Sean schwitzte wie Sau in seiner vollen Kampfmontur. Der Saft rann ihm ins Genick, über das Gesicht. Vermischte sich mit dem Staub zu Schlammrinnsalen. Das M4 im Anschlag glühte noch von den Schüssen in seinen Händen, die Hitze strahlte bis zu seiner Backe, dem Ohr. Oder war es die Sonne? Sinjar-Berge, Irak, Sommer, früher Nachmittag. Ein Dutzend Stimmen brüllte von allen Seiten durcheinander. Auf die Männer vor ihnen ein.
Die vier knieten vor Sean und dem Rest der Gruppe. Hände hinter den Köpfen. Ihre Gesichter waren verschmiert mit Dreck und Blut. Das lange wirre Haar und die Bärte verklebt. Einer konnte sich kaum aufrecht halten. Auf der rechten Seite seiner schmutzigen Jacke breitete sich in Hüfthöhe ein roter Fleck aus.
In ihrem Rücken der Abgrund, an den Sean und die anderen sie getrieben hatten.
Mehr Stimmen hinter ihnen. Sean warf einen kurzen Kontrollblick über die Schulter. Drei Sanitäter kümmerten sich. Pressten Billy Kompressen auf den offenen Bauch. Der Junge hechelte nur mehr flach. Hielten Desmond am Boden, der aufstehen wollte, obwohl er bloß noch ein Bein hatte. Beatmeten Ron. In einem Umkreis von zwanzig Metern um sie verstreut lag ein Dutzend Leichen der Angreifer.
Vor ihnen die vier Überlebenden.
Wie Anfänger waren Sean und sein Trupp in den Hinterhalt gelaufen. Hatten sich mit größter Mühe behauptet. Lautstark forderte der Funker hinter ihm Verstärkung. Neben ihm brüllten die anderen die Gefangenen an. Traten sie. Hieben mit den Gewehren auf sie ein. Sean spürte die Wut. Im eigenen Bauch. Atmete schwer, um sie zu kontrollieren.
»Aufhören!«, rief er. Aber er hatte hier nicht das Kommando, war nur Stellvertreter des Captains.
Die tobenden Beschimpfungen seiner Kameraden wurden immer lauter. Hinter ihnen Desmonds Schreie. Verdammt, wann spritzten die Sanis dem endlich was? Oder hatten sie ihm nicht genug gegeben? Zwei Schüsse neben ihm ließen Seans Kopf zurückschnellen. Neben den Knien eines Angreifers standen noch Staubwölkchen in der Luft, die die Projektile aufgewirbelt hatten. In den schwarzen Augen der Männer überwog die Panik ihre Hoffnung, als Märtyrer zu sterben.
»Verdammt, lasst das!«, brüllte Sean. Er wusste nicht, wer geschossen hatte.
»Klappe, Officer!«, brüllte Captain Jason Waters ihn an.
Austin traf den Gefangenen ganz rechts mit dem Griff seiner Waffe so heftig am Kopf, dass dieser umkippte.
»Hände hinter den Kopf!«, brüllte Austin.
Neben ihm Wilford: »Hände hinter den Kopf! Verdammt, du hast die Hände nicht hinter dem Kopf!«
Der Mann vor ihnen versuchte, sich aufzurappeln. Wilfords Feuerstöße trafen seinen Körper wie Faustschläge. Zerfetzten die Kleidung und das Fleisch darunter in roten Dampf. Schleuderten den Körper rittlings an die Kante des Abgrunds. Und darüber.
Das entsetzte, empörte, panische Geschrei der übrigen drei vermischte sich mit der Wut der Soldaten.
»Aufhören, Private!«
Sean stieß Wilford mit Wucht zu Boden. Sah aus den Augenwinkeln wieder Billy, Des, Ron. Sie waren völlig außer Kontrolle. Verdammt, sie waren doch nicht zum ersten Mal in so einer Situation! Vielleicht deshalb. Austin trat auf den Nächsten ein, zwei weitere Soldaten auf den Angeschossenen. Sean ging dazwischen. Wurde abgedrängt.
»Das ist nicht mehr deine Sache, Sean!«, brüllte Jason. Trat selbst den letzten noch Knienden so heftig, dass er hintüberkippte. Auf die Schräge an der Felskante, wo er sich verzweifelt im Staub festkrallte. Irgendjemand schoss in den Grund, traf auch die Hände, Unterarme des Mannes. Sean sah ein letztes Mal in dessen Augen, bevor er abrutschte und mit einem unmenschlichen Schrei in die Tiefe stürzte. Bevor Sean es verhindern konnte, hatten die anderen auch die verbliebenen zwei über die Klippe geschoben.
Er wagte nicht, in den Abgrund zu sehen. Zu gefährlich. Zu tief. Wenigstens zweihundert Meter. Senkrecht. Die Männer da unten waren mit Sicherheit tot.
Mit einer knackenden Kopfdrehung richtete Jason sein Genick.
»Ich schreibe den Bericht«, sagte er und bohrte seinen Blick in Seans Augen. »Es ist alles nach Vorschrift gelaufen.«
Dann hörte Sean nur mehr Keuchen und den Wind.