Die Sonne war untergegangen. Der Himmel strahlte in blassem Abendblau. In einer halben Stunde würde er dunkel sein. Die Busse waren aus dem Gefängnishof verschwunden. Nur zwei Limousinen standen da. Ein paar Meter weiter diskutierte der US -Botschafter mit dem Staatsanwalt. Letzterer schüttelte den Kopf und ließ den Amerikaner stehen. Er stieg in eines der Fahrzeuge, das bis zu den großen Eisentoren fuhr, die sich langsam öffneten. Dana hatte sich bis jetzt keine Gedanken darüber gemacht, wie sie hier wegkam. Sie musste ein Taxi rufen oder einen privaten Fahrtendienst. Der Botschafter wollte in den anderen Wagen steigen. Dana sah gleichzeitig, was das geöffnete Tor preisgab. Die Limousine des Staatsanwalts musste sich durch einen Pulk von Journalisten mit Kameras, Mikrofonen und hochgehaltenen Telefonen kämpfen. Das war schnell gegangen.
McIntyre gab seinem Fahrer ein Zeichen. Er selbst ging zu Fuß zum Ausgang. Der Wagen folgte ihm im Schritttempo.
Für einen Moment stand Dana ganz allein auf dem Hof. Dann eilte sie dem Auto des Amerikaners hinterher.
Der Botschafter baute sich vor den Kameras auf.
Mit einer wegwerfenden Handbewegung deutete er dem davonfahrenden Wagen des Staatsanwalts hinterher.
»Da wagt jemand nicht einmal, der griechischen Bevölkerung zu erklären, in welche Katastrophe er sie gerade gestürzt hat!«, donnerte er. »Nun«, wandte er sich direkt an die Kameras, »sind die Augen der Welt auf dieses Land gerichtet. Und sie werden es an seinen Taten messen! Douglas Turner, vier Jahre lang Führer der freien Welt, wird hier behandelt wie ein schmutziger Verbrecher! Ein Kämpfer für Freiheit, Demokratie, Wohlstand und Sicherheit! Das können und dürfen weder unsere großartige Nation, die USA , akzeptieren noch unsere Verbündeten in aller Welt! Keine redliche Demokratie auf diesem Globus! Wir erwarten eine sofortige Freilassung von Douglas Turner! Die USA erkennen die Zuständigkeit des ICC nicht an und werden nicht mit ihm zusammenarbeiten. Wenn die griechische Justiz das will, bleibt es ihr überlassen. Ich bin allerdings überzeugt davon, dass die griechische Bevölkerung sich der Konsequenzen bewusst ist und das Vorgehen dieses Staatsanwalts nicht unterstützt!«
Dana hörte genau zu. McIntyres Absicht war klar und deutlich. Und ziemlich unverschämt, gemessen an internationalen diplomatischen Standards, soweit Dana sich damit auskannte. Was nicht viel war.
»Wenn die Griechinnen und Griechen damit nicht einverstanden sind«, rief er, »sollten sie das zeigen!«
Das überschritt jede Grenze unter Verbündeten, dachte Dana. Die Bevölkerung eines Landes gegen dessen Justiz, Administration und Regierung aufzuwiegeln. Noch dazu eines verbündeten Landes. Aber, zugegeben, was der Staatsanwalt gewagt hatte, überschritt auch die klassischen Gepflogenheiten zwischen Verbündeten.
»Morgen werden hier nicht ein Dutzend Journalisten stehen, sondern Hunderte! Und Griechenlands Reaktion in die ganze Welt hinaustragen! Ich bin gespannt, welche Nachricht sie senden werden! Es liegt an Ihnen!«
Interessanter Fehler, dachte Dana. Morgen. Hätte er nicht sagen dürfen. In seiner großkotzigen Art musste er davon ausgehen, dass die Affäre innerhalb der kommenden Stunden gelöst würde. »Morgen« aber verriet, dass er nicht daran glaubte. Oder einfach kein Profi war. McIntyre stieg in den Wagen. Nur im Schritttempo kam das Gefährt zwischen den aufgeregten Berichterstattern voran. Bis die ersten Reporter Dana entdeckten. Und erkannten. Rasch wandte sie sich um. Hinter sich hörte sie das dumpfe Grollen, mit dem sich das Tor schloss. Sie eilte zum Portier des Gefängnisses.
»Gibt es hier noch einen anderen Ausgang?«, fragte sie ihn auf Englisch.
Ratlos blickte er sie an.
Dann sagte er etwas auf Griechisch, bevor Dana verstand: »No English.«
Hinter ihm tauchte sein Kollege auf.
Er wedelte mit einem Finger in die andere Richtung und radebrechte: »Haben andere Tür.«