wird niemals zulassen, dass ihr etwas passiert. Hast du mich verstanden?«
Ich nickte und klammerte mich mit allem, was ich hatte, an diesen Gedanken. Ich kannte Beelzebub nicht gut genug, um zu wissen, ob er ein Verbündeter oder ein Feind sein würde. Aber ich wusste, dass die Art, wie er Margot immer angesehen hatte, für den Moment als Gewissheit ausreichen musste.
»Sie ist für ihn, was du für mich bist, Liebes«, erklärte Gray und lehnte seine Stirn gegen meine. »Wir werden sie zurückholen, sobald wir können.«
»Das werden wir müssen. Wir werden sie brauchen, wenn der Preis dafür, dass du auf dieser Ebene sein kannst, über uns hereinbricht«, erwiderte ich und ließ den Kopf hängen. Charlotte hatte gesagt, er wisse nicht, wie hoch sein Preis sein würde – und ich glaubte ihr, so wie er mich ansah.
»Wovon redest du?«, fragte Gray.
»Die Jungfrau. Die Mutter. Das alte Weib«, gab ich zurück und bemerkte, wie Grays Gesicht bleich wurde. Er tauschte einen Blick mit Leviathan, dessen Augen weit aufgerissen waren. Schließlich sah er mich wieder an. »Wir haben das Gleichgewicht gestört, als wir dich hierherbrachten, und unsere Tochter wird es wiedergutmachen.«
»Charlotte war das alte Weib«, warf Leviathan ein und ihm dämmerte die Erkenntnis, während Gray mich anstarrte.
»Und du bist die Mutter«, sagte mein Mann und ließ seine Hand auf die Wunde an meinem Bauch sinken.
»Noch nicht, aber ich werde es sein«, gab ich zu.
Gray schüttelte den Kopf, er wollte sofort widersprechen. »Das ändert nichts. Wenn du keine Kinder willst, werden wir keine haben. So einfach ist das«, sagte er, stand auf und hob mich in seine Arme. Er erreichte gerade die Türen des Tribunalraums, als der Coven eintrat.
Leviathan winkte uns weg und signalisierte, dass er sich vorerst um die Hexen kümmern würde.
»Aber das Gleichgewicht«, argumentierte ich.
»Scheiß auf das Gleichgewicht. Eher sehe ich zu, wie die Welt brennt, als dass ich zulasse, dass sie dich zu etwas zwingt, was du nicht willst«, erwiderte er. Grays Worte drangen in mich ein und beruhigten die ausgefransten Ränder meiner Seele. Heute Abend würde ich um die Freunde trauern, die ich verloren hatte.
Morgen würde ich einen Weg finden, um weiterzumachen.