3.5    Benötigte Prozesse und Systeme festlegen

Obgleich wir uns in dem vorangegangenen Kapitel bei der Formulierung von strategischen Zielen auf die Instrumente/Systeme und damit das Projektmanagement-Werkzeug beschränkt haben, sei an dieser Stelle erwähnt, dass bei der Formulierung dieser Ziele und Funktionsanforderungen die dazugehörigen Prozesse immer eine Rolle spielen. Ein Projektmanagement-Werkzeug ist nun einmal Mittel zum Zweck.

Heinrich Schmidt und Ida Burchhardt nehmen deshalb die oben formulierten Ziele im Hinblick auf ihre Konsequenzen auf Prozesse und Systeme (Projektmanagement-Werkzeug) genauer unter die Lupe. In den folgenden Tabellen finden Sie beispielhaft für die oben formulierten Ziele den groben Bedarf an zu etablierenden oder zu optimierenden Prozessen und die notwendigen Systemeigenschaften.

Ziel 1: ein (einziges) Werkzeug für das Projekt-, Programm- und Projektportfoliomanagement und Ausbau der Funktionalität über die Zeit

Prozesse (Beispiele) Systemeigenschaften (Beispiele)
  • Projektmanagement-Prozess, basierend auf einem allgemein für das Unternehmen gültigen Vorgehensmodell und entsprechenden Teilprozessen, z.B. Planungsprozessen, Steuerungsprozessen, Änderungsmanagement und vielem mehr
  • Programmmanagement-Prozesse zur Steuerung des Gesamtvorhabens,
    z.B. der Teilprozess »Projektübergreifendes Ressourcenmanagement«
  • Projektportfoliomanagement-Prozesse, z.B. Ideenbewertung, Portfolioplanung, Portfoliosteuerung
  • umfassendes System, das grundsätzlich Funktionen für alle drei Disziplinen (Projekt-, Programm-/Multiprojekt- und Projektportfoliomanagement) bereitstellt
  • Die Systemnutzung soll über die Zeit ausgebaut werden können, das heißt, man muss zunächst mit der Unterstützung der zu definierenden Projektmanagement-Prozesse starten können und kann später Funktionen zum Programm- und Portfoliomanagement ohne größeren Anpassungs- und Migrationsaufwand ergänzen.

Tabelle 3.1    Bedarf Prozesse und Systemeigenschaften für Ziel 1

Ziel 2: Das Werkzeug erlaubt eine transparente Darstellung des Gesamtvorhabens, u.a. durch Veröffentlichung von Plänen und Statusberichten.

Prozesse (Beispiele) Systemeigenschaften (Beispiele)
  • Stakeholder- und Kommunikationsmanagement
  • Steuerungsprozesse, die hauptsächlich auf regelmäßig zu erstellenden Statusberichten und Statusmeetings basieren
  • Abbildung von Plänen, Teilplänen und der Zusammenhänge zwischen den Teilprojekten
  • Möglichkeit, Pläne und Statusdaten zentral auszuwerten und in individuell gestaltbaren Berichten darzustellen
  • Export von Plan- und Statusinformationen in Formate, die von Zulieferern, vom Controlling und Projektmarketing ohne großen Aufwand weiterverwendet werden können, z.B. Darstellung eines Zeitstrahls in einer Präsentation

Tabelle 3.2    Bedarf Prozesse und Systemeigenschaften für Ziel 2

Ziel 3: Nachhaltiger Einsatz des Werkzeugs und Sicherung der Investition durch Verbindlichkeit: Alle Mitarbeiter nutzen das eine System.

Prozesse (Beispiele) Systemeigenschaften (Beispiele)
  • Bereitstellungsprozesse (Jeder involvierte Mitarbeiter bekommt ohne bürokratischen Aufwand Zugriff entsprechend seiner Berechtigungen.)
  • Unterstützungsprozesse (technischer und fachlicher Support für die Nutzer des Systems)
  • standortübergreifende Zugangsmöglichkeit für alle Mitarbeiter (webbasiertes Werkzeug von Vorteil)
  • langfristiger Support durch den Hersteller und regelmäßige Systemupdates

Tabelle 3.3    Bedarf Prozesse und Systemeigenschaften für Ziel 3

Ziel 4: Akzeptanz des eingesetzten Werkzeugs durch alle Beteiligten im Unternehmen

Prozesse (Beispiele) Systemeigenschaften (Beispiele)
  • Bereitstellungs- und Unterstützungsprozesse (wie zu Ziel 3)
  • Kommunikationsprozesse zum Prozess- und Systemeinsatz (Marketing für Prozessstandards und Werkzeug)
  • Trainings (Präsenzschulungen, gegebenenfalls Web Based Trainings [WBT])
  • intuitive Bedienung
  • Integration in die bestehende Systemlandschaft
  • Hilfesysteme

Tabelle 3.4    Bedarf Prozesse und Systemeigenschaften für Ziel 4

Ziel 5: Effizienz im Hinblick auf den Einsatz von Ressourcen und Finanzmitteln durch eine Abbildung der projektübergreifenden Planung im Werkzeug

Prozesse (Beispiele) Systemeigenschaften (Beispiele)
  • projektindividuelles Ressourcen- und Kostenmanagement
  • projektübergreifendes Ressourcen- und Kostenmanagement
  • Projekt- und Programmcontrolling
  • Transparenz über die projektübergreifende Ressourcenauslastung »auf Knopfdruck«
  • Transparenz über die Kostensituation durch individuelle Berichte unter Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Kontierungselemente, Kostenarten, Kostenstellen etc.
  • Möglichkeit der Gestaltung individueller Berichte als Basis für das Controlling

Tabelle 3.5    Bedarf Prozesse und Systemeigenschaften für Ziel 5

Ziel 6: Aktualität von Informationen für die Projektsteuerung durch eine zentrale Auskunftsbasis

Prozesse (Beispiele) Systemeigenschaften (Beispiele)
  • regelmäßig wiederkehrende Steuerungsprozesse (u.a. durch »Rituale«, z.B. wiederkehrende Meetingformate auf Basis von Systemoutputs)
  • regelmäßige Informationsprozesse
  • datenbankgestütztes System mit optimierten Datenstrukturen für das Reporting
  • Unterscheidung verschiedener Datenstände (Ursprungsplan, genehmigter Ausführungsplan, Forecast-Planung) und bewusste Veröffentlichung von Daten als »aktuell gültig«

Tabelle 3.6    Bedarf Prozesse und Systemeigenschaften für Ziel 6

Mit diesen Gedanken kann es nun an die Werkzeugauswahl gehen. Nach einer kurzen Phase der Marktsichtung stellt das mittlerweile rudimentär geschaffene Projektteam fest, dass Microsoft Project Professional 2016 in Verbindung mit Microsoft Project Server 2016 und den dazugehörigen Basissystemen Microsoft SharePoint 2016 und Microsoft SQL Server die oben beschriebenen Systemeigenschaften abdecken kann. Das Team hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits zielgerichtet informiert und einige Anbieter ihre Tools präsentieren lassen. Sie waren überzeugt, dass die Microsoft-Systeme für die im Moment noch etwas groben Anforderungen einen sehr flexiblen Ansatz und damit alle Möglichkeiten des schrittweisen Ausbaus bieten. Durch die optimale Einbettung in die bestehende Systemlandschaft schien zudem die Schaffung einer breiten Benutzerakzeptanz »ein Kinderspiel« zu sein.

Alternativ zum Einsatz der oben genannten Microsoft-Produkte on premises, das heißt, innerhalb der lokalen IT-Infrastruktur Ihres Unternehmens ist auch der cloudbasierte Einsatz in Form von Microsoft Project Online möglich. Bei Ihren strategischen Überlegungen im Hinblick auf die Technologie ist diese Unterscheidung wichtig. Mit Cloud-Lösungen ersparen Sie sich die Investition von Zeit und Geld in die Bereitstellung der technischen Basissysteme und können Ihr System anhand des tatsächlichen Nutzerverhaltens skalieren. Mehr dazu in den folgenden Kapiteln dieses Buches.

Die Identifikation der Prozesse und eines geeigneten Werkzeugs wäre geschafft! Heinrich Schmidt ist erleichtert. In seinem Kopf wird das Bild von der Zukunft immer klarer. Klar wird ihm vor allem, dass das Ganze mit Investitionen in die Technik verbunden sein wird. Aber diese Investitionen werden sich lohnen, wenn ihm die Öffentlichkeit erst mal ein professionelles Projektmanagement bescheinigen wird!

Heinrich Schmidt erinnert sich jedoch plötzlich daran, dass die oben angesprochenen Prozesse auch durch das Personal mit Leben gefüllt werden müssen. Ida Burchhardt meint, dass sie sich doch auch schon am Anfang der Strategieentwicklung einig waren, dass ein Projektmanagement-Office (PMO) mit Projektassistenzen aufgebaut werden muss, um Prozesse und Werkzeug überhaupt etablieren zu können. Der nächste Schritt ist folgerichtig, über die notwendigen aufbauorganisatorischen Strukturen und die benötigten Fähigkeiten der entsprechenden Mitarbeiter nachzudenken.