3.3 Ist-Aufnahme und Potenziale
Ida Burchhardt beleuchtet mit Heinrich Schmidt die momentane Situation im Projektmanagement der AIRBI GmbH.
Einige erfahrene Mitarbeiter wurden eingestellt, die das Projektmanagement-Handwerk beherrschen. Das ist eine gute Basis, um das Projekt Flughafenbau professionell zu steuern. Bislang wurden jedoch weder Prozessstandards noch Werkzeuge festgelegt, und der Aufbau des Projektmanagement-Office (PMO) war bis dato auch nur eine Absichtserklärung.
Ida Burchhardt schlägt eine strukturierte Analyse der Ausgangssituation vor. Beispielsweise könnte eine Standortbestimmung im Projektmanagement anhand von Reifegradmodellen durchgeführt werden. Ein prominenter Vertreter ist das Capability Maturity Model Integrated (CMMI, vergleiche auch http://cmmiinstitute.com), das seinen Ursprung in der Beurteilung der Reife von Software-Entwicklungsprozessen hat und heute für verschiedenste Managementprozesse angewendet werden kann.
Zusätzlich macht Ida Burchhardt auch noch einmal deutlich, dass es beim Flughafenbau nicht nur um die Beurteilung des Projektmanagements eines einzelnen Projekts geht, wie es die Öffentlichkeit gern wahrnimmt, sondern eher um den Reifegrad in der Disziplin »Beherrschen einer ganzen Projektlandschaft« (Programm-/Multiprojektmanagement).
Zudem werden die Mitarbeiter und Interessengruppen im Projektumfeld nach und nach bestimmt viele tolle Ideen haben, den Flughafenbau sowie später den Betrieb noch besser zu machen. Diese wollen beurteilt und in bestehende oder zukünftige Projekte integriert werden, um deren Potenzial überhaupt nutzen zu können (Projektportfoliomanagement).
Und zu guter Letzt erinnert sie auch noch daran, nicht nur auf das erfahrene Personal und das Werkzeug zu schauen, sondern den Aufbau einer ganzen Projektmanagement-Kultur mit mehreren Dimensionen im Blick zu haben.
Multiprojekt-, Programm- und Projektportfoliomanagement
Während man die gleichzeitige Planung und übergreifende Steuerung mehrerer Projekte allgemein als Multiprojektmanagement bezeichnet, ist beim Programmmanagement die übergreifende Steuerung inhaltlich zusammenhängender Projekte gemeint. Beim Flughafenbau kann man deshalb mit Recht von einem Programm sprechen.
Mit Projektportfoliomanagement ist das ganzheitliche Management eines Projektportfolios im Rahmen der Frage »Machen wir die richtigen Projekte und Programme?« gemeint. Dazu gehören neben der Steuerung der parallel laufenden Projekte auch die Bewertung von Ideen und die strategische Einplanung neuer Vorhaben.
Heinrich Schmidt ist sprachlos. Er soll das Unternehmen erst einmal einem langwierigen Reifegradprozess unterziehen, und das noch über mehrere Dimensionen? Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit einer Roadmap, damit kann er sich jetzt nicht aufhalten. Er muss kurzfristig einen Rahmenplan für das Gesamtvorhaben Flughafenbau vorlegen und einen Fertigstellungstermin nennen.
Ida Burchhardt beruhigt ihn und möchte eher pragmatisch vorgehen. Sie vereinfacht die Reifegradstufen des CMMI und formuliert abweichend folgende Stufen bzw. Level:
- Level 1 – Initiative: Ideen sind vorhanden, Einzelne preschen vor.
- Level 2 – Übungsphase: gute Absichten, erste Standardisierung erkennbar
- Level 3 – Standards: Standards sind kommuniziert und akzeptiert.
- Level 4 – Messbarkeit: messbare Verbesserungen feststellbar
- Level 5 – kontinuierliche Verbesserung: Optimierung der Standards
Sie konfrontiert Heinrich Schmidt mit einer Matrix und fragt ihn, wie er die Situation der Flughafenplanungsgesellschaft in je wenigen Stichworten in den Disziplinen Projekt-, Programm- und Projektportfoliomanagement im Hinblick auf die aktuelle Kultur, die Fähigkeiten der Mitarbeiter, die Prozesse, die Instrumente/Systeme (Werkzeuge) und die bestehenden organisatorischen Strukturen einschätzt.
Heinrich Schmidt formuliert kurz und präzise seine Gedanken. Ida Burchhardt schätzt auf Basis ihrer Erfahrungen den jeweils »gefühlten« Reifegrad und markiert den entsprechenden Level in den einzelnen Elementen der Matrix. Gemeinsam schauen sie auf das Ergebnis:
Heinrich Schmidt schüttelt den Kopf und meint, genauso schlau wie vor der Analyse zu sein. Das Fehlen von Prozess- und Werkzeugstandards hatte er ja schon zu Beginn festgestellt. Ida Burchhardt teilt seine Meinung nicht ganz. Denn durch die erarbeitete Matrix wissen beide, auf welchen Feldern Ziele, Anforderungen und Maßnahmen zu definieren sein werden, um die zuvor formulierte Vision wahr werden zu lassen.
Beispielsweise kann eine konsequente Ausrichtung des Projektcontrollings auf die Qualität der Ergebnisse von Teilprojekten (neben Zeit- und Kostenfaktoren) als Teil des Ganzen (und damit auch als Input für abhängige Projekte) zu einer spürbaren Programmmanagement-Kultur beitragen. Die Mitarbeiter sollten auf die projektübergreifende Denkweise durch Trainings ausgerichtet werden. Regelmäßige übergreifende Statusmeetings werden auf unterschiedlichen Ebenen einzurichten sein, um die Schnittstellen zwischen Teilprojekten in den Griff zu bekommen (Prozesse zur Programmsteuerung). Und es muss ein Werkzeug gefunden werden, mit dem man kurzfristig den Rahmen des Gesamtprojekts darstellen und später das gesamte Programm beherrschbar machen kann, ganz zu schweigen von der Integration neuer Ideen. Das PMO muss natürlich vermitteln können, wie das Werkzeug funktioniert, und zur Informationsdrehscheibe ausgebaut werden.
Und so sprühen die Gedanken der beiden auf Basis weniger Stichworte, und sie merken gar nicht, dass sie schon bei der Formulierung einzelner Ziele sind. Diese werden wir im nächsten Abschnitt skizzieren, uns dabei aber auf die Dimension »Instrumente/Systeme« der oben skizzierten Matrix und damit auf das Projektmanagement-Werkzeug konzentrieren.