Dubrovnik verstehen

Das Antlitz Dubrovniks

Hat hier ein Hollywood-Regisseur vergessen, seine aufwendige und überaus echt wirkende Filmkulisse abzubauen? Mauern, Festungen und Bollwerke von atemberaubender Perfektion rahmen eine Altstadt voller Paläste und Kirchen ein, deren hervorstechendstes Charakteristikum blendend heller Marmor zu sein scheint. Die erste Meinung über Dubrovnik ist: Das kann nicht echt sein. Ist es aber. Diese Stadt steht seit 1500 Jahren. Sie wurde viele Male belagert, angegriffen, zum Teil zerstört – zuletzt im Jugoslawienkrieg 1991/92 –, aber man hat sie wieder aufgebaut, noch schöner, als sie vorher war.

Um zum Film zurückzukehren: Als Kulisse diente und dient Dubrovnik tatsächlich. Unzähligen Filmproduktionen lieh sie ihre lichte, aber strenge Schönheit, zuletzt der Endlossaga „Game of Thrones“, einigen Episoden von „Star Wars VIII – Die letzten Jedi“ sowie der Neuverfilmung von „Robin Hood“ mit Jamie Foxx. Als Kulisse stellt sich die „Perle der östlichen Adria“ auch manch einem Prominenten zur Verfügung, der sich auf der Promenierstraße Placa (Stradun) vor barockem Hintergrund ablichten lässt: Kevin Spacey, Michael Douglas, Nick Nolte, John Malkovich, Beyoncé und Catherine Zeta-Jones wurden u. a. gesichtet. Am liebsten aber betrachtet die elegante Dame ihre eigenen Bewohner beim Auf- und Abbummeln in den frühen Abendstunden, wenn das in Jahrhunderten glatt polierte Pflaster im Schein der Laternen schimmert wie Eis. Dann ist Dubrovnik, sind die Dubrovniker ganz bei sich und lassen sich weder von Touristen noch von Kameras von ihrer Lieblingsbeschäftigung ablenken: sehen, desehen werden, Freunde und Verabredungen treffen, flirten, stolz den Nachwuchs präsentieren, philosophieren und dabei mit unnachahmlicher Beiläufigkeit und Geschick hoch getürmte Eiswaffeln balancieren. Übrigens nennen sie das đir, vom italienischen girare, herumlaufen. Auch so eine Dubrovniker Besonderheit – überall sonst in Kroatien heißt der abendliche Bummel korzo. Dass Dubrovnik oder zumindest der südlich der Placa (Stradun) gelegene Teil ursprünglich eine Insel war, davon ist heute nichts mehr zu merken. Die mauerumgürtete Altstadt schmiegt sich zwischen den 402 m hohen Berg Srđ und die Adria. Ein Teil ihrer Neustadt, die Viertel Pile (benannt nach dem westlichen Altstadttor), Ploče (benannt nach dem östlichen Altstadttor) und Gruž (um den Hafen), erstreckt sich entlang der steil ansteigenden Srđ-Flanken und der tief eingeschnittenen, schmalen Hafenbucht von Gruž. Der andere Teil der Neustadt breitet sich von der Südseite der Gružer Bucht über die teils mit Wald bestandenen Halbinseln Lapad und Babin Kuk nach Südwesten aus. Hier liegen die Hotelzonen mit den meisten Strandhotels. Nördlich der Stadt greift ein fjordartiger Arm tief ins Festland hinein, die Rijeka Dubrovačka. Tatsächlich handelt es sich um den hier ans Tageslicht tretenden Karstfluss Ombla, Dubrovniks wichtigste Süßwasserquelle. Lange war die Stadt von Norden her nur nach langer Kurverei um diese „Bucht“ erreichbar, heute kürzt eine Brücke den Weg ab.

Dubrovnik wirkt nirgends beengt – die „Neubauviertel“, die ihre Wurzeln in der Renaissance haben, als der Dubrovniker Adel seine Villen außerhalb der Altstadtmauern errichtete, sind großzügig angelegt. An den Hängen des Srđ staffeln sich Einfamilienhäuser immer höher hinauf. Nur rund um das Hafenbecken ist etwas Städtisches spürbar, wenn die Fährschiffe ein- und auslaufen, Lkws ungeduldig auf die angelandeten Container warten, Busse die Passagiere in die verschiedenen Stadtteile oder ins Hinterland transportieren. Diese Hektik dauert aber meist nicht lange. Ausgesprochen nervenaufreibend ist hingegen die Ankunft und Abfahrt der hochhausgroßen Kreuzfahrtschiffe, die den Hafen ausfüllen und ihre schier unendliche Menschenfracht in bereitgestellte Sightseeingbusse ausspucken. Weil diese Besuchermassen selbst die ungewöhnlichste Stadt erdrücken könnten, würden wir jedem Dubrovnik-Besucher empfehlen, in der Stadt zu übernachten. Am Morgen und Abend ist man dann ganz unter sich mit den Dubrovnikern, und tagsüber kann man ja baden gehen.

Die Stadt in Zahlen

> Gegründet: 6. Jh.

> Einwohner: 44.000, davon ca. 900 in der Altstadt

> Bevölkerungsdichte: 300/km²

> Fläche: 143 km²

> Höhe ü. M.: 0

> Stadtbezirke: Stari Grad (Altstadt), Ploče, Pile, Gruž, Lapad, Babin Kuk

> Touristen/Ankünfte 2016: 1 Mio.

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Seit 1979 zählt die Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe (023du Abb.: fo© Aleksandrs Kosarevs stock.adobe.com)

Von den Anfängen bis zur Gegenwart

Viele Jahrhunderte lang bildete Dubrovnik, das ehemalige Ragusa, dank seiner strategisch günstigen Lage im Südostbalkan und seiner weit reichenden Handelsbeziehungen das Bindeglied zwischen Mitteleuropa und dem Osmanischen Reich. Als einzige Stadt an der Ostadria bot sie Venedig Paroli, das Ragusa mehrmals vergeblich belagerte und nur einmal einnahm. Ebenso scheiterten die osmanischen Heerführer am Verteidigungssystem der Ragusaner Mauern und Festungen. Doch Ragusa erhielt sich seine Unabhängigkeit auch mit Verhandlungsgeschick und großzügigen Tributen, für die besonders Konstantinopel empfänglich war. Seit dem verheerenden Erdbeben von 1667 fand Ragusa trotz schnellen Wiederaufbaus nicht wieder zur alten Macht und Wohlstand zurück. Als Napoleon 1806 die Stadtrepublik annektierte, war sie nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die Rolle Dubrovniks im jugoslawischen und dann im kroatischen Staat war und ist die einer Kulturmetropole und des Touristenmagneten Nummer eins an der Ostadria.

Im Dunkeln der Geschichte

Wenig Klarheit herrscht über die Ursprünge Ragusas. Historisch gesichert ist die Gründung durch Flüchtlinge aus Epidaurum im 7. Jh. Jüngste Ausgrabungen im Altstadtbereich förderten die Fundamente älterer Befestigungsmauern und einer Kapelle zutage (5. Jh.).

Altertum

228 v. Chr.: Römische Kolonisten gründen 15 km südlich des heutigen Dubrovnik die Siedlung Epidaurum. Sie entwickelt sich zu einer blühenden Handelsstadt.

3. Jh. v. Chr.: Illyrische Siedler lassen sich auf einer Felsinsel nieder, dem späteren Ragusa/Dubrovnik.

Spätantike und frühes Mittelalter

6. Jh. n. Chr.: Der oströmische Kaiser Justinian I. lässt die Insel befestigen und eine Basilika errichten.

7. Jh.: Awaren und Slawen zerstören Epidaurum. Die romanischen Bewohner flüchten nach Norden und finden auf der von Illyrern besiedelten Insel Unterschlupf, die wegen der steilen Klippen Lausion (vom Griechischen lau, steil) genannt wird. Durch Lautverschiebung entwickelt sich daraus der Name Ragusa. Wahrscheinlich zur selben Zeit siedeln slawischstämmige Kroaten auf dem schmalen Festlandstreifen am Fuß des Sergiusberges (heute Berg Srđ) der Insel gegenüber. Nach den dichten Eichenwäldern (Wald slaw. dubrava) nennen sie die Stadt Dubrovnik.

9. Jh.: Die beiden Siedlungen treiben Handel miteinander und nähern sich an. Gemeinsam überstehen sie 866 eine 15-monatige Belagerung durch die Sarazenen und werden schließlich von der byzantinischen Flotte befreit.

948: Venedig unternimmt einen ersten Versuch, das als Konkurrenz wahrgenommene Ragusa zu erobern. Dass dies nicht gelingt, rechnen die Ragusaner dem hl. Blasius (Sv. Vlaho) an, der seitdem als Schutzpatron der Stadt verehrt wird.

Mittelalter

11. Jh.: Der Kanal zwischen Dubrovnik und Ragusa ist weitgehend verlandet und wird zugeschüttet. Er wird zur Hauptstraße des neuen Ragusa – der heutigen Placa (Stradun).

11.–13. Jh.: Ragusa steht seit seiner Gründung unter dem Schutz von Byzanz, geht zugleich aber auch Allianzen mit den angrenzenden Völkern ein, so mit dem Ban (Fürsten) von Bosnien, der der Stadt Handelsprivilegien gewährt und sein Reich für die Ragusaner Händler öffnet. Ähnliche Verträge werden mit Serbien und Byzanz geschlossen. Aus Bosnien und Serbien bezieht Ragusa Metalle und Holz, die für den Schiffsbau verwendet werden.

1032: Dubrovniks Flotte kämpft an der Seite von Byzanz gegen die Araber.

1050: Der kroatische König Stjepan I. beschenkt Ragusa mit einem schmalen Küstenstreifen, der bis ins 16 km nördlich liegende Zaton reicht und die Ombla-Mündung mit einschließt. Die Stadt hat damit verlässlichen Zugang zu Süßwasser.

1153: Der arabische Historiker Al-Idrisi bezeichnet Ragusa als die südlichste Stadt des kroatischen Reiches.

1205: Im Rahmen des vierten Kreuzzugs besetzt Venedig mehrere Küstenstädte an der östlichen Adria. Auch Ragusa muss sich unterwerfen, hohe Tribute leisten und dient der venezianischen Flotte als Stützpunkt.

14. Jh.: Ragusa tätigt Landkäufe und erwirbt von Serbien die Halbinsel Pelješac. Auch die Inseln Mljet und Lastovo gehören nun zu Ragusa.

Stadtrepublik

1358: Im Vertrag von Zadar wird Venedig gezwungen, auf seine Ansprüche in Dalmatien zu verzichten. Ragusa akzeptiert die Oberhoheit des kroatisch-ungarischen Königreichs, das der Stadt weitestgehende Autonomie gewährt.

14./15. Jh.: Weitere Gebietszuwächse: Auch die Region zwischen Ragusa und Pelješac sowie das Konavle-Tal mit Cavtat, dem ehemaligen Epidaurum, gehören nun zu Ragusa. Mit dem Erwerb der Halbinsel Pelješac landete Ragusa einen Coup! Zum einen kann es sein Territorium an der Landenge bei Ston gegenüber den venezianischen Besitzungen nördlich davon mit einem einzigartigen Bollwerk befestigen, das als längstes Europas gilt. Zum anderen besitzt es mit dem Hügel über der heutigen Stadt Orebić einen Aussichtspunkt, von dem aus man das Geschehen in dem venezianischen Städtchen Korčula direkt gegenüber wunderbar beobachten kann, was die Patres des Franziskanerklosters im Auftrag Dubrovniks ausgiebig tun.

1458: Ragusa gibt dem osmanischen Drängen nach und schließt einen Vertrag, in dem es sich zu Tributzahlungen verpflichtet. Im Gegenzug garantiert Konstantinopel Unabhängigkeit in allen inneren Belangen und freien Handel zu Wasser und zu Lande. Ragusaner Händler sind von bestimmten Steuern befreit, Ragusaner Schiffe dürfen als einzige das Schwarze Meer befahren. Die Stadtrepublik unterhält Handelskolonien in osmanischen Städten, steht in Ländern, mit denen sie keine Handelsverträge unterhält, unter dem Schutz des Osmanischen Reiches und fungiert nun endgültig als Angelpunkt des Handels zwischen Mittelmeer und Nahem und Fernem Osten.

16. Jh.: Mit der portugiesischen Erforschung der Schiffsroute nach Indien und Kolumbus’ Entdeckung Amerikas verlagern sich die Handelsrouten weg vom östlichen Mittelmeer. Sowohl Ragusa als auch Venedig sind von dieser Entwicklung betroffen.

6. April 1667: Ein verheerendes Erdbeben zerstört Ragusa, 5000 Menschen finden den Tod. Die Bauten im Stil von Gotik und Renaissance sind weitgehend vernichtet, nur der Sponza- und der Rektorenpalast überstehen die Verwüstung. Der Wiederaufbau erfolgt einheitlich im Stil des Barock.

1667: Die Venezianer wittern ihre Chance und tauchen mit ihrer Flotte vor dem zerstörten Ragusa auf, angeblich um Hilfe anzubieten. Der einzige überlebende Senator Nikolica Bunić lässt sich zum Flaggschiff rudern und lehnt im Namen von Rektor und Senat (die es beide nicht mehr gibt) die Hilfe dankend ab. Beeindruckt ziehen sich die Venezianer zurück.

1684: Gesandte der Stadtrepublik erneuern einen Vertrag mit dem kroatisch-ungarischen Königshaus der Habsburger, der diesem die Souveränität über Ragusa und jährliche Tributzahlungen zugesteht. Nun sind auch die kroatischen Adriahäfen für Ragusa geöffnet. Der Handel nimmt einen neuen Aufschwung.

1683: In der Schlacht am Kahlenberg bei Wien treten die Habsburger, der Kirchenstaat und das Königreich Polen gegen das Osmanische Heer unter Kara Mustafa an. Feldmarschall der österreichischen Truppen ist Frano Đivo Gundulić, Spross einer Ragusaner Adelsfamilie, deren Wurzeln bis ins 10. Jh. zurückreichen.

1699: Nach der verlorenen Schlacht vor Wien 1683 zieht sich das Osmanische Reich aus einigen seiner südosteuropäischen Eroberungen, darunter auch aus Ragusa, zurück. Bosnien und damit Ragusas Hinterland bleibt aber osmanisch.

18. Jh.: Venedig erhebt wieder Ansprüche auf das aus osmanischer Oberhoheit entlassene Ragusa, das sich durch die Türken im Rücken vom Festland her vor Angriffen geschützt fühlt. Um seine Nord- und Südgrenze abzusichern, überlässt Ragusa den Osmanen jeweils ein kleines Stück Küstenland im Norden und Süden seines Territoriums. Ergebnis der nördlichen Abtretung ist der bosnische Korridor bei Neum, der Dalmatien heute in zwei Teile zerschneidet.

Anfang des 19. Jh.: Noch einmal profitiert Ragusa von europäischen Zwistigkeiten. Im dritten Koalitionskrieg zwischen Frankreich und dessen Verbündeten sowie Großbritannien erklärte sich die Stadtrepublik für neutral. Englands Handelsverkehr läuft nach Verhängung der Kontinentalsperre nun zum Teil über Ragusa.

1806: Nach mehrmonatiger Belagerung durch russische und montenegrinische Truppen, die gegen Napoleon kämpfen und das von Patriziervillen und Gärten geprägte Umland der befestigten Stadt plündern, unterstellt sich Ragusa französischem Kommando. Napoleon marschiert in die Stadt ein und bedient sich großzügig an deren Kunstschätzen.

Von Napoleon bis Tito

1808: Die Stadtrepublik Ragusa wird aufgelöst und als Stadt Dubrovnik dem napoleonischen Königreich Italien einverleibt. Marschall Auguste de Marmont, neuer Oberbefehlshaber der Stadt, nimmt den Titel eines Herzogs von Ragusa an. Zwei Jahre später wird Dubrovnik Teil der von Napoleon neu geschaffenen Illyrischen Provinzen.

1813/1814: Belagerung Dubrovniks durch Kroaten, Montenegriner und Briten. Die Franzosen ziehen ab.

1815: Beim Wiener Kongress wird Dubrovnik der österreichisch-ungarischen Monarchie zugesprochen, in der die Stadt bis 1918 verbleibt.

Ende des 19. Jh.: Anfänge eines zumeist exklusiven Tourismus. Erzherzog Maximilian lässt auf der Insel Lokrum einen Palast errichten.

1918: Dubrovnik wird Teil des Königreichs Jugoslawien.

1939: Wegen seiner mehrheitlich kroatischsprachigen Bevölkerung kommt Dubrovnik verwaltungstechnisch zur Banschaft (später Republik) Kroatien.

1945: Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird Kroatien Teil der Sozialistischen Republik Jugoslawien unter Regierung des Partisanengenerals Josip Broz Tito.

Neuzeit

1950er- bis 1970er-Jahre: Aufschwung des Tourismus, zahlreiche Hotels werden auf Lapad und Babin Kuk errichtet.

1979: Dubrovnik wird zum UNESCO- Weltkulturerbe erklärt.

1980: Tito stirbt. Die jugoslawischen Teilrepubliken wehren sich gegen die zunehmende serbische Dominanz im Vielvölkerstaat.

1991: Nach einem Referendum erklärt sich Kroatien unter seinem Präsidenten Franjo Tuđman für unabhängig. Die von Serben dominierte jugoslawische Volksarmee versucht daraufhin, kroatische Gebiete zu besetzen. Es kommt zu kriegerischen Auseinandersetzungen, bei der beiden Seiten ethnische Vertreibungen und Gräueltaten vorgeworfen werden.

Juni 1991: Serbische und montenegrinische Truppen schließen Dubrovnik ein. Zu den kommandierenden Generälen zählt auch der spätere serbische Präsident Slobodan Milošević. Die Stadt liegt unter Granat- und Mörserbeschuss.

1. Okt. 1991: Telefon, Strom und Wasser werden gekappt.

6. Dez. 1991: Auf Dubrovniks Altstadt werden über 600 Granaten abgeschossen.

Frühjahr 1992: Kroatische Truppen befreien Dubrovnik. Die Kriegshandlungen verlagern sich auf andere Regionen und enden erst 1995. In Dubrovnik werden 114 zivile Opfer und 200 getötete Soldaten gezählt.

Ende 20./Anfang 21. Jh.: Die enormen Kriegsschäden an den historischen Gebäuden, darunter der Sponzapalast, werden mit internationaler Hilfe behoben.

2013: Kroatien tritt der EU bei.

2017: Nach dem Scheitern der bei den Parlamentswahlen 2015 gewählten Regierung geht nach Neuwahlen 2016 eine Koalition der rechtskonservativen HDZ mit Liberalen und der reformorientierten Liste MOST an den Start. Regierungschef ist Andrej Plenković.

Kurz und knapp: Auguste de Marmont

Auguste de Marmont war eine steile Karriere und ein ebenso steiler Absturz beschieden, der zu einer absurden Bereicherung der französischen Sprache beitrug. 1808, mit Einrichtung der Illyrischen Provinzen, also der von Napoleon in Südosteuropa eroberten Territorien, wurde Marmont, der Herzog von Ragusa, zu deren Generalgouverneur ernannt. 1814 stand er, von Napoleon alleingelassen, mit 35.000 Mann mehr als 100.000 Soldaten der Koalition vor Paris gegenüber. Er sah sich gezwungen, die Stadt dem Feind zu übergeben und schlug sich schließlich auf die Seite des Senats, der den Kaiser für abgesetzt erklärt hatte. Diese Tat des „Ragusaners“ blieb unvergessen: raguser bedeutet seitdem im Französischen verraten.

Leben in der Stadt

Wie lebt es sich in einem „Museum“, das im Sommerhalbjahr täglich von Tausenden von Menschen aus aller Herren Länder überflutet wird? Nicht schlecht, meinten die Dubrovniker noch bei einer Umfrage, die eine englische Management-Fakultät 2006 in Auftrag gegeben hatte, um die Auswirkungen des Tourismus auf die Bevölkerung zu untersuchen.

Das hat sich inzwischen drastisch geändert, denn die Besuchermassen machen es an manchen Tagen unmöglich, seinen Geschäften nachzugehen. Immer wieder passiert es, dass die Polizei wegen Überfüllung des historischen Zentrums die Altstadttore schließt. In manchen Gassen leben nur noch ein, zwei Familien – der Rest der restaurierten Häuser dient als Feriendomizil und steht den meisten Teil des Jahres leer. Proteste dagegen regen sich nur zaghaft.

Noch machen die Dubrovniker die Touristen nicht für eventuelle Umweltschäden verantwortlich, wenngleich man sich durchaus vorstellen kann, dass zu Spitzenzeiten die Ankunft von bis zu fünf Kreuzfahrtriesen täglich im Hafen Gruž nicht unbedingt zu den nachhaltigsten Phänomenen zählt. Nicht zufällig verbesserte sich die Wasserqualität des Meeres signifikant, als in den Jahren des Jugoslawienkriegs der Tourismus zusammenbrach. Eine hohe Wasserqualität ist den kroatischen Tourismusmanagern aber wichtig, schließlich bildet sie den Grundstock ihres Kapitals, und so wurde und wird viel dafür getan, sie zu erhalten – die mit der Blauen Flagge ausgezeichneten Strände und die ebenfalls prämierte ACI-Marina sind der Beweis, dass dies offensichtlich trotz des stetig anwachsenden Schiffsverkehrs geht.

Dass im Museum des Rektorenpalastes kostbare Gemälde und Dokumente durch die Feuchtigkeit der Atemluft leiden, mag vielen verglichen mit den großen Herausforderungen des Tourismus wie dem Bau neuer, noch luxuriöserer Hotelanlagen als Nebensächlichkeit erscheinen. Lange schauten die Dubrovniker dem Ausverkauf ihrer Stadt zu, doch plötzlich verstanden sie keinen Spaß mehr und votierten in einem Referendum 2013 gegen ein Golfressort auf dem Gipfelplateau des Berges Srđ.

Und weil es beim Golf so gut gelaufen war, opponierten die Dubrovniker (und mit ihnen viele andere Kroaten) auch gleich noch gegen ein geplantes und mit EU-Mitteln finanziertes unterirdisches Kraftwerk in der Karsthöhle, aus der der Fluss Ombla in die Rijeka Dubrovačka austritt – mit Erfolg. Der Geldgeber, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, zog ihre Zusage zurück. Die Golfgegner konnten sich über ihren Erfolg allerdings nur kurz freuen – das Referendum war nicht verpflichtend und das Projekt bekam im Stadtrat grünes Licht. Ein hervorragendes Beispiel für die nach wie vor engen Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik und für die in Kroatien grassierende Korruption, wie die Initiative Srđ je naš („Srđ ist unser“) meint. Immerhin kassierte ein Gericht in Split die Genehmigung 2016 wieder ein. Wie es weitergeht, steht in den Sternen.

Dubrovnik, das über lange Jahrhunderte eine wirtschaftlich wie politisch prominente Rolle auf dem Südbalkan spielte, kommt heute im kroatischen Staat vorrangig die Bedeutung zu, als eine der Hauptsehenswürdigkeiten des Landes Hunderttausende von Touristen und mit ihnen Devisen nach Kroatien zu bringen. Im Kulturleben hat Dubrovnik außerdem als Geburtsort bedeutender Künstler (z. B. des Poeten Ivan Gundulić und des Autors Ivo Vojnović) eine gewichtige Position, wenngleich heute aus der Stadt kaum Impulse für die aktuelle Kulturszene kommen. Als Symbol für die Zähigkeit und Ausdauer des kroatischen Widerstands und Unabhängigkeitskampfes gegen die von Serben und Montenegrinern dominierte jugoslawische Armee gilt die Stadt als einer der bedeutendsten kroatischen Schauplätze des Jugoslawienkrieges (s. rechts).

Durch seine von Bergen und Meer begrenzte Lage auf einem schmalen, teils nur fünf Kilometer tiefen Küstenkorridor gibt es für Dubrovnik kaum Wachstumsmöglichkeiten. Neue Siedlungen breiten sich im Primorje genannten Küstengebiet nach Norden in Richtung der Rijeka Dubrovačka und an deren Ufer aus, wo früher die Villen und Gärten des Ragusaner (Geld-)Adels standen. Da die Stadt, vor allem nach den Zerstörungen der ohnehin kleinen, industriellen Infrastruktur während der Belagerung 1991/1992, abgesehen von Jobs in der Dienstleistung und besonders im Tourismus wenig Arbeitsmöglichkeiten bietet, ist der Zuzug beschränkt.

Obwohl die städtische Verwaltungsregion, die županija Dubrovnik-Neretva, im Süden an Montenegro grenzt und landeinwärts nahezu rundum von Bosnien-Herzegowina umschlossen ist, war die Dubrovniker Bevölkerung auch bereits vor dem Jugoslawienkrieg erstaunlich homogen. Damals lebten 82 % Kroaten in der Stadt, heute sind es 90 %. Rund vier Prozent bezeichneten sich im letzten Zensus (2011) als Serben, vor dem Auseinanderbrechen Jugoslawiens waren es knapp neun. Die jüdische Gemeinde, einst eine der bedeutendsten im Adriaraum, zählt heute 30 Mitglieder.

Was ist charakteristisch für einen Bewohner Dubrovniks? Schwarzes, gelocktes Haar, große, schlanke Statur und blaue Augen – so werden die Süddalmatiner zumindest gerne in den kroatischen Volksliedern besungen. Was die Frauen angeht, liegen die Lieder nicht so falsch: Viele Dubrovnikerinnen sind außerordentlich schlank, hoch gewachsen und tragen die dunklen Haare lang und meist in der Mitte gescheitelt. Bei ihren männlichen Mitbürgern ist eine so große äußere Homogenität nicht zu beobachten. Auffällig ist allerdings: So manchen älteren Herrn weisen der mächtige Brustkorb, der breite Gang und die wettergegerbte Haut als ehemaligen Seemann aus – bis heute ist die Seefahrt neben dem Tourismus ein wichtiges Berufsfeld.

Unter Festlandskroaten gelten die Küstenbewohner als besonders lebenslustig, dabei aber nicht unbedingt als allzu verlässlich. Ein bisschen Neid ist da schon im Spiel, denn Klima, Landschaft und Tourismus machen es den Menschen in Dalmatien leichter, ihr Leben zu bestreiten, als den Bewohnern des Binnenlandes. Die Dubrovniker sind von diesen Klischees allerdings ausgenommen – vielleicht weil ihre Vorväter in der historischen Stadtrepublik Ragusa als eher verbissene und humorlose Geschäftsleute galten und dieser Ruf bis heute auf die Stadt abfärbt. Für den Durchhaltewillen während der neunmonatigen Belagerung durch Truppen Serbiens und Montenegros werden die Dubrovniker im ganzen Land geachtet und bewundert.

Granaten auf das UNESCO-Weltkulturerbe

Was die Weltöffentlichkeit für undenkbar gehalten hatte, war eingetroffen: Am 1. Oktober 1991 wurden Dubrovnik Strom und Wasser abgedreht, am 23. Oktober schlugen die ersten Mörsergranaten in der Altstadt ein, eine Woche später zählte man sechs zivile Opfer. Die jugoslawische Restarmee belagerte und beschoss das UNESCO-Weltkulturerbe. Die Belagerung sollte neun Monate dauern und 114 Zivilisten das Leben kosten.

Vorausgegangen war der Zerfall Jugoslawiens. Die nördlichen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien hatten am 25. Juni 1991 ihren Austritt aus dem sozialistischen Vielvölkerstaat erklärt. Sloweniens Unabhängigkeit wurde von der jugoslawischen Regierung in Belgrad nach zehn Tagen Kriegsdrohungen und einigen weitgehend harmlosen Scharmützeln akzeptiert. Kroatien aber wollte man nicht so einfach ziehen lassen, denn hier lebten nicht unbeträchtliche serbische Minderheiten, zu deren Schutz man sich aufgerufen fühlte. Die JNA, die Jugoslovenska narodna armija (Jugoslawische Volksarmee) besetzte daraufhin die umstrittenen Gebiete, so die Krajina, in der die Serben in der Mehrheit waren. Im Zuge der Kriegshandlungen kam es zu zahlreichen Massakern. Im kroatischen Vukovar richtete die JNA beispielsweise Hunderte von Kroaten hin.

Dass auch Dubrovnik und sein Umland in diesen Krieg gezogen werden könnten, damit hatte niemand gerechnet. In der Stadt war kein Militär stationiert, sie hatte keine strategische Bedeutung und von den rund 71.000 Bewohnern der gesamten Region von Pelješac bis zum Konavle-Tal waren nur 6,8 % serbischer Herkunft. Und doch passierte es: Während sich die hauptsächlich aus Serben zusammengesetzten Truppen der JNA von Norden der Stadt näherten, rückten montenegrinische Reservistenverbände von Süden vor. Am 23. September 1991 wurden die ersten kroatischen Dörfer, Vitaljina und Brgat, unter Beschuss genommen. Was folgte, waren Plünderungen, Vergewaltigungen und Vertreibungen sowohl im Konavle-Tal im Süden als auch in der Župa dubrovačka im Norden – rund 15.000 Flüchtlinge landeten in Dubrovnik und wurden in leerstehenden Hotels am Babin Kuk untergebracht. Am 26. Oktober 1991 erreichten die montenegrinischen Verbände Dubrovnik. Am Zarkovica-Kap hissten sie die jugoslawische Fahne und richteten sich auf den Anhöhen der die Stadt einrahmenden Berge auf die Belagerung ein. Die serbischen Truppen der JNA stießen am 24. November zu ihnen. In Serbien und Montenegro wurden Gerüchte in Umlauf gesetzt, wonach die berüchtigte kroatische Schwarze Legion, eine Elitetruppe des faschistischen Ustascha-Regimes im Zweiten Weltkrieg, in Dubrovnik einmarschiert sei. JNA-Hauptmann Vladimir Kovačević, der die Belagerung befehligte, machte daraufhin seinem Spitznamen „Rambo“ alle Ehre. Bis zum Abzug der JNA im Mai wurden 11.425 Gebäude durch Artilleriebeschuss und Bomben beschädigt.

Wie lebten die Menschen im besetzten Dubrovnik? In erster Linie waren sie damit beschäftigt, die wenigen Feuerpausen zu nutzen, um Lebensmittel aufzutreiben. Bis Ende Dezember 1991 gab es keinen Strom in der Stadt. Wer sich auf den Straßen bewegte, lief Gefahr, von Scharfschützen erschossen zu werden. In einer exponierten Position waren auch die in den Hotels einquartierten Flüchtlinge – ihre Unterkünfte waren neben den denkmalgeschützten Monumenten der Altstadt Hauptziel der Artillerie. Am Höhepunkt des Beschusses, dem 6. Dezember 1991, flogen alleine 600 Granaten auf die Altstadt. Sponzapalast, Dominikaner- und Franziskanerkloster, die Synagoge – so gut wie alle historischen Gebäude wurden bei den Angriffen schwer beschädigt. Treffer hatten meist Brände zur Folge, denn die traditionelle Bauweise der Altstadthäuser besteht aus einer Verbindung von Stein und Holz. Wie viele Dächer brannten, sieht man gut beim Rundgang auf der Stadtmauer: Überall, wo die Ziegel rot leuchten, musste neu gedeckt werden.

Die kroatische Armee konnte der Stadt lange nicht zu Hilfe kommen. Sie war an anderen Kriegsschauplätzen gebunden und stand vor dem Problem, dass Dubrovnik in seiner vom damaligen Restjugoslawien (heute Bosnien-Herzegowina und Montenegro) eingeschlossenen Position kaum zu erreichen, geschweige denn zu verteidigen war. Erst dem kroatischen General Janko Bobetko gelang es im Mai 1992 mit seinen „Tigern“ (tigrovi), an der adriatischen Küste entlang vorzustoßen und am 1. Juni 1992 den Ring der Belagerung zu durchbrechen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kräfte der JNA allerdings bereits mit dem Rückzug in Richtung Konavle-Tal und Montenegro begonnen.

Der Domovinski rat genannte Krieg um die Unabhängigkeit ist auch heute in Dubrovnik noch sehr präsent. Nicht nur, weil nach wie vor allenthalben Kriegsschäden zu sehen sind, sondern auch, weil viele Dubrovniker Menschen kennen, die von den Vertreibungen betroffen waren, ihr Hab und Gut verloren haben oder deren Häuser zerstört wurden.

Mit drei Ausstellungen – dem Gedenkzimmer für die Opfer im Sponzapalast {6}, dem Museum auf dem Berg Srđ {30} und der Galerie War Photo Limited {21} – erinnert die Stadt an die Belagerung. Ein Denkmal für die Kriegsopfer, eine multimediale Installation, steht am Brsalje-Platz vor dem Pile-Tor {22}.