Die dunklen Locken hingen dem Mann in die Augen. Sein Fünftagebart bedeckte seine Wangen fast bis zu den Backenknochen. Er war etwa eins fünfundachtzig groß, schlank, athletisch, sehnig. Über der braun gebrannten Haut trug er ein verwaschenes T-Shirt, zerschlissene Jeans und Sneakers. Er lehnte an einer Hauswand, die Hände in den hinteren Hosentaschen, einen Fuß an der Mauer. An ihm vorbei schoben sich die Touristenmassen durch die schmale Gasse Richtung Akropolis oder zu den Restaurants in den umliegenden Straßen. Sie waren hungrig. Betrachteten die billigen Souvenirs in den Läden entlang ihres Weges Studierten Speisekarten, versuchten, den Bauernfängern vor den Lokalen auszuweichen. Oder hörten ihnen interessiert zu. Sein Blick wanderte über die Köpfe. Die meisten sahen aus wie Pauschalreisende. Nicht viel zu holen. Hängen blieb er schließlich an einem Pärchen. Sie eine hochgeschossene Blondine, Typ ehemalige Miss Provinz-Irgendwo. Er wenigstens so groß wie sein Beobachter, breiter, mehr Muskeln, aber aus dem Fitnessstudio. Teure Kleidung. Die selbstsicheren Bewegungen erfolgreicher, schöner Menschen. Die in diesem Umfeld fast in Ungeduld ausarteten angesichts der Tatsache, dass man ihre Besonderheit nicht erkannte oder ignorierte.
Er löste sich von der Mauer und folgte ihnen mit einigem Abstand. Er war groß genug, sie bequem im Auge zu behalten. Sie wandten sich nicht um. Bemerkten ihn nicht. Warum sollten sie auch? Bis zur übernächsten Kreuzung hatte er sie fast erreicht. Der Trubel war nicht weniger geworden. Im Gegenteil. In dem Getümmel würden sie seine Hände in ihren Taschen nicht bemerken. Üblicherweise. An dieser Stelle würden sie nicht einmal damit rechnen. Wenige Meter weiter patrouillierten zwei Polizisten. Hier fühlten sich alle sicher.
Er war jetzt direkt hinter ihnen. Körperkontakt fiel in dem Gedränge nicht auf. Er selbst wurde beständig von der einen oder anderen Seite angerempelt. Die Frau trug ihre Handtasche unter den Arm geklemmt, der Mann nur ein legeres Hemd. Geld, Kreditkarten, Telefon musste er in den Hosentaschen verstaut haben.
Er griff zu. Mit der linken nach der Handtasche. Mit der rechten in die linke Gesäßtasche des Mannes. Dann in die rechte. Papier.
Die Frau schrie auf. Er zerrte an der Handtasche. Steckte seine andere Hand in die vordere Hosentasche des Mannes. Der wirbelte herum. Blitzte ihn an. Schrie ihn an. Auf Schwedisch, meinte er zu erkennen. Die Frau klammerte sich an ihre Handtasche. Der Mann schlug zuerst auf seine Arme. Dann in sein Gesicht. Er wich nur halb aus. Bekam die Faust gegen den rechten Backenknochen. Harmlos. Jetzt hatte er die Handtasche. Der Mann brüllte noch lauter. Prügelte jetzt auf ihn ein.
Er wandte sich um, setzte zum Davonlaufen an. Doch hier war es viel zu eng. Viel zu viele Menschen. Schon zerrten andere Hände an seinen Armen, seinem T-Shirt. Klammerten sich um seine Handgelenke, zogen an seinem Hosenbund, zerrissen sein T-Shirt . Stimmen in verschiedenen Sprachen riefen durcheinander. Jetzt hörte er auch die Polizei. Immer mehr Hände rissen an ihm, Füße traten ihn, drückten ihn zu Boden.
Dann waren die Polizisten über ihm. Ein Schlagstock traf ihn hart gegen die Schulter. Schützend hob er den Arm vor das Gesicht. Jemand entriss ihm die Handtasche. Zwei weitere Schläge trafen seine Unterarme. Zwei die Rippen. Jemand verdrehte seine Handgelenke so schmerzhaft, dass er sich auf den Bauch drehte. Ein Knie schwer und spitz in seinem Rücken. Sein Gesicht im Staub der Gasse. Dann spürte er die Handschellen.