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Toms Zimmer, Fort Tabarka, Tunesien

Tom hatte vor, bis ungefähr 3 Uhr nachts zu warten. Dann wollte er im Erdgeschoss mit der Suche beginnen. Er hoffte, dass er irgendwo im Haus eine neue Spur finden würde. Ob er auch nachts auf Wachen treffen würde? Vermutlich. Tom sah sich in seinem Zimmer um. Irgendwie musste er sich die Zeit vertreiben. Das Zimmer, indem er sich befand, konnte man, ohne zu übertreiben, als pompös bezeichnen. Milde ausgedrückt. Cloutards ausgefallener Geschmack rankte bis in den letzten Winkel dieses antiken Bauwerks. Ein Himmelbett mit Baldachin in weißem Holz mit vergoldeten Verzierungen und barockem Kopfteil, schwere, dunkelrote Vorhänge mit goldenen Blütenmustern, von der Decke hing ein goldener Kristallluster, auf dem Kaminsims stand ein schwerer, goldener Kerzenleuchter, an den Wänden hingen Gemälde, Deckendekor und Holzvertäfelungen würden Marie Antoinette alle Ehre machen. Tom hatte keine Ahnung von Kunst und Malerei, aber er hatte den Eindruck, dass alles, was er hier sah, echt war. Keine Kopien aus China von Alibaba.com. Tom legte sich auf das riesige Bett, nahm sein iPhone zur Hand und ging sicherheitshalber noch einmal das umfangreiche Dossier über Cloutard, den Schild, aber auch über Blue Shield und die anderen gestohlenen Artefakte durch. Noah war sehr sorgfältig, wenn es um Briefings dieser Art ging. Vielleicht würde er ja auf weitere Hinweise stoßen, die ihm auch helfen würden, Hellen zu finden.

Plötzlich horchte er auf. Auf dem Gang waren Schritte zu hören. Tom stand auf, steckte das Handy in seine Hosentasche und schlich zur Tür. Es war wieder still. Tom hatte den Eindruck, dass die Schritte genau vor seiner Zimmertür Halt gemacht hatten. Er löschte das Licht, griff sich den Kerzenständer und stellte sich neben die Tür, sodass er die Klinke genau im Auge behalten konnte. Genau in diesem Augenblick bewegte diese sich langsam nach unten. Jemand öffnete dir Tür. Tom presste sich an die Wand. Der Eindringling hatte den ersten Schritt ins Zimmer gemacht. Tom erkannte sofort, wer es war. Es war Ossana.

Er zögerte eine Sekunde und überlegte, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Was führte Ossana im Schilde? War sie ihm freundlich gesinnt? Blitzschnell trat er hinter der halboffenen Tür hervor und gab Ossana einen kräftigen Schubs in den Rücken, sodass sie ein wenig unbeholfen aufs Bett fiel. Er schloss die Tür, schaltete das Licht wieder ein und blickte sie vorwurfsvoll an.

„Können Sie nicht anklopfen?“, grinste er verschmitzt und stellte den Kerzenständer wieder auf die Chiffoniere.

Ossana drehte sich um. In ihrem Gesicht war Erstaunen, ein wenig Ärger, aber auch Bewunderung zu sehen.

„Sollten Sie zu dieser Zeit nicht im Bett liegen, anstatt hinter der Tür auf Einbrecher zu lauern?“, konterte sie.

„Sollte ich vielleicht, offenbar macht es in diesem Haus aber Sinn, auf Einbrecher zu lauern.“

Erst jetzt fiel Tom auf, dass Ossana unter ihrem seidenen Schlafrock nackt war. Durch den Schubser auf sein Bett war der Mantel ein wenig verrutscht und eine ihrer Brüste blitzte hervor. Ossana dachte aber nicht im Traum daran, verschämt ihr Outfit wieder in Ordnung zu bringen. Es störte sie gar nicht, wie offenherzig sie vor ihm lag.

Sie stand vom Bett wieder auf und ging auf Tom zu. Tom war hin- und hergerissen. Einerseits begeistert von dieser großartigen Frau, die in einem Hauch von Nichts vor ihm stand, und andererseits hatte er ein schlechtes Gewissen. Er war hier, um Hellens Entführer aufzuspüren und die Mörder seiner Eltern zu finden und nicht, um einem französischen Kunstmafia-Boss die heiße Freundin seine heiße Freundin auszuspannen.

„Und?“, fragte Ossana. „Wie haben Sie vor, gegen die Einbrecherin vorzugehen?“

Ossanas Lippen waren nur noch wenige Zentimeter von den seinen entfernt. Ihre Finger glitten an Toms Hüfte empor. Mit ihren langen, korallenartigen Fingernägeln erkundete sie seinen Oberkörper und endete an seinem Nacken. Ein schneller Griff und Ossana riss Toms Kopf an den Haaren nach hinten und schnappte mit ihren weißen Zähnen nach Toms Kinn.

„Wollen Sie mich nicht bestrafen, Doktor Pfeiffer?“

Ihre Hände ließen wieder von ihm ab und glitten jetzt an ihrem eigenen Körper nach unten und entknoteten langsam den Gürtel ihres seidenen Mantels. Der zarte Stoff glitt langsam den samtigen Körper hinab und fiel zu Boden. Sie stand nun völlig nackt vor ihm. Tom sog hörbar die Luft ein. Er war wie hypnotisiert. Das war auch das Problem. Einen Sekundenbruchteil später hatte Ossana einen Schritt zur Seite gemacht und ihn mit einer gekonnten Judo-Attacke aufs Bett verfrachtet. Er kam auf dem Rücken zum Liegen. Ossana sprang rittlings auf ihn, beugte sich nach unten und küsste ihn wild und leidenschaftlich. Ein kleiner Biss in den Hals. Sie ergriff seine Arme und drückte sie fest oberhalb seines Kopfs aufs Bett. Viel fester als erwartet. Tom kam sich mit einem Mal vor, als wären seine Hände in einen Schraubstock gezwängt.