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Die Servienten stürzten hinaus auf den Gang. Und bevor Gerolt oder Maurice es verhindern konnte, hatte einer von ihnen dem Wärter das Messer aus dem Gürtel gerissen und ihrem sadistischen Quälgeist die Kehle durchgeschnitten.

Es war Gerard, der einstige Waffenmeister, der nun die Führungsrolle bei den Servienten übernahm. Er hob das Schlüsselbund auf, das Gerolt achtlos hinter sich geworfen hatte, weil es nicht mehr gebraucht wurde.

»Los, Brüder! Bewaffnen wir uns!«, rief er den anderen mit wild entschlossener Miene zu. »Bestimmt ist irgendwo im Gang eine Waffenkammer!«

»Nein! Versucht das erst gar nicht! Ihr werdet auch mit Waffen in der Hand nicht weit kommen!«, rief Gerolt ihnen zu. »Es gibt eine andere Möglichkeit, dem Gefängnis zu entkommen – und zwar lebend!«

Für einen kurzen Moment hatte er die Aufmerksamkeit der Servienten. »Und wie sieht die aus?«, fragte Marcel Chocquet.

Während Maurice die Kutte abwarf und hastig ein fingerdickes Seil abwickelte, das er sich unter der Polsterung seines falschen Bauches um die Hüften gewickelt hatte, deutete Gerolt auf das zum Fluss hinausgehende Fenster. »Wir werden dort hindurch fliehen!«

Die Blicke der Servienten gingen erst zu den dicken Gitterstäben, mit denen die Fensteröffnung im dicken Mauerwerk versperrt war, und dann wieder zurück zu Gerolt. Dabei sahen sie ihn an, als zweifelten sie an seinem Verstand.

»Unmöglich!«, rief einer sofort.

»Doch!«, beharrte Gerolt. »Wir reißen die Gitterstäbe aus der Wand und . . .«

Gerard ließ ihn nicht ausreden. »Das ist doch verrückt! Das schafft ihr nie im Leben! Und ich denke nicht daran, darauf zu warten, dass ein Wärter Alarm schlägt! Kommt, Männer!«

»Gerard hat recht!«, stieß ein anderer hervor. »Noch haben wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Und lieber sterbe ich mit einer Waffe in der Hand, als mich auf die Folter spannen oder auf den Scheiterhaufen führen zu lassen!«

»Ja, lieber aufrecht und ehrenvoll im Kampf sterben, als so zu krepieren!«

»Wartet! Was ihr vorhabt, ist der reine Selbstmord! Wir haben Hilfe von draußen! Es ist alles sorgfältig geplant!«, versuchte Gerolt noch, die kopflosen Servienten davon abzuhalten, in den sicheren Tod zu laufen. Doch es hörte längst keiner mehr hin, was er sagte, während er sich Kutte und falschen Bauch vom Leib zerrte, der zum größten Teil aus einem dunklen Umhang aus leichtem Stoff bestand. Sie stürzten schon mit Gerard an ihrer Spitze den Gang hoch, um zu der Waffenkammer zu kommen.

»Lass sie! Sie sind verloren!«, kam es von Maurice. Er war inzwischen zu der quadratischen Maueröffnung gerannt, deren Seitenmaß etwa anderthalb Armlängen betrug, und warf die Seilrolle kraftvoll und in weitem Bogen in die regnerische Nacht hinaus, die inzwischen über der Stadt lag. »Ihnen ist jetzt nicht mehr zu helfen. Und wir haben auch nicht die Zeit, sie davon zu überzeugen, dass sie ihr Leben retten können, wenn sie bei uns bleiben. Betet besser zu Gott, dass McIvor und Raoul den Lastkahn in Position gebracht haben!«

Tarik fragte nicht erst lange, wie sie es bloß anstellen wollten, das schwere Gitter aus der Mauer zu brechen, und was es mit dem Kahn auf sich hatte, den Maurice soeben erwähnt hatte. Er vertraute darauf, dass seine Freunde wussten, was sie taten. Und zu hören, dass auch der Schotte und Hauptmann Raoul am Leben und in Freiheit waren, ließ sein Herz höher schlagen.

Er packte Gerolt an der Schulter und deutete auf die zerlumpte Gestalt, die hinten reglos an der Wand des Kerkers lag. »Das ist Antoine! Sie haben ihn bestialisch gefoltert, aber er hat das Geständnis bis zuletzt verweigert!«, stieß er hastig hervor. »Es ist nicht mehr viel Leben in ihm, aber wir müssen ihn mitnehmen! Wenn er schon sterben muss, dann soll es in Freiheit geschehen!« »Allmächtiger!« Entsetzen schnürte Gerolt die Kehle zu, als er Augenblicke später mit Tarik neben dem alten Gralshüter kniete und sah, was die Folterknechte ihm angetan hatten.

Kurz hoben sich die Lider ihres Oberen. »Gerolt, du lebst?«, flüsterte er und ein schwaches Leuchten trat in seine fiebrigen Augen. »Ja, ich bin mit Maurice, McIvor und Hauptmann Raoul von Liancourt gekommen, um Euch und Tarik hier herauszuholen! Haltet durch, Antoine!«, beschwor er ihn. »Wir sind alle der Verhaftung entkommen.«

»Der Herr sei gepriesen! . . . Nun ist der Heilige Gral sicher!«, hauchte Antoine, während die Lider schon wieder zufielen.

»Ich habe Zug an der Leine! Das Seil mit den Eisenhaken kommt!«, rief Maurice vom Fenster her. »Sie haben den alten Kahn also nicht auf Grund gesetzt, dem Himmel sei Dank! Aber einer von euch muss mit anpacken. Das Tau ist verteufelt schwer! Und vergiss bloß nicht, die Handschuhe zu verteilen, die wir mitgebracht haben. Sonst reißt uns das Seil gleich die Haut von den Händen!«

Schnell trugen Tarik und Gerolt ihren Gralsbruder aus der Zelle und legten ihn vorsichtig in der Nähe des Fensters auf den Gang. Dann warf Gerolt dem Levantiner Lederhandschuhe und Umhang zu, streifte sich selbst ein Paar Handschuhe über und nahm das dritte Paar zwischen die Zähne, während er zu Maurice an die Maueröffnung lief und ihm half, das schwere Bootstau hochzuziehen, das ans Ende der Leine geknotet war.

Als der Jutesack vor dem Fenster auftauchte und sich in Reichweite befand, streckte Maurice beide Arme durch das Gitter und zerrte den nur locker umgebundenen Sack von den drei dicken Eisenhaken, die darunter zum Vorschein kamen. Er klemmte je einen der Haken, von denen zwei an ihrem Endstück eine starke Krümmung nach innen aufwiesen, während der andere in eine klauenartige Dreizackspitze auslief, hinter einen der Längsstäbe des Gitters und nahm Gerolt das für ihn gedachte Paar Handschuhe aus den Zähnen.

»Passt gut auf, dass uns das Verbindungsseil nicht durch die Hände fliegt, wenn das Mauerwerk aufbricht und mit dem Gitter in die Tiefe poltert! Dann sind wir geliefert!«, rief Maurice seinen Gefährten zu, gab McIvor und Raoul das verabredete Handzeichen und sprang vom Fenster weg.

Gerolt hatte sich das Ende des Seils, das nun schlaff und in weiten Schlingen vor dem Fenster auf den Bodenplatten lag, um die Hüften gelegt und hielt es zu beiden Seiten mit behandschuhten Händen fest. Tarik stand ein Stück vor ihm und hatte ebenfalls das Seil gepackt. Im selben Augenblick drang aus den Tiefen der Gefängnisgänge lautes Gebrüll, dem sofort das metallische Klirren von aufeinandertreffenden Klingen folgte. Der ebenso heldenmütige wie sinnlose Kampf der Servienten gegen Kerkerknechte und Wachsoldaten hatte begonnen.

Fast gleichzeitig spannte sich das dicke Tau, als McIvor und Raoul sich unten auf dem Lastkahn mit aller Kraft in die Speichen der Winde legten. Jetzt hingen Gedeih und Verderben davon ab, ob die Zugstärke der Winde sowie die Muskelkraft von McIvor und Raoul ausreichten, um das Gitter herauszubrechen.

Am frühen Nachmittag hatten sie die schwere Winde mithilfe eines Flaschenzuges auf das Deck des Flussschiffes geladen. Sie hatten dem Flussschiffer und seinem Sohn, aus denen die ganze Besatzung des Lastkahns bestand, bei der Anmietung ihres Bootes erzählt, sie müssten die Winde, bestimmt für einen Küstenkutter, in den Hafen von Le Havre bringen. Nur zu gern hatten die beiden Schiffer diesen Auftrag übernehmen wollen, als sie hörten, was die Herren für die Fahrt bezahlen wollten. Und bereitwillig hatten sie sich dazu einladen lassen, die vereinbarte Fahrt mit einem ordentlichen Schluck zu begießen. Sie hatten auch kräftig dem Wein zugesprochen – nicht wissend, dass der schwere Rote, der ihnen reichlich nachgeschenkt wurde, einen betäubenden Zusatz enthielt. Sie lagen jetzt in tiefem Schlaf unten im Bauch des Kahns und waren gut gefesselt, damit man ihnen später, wenn man sie dort fand, keine Mittäterschaft anhängen konnte. Und die Gralshüter hofften, dass die Goldstücke, die sie ihnen in die Stiefel gesteckt hatten, sie für den unvermeidlichen Ärger reichlich entschädigen würden. Zumal ihnen auch noch die Winde zum Verkaufen blieb, deren Eisenplatte inzwischen auf den Decksplanken fest verankert war.

Ein Ächzen und Knirschen ging durch das Mauerwerk, als McIvor und Raoul das Seil immer fester spannten. Die ersten Risse bildeten sich um die Fenstereinfassung, Mörtel bröckelte aus den sich weitenden Spalten und die ersten Steine begannen sich zu bewegen, leisteten jedoch beharrlich Widerstand.

»Fester!«, stieß Maurice beschwörend hervor, denn der Waffenlärm schien näher zu kommen, als würden die Soldaten die Servienten zurücktreiben. »Fester! Das reicht noch nicht! Stemmt euch in die Speichen! . . . Nicht nachgeben! . . . Um Himmels willen, beeilt euch, sonst sind auch wir verloren!«

Auch Gerolt hielt es nicht länger aus, stumm darauf zu warten, dass die Steine rund um das Gitter endlich nachgaben. Er ballte die Fäuste und fiel in die Anfeuerungsrufe von Maurice mit ein. »Legt euch ins Zeug! . . . Raus mit dem verdammten Gitter! . . . Zeig, was du in den Armen hast, Eisenauge!«

Es war, als hätten der Schotte und Raoul ihre Rufe gehört. Denn plötzlich gab es ein lautes Bersten, feiner Staub stiebte nach allen Seiten weg und das Gitter flog aus der Wand, begleitet von einem guten Dutzend Steinen. Das dünne Verbindungsseil auf den Steinplatten zuckte wie eine aus dem Schlaf hochfahrende Schlange und sauste sirrend mit dem Tau durch die Öffnung hinaus in die regendurchtränkte Dunkelheit.

Maurice beugte sich sofort weit hinaus. Als er sah, dass McIvor unten an Deck die drei Haken aus dem verbogenen Gitter gelöst hatten, rief er: »Hoch mit dem Tau! Schnell!«

Hastig zogen Gerolt und Tarik das Tau wieder hoch.

»Kümmere du dich darum, aus einem Teil des Seils eine Schlinge für Antoine zu machen! Leg es ihm dreimal unter den Achseln hindurch um die Brust. Dann mach an den Enden zwei weite Schlaufen, dass ich meine Arme hindurchstecken kann. Ich werde ihn mir auf den Rücken legen!«, trug Gerolt ihm auf. »Und nimm eine der Kutten, schlitz sie auf und wirf sie ihm über!«

»Und vergesst die beiden goldenen Kruzifixe nicht! Die sind ein kleines Vermögen wert!«, rief Maurice noch, während er das Tauende zu fassen bekam. Schnell prüfte er, wo der Haken mit der Dreizackklaue an der Innenseite der Wand festen Halt finden konnte, entdeckte eine solche Stelle und gab dann Raoul unten das Zeichen, dass McIvor das Seil leicht unter Spannung bringen sollte.

Gerolt kletterte zuerst in die Öffnung, ging mit dem Rücken zum Abgrund in die Hocke und legte sich mit dem Bauch auf das breite, aufgerissene Mauerwerk.

»Beeilt euch!«, drängte er und streckte seine Arme aus. »Legt ihn mir auf den Rücken!«

Tarik und Maurice gaben sich Mühe, trotz aller Eile Antoine möglichst wenige zusätzliche Schmerzen zu bereiten, als sie ihn, notdürftigt bedeckt mit einer der Kutten, ihrem Gefährten auf den Rücken legten und ihm dabei die Schlaufen über die Arme streiften. Gerolt vergewisserte sich schnell, dass die Schlaufen auch fest unter seinen Achseln lagen. Dann schob er sich mit der Last auf dem Rücken und mit den Beinen voran ins Freie. Doch kaum war er von der sicheren Unterlage des Mauerwerks gerutscht, als ihn das Gewicht mit einem Ruck in die Tiefe zog. Seine Hände schlossen sich mit aller Kraft um das Tau, doch er konnte nicht verhindern, dass er mit der Stirn gegen die Kante eines halb herausgebrochenen, verkanteten Steins stieß. Er spürte, wie Blut aus der Platzwunde unter dem Haaransatz strömte, ihm über das Gesicht lief und sich mit dem Regen vermischte. Den Schmerz sollte er erst später wahrnehmen. Denn in diesem Augenblick beherrschte ihn nur ein einziger Gedanke – sich nämlich so schnell wie möglich mit Antoine abzuseilen, die Planken des Kahns unter seine Füße zu bekommen und das Tau für Tarik und Maurice freizugeben. In Windeseile und ohne weitere Probleme ließ er sich in die Tiefe hinunter und dann war auch schon McIvor zur Stelle, um ihm die scheinbar leblose Gestalt auf seinem Rücken abzunehmen.

»Es ist Antoine. Man hat ihn gefoltert und er ist dem Tode nahe!«, rief Gerolt ihm leise zu, während oben schon Tarik am Seil hing und behände abwärtsglitt.

»Du blutest!«, stellte McIvor erschrocken fest.

»Nichts als eine dumme Platzwunde«, wehrte Gerolt ab. »Und die nehme ich gern für Tariks und Antoines Freiheit in Kauf! Meinen rechten Arm würde ich für sie hergeben!«

Augenblicke später landeten erst Tarik und dann auch Maurice bei ihnen auf dem Deck.

Raoul stand längst bereit, die Leine loszuwerfen und ans Ruder zu springen, um den Kahn nahe am Ufer zu halten, wenn er von der Strömung flussabwärts gezogen wurde.

»Es ist gelungen, Freunde!« Maurice konnte seinen Jubel, den er am liebsten lauthals in die Nacht hinausgebrüllt hätte, nur schwer bändigen. »Jetzt kann nicht mehr viel schiefgehen, wenn Pierre nur pünktlich mit dem Pferdewagen aufgebrochen ist und jetzt unten am Ufer bei der Rue Abbé St. Denis auf uns wartet! Und ist das Sauwetter nicht prächtig? Hätte gar nicht besser sein können!«

Die Brücke zur Ile de la Cité und das Gefängnis waren schon ein gutes Stück hinter ihnen in der regennassen Dunkelheit entschwunden, als sie lautes, wuterfülltes Geschrei hörten. Die Stimmen klangen, als kämen sie aus größerer Höhe und nicht vom Ufer. Man hatte im Chatelet jetzt wohl das herausgebrochene Gitter entdeckt und festgestellt, dass die beiden Tempelritter entkommen waren, die mit den fünf sicherlich längst toten Servienten in einem Kerker eingeschlossen gewesen waren. Sonst jedoch gab es keinen Hinweis darauf, dass jemand sie gesehen und die Verfolgung aufgenommen hätte. Der dichte Regen und die nächtliche Dunkelheit waren ihre besten Verbündeten bei ihrem schnellen Ausbruch und auf ihrer Flucht.

Paris auf dem Kahn zu verlassen war ihnen zu dieser Stunde leider nicht möglich. Schiffsverkehr in die Stadt oder aus ihr heraus war nach Sonnenuntergang bei schwerer Strafe verboten und zudem ohne Gewalt auch gar nicht möglich. Denn unten am düsteren Wehrturm Tour de Nesle, wo die Umfassungsmauer der Stadt nach ihrem weiten Bogen um das linke Seineufer bis an den Fluss reichte, versperrten schwere Ketten über dem Strom die Durchfahrt. Und die Wachen hätten sofort Alarm geschlagen und für ihre Verfolgung gesorgt, wenn sie versucht hätten, diese Sperre irgendwie zu überwinden.

»Auf meinen Neffen ist Verlass!«, versicherte Raoul.

Tarik, der hinter dem plumpen, kastenförmigen Decksaufbau bei Antonie kniete, rief plötzlich mit leiser, aufgeregter Stimme: »Kommt schnell! Antoine will uns noch etwas sagen! . . . Aber es klingt reichlich wirr! . . . Ihr müsst mithören!«

Sofort umlagerten die vier Gralshüter den Mann, der in den letzten sechzehn Jahren die geheime Bruderschaft angeführt hatte, und lauschten angestrengt seiner kaum noch vernehmbaren Stimme. Der Tod zog ihn schon mit unerbittlich strenger Hand. Doch er bäumte sich ein letztes Mal gegen ihn auf. Er durfte nicht aus dem Leben scheiden, ohne seinen Gralsbrüdern nun, da sie sich in Freiheit befanden, alles mitgeteilt zu haben, was sie wissen mussten, um den heiligen Kelch zu finden und dabei nicht in den Tod zu laufen. Aber die Kraft wollte einfach nicht reichen, um die Sätze über die Lippen zu bringen, die wie letzte Irrlichter seines verlöschenden Lebens in ihm aufblitzten. Es reichte nur noch für einige wenige, beschwörend geflüsterte Worte.

»Der Kelch . . . anderes Versteck . . . nur durch Gang . . . der alte Wohnturm . . . einst Feld vor Mauer«, kam es abgehackt und mit verzweifeltem Ringen aus seinem Mund. »Osten . . . Kellergewölbe . . . gemauert . . . die Rose weist euch . . . doch hütet euch . . . die Rosette im Boden! . . . Rosette . . . Tod! . . . Hoch . . . Dritter Gang.« Und dann brachte er doch noch einen vollständigen Satz heraus, der ihm den letzten Funken Leben raubte: »Stecht . . . dem Teufel . . . die Augen aus, Brüder!« Dann verstummte er und seine Augen brachen. Noch einmal hob sich seine Brust, dann entwich der letzte Atem seinem gequälten Körper.

Sanft schloss Tarik ihm die Lider. »Das werden wir, Bruder Antoine! Ruhe in Frieden und mögest du Gottes Herrlichkeit sehen. Aber das wirst du ganz gewiss, treuer Diener unseres Herrn!«, flüsterte er und Tränen schossen ihm und seinen Gefährten in die Augen.

»Es ist so weit!«, meldete Raoul aufgeregt. »Da kommt der Ufervorsprung. Und da wartet auch schon Pierre mit dem Pferdewagen! Haltet Bug- und Heckleine bereit und sichert sie an Land mit den Pflöcken!«

Wenige Augenblicke später schabte der Rumpf des Lastkahns über sandigen Flussgrund und saß dann im seichten Wasser vor der vorspringenden Ufernase fest.

Raoul verschwand kurz unter Deck, um sich davon zu überzeugen, dass es den beiden gefesselten Schiffern den Umständen entsprechend gut ging. Maurice und Gerolt übernahmen indessen die rasche Sicherung des Flussschiffes, während McIvor ihren toten Gralsbruder so leicht wie eine Feder aufhob, mit ihm an Land sprang und den Leichnam auf die Ladefläche des Fuhrwerks legte.

Sofort und ohne zu fragen, wer der Tote war, legte Pierre mehrere mit Stroh gefüllte Säcke auf den Leichnam, wartete dann einen Moment, bis McIvor sich dazugelegt hatte, drückte ihm einen weiteren Sack zwischen die Stiefel und den letzten auf die Brust und warf dann eine alte, dreckige Segeltuchplane über beide.

Auf die Idee mit dem Pferdewagen waren sie gekommen, weil sie nicht gewusst hatten, in welcher körperlichen Verfassung sich Tarik bei seiner Befreiung befinden würde. Wenn er sich nicht mit eigener Kraft hätte aufrecht halten können, wäre es nicht ratsam gewesen, ihn durch die Straßen zu schleppen oder auf ein Pferd zu binden. Das hätte Aufmerksamkeit und Argwohn erregen können. Doch wer achtete schon darauf, was ein müder Fuhrmann in einer regnerischen Nacht auf seiner Ladefläche hatte.

»Wir trennen uns hier kurz! Du fährst mit Pierre mit!«, raunte Gerolt dem Levantiner zu. »Es ist besser, wenn wir nicht zusammenbleiben, denn das könnte auffallen oder man könnte sich an uns erinnern, wenn bekannt wird, was sich im Chatelet ereignet hat. Aber ich hoffe, dass es den Verantwortlichen an höchster Stelle zu peinlich sein wird, um es an die große Glocke zu hängen. Also, bis gleich!«

Dann lief er zu Maurice hinüber, um sich mit ihm so schnell wie möglich auf den Weg zur Taverne zu machen.