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»Ich hoffe, du bist nicht allzu enttäuscht, hier nicht auf die Herren der Inquisition zu treffen, Gralshüter. Obwohl ich zugeben muss, dass sie ganz vortreffliche Arbeit an euch Templern verrichten. Aber ich versichere dir, dass ich mir alle Mühe geben werde, es auf meine Art wettzumachen!«, begrüßte Sjadú ihn mit kaltem Hohn und rührte sich dabei nicht von der Stelle. Er vertraute auf die Macht seiner teuflischen Kräfte, der sein verhasster Feind nicht gewachsen sein würde. Um mit dem levantinischen Gralsritter fertig zu werden, bedurfte er noch nicht einmal der Hilfe seines Begleiters Guyot, der sich rechts von der Tür neben dem schweren Kasten der Eisernen Jungfrau verborgen hielt. »Der Ort für unser Wiedersehen ist doch recht passend ausgewählt, findest du nicht auch? Obwohl ich es natürlich vorgezogen hätte, dich und deine Freunde schon vor sechzehn Jahren zusammen mit dem alten Abbé in eurem Heiligtum unter den Mauern von Akkon über die Klinge springen zu lassen! Aber was bedeuten schon die paar Jahre, wenn es darum geht, euren Orden in den Untergang zu führen und euch Gralshütern den verfluchten Kelch zu entreißen!«

Tarik löste sich aus der Erstarrung, in die ihn das Entsetzen beim Anblick des höchsten Judasjüngers versetzt hatte. Trotzig reckte er das Kinn und funkelte ihn voller Todesverachtung an. »Niemals! Niemals werdet ihr sklavischen Speichellecker des Herrn der Unterwelt den Heiligen Gral in eure Hände bekommen!«, stieß er hervor und schleuderte ihm triumphierend ins Gesicht: »Ihr habt das Versteck nicht gefunden! Du stehst noch immer mit leeren Händen da, du aufgeblasene Brut der Hölle! Denn wenn es anders wäre, wärst du nicht hier, sondern mit deiner Beute schon längst auf dem Weg zu eurer schwarzen Abtei, um sie deinem Herrn – ewig verflucht soll er sein! – mit hündischem Sabbern vor die Füße zu legen!«

Sjadús Augenlider zuckten unmerklich.

Tarik sah das Zucken und auch das Flirren in der Luft, das plötzlich wie Hitzeglast im Raum hing und alle Konturen dahinter leicht verschwimmen ließ. Er wusste nur zu gut, was das bedeutete: Der Iskari verdichtete dank seiner magischen Kraft die Luft zu einem Ball, den er ihm mit der Wucht eines Hammerschlags entgegenschleuderte! Gerolt war dank seiner göttlichen Segensgabe zu ähnlich außergewöhnlichen Handlungen fähig. Der Teufel hatte seinem Ersten Knecht jedoch Gewalt über alle vier Elemente verliehen. Und der Teufelsknecht hatte zwei Jahrhunderte mehr Zeit gehabt als Tarik und seine Freunde, um sich in seinen besonderen Fähigkeiten zu üben und es darin zu einer entsetzlichen Meisterschaft zu bringen. Nur Abbé Villard war ihm bei der Beherrschung aller vier Naturelemente ebenbürtig gewesen.

In dem winzigen Moment, der Tarik noch blieb, versuchte er, durch einen Sprung zur Seite aus der Flugbahn des harten Luftgeschosses zu kommen. Aber selbst wenn er keine Fesseln getragen hätte, wäre es ihm nicht gelungen, dem wuchtigen Schlag noch rechtzeitig auszuweichen. Wie von einer Keule vor die Brust getroffen, wurde er rücklings gegen die Bohlentür geschleudert. Die eisernen Fesseln und Ketten krachten mit lautem Klirren gegen die metallenen Beschläge der Tür.

Schmerzen jagten Tarik durch die Brust, während er sich am Boden krümmte, und ihm war, als wären ihm alle Rippen gebrochen und pressten nun seine Lungen zusammen, sodass er nicht mehr atmen konnte.

»Was ist, Gralsritter? Hat es dir vielleicht die Sprache verschlagen?«, wollte Sjadú wissen. »Das wollen wir nicht hoffen, denn du wirst uns doch gleich erzählen wollen, wo ihr den Kelch versteckt habt. Aber bevor wir dazu kommen, haben wir noch ein wenig Zeit. Du hast noch etwas gut bei mir und sollst vor deinem Tod noch erfahren, was es bedeutet, sich mit einem erhabenen Ersten Knecht des Schwarzen Fürsten anzulegen. Also, nur hoch auf die Beine!«

Augenblicklich schienen unsichtbare Hände nach Tarik zu greifen und ihn hochzureißen. Er bekam jedoch keinen Boden unter die Füße, sondern die unsichtbaren Hände zerrten ihn, in der Luft schwebend, durch die Folterkammer und warfen ihn wie eine leichte Strohpuppe gegen die Wand hinter der Streckbank. Der harte Aufprall raubte ihm fast das Bewusstsein.

Sjadú hielt ihn dort mit enormem Druck gegen die Wand gepresst, als kostete es ihn nicht die geringste Anstrengung. Erst jetzt bemerkte Tarik den anderen Iskari, der die teure Kleidung eines adligen Lakaien trug – und einen Krug in den Händen hielt.

»Wo bleibt der Widerstand, Gralsritter?«, fragte Sjadú. »Du enttäuschst mich. Ich hatte mir mehr von dir erwartet. Dabei habt ihr Templer euch doch mit eurem Können und eurer Stärke stets allen anderen Kämpfern überlegen gefühlt. Aber davon sehe ich nichts, sondern nur einen Schwächling, den ich wie eine Laus zerquetschen kann, ohne auch nur Hand an dich zu legen.«

Und um Tarik einen weiteren Beweis seiner gewaltigen Macht zu geben, ließ er ihn spüren, wie sich etwas rund um seine Kehle legte und sie ihm langsam zuschnürte. Ihm war, als hätte man seinen Hals in einen Schraubstock gespannt, der nun immer fester zugedreht wurde. Er würgte und röchelte und vermochte dennoch nicht, Luft in seine Lungen zu saugen. Die Augen quollen ihm aus den Höhlen und in seinem Kopf schien das Gehirn anzuschwellen und mit wütendem Schmerz gegen Stirn und Schädeldecke zu drücken, als wollte es die Knochen sprengen.

Als er kurz davor stand, das Bewusstsein zu verlieren, gab Sjadú seine Kehle so plötzlich wieder frei, wie er sie ihm zugedrückt hatte.

»Du verdirbst mir die Freude mit deiner jämmerlichen Unfähigkeit, mir etwas entgegenzusetzen!«, sagte er verächtlich und schleuderte ihn von der Wand auf das Gittergerüst der Streckbank. »Kommen wir also zu den wirklich wichtigen Dingen und lass uns über den Kelch und sein Versteck reden. Danach darfst du zeigen, wie mannhaft du in den Tod zu gehen verstehst.«

Tarik konnte sich nicht der Kraft erwehren, die ihn auf die Folterbank niederdrückte. Doch durch seine schmerzende Kehle strömte nun endlich wieder Luft in seine brennenden Lungen. »Es wird . . . dir nicht . . . gelingen!«, stieß er hustend und würgend hervor.

»Bewahr dir deine törichte Illusion, Gralshüter! Ich werde alles erfahren, was ich von dir wissen will. Und dazu noch so manches andere, was du sogar vor dir selbst tief in deinem Innersten verschlossen hältst!«, versicherte Sjadú und machte eine knappe, herrische Geste, die seinem Begleiter galt. »Komm her und bring den Krug, Guyot!«

Der als Lakai verkleidete Iskari, dessen linke Gesichtshälfte von einer weit verästelten Hautflechte verunstaltet wurde, eilte zu ihnen an die Streckbank. Er hielt in der Linken einen Blechtrichter und in der Rechten einen rundbauchigen schwarzen Krug, dessen Inhalt wohl ausreichen mochte, um gut ein halbes Dutzend Trinkbecher von durchschnittlicher Größe zu füllen.

Der schwarze Trank!

Sofort kehrte bei Tarik die Angst zurück, dass Antoine den Heiligen Kelch in jenem Versteck zurückgelassen hatte, das er kannte. In diesem Fall war die Wahrscheinlichkeit groß, dass er, allem inneren Widerstand zum Trotz, unter der teuflischen Wirkung der Substanz alles preisgab, was er über das Geheimnis wusste. Gerolt hatte zwar in einer ähnlichen Lage der Versuchung widerstehen können, aber auch nur im allerletzten Moment, als ihm die verräterischen Worte schon auf der Zunge gelegen hatten. Und woher sollte er wissen, ob auch er über die große innere Kraft und Glaubensstärke verfügte, die nach Gerolts Worten nötig war, um sich gegen die Einflüsterungen des Teufels aufbäumen zu können?

»Ich weiß, was dir jetzt durch den Kopf geht, Gralshüter«, sagte Sjadú mit einem geringschätzigen Lächeln. »Aber du wirst es nicht schaffen, was deinem Kameraden damals gelungen ist, weil er dummerweise nur wenig davon getrunken hatte. Diesmal liegen die Dinge anders. Du wirst den Krug bis auf den Grund leeren und dann wird dich nichts davor retten können, mir alle Geheimnisse zu verraten.« Damit wandte er sich an seinen Gefolgsmann.

»Hör genau zu, was ich dir sage, Guyot!«

»Ja, erhabener Erster Knecht!«

»Ich reiße ihm den Kopf in den Nacken und sorge dafür, dass er die Zähne schön weit auseinanderkriegt, damit du ihm den Trichter in den Mund stecken kannst! Und dann flößt du ihm nach und nach alles aus dem Krug ein!«, trug Sjadú ihm auf. »Und zwar bis auf den letzten Tropfen! Aber ersäuf ihn mir nicht, verstanden? Lass seiner Kehle Zeit, den edlen Tropfen hinunterzuschlucken. Er kann gar nicht anders, auch wenn er die Luft anzuhalten versucht. Früher oder später schluckt er, dafür sorgt schon der Reflex. Und wenn er erst mal einen halben Becher davon im Magen hat und sich die Wirkung einzustellen beginnt, wird es mit dem Schlucken schon gar keine Probleme mehr geben. Er wird gar nichts anderes mehr wollen als trinken!«

Guyot versicherte, dass er alles so tun werde.

Sjadú ließ seine magische Kraft in Tariks Haare fahren, zerrte seinen Kopf weit nach hinten und riss ihm gleichzeitig den Mund auf. Fieberhaft überlegte der Gralsritter, wie er das drohende Unheil bloß abwenden sollte. Und dann durchschoss ihn ein Gedanke, der die Rettung bringen konnte, wenn auch nicht für ihn selbst, aber doch für den Schutz des heiligen Kelches. Und nichts anderes war jetzt von Bedeutung.

Scheinbar von wilder, ohnmächtiger Verzweiflung gepackt, rollte er mit den Augen, als Guyot ihm den Trichter in den Rachen steckte und dann den ersten Schluck hineinkippte. Und in diesem Moment, als der Iskari sich über ihn beugte, um zu sehen, ob er auch schluckte, setzte er all sein Vertrauen in seine Gabe als Gralshüter.

Herr, du mein Gott und Erlöser, sei bei mir und lass es geschehen!, betete Tarik mit stummer Inbrunst. Und dann sammelte er seine Kräfte und Willensstärke, um sie zu bündeln und miteinander in sich zu verschmelzen. Er spürte, wie seine göttliche Segensgabe, die ihm alles Flüssige untertan machte, ihn bis in jede Faser seines Körpers erfüllte. Diese gewaltige Kraft richtete er nun mit aller Konzentration auf den schweren süßen Trank, der seinen Mund füllte.

Augenblicklich verwandelte sich die Flüssigkeit, zog sich blitzschnell zusammen und wurde zu einem grashalmdünnen Strang, der mit rasender Geschwindigkeit an Länge gewann und dabei gleichzeitig die Form von hartem schwarzem Eis annahm. Wie eine lange Stricknadel schoss der zu Eis gewordene schwarze Trunk durch den Einfüllstutzen des Trichters zurück – und bohrte sich dem Iskari wie eine Pfeilspitze mitten ins linke Auge.

Guyot brüllte vor Schmerz auf, taumelte von der Streckbank zurück, presste entsetzt eine Hand vor sein ausgestochenes Auge und ließ dabei den Krug fallen. Er zerschellte auf dem Boden und der teuflische Trank ergoss sich über die Steinplatten. Der Schock zwang den Iskari in die Knie, während sein gellendes Schreien in ein Wimmern überging.

Einen kurzen Moment starrte Sjadú fassungslos auf den verschütteten schwarzen Trank, der nun nicht mehr zu gebrauchen war, um dem Gralshüter den Ort des Versteckes zu entreißen. Der Templer hatte ihn und seinen Gehilfen übertölpelt und seinen Plan zunichtegemacht!

In maßloser Wut verzerrte sich das Gesicht des ersten Teufelsknechts. »Du hirnloser Trottel!«, schrie er und trat Guyot mit seinem Stiefel brutal ins Kreuz, sodass dieser in die schwarze Lache und zwischen die Scherben geschleudert wurde. »Dafür wirst du mit deinem Leben bezahlen!«

Tarik spürte, dass ihn nicht länger die magische Kraft Sjadús auf die Streckbank niederdrückte. Sofort schleuderte er mit einer raschen Kopfbewegung den Trichter aus seinem Mund und fuhr auf. Dem Tod, der ihm jetzt gewiss war, wollte er aufrecht ins Auge sehen. Er dankte Gott, dass ihm vorher noch dieser letzte Triumph über den Anbeter des Bösen vergönnt gewesen war.

»Du hast dich einmal mehr verrechnet, du Schlange!«, stieß er mit grimmiger Genugtuung hervor. »Dein Plan geht nicht auf! Weder heute noch an irgendeinem anderen Tag. Der Fürst der Finsternis mag dir noch so große teuflische Macht gegeben haben, sie wird dennoch nicht reichen, uns Gralshüter in die Knie zu zwingen. Und wenn es uns nicht mehr gibt, werden andere an unsere Stelle treten, dafür wird der Allmächtige schon sorgen!«

Mit einer Miene unbändigen Hasses fuhr Sjadú zu ihm herum. Die Demütigung, die diese Niederlage für ihn bedeutete, bohrte sich wie ein Messer in seine Eingeweide. Ihm war, als hätte auch ihn ein eisiger Dorn getroffen.

»Ich werde dir die Hände abhacken und dich wie einen verendeten Fisch in Stücke schneiden!«, schrie er wie von Sinnen. »Die Gedärme werde ich dir aus dem verfluchten Leib reißen, sie dir um die Kehle wickeln und dich daran aufhängen, bis du krepierst, du Hund! Du wirst mich noch . . .«

Sjadú brach ab, denn im selben Augenblick wurde die Tür zur Folterkammer aufgerissen. Ein hochgewachsener Mann in erlesener, höfischer Kleidung und mit scharf geschnittenen Gesichtszügen erschien im Durchgang. Die aristokratische Abstammung und das entsprechende Selbstbewusstsein waren ihm sofort anzusehen. Wie eine Aura umgaben sie diese herrisch eintretende Gestalt. In seinem Rücken drängten sich zwei königliche Kommissare, zwei Dominikanerpatres im schwarz-weißen Ordenshabit, ein blassgesichtiger Schreiber mit einem Trageschreibpult unter dem Arm sowie zwei kräftige, einfach gekleidete Männer, bei denen es sich um Wärter oder Folterknechte handeln musste. Tarik erkannte die aristokratische Gestalt auf den ersten Blick. Es war Wilhelm von Paris, der mächtige Großinquisitor von Frankreich, dem König Philipp das Verhör der Tempelritter übertragen hatte.

»Was geht hier vor sich?«, verlangte Wilhelm von Paris mit scharfer Stimme zu wissen, während die Männer hinter ihm erregt flüsterten, und fixierte Sjadú mit herrischer Miene. »Wer seid Ihr? Was habt Ihr hier zu schaffen? Und was ist mit diesem Kerl, der sich da am Boden krümmt und wimmert?«

Beim Anblick des höchsten Inquisitors von Frankreich flog für einen kurzen Moment ein Ausdruck des Erschreckens und der Wut über Sjadús Gesicht. Doch sofort gewann er die Kontrolle über sich zurück und er zeigte ein reserviertes Lächeln, in dem eine gut dosierte Portion adliger Arroganz lag.

»Der Name, den Ihr zu erfahren wünscht, ist Jean-Mathieu von Carsonnac aus demselbigen altehrwürdigen Geblüt, Herr Wilhelm von Paris«, antwortete Sjadú mit einer nur leicht angedeuteten Verbeugung. Dabei gab er dem Inquisitor durch Wort und Haltung zu verstehen, dass er einerseits wusste, wen er vor sich hatte, sich aber andererseits nicht im Mindesten von ihm verunsichert fühlte.

Tarik schwieg, hielt er es doch für völlig sinnlos, Wilhelm von Paris und seine Begleiter über die wahre Identität des Iskaris aufklären zu wollen.

»Damit habt Ihr mir aber noch nicht halbwegs meine Fragen beantwortet, Herr von Carsonnac!«, kam es da auch schon harsch aus dem Mund des Inquisitors.

Um den Mund von Sjadú zuckte es bei dieser schroffen Zurechtweisung, doch er beherrschte den Zorn, der in ihm tobte. »Ich stehe mit dem königlichen Siegelbewahrer, Wilhelm von . . .«

Der Inquisitor fiel ihm grob ins Wort. »Ihr braucht mir nicht zu erklären, wer der Siegelbewahrer des Königs ist! Ich verlange eine Erklärung für das, was hier ohne mein Wissen geschieht, mein Herr!«

». . . auf gutem Fuß!«, beendete Sjadú dennoch seinen Satz. »Er hat mir die Erlaubnis erteilt, diesen levantinischen Tempelritter namens Tarik el-Kharim einem Verhör zu unterziehen. Und was meinen Lakaien betrifft, so ist der Nichtsnutz gestolpert und hat sich an einer der spitzen Gerätschaften das linke Auge ausgestochen.«

Zorn blitzte in den Augen des Inquisitors auf. Und mit einer knappen Handbewegung wischte er die Worte des Iskaris weg wie eine lästige Fliege.

»Niemand außer mir hat die Befugnis, eine solche Erlaubnis zu erteilen, auch nicht Herr von Nogaret! Wer befragt wird und wann das zu geschehen hat, entscheide ich allein!«, beschied er ihn. »Und schon gar nicht wird ein solches Verhör ohne Gegenwart königlicher Kommissare und Vertreter des Dominikanerordens vorgenommen! Eine derartige Befragung und ein daraus resultierendes Geständnis ist nichtig und wertlos! So etwas dulde ich nicht!«

Die Mönche und Kommissare, deren Gesichter bei dem kurzen Wortwechsel harte und missbilligende Züge angenommen hatten, nickten nachdrücklich. Und einer der Mönche murmelte sogar vernehmlich und voller Empörung: »Diese Eigenmächtigkeit ist unerhört!«

»Erlaubt mir, dass ich Euch erkläre, warum mir in diesem Fall . . .«, begann Sjadú.

»Die Erklärung könnt Ihr Euch sparen, Herr von Carsonnac!«, schnitt ihm Wilhelm von Paris das Wort ab. »Ich sagte Euch doch schon, dass ich diese Eigenmächtigkeit nicht dulde – von keinem! Alle Verhöre werden nach dem geltenden Gesetz von Krone und Kirche vorgenommen! Ohne jede Ausnahme! Und wenn Ihr Euch bei Herrn von Nogaret beschweren wollt, so lasst Euch nicht aufhalten. Auch ich werde mit ihm reden, dessen seid versichert! Und nun geht! Wir haben schon genug kostbare Zeit vergeudet. Also nehmt Euren verletzten Lakaien und bringt ihn zum nächsten Wundarzt!« Und während er mit herrischer Geste unmissverständlich zur Tür wies, befahl er einem der Kerkerknechte: »Seht zu, dass der Herr von Carsonnnac mit seinem Bediensteten seinen Weg nach draußen findet!«

Tarik sah Sjadú, der hinter seinem Rücken die Hände zu Fäusten ballte, die ohnmächtige Wut an. Am liebsten hätte er den Inquisitor und wohl auch dessen Begleiter seine vernichtende Macht spüren lassen. Aber mit solch einem Ausbruch blindwütiger Gewalt hätte er sich und seinem Vorhaben, den heiligen Kelch zu erbeuten, mehr geschadet als genutzt. Nein, die Sache war an diesem Ort für ihn verloren.

Stumm und mit verbissener Miene packte er den noch immer wimmernden Guyot am Kragen, riss ihn hoch und zerrte ihn an den Männern vorbei aus der Folterkammer.

Nun wandte sich der Inquisitor an den graugesichtigen Schreiber und forderte ihn auf: »Seht nach, ob der Name dieses Templers auf der Liste der demnächst zu Verhörenden steht! Sucht nach Tarik el-Kharim!«

»Sehr wohl, mein Herr!« Der Schreiber holte eine Pergamentrolle aus seinem Kasten, rollte sie aus und überflog die Liste. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, mein Herr. Ein Ritter solchen Namens findet sich hier nicht.«

Der Inquisitor nickte. »Dann schaffe man ihn hier raus und lasse ihn zurück in seine Zelle bringen, bis er an der Reihe ist!«, befahl er ungeduldig. »Und dann will ich unverzüglich den Komtur hier sehen, der nicht gestehen will!«

Tarik vermochte sein Glück kaum zu fassen. Er war sowohl Sjadú als auch der Folter noch einmal entkommen! Er hatte das Versteck nicht verraten und wurde auch vorläufig nicht der Tortur unterzogen! Wie belanglos waren dagegen doch die Schmerzen, die der Iskari ihm zugefügt hatte und die sein malträtierter Körper ihn noch einige Zeit lang spüren lassen würde.

Ihm zitterten die Knie, als zwei Wärter kamen und ihn zurück in seinen Kerker brachten. Dort sank er in einer Ecke in sich zusammen, schlug die Hände vors Gesicht und ließ stumm den Tränen der Erlösung und Dankbarkeit freien Lauf.