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Das Bergdorf Boucan verdankte seinen bescheidenen Wohlstand überwiegend der Wollweberei, der Schaf- und Ziegenzucht sowie dem Transport von allerlei Waren über die Berge nach und von Spanien. Es fehlte in der Ansiedlung auch nicht die Kirche, auf die die vier Gralshüter gehofft hatten. Zwar hätten sie notfalls auch selber Wasser weihen können, aber Gerolt war sich nicht sicher, ob es dann auch dieselbe Wirkung erzielen würde wie das Weihwasser, das seinen Segen von einem ordinierten Priester in einem Gotteshaus erhalten hatte.

Der Iskari hatte auf dem Weg nach Boucan sein Bewusstsein wiedererlangt und nichts unversucht gelassen, um durch Selbstmord der Gefangenschaft und einem Verhör zu entgehen. Zuerst wollte er seinen Tod durch Ersticken herbeiführen.

Doch sowie Gerolt sah, dass er seinen Magen mehrmals heftig zusammenzog und würgte, zerrte er ihn zusammen mit Maurice vom Maultier und riss ihm den Knebel aus dem Mund. Und während Maurice ihm mit einem Stück Holz die Kiefer auseinanderbog, presste Gerolt dem Teufelsknecht beide Hände mit pumpenden Stößen immer wieder in den Magen, bis der Iskaris nicht anders konnte, als sich zu übergeben und alles auszuspucken, was er im Magen hatte. Er heulte dabei wie ein angestochener Wolf vor Hass und ohnmächtiger Wut.

Kaum hatten sie ihn wieder im Sattel des Maultiers und einen Hang erklommen, als er auch schon den nächsten Versuch unternahm. Er trat dem Tier mit aller Kraft in die Flanken, wollte es vom Weg abbringen und über den Rand der Böschung lenken, die zwar nicht lotrecht, aber doch steil genug in die Tiefe abfiel. Der Sturz hätte ihm und dem Maultier den sicheren Tod gebracht.

»Jetzt reicht es! Du wirst dich nicht so einfach davonmachen, verfluchter Judasknecht!«, donnerte McIvor, der ihm sofort den Weg abschnitt. Dann hieb er ihm die Faust an die Schläfe und schickte ihn wieder zurück in die Bewusstlosigkeit.

»Himmelherrgott, ging das nicht auch ein wenig feinfühliger, Schotte? Du schlägst ihm noch den Schädel ein!«, rief Maurice erschrocken, als er den Iskari im Sattel zusammenfallen sah.

»Was hast du? Ich habe ja noch nicht mal mit voller Kraft zugeschlagen! Der Kerl hat einen harten Schädel, lass dir das gesagt sein! Und soll ich diesen feigen Meuchelmörder vielleicht wie ein rohes Ei behandeln?«, knurrte McIvor, der an seinem Verhalten nicht das Geringste auszusetzen fand.

»Bei großen Unternehmungen allen zu gefallen, ist wahrlich schwierig«, bemerkte Tarik spöttisch.

Als kurz darauf das Dorf vor ihnen in Sicht kam, blieb McIvor mit Tarik und ihrem Gefangenen in einem Waldstück zurück. Ein gefesselter und geknebelter Mann in ihrer Mitte würde in Boucan nur zu unliebsamen Fragen führen. Deshalb übernahmen Gerolt und Maurice allein die Aufgabe, den Parfait ausfindig zu machen und ihn um ihre Hilfe zu bitten.

Erst wollte niemand, den sie im Dorf ansprachen, diesen Pierre Mateau kennen, ja nie zuvor einen solchen Namen gehört haben. Als Gerolt jedoch das lederne Halsband mit dem blau-grünen Anhänger hervorholte und sagte, dass der Weinhändler Arnaud Gardell aus Unac sie zu ihm geschickt hatte, da verschwand der finstere, abweisende Ausdruck von den Gesichtern und mit einem Schlag funktionierte auch das Gedächtnis der Einheimischen wieder.

»Kommt, ich bringe Euch zu ihm«, erbot sich sofort ein älterer, stämmiger Mann, der das Amt des Dorfvorstehers innehatte, den Beruf des Töpfers ausübte und als seinen Namen Jacques Bourret angab. Er zog sie schnell von der Straße, die das Dorf teilte und zu einem hochgelegenen Bergpass führte, bei dem es sich um den l’Artigue handeln musste. »Er ist Gast meines Hauses!«

Das Haus von Jacques Bourret mit der Töpferei lag am Südhang des Talkessels. Und wenn es auch nicht annähernd so stattlich und geräumig war wie das Anwesen von Arnaud Gardell, so gehörte es doch sichtlich zu den ansehnlichsten des Dorfes. Es verfügte sogar über einen ummauerten Hof, durch den man zu seiner Werkstatt und dem Stall gelangte.

Wenige Minuten später standen sie in der Foghana dem Parfait Pierre Mateau gegenüber. Der Katharer beeindruckte sie vom ersten Augenblick ihrer Begegnung an, noch bevor er auch nur ein Wort gesprochen hatte.

Er war ein eher kleiner Mann, jedoch von sehnig schlanker, fast hagerer Gestalt und mit klaren durchgeistigten Gesichtszügen. Er strahlte eine unglaubliche Ruhe und innere Ausgeglichenheit aus, der sie sofort anmerkten, dass kein Folterknecht der Inquisition und kein Scheiterhaufen sie zu erschüttern vermochte.

Als der Parfait das Halsband mit dem blau-grünen Anhänger in Gerolts Hand sah, trat ein Lächeln auf sein Gesicht, das jedoch mehr freudiges Wiedererkennen als Überraschung ausdrückte.

»Wenn sich Arnaud davon getrennt und Euch damit zu mir geschickt hat, dann muss er nicht nur tief in Eurer Schuld stehen, sondern Euch auch so vorbehaltlos vertrauen wie seinem eigenen Fleisch und Blut«, sagte Pierre Mateau mit einer wohlklingenden Stimme, die für den schmächtigen Körper erstaunlich dunkel und kräftig war. Es war zweifellos die durch langjährige Praxis gereifte Stimme eines leidenschaftlichen Predigers. Eines Predigers jedoch, der nicht mit fanatischem Eifer der unbarmherzigen Vernichtung Andersgläubiger das Wort redete, sondern dessen Botschaft die Güte war, die Friedfertigkeit und der harte Weg zur Erleuchtung, der den Menschen eines Tages zu ihrer ursprünglichen Lichtgestalt jenseits der Sterne in Gottes Reich verhelfen sollte.

»Ein Vertrauen, das wir als Auszeichnung wertschätzen«, versicherte Gerolt. »Wodurch Arnaud Gardell meint, es uns schenken zu dürfen, soll er Euch besser selber erzählen, wenn Ihr wieder auf ihn trefft. Es steht uns nicht an, große Worte darüber zu verlieren, was wir für Eure Anhänger haben tun können.«

»Eure Bescheidenheit ehrt Euch und bestätigt mir, dass Arnaud triftige Gründe gehabt hat, Euch mein Geschenk anzuvertrauen«, erwiderte Pierre Mateu. »Doch nun setzt Euch und sagt mir, wobei Ihr meiner Hilfe bedürft.«

Das taten Gerolt und Maurice. In Gegenwart eines Parfaits sahen sie keinen Anlass, das wahre Wesen ihrer Todfeinde zu verschweigen. Ganz offen redeten sie von den Knechten des Teufels, gegen die sie kämpften und die durch Heimtücke im Haus des Weinhändlers etwas in ihren Besitz gebracht hatten, was sie ihnen um jeden Preis wieder abnehmen mussten. Worum es sich dabei jedoch genau handelte, das erwähnten sie nicht.

Pierre Mateau zeigte nicht den geringsten Anflug von Überraschung, als sie von den Teufelsknechten sprachen, die das Böse anbeteten und sich ihm mit Leib und Seele verschrieben hatten. Dass die irdische Welt das alleinige Werk des Teufels war, des Demiurgen, und damit von Grund auf schlecht und niemals verbesserungsfähig, diesen zentralen Glaubenssatz der katharischen Religion lehrte er seit vielen Jahren der rastlosen Wanderschaft als Parfait. Und ohne sie durch Fragen zu unterbrechen, hörte er ihnen zu.

Nur eine einzige Frage hatte er, als sie ihm alles erzählt hatten, was er wissen musste, und sie galt dem geplanten Verhör ihres Gefangenen. »Habe ich Euer Wort, dass Ihr dabei keine Gewalt anwendet und Euch mit den Schergen der Inquisition gemein macht?«, vergewisserte er sich.

»Das habt Ihr, bei allem, was uns heilig ist!«, versicherte Maurice. »Sie würde auch völlig sinnlos sein«, fügte Gerolt erklärend hinzu. »Diese Teufelsknechte fürchten weder Schmerzen noch Tod. Die einzige Möglichkeit, sie gegen ihren Willen zum Sprechen zu bringen, liegt in der Kraft von Weihwasser und geweihten Hostien. Und nichts weiter werden wir anwenden.«

Pierre Mateau runzelte leicht die Stirn, da er seinem Glauben nach in Weihwasser und Hostien nichts anderes sah als schlicht Wasser und Mehl. Er untersagte es sich jedoch, das auszusprechen. »Wenn das Eure Methode ist, um das Gewünschte von dem Mann zu erfahren, dann habe ich nichts dagegen einzuwenden«, sagte er. »Ihr könnt das Verhör unten im Keller vornehmen. Er ist tief in den Hang gebaut, denn er gehört zu den Verstecken, in die wir Parfaits und andere Katharer immer wieder Zuflucht vor der Verfolgung nehmen müssen. Am besten bringt ihr Euren Gefangenen auf einem Maultierkarren hierher. Dann könnt Ihr ihn unter Stroh oder Sackleinen verbergen. Jacques Bourret hat so einen Karren und wird Euch dabei sicherlich zur Hand gehen.«

So machten sie es dann auch. Und damit sich der Iskari trotz Fesseln und Knebel unter den alten Säcken nicht doch irgendwie bemerkbar machen konnte, setzte sich Gerolt kurzerhand auf ihn und hielt ihn durch sein Gewicht am Bretterboden der Ladefläche. Die Gefahr, dass er noch einmal versuchen könnte, den eigenen Erstickungstod zu erzwingen, bestand glücklicherweise nicht mehr.

Während Gerolt, Tarik und McIvor ihren Gefangenen in den Keller schafften und dort alles für das Verhör vorbereiteten, begab sich Maurice mit einem großen Wasserkrug zum Dorfpfarrer, begleitet von Jacques Bourret. Er nahm auch eines der goldenen Kruzifixe mit, die sie in Paris für ihre Verkleidung erstanden hatten, damit der Pfarrer es mit seinem priesterlichen Segen versah.

Als Maurice schließlich wieder zu ihnen in den Keller herunterstiefelte und die stark gedämmte Tür hinter sich schloss, lag ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. »Freunde, ihr hättet das Schafsgesicht des Pfarrers sehen sollen, als er hörte, was ich von ihm wollte – und das auch noch in Gesellschaft des Dorfvorstehers, über dessen katharischen Glauben der Mann offensichtlich nicht den Schatten eines Zweifels hatte. Womöglich hat Jacques Bourret heute zum ersten Mal den Fuß in eine christliche Kirche gesetzt!«, rief er ihnen fröhlich zu. »Er hat wohl befürchtet, das Weihwasser und die geweihten Hostien könnten für irgendein Teufelswerk der Katharer gedacht sein. Er hat mich deshalb erst einmal das Ave Maria und das Vaterunser herunterbeten lassen, bevor er gewillt war, das Gewünschte herauszurücken und das Kreuz zu segnen. Natürlich ist meine erfolgreiche Mission auch den Münzen zu verdanken, die ich ihm für seine Kirche in die Hand gedrückt habe und die höchstwahrscheinlich in seiner Tasche stecken bleiben werden. Aber sei’s drum, wir haben nun alles, was wir brauchen, um den Kerl da zum Reden zu bringen!«

»Ob uns das gelingt, muss sich erst noch zeigen. Also häng nicht jetzt schon den Kranz des Sieges auf, Maurice! Für Jubel ist später immer noch Zeit«, sagte McIvor, der keine allzu große Hoffnung darauf setzte, dass sie den Iskari zum Reden bringen konnten.

Der Iskari lag mit weit gespreizten Armen und Beinen rücklings auf dem Boden des Kellergewölbes. Die Enden der straff gespannten Fesseln um Hand- und Fußgelenke waren um die dicken Stützbalken von zwei Vorratsgestellen gebunden. So kräftig der Teufelsknecht auch an den Stricken zu ziehen versuchte, den Widerstand der Balken würde er nicht überwinden können.

»Fangen wir an«, sagte Gerolt und befreite ihn vom Knebel.

Der Iskari versuchte, ihn anzuspucken, doch es misslang ihm. »Verreckt, ihr Gralshüter!«, stieß er hervor. »Bald ist euer Ende gekommen! Wenn das Große Werk vollendet ist und der Fürst der Finsternis alle Macht über die Welt errungen hat, wird keiner von euch verfluchten Christenhunden am Leben bleiben, wenn ihr euch ihm nicht unterwerft! Jetzt wird man schon dabei sein, alles für das Große Werk vorzubereiten und alle Judasjünger aus der Umgebung zusammenzutrommeln! Das ist euer Ende, ihr Christenhunde!«

»Du kannst geifern, bis dir der Schaum vor dem Mund steht, du Knecht der Hölle! Es wird nichts daran ändern, dass du uns dabei helfen wirst, genau das zu verhindern«, entgegnete Gerolt.

»Verrecke!«, gellte der Iskari.

»Du wiederholtst dich«, sagte Maurice und griff zum Weihwasserkrug. »Sehen wir doch mal, ob du auch eine andere Melodie trällern kannst, die uns besser in den Ohren klingt.« Er tauchte zwei Finger in das geweihte Wasser und spritzte es ihm ins Gesicht. Der Teufelsknecht brüllte auf, als hätten ihn spitze Nadeln getroffen.

Mit grimmiger Genugtuung grinste Maurice in die Runde seiner Freunde. »Na, das gefällt uns schon besser! Ist das nicht die muntere Musik, die wir von dem Kerl hören wollen?«

»Wo ist der Heilige Gral?«, fragte Gerolt, ohne auf den Hohn seines Freundes einzugehen.

Der Iskari antwortete mit einer Verfluchung.

Gerolt gab Maurice einen Wink. »Gieß ihm das Weihwasser auf die Stirn, damit er das Maul aufmacht und antwortet!«

Maurice hob den Krug an und goss dem Gefangenen einen Schwall auf die Stirn.

Nun schrie der Teufelsknecht, als hätten sie ihm ein Messer in den Kopf gestoßen. Er versuchte, sich aufzubäumen, während ihm das Weihwasser über die Stirn lief.

»Wo ist der Heilige Gral?«, wiederholte Gerolt seine Frage. Als er keine Antwort erhielt, ließ Maurice einen zweiten Schwall Weihwasser auf ihn niedergehen.

Und nun brach der Widerstand des Iskaris und wimmernd gab er die verlangte Antwort: »Arente Askabe bringt ihn zur schwarzen Abtei!«

»Und wo liegt die Abtei?«, fragte Gerolt sofort.

In wildem Schmerz warf der Iskari den Kopf von links nach rechts und rang nach Atem.

»Sag es! Oder wir brennen dir mit dem Weihwasser das Hirn aus dem Schädel!«, drohte Gerolt, fürchtete insgeheim jedoch genau das. Sie mussten umsichtig damit umgehen, um ihren Gefangenen nicht in die Bewusstlosigkeit oder gar in den Wahnsinn zu stürzen.

»Tief in . . . den . . . Bergen!«, kam es keuchend über die Lippen des Judasjüngers.

»Wo genau in den Bergen?«

Der Iskari presste mit verzerrtem Gesicht den Mund zusammen. Und auch ein dritter Guss Weihwasser brachte ihn nicht dazu, den Ort der schwarzen Abtei zu verraten.

»Hostie!«, befahl Gerolt knapp.

Maurice zog einen kleinen Leinenbeutel hervor, entnahm ihm eine geweihte Hostie und legte sie dem Judasjünger auf die Stirn. Augenblicklich erfüllte ein markerschütternder Schrei das Kellergewölbe. Der Körper des Iskaris zuckte und erzitterte wie unter heftigen inneren Krämpfen.

»Weg . . . Nehmt sie weg!«, kreischte er. »Ich brenne!«

»Du wirst noch schlimmer brennen, wenn du nicht endlich sagst, was wir wissen wollen!«, herrschte Gerolt ihn an. »Wo genau liegt eure schwarze Abtei?«

»Im Südwesten . . . einen guten Tagesmarsch von hier . . . vielleicht auch anderthalb!«, stammelte der Iskari.

»Wie gelangt man dorthin?«

»Ich komme aus Pamiers und kenne mich . . . im Gebirge . . . nicht gut aus! . . . Ich war bisher nur einmal dort . . . mit einem Führer!«, stieß der Iskari gequält hervor und zitterte wie von Schüttelfrost befallen.

»Damit kommst du bei uns nicht durch! Wir wollen Einzelheiten wissen! Eine Wegbeschreibung!«, verlangte Gerolt. »Streng dich an, sonst legen wir dir gleich noch eine zweite Hostie auf!«

»Man hat uns durch einen Graben geführt, der . . . Comba del Ginesta genannt wird! . . . Dann ein tiefer, felsiger Pfad und dahinter kam das Prado lonc . . . und später dann der Pla del Angle«, stieß der Judasjünger hastig hervor, als er sah, dass Maurice zu einer zweiten Hostie gegriffen hatte. »Danach irgendwie um den hohen Berg herum . . . und von der Kuppe durch einen . . . versteckten Hohlweg zum Eingang! . . . Es war Nacht! Mehr weiß ich nicht!«

»Wie kommt man in die Abtei hinein?«

»Durch diesen Hohlweg! Aber ihr werdet es niemals schaffen, dort einzudringen!«, rief er. »Es gibt mehrere Tore, die alle schwer bewacht sind! Und es ist ein langer Weg bis hinunter . . . in die schwarze Halle!«

»Ist das der einzige Zugang?«, wollte Gerolt wissen.

»Ja!«

Gerolt glaubte ihm nicht. »Du verschweigst uns etwas! Aber das kriegen wir schon noch aus dir heraus, verlass dich drauf. Leg ihm die zweite Hostie auf, Maurice!«

»Nein!«, schrie der Iskari sofort. »Da ist noch der Ausgang . . . vom . . . vom Labyrinth der Sühne . . . auf der anderen Seite!«

»Und was ist dieses Labyrinth der Sühne?«

»Kein wirkliches Labyrinth, sondern mehrere Höhlen . . . Eine grausame Strafe, die jeden trifft, der . . . der sich dem Fürsten der Finsternis widersetzt und große Schuld . . . auf sich geladen hat!«, erklärte der Iskari. »Im Labyrinth warten tödliche Gefahren . . . Niemand von uns einfachen Judasjüngern weiß genau, was das für Gefahren sind . . . Wer sie besteht und den Ausgang erreicht, findet Gnade . . . vor dem Schwarzen Fürsten . . . Aber bisher ist noch keiner lebend . . . aus dem Labyrinth der Sühne wieder herausgekommen.«

»Wie gelangt man zu diesem Ausgang?«

Darauf konnte ihnen der Iskari keine Antwort geben. Er wusste nur noch, dass der Ausgang in einen engen Talkessel mündete und dass jenseits davon ein Wildbach mit einem Wasserfall liegen sollte. Aber wie man zu diesem Ausgang gelangen konnte, wusste er offenbar wirklich nicht. Denn nicht einmal das Auflegen der zweiten Hostie, das ihn an den Rand der Bewusstlosigkeit brachte, vermochte ihm darüber auch nur eine vage Angabe zu entlocken.

Doch auf eine letzte Frage mussten sie unbedingt die Antwort wissen. »Für wann ist das Große Werk geplant? Wird der Herr der Unterwelt bis zur nächsten Sonnenfinsternis warten, so wie wir es gehört haben?«

»Nein, das hat er schon lange verworfen. Es soll beim nächsten Vollmond geschehen . . . Und heute wird der Mond voll! . . . Heute Nacht in der dunkelsten Stunde wird das Große Werk geschehen, wenn der Vollmond seinen höchsten Stand am Himmel erreicht hat!«, verriet der Iskari mit brechender Stimme und kämpfte mit der Bewusstlosigkeit.

Als Maurice ihm die beiden Hostien von der Stirn nahm, blieben auf der Haut zwei dunkle Flecken zurück, die wie Verbrennungen aussahen. »So ist es recht: gezeichnet für den Rest seines Lebens!«

»Heute Nacht schon!«, stieß McIvor bestürzt hervor. »Tod und Teufel, wie sollen wir es in der kurzen Zeit bloß schaffen, den geheimen Ort der verfluchten Abtei zu finden? Denn was der Iskari da gerade als Wegbeschreibung geliefert hat, ist ja wohl mehr als dürftig.«

»Stimmt, wir können nicht viel damit anfangen«, pflichtete ihm Tarik bei. »Aber ich bin sicher, dass irgendeiner der Einheimischen diese drei Angaben mit einem ganz bestimmten Ort in den Bergen in Verbindung bringen kann.«

»Richtig!«, stimmte Maurice ihm zu. »Und den müssen wir finden! Schnellstens!«

Gerolt nickte. »Lasst uns mit dem Parfait reden. Wenn uns einer helfen kann, den richtigen Bergführer zu finden, dann ist er es!«

Tarik, Maurice und Gerolt verloren keine Zeit mit weiteren Reden, sondern beeilten sich, aus dem Kellergewölbe zu kommen und Pierre Mateau um Rat zu fragen. In ihrer Eile fiel ihnen gar nicht auf, dass Maurice ihnen nicht folgte. Erst als sie schon den obersten Treppenabsatz erreicht hatten und ein kurzer gellender Schrei von unten zu ihnen hochdrang, fuhren sie herum und bemerkten, dass Maurice fehlte.

Augenblicke später tauchte er auf der Treppe auf.

»Was hast du mit ihm gemacht?«, stieß Gerolt hervor und ihm kam ein schrecklicher Verdacht. »Sag um Gottes willen nicht, dass du ihn abgestochen hast!«

Maurice erwiderte ihre bestürzten Blicke mit grimmiger Miene. »Wirklich reizend, was ihr mir zutraut. Dabei hätte er den Tod verdient. Oder zumindest hätten wir ihm die Schwerthand und ein, zwei Sehnen durchtrennen und ihm auch noch das Kreuz auf die Stirn brennen sollen! Aber auch so wird er fortan als irdischen Teil seiner Strafe das erbärmliche Leben eines Bettlers fristen!«

»Was hast du ihm angetan?«, wollte Tarik wissen.

»Ich habe ihm die beiden Hostien auf die Augen gelegt!«, teilte Maurice ihnen mitleidlos mit. »Jetzt ist er blind und lebt von nun an in der völligen Finsternis, der er sich ja schon verschrieben hat! Möge er noch Jahrzehnte in dieser Dunkelheit leben, bevor er in das Fegefeuer wandert!«