Derek musterte Arthur Jones. Dem Präsidenten drohte gerade seine zweite Amtszeit endgültig abhandenzukommen. Die Umfragedaten waren ohnehin nicht gut. Und nun das. Wenn er Turner nicht sehr schnell und sehr cool aus der Haft holte, konnte er seine Wiederwahl vergessen.
»Projekt ›Open Cage‹«, eröffnete er ohne umständlichen Small Talk und reichte dem Präsidenten ein Blatt. »Damit wir wissen, worüber wir reden. Ich habe ein Team zusammengestellt.«
Art studierte die Liste.
»Während der vergangenen Stunde habe ich mit allen telefoniert«, erklärte Derek. »Vorbehaltlich deiner Zustimmung«, sagte er zu Art, »bringt uns eine Maschine über Nacht nach Athen. Wir starten gleich nach unserer Landung in D. C. Der Rest des Teams stößt in Athen zu uns.«
Art nickte.
»In Ordnung«, sagte er.
»Ich gehe davon aus, dass wir einzelne Maßnahmen nicht mit dir abstimmen müssen«, sagte Derek, »bis auf eine.«
»Ja.«
»Du erwägst nicht ernsthaft einen Einsatz im Rahmen des ASMPA , des American Service-Members’ Protection Act?«, fragte Kim.
»Ich muss«, antwortete Derek nüchtern.
»Griechenland ist ein Verbündeter. NATO -Mitglied. Das können wir nicht bringen.«
»Dieser Verbündete war immerhin bereit, einen unserer Ex-Präsidenten zu verhaften.«
»Griechenland hat das Rom-Statut des International Criminal Court unterzeichnet. Es ist zur Kooperation verpflichtet.«
»Papperlapapp! Einhundertneununddreißig Staaten dieser Welt haben es unterzeichnet, inklusive der USA . Bis wir die Unterschrift wieder zurückgezogen haben. Immer noch einhundertvierundzwanzig Staaten haben es ratifiziert. Auch andere ehemalige US -Präsidenten und andere hohe Amtsträger, die gezielte Tötungen genehmigten, sind in zahllose dieser Länder gereist, ohne verhaftet zu werden. Obwohl Menschenrechtsorganisationen das immer wieder forderten. Kooperation mit dem ICC – am Arsch! Warum also die Griechen? Warum jetzt? Ein durchgeknallter Staatsanwalt oder Justizminister? Die Regierung selbst? Die ganze EU ?«
»Eher nicht«, warf Art ein, »du warst dabei. Sie wirkten nicht erfreut.«
»Und du glaubst ihnen?«, fragte Derek.
»Du weißt, wie man den ASMPA nennt?«, fragte Kim.
»Den-Haag-Invasionsgesetz«, sagte Derek. »Weil wir unsere Leute sogar aus Den Haag mit Gewalt heraushauen dürften.«
»Dürften. Aber würden?«
»Wozu sonst wäre so ein Gesetz gut?«, fragte Art.
»Als Kommunikationsmittel. Als Drohgebärde«, sagte Derek.
»Die ihren Biss verliert, wenn man nicht bereit ist, sie einzusetzen.« Arthur grinste. »Im Übrigen würden wir nicht in Den Haag tätig werden, sondern in Athen.«
»Ein solcher Einsatz wäre in vielerlei Hinsicht ein Desaster.«
»Ich muss dir nicht erklären, was für ein Desaster Turners Verhaftung bereits ist«, wandte Sandra ein. »Welche Botschaft durch sie an die Welt gesendet wurde: Die Vereinigten Staaten von Amerika, die großartigste, mächtigste Nation der Welt, ist nicht mehr stark genug, einen ihrer ehemaligen Präsidenten vor dem Zugriff eines läppischen Balkangerichts zu schützen. Kurz: Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nicht länger die großartigste, mächtigste Nation der Welt. Ist das die Botschaft, die du da draußen stehen lassen willst?« Sie wandte sich an Art. »Ich weiß nicht, wie du das siehst – das heißt, ich weiß schon, wie du das siehst: Das dürfen wir nicht zulassen. Oder?« Ohne eine Antwort abzuwarten, wollte sie von Kim wissen: »Oder was schlägst du vor, wenn die Griechen Turner nicht freilassen und nach Den Haag schicken wollen?«
»Deshalb sitzt Derek hier«, sagte Kim. »Um diese Sache elegant zu lösen. Bei seiner Garderobe gelingt ihm das ja auch.«
Derek lächelte und zupfte demonstrativ an dem Revers seines Maßanzugs.
»In meinem Schrank liegt auch noch meine Rangerausrüstung«, sagte er. Er wandte sich wieder an Art: »Wir müssen einen Einsatz gemäß ASMPA vorbereiten. Damit du später glaubwürdig erklären kannst, dass du bereit warst, bis zum Äußersten zu gehen.«
Art fixierte ihn. Derek wich seinem Blick nicht aus.
»Ich denke nicht, dass wir ihn brauchen werden«, fügte Derek hinzu.
»Selbstverständlich«, sagte Art schließlich.
Neben ihm atmete Kim hörbar aus.