Die drei Richter betraten den Saal und setzten sich. Dana hielt die Fäuste im Schoß geballt. Auch Maria neben ihr war aufs Höchste angespannt, spürte sie.
In den Stunden seit Turners Flucht und Wiederverhaftung hatten sie zunehmend positive Signale erhalten. Buchstäblich über Nacht hatte sich die Stimmung gedreht. Die USA hatten die Sanktionen gegen Griechenland ausgesetzt. Selbst jene gegen Mitarbeiter des Strafgerichtshofs waren abgeschwächt worden. Maria hatte nach Athen reisen dürfen. Der internationale Haftbefehl gegen Steve war ebenfalls ausgesetzt. Nur eines hatte Dana nicht erfahren, Maria nicht und auch sonst niemand: War all das geschehen, weil die griechische Regierung mit einem Mal den ICC unterstützte? Oder weil längst klar war, dass das griechische Gericht Turner aus der Haft entlassen würde?
»Das Gericht«, hob Konstanidis an, »hat die Identität des Verhafteten bestätigt und festgestellt, dass die Verhaftung korrekt verlaufen ist.« Jetzt kam es darauf an. Für einen Moment schloss Dana die Augen. Bitte! Sie öffnete sie jedoch gleich wieder und hörte Konstanidis sagen: »Das Gericht stellt ferner fest, dass die Rechte des Verhafteten gewahrt wurden und dass die Verbrechen, derer er beschuldigt ist, zu einer Überstellung nach Den Haag befugen würden.«
Mit einem Mal fühlte Dana sich ganz leicht. Ungläubig suchte sie Marias Blick, die ihren mit einem leichten Nicken erwiderte. Steve saß mit offenem Mund da, bevor er Dana unsicher zulächelte. Vassilios schüttelte erstaunt den Kopf, dann nickte auch er Dana zu.
»Das Gericht bestätigt die Haft.«
Dana biss sich auf die Lippen und zwinkerte ein paarmal heftig mit den Augen, um das aufquellende Wasser darin zurückzuhalten. Ausgelassene Gesten des Triumphs oder der Freude verboten sich, auch waren sie nicht angebracht. Zu gegenwärtig waren Dana die Schicksale, die sie während der vergangenen Tage verhandelt hatten und die nur stellvertretend standen für so viele andere. Erstmals jedoch würden sie eine Stimme vor Gericht bekommen, würden sie vielleicht Gerechtigkeit erfahren.
Aus den Augenwinkeln schielte sie zur Seite der Amerikaner. Verschwommen nahm sie wahr, dass sie versteinert dasaßen.
Dana hörte nicht mehr, was Konstanidis noch sagte, sie sah nur, wie die zwei Justizwachtmeister auf Turner zutraten und dieser sich ohne Widerstand erhob. Noch ein paarmal drückte sie ihre Lider fest und kurz zu, dann atmete sie tief durch und straffte sich.
Die Tür neben der Anklagebank schloss sich hinter Douglas Turner und den Justizbeamten. Dana hörte das leise »Klack«, mit dem sie ins Schloss fiel. Raschelnd erhoben sich die Anwesenden auf beiden Seiten. Als könnten die geschäftigen Geräusche ihrer Kleidung, ihrer Papiere und Taschen, Telefone und Computer, ihrer Bewegungen und Schritte die Bedeutung des Moments übertönen. Ihn als beiläufig vorübergehen lassen, als wäre es ein ganz normales Verfahren gewesen. Erledigt. Nächster Schritt. Obwohl alle wussten, dass dies erst der Anfang war. Womöglich von etwas viel Größerem als nur dem Prozess in Den Haag. Das würde schon vor der Tür dieses Gerichts beginnen, wo Hunderte Journalisten und Tausende Schaulustige und Demonstranten warteten. Dana malte sich aus, was da draußen gleich losbrechen würde, wenn sie das Urteil erfuhren.
Die zwei Gruppen trafen sich am Mittelgang.
»Willkommen zurück in der internationalen Gemeinschaft«, sagte Maria zu William Cheaver und Alana Ruíz.
Die beiden blickten sie kurz an, dann gingen sie weiter.
Derek trat auf Dana zu.
Musterte sie.
»Das ist nicht das Ende«, meinte er.
»Wir sehen uns in Den Haag«, sagte Dana.