52.
T
ine hat die Fischerhütte wieder verlassen, die von der Spurensicherung in Beschlag genommen worden ist. Sie überlegt, ob es sich im Inneren um eine Inszenierung handeln könnte, wie Knud vermutet, und welchen Zweck diese hätte. Ihr fällt nichts dazu ein. Warum sollte Liv einen künstlichen Tatort schaffen? Ohne Frage hat sie die Polizei bewusst hergelockt und einige Dinge platziert, damit sie gefunden werden – nämlich den Beleg über die Schwangerschaftstests und die »Heimdall«-Daten.
Knud redet mit Kollegen unmittelbar an der Hütte. Tine geht einige Schritte zurück und unterschreibt ein Papier, das belegt, wann sie den Tatort betreten und wieder verlassen hat. Alles muss akribisch dokumentiert werden.
Sie lässt den Blick über den Fjord und das flache Land schweifen. Wolken jagen über den Himmel. In jedem Fall, denkt sie, werden sie und Knud noch einmal ein ernstes Wort mit Johann über »Heimdall« reden müssen. Insgeheim lässt sie der Gedanke nicht los, dass dieses Projekt tatsächlich etwas mit Viggas Verschwinden und Magnus’ Tod zu tun haben könnte. Liv scheint das genauso zu sehen und will der Polizei beweisen, dass sie nicht gelogen hat. Sie will zudem unbedingt herausfinden, was an dem Abend in dem Haus in den Dünen wirklich geschehen ist und warum. Es liegt auf der Hand, dass sie mit Johann sprechen will, der engen Kontakt zu Vigga und Magnus hielt und auch mit Liv Kontakt hatte. Außerdem steht er mit »Heimdall« in Verbindung und hat in Bezug auf das Projekt nicht ganz die Wahrheit erzählt.
Tine sucht per Google auf ihrem Handy nach der Firma Tekksolv in Århus. Sie kopiert die Nummer und bittet die Kollegen im Präsidium, die Handynummer von Johann aus den Akten suchen und ihr zuzumailen. Nach wenigen Minuten geht eine Nachricht mit der Nummer ein. Tine wählt zuerst die von Tekksolv.
»Er ist leider nicht da«, erfährt Tine von der Sekretärin. »Er hat eben die Firma verlassen.«
»Darf ich erfahren, wohin er wollte?«, fragt Tine.
»Na ja, über Termine und private Angelegenheiten der Geschäftsführung kann ich leider keine Auskunft geben.«
»Ist es ein privater Termin?«
»Dazu darf ich nichts sagen, tut mir leid.«
»Ich muss ihn dringend sprechen. Noch einmal: Ich bin von der Kriminalpolizei, und es ist sehr wichtig.«
»Ja, das verstehe ich. Aber er ist nun einmal nicht da. Es gab wohl ein technisches Problem in seiner Wohnung. Ich nehme an, dass er bald wieder da sein wird. Soll er Sie zurückrufen?«
»Ja. Das wäre ausgezeichnet«, sagt Tine und nimmt sich vor, gleich die Handynummer von Johann zu wählen.
Sie beendet das Gespräch und blickt auf, als Knud zu ihr kommt, ebenfalls mit dem Handy am Ohr.
»Wir haben sie«, sagt er.
»Was? Wen?«
Knud beendet nun auch sein Gespräch.
»Liv«, sagt Knud. »Die Kollegen haben Frederiks Handy ausgelesen und die Nummer identifiziert, von der aus er angerufen wurde, ein Prepaid-Handy, das Liz genutzt haben muss.«
»Wird die denn angezeigt? War sie gespeichert?«
»Sie wird als unbekannte Nummer angezeigt. Aber trotzdem kann man natürlich herausfinden, ob …«
»Ich weiß, dass man das kann, Knud«, sagt Tine. »Und er hat sein Handy bereitwillig zur Verfügung gestellt?«
Knud zuckt mit den Schultern. »Offensichtlich. Sie haben die Nummer für eine Peilung benutzt. Einfach eine verdeckte Mail an die Nummer gesendet, die beim Empfänger aber nicht als Mail angezeigt wird. Das System ist nicht sehr genau, aber wir wissen zumindest, dass sie sich in Århus aufhalten muss.«
Shit, denkt Tine. Århus. Sie will tatsächlich mit Johann reden, der aber nicht in der Firma ist.
Tine gibt die Nummer, die sie kopiert hat, ins Telefon ein, um Johann auf dem Handy zu erreichen. Aber er geht nicht dran.