»Sie drehen Richtung Osten«, sagte Tania. »Ihr seid etwa sieben, acht Kilometer von ihnen entfernt.«
»Je weiter, desto besser«, murmelte Steve. Er war bereit gewesen, ins Auge des Taifuns zu reisen. Aber das hier hatte er nicht erwartet. Wenn du denkst, es geht nicht mehr schlimmer …
Auf dem Handyscreen waren Bilder des blauen Volvos von schräg oben zu erkennen. Zwischen einer Menge anderer Fahrzeuge, die alle in dieselbe Richtung wollten. Autobahn, dichter Verkehr.
»Richtung Flughafen?«
»Wer weiß?«, meinte Alex. »Mit einem Flieger kämen sie natürlich schneller außer Landes.«
»Das wird sich die Polizei aber auch denken«, meinte Dana, »und dort auf sie warten.«
»Die haben sich sicherlich vorbereitet«, sagte Steve. »Und irgendein Schlupfloch. Vielleicht sogar ein absichtlich offen gelassenes.«
»Alex«, wandte sich Dana an ihren Fahrer, »wir fahren zum Flughafen.«
»Bist du sicher?«, fragte Alex.
»Fällt euch etwas Besseres ein?«
»Das ist doch …«, setzte Steve an. Viel zu gefährlich für drei einfache Typen wie uns. Darum soll sich die griechische Polizei kümmern.
»Ich rufe wieder die Polizeinummer an, die ich von Stouvratos bekommen habe, und gebe denen die neuen Infos durch. Falls sie nicht ohnehin inzwischen ihre Hubschrauber in der Luft haben.«
»Da sind Bilder«, rief Peter dem CIA -Stationsleiter zu.
Auf einem seiner Bildschirme öffnete er ein Video.
Perspektive etwas über Kopfhöhe. Im Hintergrund die Hubschrauber. Im Vordergrund vier Männer mit Schirmkappen und Sonnenbrillen. Trainierte Schultern spannten die Hemden darüber. Ansonsten wenig zu erkennen. Der Zeitcode zeigte drei Tage früher, zehn Uhr einunddreißig. Die Männer verschwanden unten aus dem Bild.
Im Schnelldurchlauf ließ Peter die Aufnahmen über den Monitor laufen. Die Männer zappelten zwischen den Hubschraubern auf die Kamera zu, bis sie fast das Bild füllten und dann verschwanden.
»Die Überwachungskameras über dem Eingang des Charterunternehmens«, erklärte Peter.
Dann tauchten die Köpfe und Schultern der Männer wieder vor der unteren Bildschirmkante auf. Hampelten hastig zu zwei Hubschraubern im Hintergrund. Hantierten daran herum. Stiegen schließlich ein und hoben in einer Staubwolke ab.
»Nicht viel zu erkennen«, meinte Walter.
»Abwarten«, sagte Peter. »Ich schicke sie durch ein paar Programme.«
»Schauen wir uns inzwischen das andere Video an«, sagte Walter.
Es zeigte einen Mann. Schlanker als die anderen. Strohhut, Hemd, Sonnenbrille. Er verabschiedete sich ebenfalls nach unten aus dem Bildausschnitt.
Zeitstempel. Vier Tage früher.
»Da kommt er wieder«, sagte Peter.
»Hut, von hinten«, meinte Walter. »Auch nicht sehr aufschlussreich.«
Sie brauchten ein Bild, in dem man das Gesicht erkannte. Und sie hatten es eilig. Der Mann hippelte im Schnellvorlauf auf die Hubschrauber zu, bog nach links ab.
»Da«, sagte Peter.
Er hielt den Film an. Spulte zurück. Wiederholte die letzten Sekunden in Normaltempo.
Der Mann nahm den Hut ab und wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn.
Peter hielt das Video an. In der Sekunde, als der Mann den Arm aus dem Gesicht genommen und den Hut noch nicht wieder aufgesetzt hatte. Ebenmäßige Züge. Getrimmter Schnurrbart unter der markanten Nase. Der dunkle Haaransatz schon etwas hoch, Geheimratsecken.
»Fehler«, sagte Peter. »Hier haben wir ein sehr schönes Profil.«
Du willst nicht an einer Verkehrsampel aufgehalten werden, wenn du die unbekannten Befreier – oder Entführer – eines Ex-US -Präsidenten verfolgst. Ihr Fahrer hatte keine Wahl. Die Autos vor ihnen standen. Also standen sie auch.
Walters Stimme tönte aus der Freisprechanlage: »Hier fallen gerade ein paar Puzzlesteine zusammen! Seht her!«
Auf Dereks Bildschirm poppten Gesichter auf.
»Das sind Bilder einer Überwachungskamera des Hubschrauberverleihs, in dem unsere Entführer die Helis besorgten. Dachten, Sonnenbrillen und Basecaps würden gegen Identifizierung schützen, wie es aussieht. Mann!«
Als Erstes ein Mittdreißiger, harte, kantige Züge. Schmale kleine Nase unter der Sonnenbrille. Volle Lippen. Breiter Nacken. Das blonde Haar, soweit man es unter der Schirmkappe sehen konnte, millimeterkurz geschoren.
»Sean Delmario«, erklärte der Text in der Bildecke rechts unten. Geboren 7.6.1987. »Ehemaliger US -Army-Ranger. Ehrenhaft entlassen. Gegenwärtiger Beruf: Private Security. Wohnsitz: Zypern.«
Das zweite Bild zeigte einen ähnlich formatierten Kerl, bloß mit dunklem Haar.
»Hopper Davies. Geboren 23.2.1989. Ehemaliger US -Army-Ranger. Ehrenhaft entlassen. Gegenwärtiger Beruf: Private Security. Wohnsitz: Berlin.«
Der Mann auf dem dritten Bild war ein anderer Typus. Kein Militär, dachte Derek sofort. Schmaleres Gesicht. Schlanker Hals. Hohle Wangen. Schnurrbart. Geheimratsecken, das dunkle Haar zurückgekämmt.
»Der hier hat nicht mal versucht, unerkannt zu bleiben. Oder ist dämlich. Aaron Bessinados. Geboren 15.11.1979. Beruf: Diverse. Wohnsitz: Beirut, Paris.«
Mit einem Auge schielte Derek auf die Verkehrslichter über den Autodächern vor ihnen. Gelb.
Er wusste, dass er hinter den mitgeschickten Links mehr Informationen finden würde. Über die Freisprechanlage gab der CIA -Stationsleiter das Wichtigste auch so durch.
»Zwei der Jungs, die die Hubschrauber abholten, konnten unsere Programme identifizieren«, sagte er. »Ex-Army, jetzt private Sicherheitsdienste.«
»Wohnsitze Zypern und Berlin«, sagte Derek. »Früher hätte man so etwas Söldner genannt.«
»Die zwei anderen Abholer konnten wir leider nicht finden. Aber zumindest zwei US -Amerikaner waren demnach in die Aktion verwickelt.«
Langsam fuhr ihr Range Rover an.
»Wer ist der Dritte, dieser Aaron Bessinados?«, fragte Trevor. Bedeutete gleichzeitig dem Fahrer mit einer Geste: geradeaus.
»Zwielichtige Gestalt«, erklärte der Stationsleiter. »Klassischer Fixer, Dealer, Händler mit verschiedenen Gütern. Allerdings bestenfalls Mid-Level. Kein Drahtzieher. Er hat die Hubschrauber ausgesucht und bezahlt.«
»Die Ex-Soldaten haben sie dann bloß abgeholt?«, fragte der Botschafter.
»Das behaupten zumindest die Verkäufer. Die Videos legen es nahe.«
»Follow the money«, sagte Derek. »Habt ihr euch schon angesehen, woher das Geld für die Helis kam?«
Auch wenn er sich da nicht viel Hoffnung machte. Wer eine solche Aktion spielte, verwischte seine Spuren.
»Klar. Kann aber dauern. Die ersten Recherchen versickern bei Briefkastenfirmen in Singapur und auf den Kanalinseln.«
War zu erwarten.
Sie kamen nicht recht weiter. Auch auf der Straße nicht. In einem kleinen Fenster auf Trevors Laptopmonitor konnte der Fahrer die Karte mit den verschiedenfarbigen Punkten sehen.
»Was ist mit diesen Ex-Army-Jungs?«, fragte Derek. »Wissen wir mehr? Vor allem über die vergangenen Tage?«
»Sind dabei. Wir checken auch Aufnahmen aus dem Umfeld des Korydallos-Gefängnisses seit Turners Einlieferung. Social Media. Überwachungskameras und Verkehrskameras. Womöglich haben sie sich Intel besorgt.«
»Müssen sie fast«, meinte Trevor. »Irgendwelche Auffälligkeiten in ihrer Vergangenheit?«
»Nicht wirklich«, sagte der Stationschef. »Beide mehrfach ausgezeichnet. Klingt nach fabelhaften Soldaten. In Sean Delmarios Army-Unterlagen gibt es allerdings einen gesperrten Vermerk, für den wir uns erst eine Freigabe holen müssen.«
»Ernsthaft?«
»Wird nicht lange dauern. Hopper Davies war Pilot«, fügte er hinzu. »Das passt ins Bild. Ein Team aus ein paar Spezialisten, die den Job machen.«
»Und hier ist der zweite Teil des Puzzles«, sagte Walter. Weitere Bilder waren auf Trevors Display zu sehen. Auch bei Derek und dem General erschienen sie. Körnige Aufnahmen eines Privatjets. Wohl schon stark vergrößert. Davor ein Mann, der soeben in die Maschine stieg.
»Das ist Mahir Clement vor fünf Tagen am Flughafen in Limassol, Zypern.«
»Zypern. Wohnsitz von Sean Delmario«, bemerkte Derek sofort. Und den Zeitstempel. »Das war nur wenige Stunden nach Turners Verhaftung.«
»Exakt. Auf den nächsten zwei Bildern seht ihr ihn mit demselben Flugzeug bei der Einreise nach Griechenland. Die übrigen Bilder sind am Tag darauf entstanden.«
Auf Dereks Bildschirm tauchten weitere Bilder auf, die Walter ihnen einspielte. Abstrakte Diagramme, auf denen sich verschiedene Nummern miteinander verbanden.
»Wir haben versucht, Kommunikationsdaten von ihm zu bekommen. Und tatsächlich etwas gefunden.«