Die tief stehende Sonne hinter dem Privatjet strich über dessen schwarzen Lack und warf lange Schatten auf das Rollfeld. Ihre Strahlen blendeten Dana. Sie stand zweihundert Meter entfernt neben einem der Eingänge zum Flughafengebäude. Hier beachtete sie niemand. Kurz vor sechs Uhr abends fühlte sich die Luft auf ihrer Haut immer noch warm und schwül an.
Ein großer Mann ganz in Schwarz trat mit leicht gebeugtem Kopf aus der Tür des Flugzeugs. Routiniert sah er sich um. Ein zweiter folgte. Security. Wie erwartet. Mit prüfenden Blicken in die Landschaft stiegen sie herunter auf den Asphalt. Musterten kurz das Empfangskomitee. Gaben ein Zeichen nach oben. Daraufhin löste sich die Silhouette des Besuchers aus dem Schatten der Türöffnung. Eine mittelgroße, schlanke Figur mit den schlaksigen und doch gespannten Bewegungen eines Langstreckenläufers.
Federnden Schrittes kam er hinab. Seht her, wie viel Energie und Lässigkeit in mir stecken! Im Schlepptau zwei weitere Sicherheitsleute. Dahinter noch vier Personen. Zwei Männer, zwei Frauen. Assistentinnen, Kofferträger.
Bis vor dreieinhalb Jahren galt Douglas Turner als mächtigster Mann der Welt. Nach dem Ende seiner Amtszeit hatte er für sagenhafte achtzig Millionen Dollar Vorschuss seine Memoiren geschrieben (schreiben lassen), war in die Boards einiger Unternehmen eingezogen, hatte seine Stiftung eingerichtet und hielt Vorträge, für die er angeblich bis zu eine halbe Million Dollar kassierte. Jeweils. So wie diesen, für den er nach Athen gekommen war.
Mit dem bekannten Grinsen begrüßte er die Personen am Fuß der Flugzeugtreppe – vier Vertreter der Veranstalter und Hauptsponsoren, dazu persönliche Assistenten der Veranstalter, des Sponsors, zwei hochrangige Politiker und ein leitender Polizist. Meet and greet , genaue Zeitdauer und Orte waren im Vertrag fixiert. Nicht länger als notwendig.
Weitere Polizisten wachten an unauffälligeren Positionen über den Flughafen verstreut. Die meisten davon hatte Dana im Blick.
Die Truppe stieg in eine Stretchlimousine. Security und Entourage folgten in normalen schwarzen Pkw. Umständliche Einreiseformalitäten in den öffentlichen Zonen mit den Passagieren anderer Flüge waren keine vorgesehen. Komplett erspart wurde Turner die Prozedur als Privatperson aber nicht. Dafür würde er in den VIP -Bereich des Flughafens gebracht.
Zu dem Eingang, an dem Dana wartete.
Jahrelang hatten sie auf diesen Moment hingearbeitet. Alles genau vorbereitet. Sie bekamen nur diese eine Chance.
Jetzt durfte sie nicht scheitern. Sich keinen Fehler leisten.
Sie machte sich bereit.
Showdown .
Sanft hielt die Stretchlimousine vor dem Eingang zum Flughafengebäude. Vom Asphalt her strahlte noch die Hitze des Tages. Aus dem Wagen dahinter stiegen wieder zuerst die Sicherheitsmänner. Scannten kurz die Umgebung. Öffneten die Tür der Stretch.
Ein unwürdiges Fahrzeug für Menschen, die Bedeutung demonstrieren sollten und wollten. Wie sie sich mit gebeugtem Kopf und Rücken aus dem zu niedrigen Gefährt winden mussten. Keinerlei Macht und Erhabenheit. Selbst Douglas Turner bekam das nicht elegant hin.
Begleitet von dem Empfangskomitee und seiner Entourage, betrat er das Gebäude. Ein funktionaler Raum: ein paar Stühle und Tische, dahinter zwei Counter. Dazwischen warteten sechs uniformierte Beamte der Einreisebehörde. Der leitende Polizeibeamte vom Flugfeld wies Douglas Turner den Weg.
Niemand achtete auf die sechzehn Polizisten, die bis jetzt an den Wänden gewartet hatten und sich nun unauffällig der Gruppe näherten. Oder auf die Frau, die im Schatten neben dem Eingang gestanden hatte und hinter den Polizisten nun ebenfalls näher kam. Sicherheit für einen so hochrangigen Gast wurde erwartet.
Bis einer der Leibwächter sich misstrauisch umsah. Seine rechte Hand verschwand unter dem Jackett.
»Achtung, Mister President!«
Drei Polizisten stürzten auf den Leibwächter zu, die übrigen nahmen sich die anderen Sicherheitsmänner vor. Sie erwischten den Leibwächter, als er zu der Waffe im Brusthalfter griff. Einer der Polizisten fixierte dessen Arm mit der Waffe, die anderen verdrehten den freien Arm nach hinten und traten gegen seine Beine. Der Arm mit der Waffe schnellte senkrecht in die Höhe. Der Präsident und die anderen Anwesenden duckten sich. Ein ohrenbetäubender Knall ertönte. Aus dem Loch in der Decke rieselte Staub. Die Polizisten rangen den Mann zu Boden, traten auf seine Hand, entrissen ihm die Waffe. Die übrigen Leibwächter lagen bereits, fixiert von je drei Polizisten. Die verbliebenen Uniformierten der Einreisebehörde hatten Turner umringt.
»Douglas Turner?«, fragte jener Polizist, der dem Ex-Präsidenten direkt gegenüberstand. Eine rhetorische Frage, wie Turner gleich feststellen sollte, als sein verdutztes »Was soll …?« von dem uniformierten Gegenüber in tadellosem Englisch unterbrochen wurde: »Ich verhafte Sie im Auftrag des Internationalen Strafgerichtshofs wegen Kriegsverbrechen.«