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Es war kurz nach zwei Uhr nachmittags, als Steve mit drei anderen von einem späten Mittagessen in die Agentur zurückkam. Schon im Treppenhaus sah er durch die große Glastür mit dem Agenturnamen zwei Polizisten am Empfang stehen. Mit ihnen zwei Zivilisten. Einen hatte er schon einmal gesehen.

In dem Fahrzeug, das ihn gestern verfolgt hatte.

Er erstarrte.

Sie zeigten Leonhard hinter dem Tisch einen Ausdruck, und der wies mit dem Finger ins Loft. Ihre Blicke folgten, sie blieben jedoch stehen. Fragten noch einmal. Kopfschütteln.

Sie wandten sich zum Gehen.

Steve zögerte nicht länger.

»Ich habe etwas vergessen«, sagte er seinen Begleitern und drehte sich um. Ohne ihre Antwort abzuwarten, stürzte er die Stufen hinunter. Hielt auf dem Absatz in der ersten Etage an. Von oben hörte er Schritte.

Das Loftbürogebäude besaß zwei Nebeneingänge. Vielleicht kannten sie die nicht. Oder dachten nicht daran.

Steve lief zum Fahrradabstellraum im Erdgeschoss und schloss sein Bike los. Dann eilte er zu dem Ausgang, der über den Hof in eine Seitenstraße führte.

Lugte hinaus.

Im Hof war niemand. Hinaus. Bis zum Tor. Ein weiterer Erkundungsblick. Parkende Autos. Keine auffälligen Gestalten. Aber man wusste nie.

Dann hörte er das Trampeln von Schuhen aus dem Ausgang in den Hof kommen.

»Da ist er!«

Steve schwang sich auf das Rad und fuhr los. Mit voller Kraft stieg er in die Pedale. Ohne Rücksicht auf sich und andere zweigte er an der nächsten Kreuzung rechts ab. Gegen eine Einbahnstraße. Autos konnten ihm hier nicht folgen. Ein Blick über die Schulter. Da war nichts. Kein Auto, kein Motorrad, keine Radfahrer. Gleich die nächste Straße wieder rechts. Wieder gegen die Einbahnstraße.

Aus dem Eingang eines schmucken Altbaus kam eine junge Frau mit einem kleinen Kind an der Hand. Das Kind plärrte, seine Mutter zog es energisch weiter, beachtete ihn nicht. Schulterblick. Noch immer niemand. Steve bremste abrupt und lenkte das Rad gekonnt zwischen zwei geparkten Autos auf den Gehsteig. Sprang ab. Packte das Bike und schlüpfte schnell durch die schwere Haustür, kurz bevor sie zufiel.

Schwer atmend lehnte er das Rad in dem gepflasterten Eingangsflur des Gebäudes an die Wand. Schlich vorsichtig zu dem kleinen Fenster in der Haustür, das außen mit einem kunstvollen schmiedeeisernen Gitter gesichert war.

Wenn sie ihn gesehen hatten, hatte er sich in die perfekte Falle gesetzt. In diesem Augenblick schoss draußen ein Motorrad vorbei. Gegen die Einbahnstraße. Der Fahrer mit einem grauen Helm.

Wie lange würde es dauern, bis sie dahinterkamen, dass er sich versteckt haben musste?

Er wartete, ob noch jemand kam. Aus der anderen Richtung. Oder hinter ihm her. Wie auch immer. Die Glasscheibe beschlug mit jedem seiner Atemzüge, klarte dazwischen wieder auf.

So stand er ein paar Minuten da.

Kein Fahrzeug fuhr mehr gegen die Einbahnstraße. Nicht einmal eines in der korrekten Richtung. Langsam begann Steve zu glauben, dass er sie abgehängt hatte. Vorerst.

Dann fiel ihm sein Smartphone ein. Er hatte es für das Mittagessen bewusst an seinem Arbeitsplatz liegen lassen. Das machte er öfter. Die sozialen Medien und all die anderen Westentaschenspione mussten ihn nicht permanent verfolgen.

Genauso wenig wie amerikanische Geheimdienste, die hinter ihm her waren. Besorgt griff er zu der flachen Tasche, die er in Gürtelhöhe unter dem Hosenbund trug. Gefüllt mit je ein paar Tausend Euro und Dollar und einem altmodischen Telefon, dem niemand folgte.

Und jetzt?