Die Ortschaft Unac lag in einem Talbecken, das sich Val de Caussou nannte, und nicht weit entfernt von der Stelle, wo ein kräftiger Bachlauf sich in die Ariège ergoss. Die Kirche mit ihrem hohen Glockenturm stach schon von Weitem aus den sie umgebenden Häusern und Gehöften empor.
Es handelte sich um eine größere Ansiedlung mit mehreren Hundert Einwohnern. Und die Häuser aus grauem, verputztem Naturstein, die sich bis auf die Berghänge hinaufzogen, machten einen recht ansehnlichen Eindruck. Sie ließen darauf schließen, dass die Bewohner in diesem Tal von den Früchten der Landwirtschaft, der Schaf- und Ziegenzucht und der Weberei ein gutes Auskommen hatten. Niedrige Trockensteinmauern umgaben die sorgfältig parzellierten Felder und Wiesen und grenzten sie von denen der Nachbarn ab. Bei einigen der Häuser konnte man mit Fug und Recht von stattlichen Anwesen sprechen, wiesen sie doch Obstgärten, ein Obergeschoss mit Sonnenterrasse und auf der Vorderseite eine überdachte Vorhalle sowie große ummauerte Höfe auf, deren Tore und Pforten auf die Dorfstraße hinausgingen. Manche schützten sich zudem noch durch hohe Hecken vor Wind und Staub und allzu neugierigen Blicken. Aber selbst unter den ärmeren Häusern war nicht eines zu finden, das auf der Vorderseite nicht einen Gemüse- und Kräutergarten aufzuweisen hatte.
Die vier Gralsritter wurden bei ihrem Eintreffen in Unac von Pierre Azéma und einem guten Dutzend seiner Männer begleitet. Mit finsteren Gesichtern, als ob die Ankunft von zwei weiteren Dominikanern mit ihren Schergen für ihr Dorf noch mehr Unheil befürchten ließ, ritten sie vorweg.
Maurice und Gerolt saßen mit den hochmütigen Mienen von selbstgefälligen, hochrangigen Klerikern im Sattel und schienen die verbitterten, zornigen Blicke der Dörfler, die zu dieser Stunde auf Befehl des Inquisitors zur Kirche strömten, mit Missachtung zu strafen.
Schnell hatten sie den weiträumigen Dorfplatz erreicht, wo hohe, Schatten spendende Ulmen die Kirche wie mit einem Spalier umgaben, als wollten sie die an den Platz grenzenden Häuser auf demutsvolle Distanz halten. Vor dem Eingang des Gotteshauses hatten zwei bewaffnete Männer Aufstellung genommen, deren verächtlichen Mienen unschwer zu entnehmen war, dass sie zu den Schergen des Inquisitors Bernard Bayard gehörten.
»Hier soll das Verhör durch Euren Ordensbruder stattfinden!«, rief Pierre Azéma ihnen laut zu. Dabei ließen der grobe Ton und sein verkniffenes Gesicht keinen Zweifel darüber aufkommen, wie schwer es ihm und seinen Männern gefallen war, ihnen nicht im Hohlweg den Hals durchzuschneiden, sondern ihnen das Geleit ins Dorf zu geben. Und drohend fügte er hinzu: »Aber glaubt nicht, dass wir es einfach tatenlos hinnehmen, wenn hier Willkür statt Recht gesprochen wird!«
»Hüte deine Zunge, Bauer!«, zischte Maurice warnend und sah, dass nun einer der Schergen in die Kirche eilte, wohl um seinem Herrn ihr unerwartetes Eintreffen zu melden. »Dein dreckiger Hals ist schnell verwirkt, wenn du wider die heilige Kirche und ihre einzig rechtmäßigen Vertreter lästerst!«
Pierre Azéma spuckte als Antwort geringschätzig in den Dreck, saß mit seinen Männern ab und verschwand mit ihnen in der Kirche.
Eingedenk der Rolle, die er zu spielen hatte, sprang McIvor nun eilfertig von seinem Pferd, um Maurice beim Absteigen den Steigbügel zu halten. Er trug wie Tarik zwei Gralsschwerter, je eines rechts und links. Das gab ihnen beiden ein sehr martialisches Aussehen und erweckte den Eindruck, als könnten sie beide Schwerter zur selben Zeit führen.
Die Kirche war schon fast bis auf den letzten Platz gefüllt, als die Gralsritter sie betraten. Es drängten sich jedoch noch immer einige Dorfbewohner im Mittelgang. McIvor schob sich rücksichtslos hindurch. Er verschaffte seiner scheinbar hochrangigen Herrschaft auf dem Weg zum Altarraum Platz, indem er die Menge vor sich einfach mit seinen bärenstarken Armen wie ein Feld aus leichtem Rohr teilte und sie zu beiden Seiten wegstieß.
»Zum Teufel, macht gefälligst Platz, ihr dummes Bauernvolk!«, bellte er und pflügte förmlich durch die Männer, Frauen und Kinder, die sich nach einem Platz auf den Bänken umsahen. »Aus dem Weg, Gesindel! Oder es setzt Hiebe! Hat man euch keinen Respekt gelehrt?«
Gerolt und Maurice schritten gemessenen Schrittes hinter ihm her, den Blick mit unbewegtem Gesicht auf den Altarraum gerichtet.
Dort stand Bernard Bayard mit der Witwe Beatrice Garon und den beiden anderen verhafteten Dorfbewohnern. Sie wurden flankiert von je zwei Schergen, die mit Schwert und Spieß bewehrt waren. Bei dem Inquisitor handelte es sich um einen noch recht jungen Mann von hagerer Gestalt, dem sein fanatischer Eifer für die Sache der Inquisition ins Gesicht geschrieben stand. Sein vorstehendes Gebiss ließ Gerolt unwillkürlich an ein Kaninchen denken. Doch dahinter verbarg sich ohne jeden Zweifel ein wölfischer Charakter, der nach dem Blut und dem verbrannten Fleisch hingerichteter Katharer lechzte.
»Dieser scheinheilige Knecht der Inquisition!«, raunte Maurice, als sein Blick auf Beatrice fiel. »Gebe Gott, dass er heute zu Fall kommt!«
Sichtlich von Angst erfüllt und mit schreckensbleichem Gesicht, duckte sich Beatrice zwischen einer fülligen, gedrungenen Frau in ärmlicher Kleidung und einem gut aussehenden, kräftigen Mann mittleren Alters. Im Gegensatz zu Beatrice standen sie mit erhobenem Kopf vor dem Altar. Den Inquisitor und seine Schergen würdigten sie keines Blickes. Und es fand sich auch kein Anzeichen von Angst auf ihrem Gesicht, sondern man las dort nur ihre Verachtung für das schandbare Verhör, das sie erwartete, und den Stolz unerschütterlicher Katharer.
Aber so bleich und geduckt Beatrice auch zwischen ihnen stand, so deutlich war es doch, dass sie auch mit Anfang dreißig noch immer eine bildhübsche Frau war und dass sie es verstand, die schimmernde Flut ihres blonden, lockigen Haars und die reizvollen Formen ihres schlanken Körpers vorteilhaft zur Geltung zu bringen.
»Gelobt sei Jesus Christus, lieber Bruder!«, grüßte Maurice den Inquisitor, als er mit Gerolt an seiner Seite die drei Stufen zum Altarraum der Apsis hochschritt.
»In Ewigkeit, Amen«, antwortete Bernard Bayard, noch bevor er dazu kam, seine Ordensbrüder nach dem Grund ihres überraschenden Eintreffens in Unac zu fragen.
Maurice gab die Initiative auch nicht aus der Hand, indem er sofort mit einem huldvollen Lächeln fortfuhr: »Wir sind uns noch nicht begegnet, werter Mitbruder. Ich bin Maurice von Beauvais, erst jüngst zum Ordensvisitator der Normandie und der Champagne ernannt.« Er wies flüchtig auf die Pergamentrolle, die Gerolt zur Legitimation bereits in der Hand hielt, und zwar so, dass der Inquisitor das aufgebrochene Ordenssiegel gar nicht übersehen konnte. »Und wen Ihr in meiner Begleitung seht, das ist mein geschätzter Adlatus, der Subprior Antoine von Chartres, ein Mann edlen Geblüts und gottgefälliger Gesinnung, der in unserem Orden noch eine große Zukunft vor sich hat, wie ich schon jetzt prophezeien kann. Er war mir bei meiner schweren Arbeit in Paris, die mir der Orden in diesen Zeiten abscheulicher Enthüllungen übertragen hatte, glaubensstarker Beistand und unersetzliche Hilfe. Aber lasst uns nicht von der Fratze des Teufels reden, die sich alle die Jahre hinter dem Gewand der Templer verborgen hat und nun endlich entlarvt worden ist!« Dabei hatte Bernard Bayard bisher noch gar keine Gelegenheit erhalten, auch nur ein Wort von sich zu geben. Maurice überrollte ihn förmlich mit dem Redestrom eines Mannes, der es gewohnt war, das Wort zu führen und sich dabei der geduldigen und demütigen Aufmerksamkeit seiner Zuhörerschaft gewiss zu sein.
»Ihr werdet nun sicher überrascht sein, uns hier am Ort Eures gottgefälligen Wirkens zu sehen, werter Bruder Bernard Bayard«, fuhr Maurice fort und vereitelte damit jeden Versuch des Inquisitors, zu Wort zu kommen. »Nun, unser Heiland und Erlöser wird in seinem göttlich wundersamen Ratschluss wohl schon gewusst haben, warum er meine Schritte ausgerechnet zu dieser Stunde nach Unac geführt hat. Wie dem auch sei, wir haben auf unserem Weg nach Tarascon, wo uns wichtige Ordensbelange erwarten, Kunde erhalten, dass Ihr als eifriger Streiter des rechten Glaubens in diesem Dorf wohl auf verstocktes Volk gestoßen seid, das im Verdacht steht, sich der Häresie schuldig gemacht zu haben. Und da erschien es uns angebracht, sofort zu Euch zu eilen, um Euch mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, lieber Bruder. Sagt, sind das die drei dort, die Ihr dem Verhör und gegebenenfalls der heiligen Inquisition zuführen wollt? Was habt Ihr gegen diese Leute in der Hand? Und wo sind die Zeugen? Nun redet schon, damit ich weiß, wie wir am besten verfahren sollen!«
Nun endlich durfte auch Bernard Bayard etwas von sich geben. Aber für alle in der Kirche Versammelten war deutlich geworden, wer hier von nun an das Heft in der Hand hatte.
Bernard Bayard hatte denn auch alle Mühe, seine Verstimmung darüber zu verbergen, dass ihn nun ein höherrangiger Ordensbruder in den Schatten stellte.
»Es ist mir eine große Ehre, Bruder Visitator, dass Ihr Euch die Mühe gemacht hat, mich aufzusuchen, und ich danke für Eure Güte, mir Euren Beistand andienen zu wollen!«, sagte er. »Aber lasst Euch nicht von Euren wichtigen Geschäften abhalten, von denen Ihr gesprochen habt. Eure Zeit dürfte in Tarascon besser genutzt sein als in diesem häretischen Dorf. Ihr könnt versichert sein, dass Eure Gegenwart und Eurer Beistand hier nicht vonnöten sind und ich . . .«
Mit einer lässigen Geste schnitt Maurice ihm das Wort ab. »Nicht doch, werter Bruder! Und redet nicht von Dank! Gottes Weinberg zu hegen, faule Triebe abzuschneiden und sie dem Feuer zu überantworten, wo immer man auf sie stößt, hat für mich stets Vorrang vor allem anderen, auch in dem armseligsten Dorf!«, beschied er ihn huldvoll. »Aber jetzt kommt zur Sache und meldet, was Ihr gegen die drei Gestalten dort vorzubringen habt!«
Dass sein Versuch gescheitert war, den Visitator loszuwerden, behagte Bernard Bayard gar nicht, wie seiner grimmigen Miene unschwer zu entnehmen war. Aber ihm blieb nichts anderes übrig, als diese Kröte widerspruchslos zu schlucken. »Die Liste dessen, was diesen verstockten Irregeleiteten zur Last gelegt wird, die sich erdreisten, sich die ›Reinen‹ und ›Menschen guten Glaubens‹ zu nennen, ist wahrlich lang und lässt das Schlimmste befürchten«, begann er weitschweifig und sofort fing es in den Kirchenbänken zu zischeln und zu rumoren an, ganz wie die Gralsritter es Pierre Azéma und seinen Männern aufgetragen hatten.
»Ruhe in den Bänken!«, donnerte Maurice und schickte drohende Blicke in die Menge.
Das zornige Aufbegehren erstarb zwar nicht, sank jedoch zu einem dunklen Gemurmel herab.
»Weiter!«, drängte Maurice den Inquisitor.
»Diese Häretikerin dort«, Bernard Bayard wies dabei anklagend auf Beatrice, »hat nicht nur eine mangelnde Begeisterung für den Messbesuch an den Tag gelegt, sondern auch ketzerische Bemerkungen über die Hostie und den Heiligen Vater gemacht.«
Wieder schwoll der Zorn der Dorfbewohner hörbar an. Hier und da wurden Verwünschungen laut und einige von Pierre Azémas Leuten klapperten vernehmbar mit ihren Waffen.
»Nun lasst Euch doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!«, zischte Maurice unwirsch. »Seht Ihr denn nicht, was hier vorgeht? Das kann für uns alle reichlich ungemütlich werden, wenn die Angelegenheit nicht zu einem raschen Ende kommt. Also weiter, weiter!«
Das bedrohliche Grollen, das der Menge entstieg, trieb dem Inquisitor nun die ersten Schweißperlen auf die Stirn. Doch er bewahrte Haltung und verkündete mit trotzig lauter Stimme: »Der Kerl an ihrer Seite, der hier eine Schmiede betreibt, steht im dringenden Verdacht, geistigen Führern der Katharer, die seit Langem gesucht werden, in seinem Haus Unterschlupf zu gewähren. Und das zweite Weib ist wie das erste bei ketzerischen Bemerkungen und anderen häretischen Umtrieben ertappt worden! Und wer von ihnen sich nicht wieder in den allein selig machenden Schoß der heiligen Mutter Kirche zurückbegibt, seine Sünden bekennt und dem Ketzerglauben abschwört, wird sich auf der Glut des Scheiterhaufens wiederfinden!«
»Verfluchter Bluthund! Am nächsten Baum sollte man den Kerl aufhängen!«, rief jemand und die Menge brach in große, unheilvolle Unruhe aus. Das Geklirre der Waffen wurde lauter. Männer wandten sich einander zu und tuschelten, als beredeten sie, was sie unternehmen sollten.
Die Schergen warfen sich besorgte Blicke zu und fassten ihre Spieße fester.
»Ihr habt zweifellos gute Arbeit geleistet, indem Ihr in diesem Dorf geistiges Unkraut ausfindig machtet, das unbarmherzig und zum Ruhme Gottes ausgerissen und verbrannt gehört!«, schmeichelte Maurice dem Inquisitor nun. »Aber mir scheint, Ihr habt die Folgen nicht bedacht, als Ihr das ganze Dorf in die Kirche zum Verhör befohlen habt, statt mit den drei Häretikern sofort nach Carcassonne abzurücken.«
»Sie werden es nicht wagen, gegen einen Mann der Inquisition die Hand zu erheben!«, erwiderte Bernard Bayard, schluckte jedoch heftig.
»Nun, das sehe ich anders, lieber Bruder. Und es wäre, dem Allmächtigen sei es geklagt, nicht das erste Mal, dass einer unserer Brüder für seinen treuen Dienst mit seinem Leben bezahlen muss«, erklärte Maurice. »Zudem ist mir auf unserem Ritt nach Unac einiges von dem Getuschel der bewaffneten Männer zu Ohren gekommen, auf die wir kurz hinter dem Col de Marmare gestoßen sind. Ich habe etwas von einem ›Gottesurteil‹ aufgeschnappt und dass sie wohl nicht gewillt sind, Euch einfach so mit Euren drei Verhafteten abziehen und nach Carcassonne zurückkehren zu lassen. Das sollten wir nicht aus dem Auge verlieren. Ein treuer Soldat Christi, der für den wahren Glauben sein Leben lässt, kann sich im Angesicht Gottes seines Lohnes gewiss sein. Doch einen noch größeren Dienst erweist jener unserer heiligen Kirche, der in gefährlichen Situationen die Umsicht und Klugheit besitzt, um am Leben zu bleiben, damit sein Wirken auf Erden nicht von kurzer Dauer ist, sondern er noch viele Jahre gegen die Häresie und für das rechte Glaubensbekenntnis kämpfen kann.«
Bernard Bayard presste grimmig die Lippen zusammen, ohne dass dabei jedoch seine Kaninchenzähne gänzlich verschwanden. Man sah ihm an, dass er unschlüssig war, wie er in dieser Situation handeln sollte.
»Heureka! Ich hab’s!«, rief Maurice. »Sie wollen ein wahres Gottesurteil und kein Verhör? Bei Gott, das können sie haben! Sie werden gar nicht anders können, als sich diesem Spruch zu beugen. Damit hätten wir dann auch geschickt vermieden, dass es hier zu einem Blutvergießen kommt und Ihr ein allzu frühes Ende findet. Meine Begleiter, denen offenbar der Teufel das Kriegerhandwerk beigebracht hat, werden gewiss dafür sorgen, dass mir und meinem Adlatus nicht ein Haar gekrümmt wird. Aber für Eure Schergen würde ich nicht mal meinen kleinen Finger ins Feuer legen. Sie machen mir den Eindruck, dass ihr erster Gedanke ihrer eigenen Haut gilt und sie auf und davon sind, bevor Euch auch nur der erste Streich getroffen hat.«
Der kräftige Adamsapfel des Inquisitors sprang bei den Worten von Maurice hektisch auf und ab, als vermochte er den Kloß nicht hinunterzuwürgen, der ihm in der Kehle saß. »Gottesurteil?«, stieß er mit belegter Stimme hervor. »Was, in Gottes Namen, schwebt Euch vor, Herr Visitator?«
»Lasst mich nur machen, Bruder. Ich weiß, wie mit diesem Gesindel umzuspringen ist und wie man sie mit ihren eigenen Waffen schlägt. Ich glaube, Ihr könnt davon noch einiges für Eurer zukünftiges Wirken lernen«, sagte Maurice herablassend und forderte ihn wie einen Bediensteten auf: »Bringt mir eine der Altarkerzen! Nun macht schon! Wir haben keine Zeit zu verlieren!«
Widerspruchslos beeilte sich Bernard Bayard, ihm das Gewünschte zu bringen.
Mit der brennenden Kerze in der Hand trat Maurice nun zu den drei Angeklagten. Dabei warf er Beatrice einen verschwörerischen Blick zu.
»Streck deinen rechten Arm aus und entblöße ihn, Weib!«, herrschte er sie an.
Beatrice tat, wie ihr geheißen – und riss ihren Arm augenblicklich und mit einem schmerzerfüllten Aufschrei zurück, als Maurice ihr die Flamme kurz an den Unterarm hielt und ihr die Haut verbrannte.
Maurice nickte zufrieden. »Gut, so wissen wir, dass wir es nicht mit einer Hexe zu tun haben, die von teuflischen Kräften besessen ist!«, rief er über das laute Gelärm der Dorfbewohner hinweg und fuhr, an die drei Angeklagten gerichtet, mit erhobener, schneidender Stimme fort: »Ihr wisst, dass euch die Glut des Scheiterhaufens gewiss ist, auch wenn ihr heute noch mal der strafenden Hand Gottes, zu der er uns bestellt hat, entkommen solltet! Und jetzt sagt, ob ihr demnächst vor der heiligen Inquisition stehen oder lieber heute bereit seid, euch hier in eurem Dorf und vor den Augen aller dem Gottesurteil durch die Feuerprobe zu stellen! Wenn ihr unschuldig seid, werdet ihr leben! Doch wenn das Feuer euch verschlingt, ist eure Schuld bewiesen und das Urteil vollstreckt!«
Der Schmied namens Pathau Pourcel bedachte ihn mit einem kühlen Blick und rief sofort voller Verachtung, sodass ihn jeder in der Kirche hören konnte: »Ich fürchte weder das Feuer deines Gottesurteils noch die Flammen eurer Scheiterhaufen!«
Alamande zeigte dieselbe Verachtung für das, wofür die schwarz-weißen Kutten der drei Mönche standen, und für den drohenden Tod: »Tu, was dir beliebt, Dominikaner!«
»Und du?«, verlangte Maurice von Beatrice zu wissen. »Wofür entscheidest du dich? Sprich! Und zwar laut, sodass dich jeder hören kann! Niemand soll sagen können, wir hätten euch nicht die freie Wahl gelassen!«
Beatrice nickte. »Ich nehme das Gottesurteil durch die Feuerprobe an«, sagte sie mit zitternder Stimme. Und in ihren Augen lag ein inständiges stummes Flehen, dass er hoffentlich das Wunder auch wirken könne, das allein sie retten konnte.
Maurice wandte ihr und den beiden anderen abrupt den Rücken zu und richtete das Wort an die erregte Menge. »Ihr alle habt gehört, was eure Mitbürger soeben aus freiem Willen erklärt haben! Sie werden sich einem Gottesurteil stellen – auf eurem Dorfplatz hier vor der Kirche! Und dann wird der Allmächtige, der einzige wahre Gott, entscheiden, ob sie der Ketzerei für schuldig befunden oder von allen Anklagepunkten freigesprochen werden!«