KAPITEL 7

Dir gehört, was du gekauft und was du gedacht hast – Besitztumseffekt und Status-quo-Fehler

I M JAHR 2006 GRÜNDETE ANDREW WILKINSON METALAB , ein Unternehmen, das Apps für Technologieunternehmen entwickelt. Es war augenblicklich profitabel und wuchs rasch. Zu seinem Kundenkreis gehörten Apple, Google, Disney, Walmart und bekannte erfolgreiche Start-ups wie Slack und Coinbase.

Im Laufe der Jahre setzte er einen Teil dieser Gewinne ein, um über zwanzig Firmen zu gründen. Eine davon, das 2014 gegründete Tiny, hatte außerdem in Dutzende von Internetunternehmen investiert oder sie gekauft. Weil Wilkinson den Ruf hatte, schnelle Deals abzuschließen, ein lockerer Käufer zu sein und langfristig dabeizubleiben, nannte man ihn den »Warren Buffett für Start-ups«.

Wilkinsons Unternehmergeist machte sich schon früh bemerkbar. Als er Anfang der 2000er-Jahre noch zur Highschool ging, schuf er gemeinsam mit ein paar Freunden die Technews-Website MacTeens.com. Er arbeitete intensiv an dem Projekt und konnte sogar ein Interview mit Steve Jobs ergattern. Die Seite war so erfolgreich, dass sie zwischen Personalmanagement, Werbeverhandlungen und Contentschöpfung zu einem Vollzeitjob wurde. Das Projekt nahm so viel Zeit in Anspruch, dass er kaum seinen Abschluss schaffte.

Nach einem kurzen Ausflug in das Studienfach Journalismus brach er die Uni ab und gründete MetaLab. Als er 2009 feststellte, dass er eine Möglichkeit finden wollte, damit sein Team To-do-Listen untereinander austauschen konnte, beschloss er, sein eigenes Listentool zu entwickeln. Die Idee wurde zu einem Softwareprodukt namens Flow, das er bis 2021 finanzierte und begleitete.

Der Markt für SaaS-Tools wie Google Docs und Slack (die MetaLab 2013 beauftragten, ihre Oberfläche zu gestalten) ist inzwischen explodiert, doch als er damals die Idee entwickelte, steckte er noch in den Kinderschuhen. Er war einer der Ersten in diesem Bereich und sah die potenzielle Marktgröße für solche Produkte richtig voraus. MetaLab war erfolgreich genug geworden, um Flow selbst auf die Beine zu stellen, um das Unternehmen selbst zu finanzieren, statt externe Investoren wie Venture-Capital-Firmen in Anspruch nehmen zu müssen.

Nach neunmonatiger Arbeit mit zwei Entwicklern von MetaLab gelang es Wilkinson, eine Betaversion des Listentools herzustellen. Er schilderte seinen Stolz auf das Produkt: »Es war echt richtig cool. Vom ersten Tag an war es ein absoluter Knaller.«

Die Betaversion von Flow erzielte rasch wiederkehrende monatliche Umsätze von 20.000 Dollar und wuchs bald um 10 Prozent monatlich. Das Produkt war begehrt. Alle großen Venture-Capital-Firmen kamen auf ihn zu.

In der Community von Menschen, die neue Projekte aushecken (und der größeren Community von Menschen, die dem nachfolgen, was diese tun), wurde lange und intensiv über die Vor- und Nachteile von Venture-Finanzierung und Eigenfinanzierung debattiert. Wilkinson gehörte zu denjenigen, die sehr öffentlich für Eigenfinanzierung als bessere Option eintraten, sowohl für ihn selbst als auch als allgemeine Strategie. Das trug sicherlich dazu bei, dass er all die Venture-Capital-Angebote ausschlug, die ihm unterbreitet wurden.

Flow war eine spartanische Unternehmung, doch die Aufwendungen überstiegen deutlich die vielversprechenden ersten Verkaufserträge, was für ein neues Unternehmen in diesem Bereich wenig überraschend ist. Wilkinson stellte bereitwillig die Schecks aus, um die steigenden Kosten zu decken. Er hatte Kapital, ein Produkt, das ihn begeisterte, und den häufig geäußerten Wunsch, die Verwässerung zu vermeiden, die mit externen Investoren einhergeht.

Auch wenn der anfängliche Erfolg von Flow bestätigte, dass es eine Nachfrage für ein SaaS-Tool gab, das Teams die Handhabung und das Austauschen von To-do-Listen erleichterte, erkannte er, dass die potenzielle Nachfrage auch andere Anbieter auf den Plan rufen würde.

Kurz nach der Einführung von Flow hörte Wilkinson von einem anderen Produkt namens Asana. Er hatte Grund zur Besorgnis, was Asana anging. Es wurde von Dustin Moskovitz mitgegründet und geleitet. Moskovitz war Mitgründer von Facebook, ein Milliardär mit enormer Glaubwürdigkeit und Achtung bei potenziellen Investoren, Beschäftigten und potenziellen Nutzern.

Als Asana Ende 2011 auf den Markt kam, stieß Wilkinson einen Seufzer der Erleichterung aus. »Das war hässlich! Es war von Technikern designt worden. Kompliziert und schwer anzuwenden. Nicht die geringste Bedrohung.«

Durch den Vergleich von Flow mit dieser Debütversion von Asana fühlte er sich bestätigt. »Mit einem nur ein Viertel so großen Team und einem Bruchteil des Geldes hatten wir etwas geschaffen, das meiner Meinung nach das überlegene Produkt war.«

Nachdem Asana herausgekommen war, nahm Dustin Moskovitz Kontakt zu Andrew Wilkinson auf. Sie trafen sich auf einen Kaffee in San Francisco, wo Asana seine Büroräume hatte. Bei dieser Begegnung sprach Moskovitz ganz offen darüber, wie viel Geld sie hatten und was für Talente sie ins Unternehmen holten.

Hinterher war Wilkinson überzeugt, die Botschaft sei gewesen, dass Asana bessere Ressourcen hätte und Flow nicht würde mithalten können. Viel später erklärte Moskovitz öffentlich, dass er das Meeting ganz anders in Erinnerung habe. Er dachte, er lote die Möglichkeit aus, dass Asana und Flow sich zusammenschließen, vielleicht im Rahmen einer Akquisition, um es besser gegen die größeren, etablierten Mitbewerber in diesem Bereich aufnehmen zu können.

Es ist schwer zu sagen, warum sie die Ereignisse bei diesem Treffen so unterschiedlich interpretierten. Doch was Wilkinson verstand, stimmt sicherlich mit seinen Überzeugungen in Bezug auf Eigenfinanzierung und Venture-Capital überein. Es bestärkte auch seinen Standpunkt, dass Flow der schäbige Außenseiter war und Asana nicht so sehr ein weiteres um Anerkennung ringendes neues Projekt, sondern eins von »denen« in einem Wir-gegen-die-Krieg zwischen Eigenfinanzierern und von Venture-Capital finanzierten Gründern.

Innerhalb weniger Monate nach dem Erscheinen von Asanas Bezahlprodukt (im April 2012) hatte es drei Finanzierungsrunden hinter sich, in deren letzter das Unternehmen mit einer Bewertung von 280 Millionen Dollar 28 Millionen Dollar aufbrachte.

Wilkinson hätte das als negativ für Flow betrachten können. Schließlich florierte sein Hauptkonkurrent, schwamm im Geld und war eindeutig eine heiße Nummer auf dem Venture-Markt. Stattdessen wertete er es als gute Nachricht für die Aussichten von Flow. Wenn erfahrene Venture-Investoren dachten, Asana sei 280 Millionen Dollar wert, musste sein Unternehmen mit dem besseren Produkt doch viel mehr wert sein.

Zu diesem Zeitpunkt überstiegen die Ausgaben von Flow die monatlichen Einkünfte um das Zwei- oder Dreifache, und es würden noch höhere Ausgaben nötig sein, wenn das Mithalten mit Asana Priorität hatte. Als sein besorgter CFO das vorbrachte, sagte Wilkinson ihm, sie müssten durchhalten. Aufgrund seiner Argumentation, dass Flow mehr wert sein musste als Asana, lohnte es sich eindeutig, weiterhin seine persönlichen Ressourcen in das Produkt zu stecken.

Dieser selbst auferlegte Kreuzzug gegen Asana wurde rasch zu einem Zermürbungskrieg. Damit Flow auf zahlreichen Plattformen verfügbar war (so wie Asana), die von den Kunden gewünschten Features eingeführt werden konnten und man wenigstens einen Bruchteil des Marktniveaus von Asana erreichen konnte, verdoppelte sich die Cash-Burn-Rate von Flow rasch.

Wilkinson blieb bei seiner Überzeugung, dass die Qualität von Flow es rechtfertigte, weiterhin Geld hineinzupumpen. »Wir fingen an, Geld für Werbung und Personaleinstellungen rauszuhauen, nur um den Fuß in der Tür zu halten, aber hauptsächlich konzentrierten wir uns darauf, das Produkt besser zu machen als ihres. Unser einer verbleibender Vorteil.«

Während sie dem Produkt immer neue Features hinzufügten, schlichen sich immer mehr Bugs ein (ein wohlbekanntes Problem in der Softwareentwicklung). Trotz der regelmäßigen Geldspritzen waren das Entwicklungs- und das Designteam unterbesetzt und überarbeitet. Sie konnten einfach nicht Schritt halten mit dem endlosen Strom von Fehlermeldungen der Kunden. Das monatliche Wachstum verlangsamte sich von 20 auf 5 Prozent.

Im September 2015 brachte Asana eine neue Version heraus, die nicht mal entfernt dem Produkt ähnelte, das Wilkinson in seiner ursprünglichen Form so negativ bewertet hatte. Es hatte jetzt alle Features, die Flow hatte, und alle, von denen er wünschte, dass Flow sie hätte. Es funktionierte auf mehr Plattformen und war im Gegensatz zu Flow nicht von Bugs geplagt.

Inzwischen betrug die Burn-Rate von Flow 150.000 Dollar pro Monat. Wilkinsons Gesamtinvestition betrug über 5 Millionen Dollar, und es war kein Ende in Sicht. Die Welt sagte ihm, dass in diesem Fall ein schäbiges selbst finanziertes Unternehmen einen aussichtslosen Kampf führte gegen ein solide finanziertes, von Venture-Capital gestütztes Unternehmen. Doch er gab es immer noch nicht auf, sondern führte es sieben weitere Jahre fort, bis er schließlich 11 Millionen Dollar in die Firma gesteckt hatte. In diesem Zeitraum verlangsamte sich das Wachstum und erstarb schließlich vollends, während Asana (sowie die anderen Mitbewerber in diesem Bereich) ihre Produkte immer weiter verbesserten.

Bei alledem schlug er ein Angebot aus, Flow für 6 Millionen Dollar aufzukaufen. Er lehnte ab, weil er 11 Millionen Dollar hineingesteckt hatte und den sicheren Verlust von 5 Millionen nicht realisieren wollte. Der klassische Fehler der versunkenen Kosten.

Erst nach zwölf Jahren und »10 Millionen+ verbrannten Dollar«, wie Wilkinson es formulierte, erkannte er, was allen anderen längst klar gewesen war. Asana war in jeder Hinsicht besser: Marketing, Produkt, Features, Support, Integration.

Flow war zu einem Schatten seiner selbst geschrumpft und schloss (bei geringem Wachstum) mit weniger als einem Drittel seiner vorherigen Jahreseinnahmen ab.

Doch noch bemerkenswerter war, dass Andrew Wilkinson seine Erwartungen für Flow fallen ließ. Im Jahr 2021 war das Unternehmen zwar technisch gesehen noch aktiv, aber er hat erkannt, dass er seine Investition niemals zurückholen wird und dass Flow niemals einen großen Anteil des Markts für Produktivitätstools erobern wird.

Wilkinsons Geschichte zeigt, wie Besitz sich mit unserer Fähigkeit des Aufgebens in die Quere kommen kann, besonders wenn wir das, was wir besitzen, selbst geschaffen haben.

Ein Weinliebhaber unter Ökonomen

Wenn wir etwas besitzen, messen wir ihm einen höheren Wert zu als einem identischen Gegenstand, der uns nicht gehört. Richard Thaler war der Erste, der diese kognitive Illusion benannte, er bezeichnete sie als Besitztumseffekt . Genau genommen erwähnte er den Besitztumseffekt erstmals in der Arbeit von 1980, in der er auch den Begriff »versunkene Kosten« geprägt hatte. Er beschrieb ihn als »die Tatsache, dass Menschen oft mehr verlangen, um ein Objekt aufzugeben, als sie für seinen Erwerb zu bezahlen bereit wären«.

Thaler nannte dafür das Beispiel eines wohlhabenden befreundeten Wirtschaftswissenschaftlers, der sich Ende der Fünfzigerjahre eine Kiste mit gutem Wein für 5 Dollar pro Flasche kaufte. Ein paar Jahre später war der Wein stark im Wert gestiegen. Sein Weinhändler bot ihm an, den Wein für 100 Dollar pro Flasche zu kaufen. Obwohl er selbst nie mehr als 35 Dollar für eine Flasche Wein bezahlt hatte, lehnte er es ab, irgendeine Flasche für 100 Dollar zu verkaufen. Doch er lehnte es auch ab, weitere Flaschen zu diesem Preis zu erwerben. Das ist ein sehr seltsames Verhalten.

Seine Weigerung zu verkaufen drückte aus, dass jeder, der seine Flaschen kaufte, weniger bezahlen würde, als die Flaschen wert waren. Doch indem er bestimmt hatte, dass es ein zu großes Schnäppchen wäre, den Wein zu verkaufen, lehnte er es zugleich ab, selbst von diesem Schnäppchen zu profitieren und eine identische Flasche zu eben diesem Preis zu kaufen.

Der Bullenmarkt für Bordeaux-Weine setzte sich fort. Elf Jahre später, im Jahr 1991, brachte Thaler gemeinsam mit Daniel Kahneman und dem Wirtschaftskollegen Jack Knetsch die Situation seines Freundes und des Weins auf den neuesten Stand. Der Wein wurde nun bei Auktionen für 200 Dollar pro Flasche verkauft. Gelegentlich trank der Freund etwas von dem Bordeaux, doch nach wie vor war er weder »bereit, den Wein zum Auktionspreis zu verkaufen, noch wollte er weitere Flaschen zu diesem Preis kaufen«.

Die Sache erheiterte sie alle, aber aus wirtschaftlicher Perspektive fanden sie sie rätselhaft. Da er die Chance hatte, die Flaschen mit Gewinn zu verkaufen, erklärte der Effekt der versunkenen Kosten sein Verhalten nicht. Thaler stellte die Hypothese auf, es habe etwas damit zu tun, dass der Wein in seinem Besitz war, die Tatsache des Eigentums. Diese Eigentümerschaft veranlasste ihn, den Flaschen einen höheren Wert beizumessen als Flaschen, die ihm nicht gehörten.

Wenn ein Wirtschaftswissenschaftler dieser Illusion zum Opfer fallen kann, selbst nachdem seine Freunde sich jahrelang in akademischen Zeitschriften über ihn lustig gemacht haben, dann stellen Sie sich mal vor, wie schlimm es erst für uns andere ist.

Während der letzten vierzig Jahre haben Forscher in weit über einhundert nachfolgenden Studien Thalers ursprüngliche Arbeit aufgegriffen und erweitert. Die ersten Beweise des Besitztumseffekts im Labor waren ganz simpel.

In einem von Jack Knetschs ersten Experimenten verpflichteten sich die Studenten, einen Fragebogen auszufüllen. Vor dem Ausfüllen erhielt eine Gruppe der Teilnehmer ihre Bezahlung in Form eines Kaffeebechers. Eine zweite Gruppe erhielt ihre Vergütung in Form eines großen Schokoriegels.

(Eine dritte Gruppe durfte zwischen beidem wählen als unvoreingenommene Entscheidung ohne vorheriges Besitztum des einen oder des anderen. Die Gruppe teilte sich recht gleichmäßig auf, 56 Prozent bevorzugten den Kaffeebecher und 44 Prozent den Schokoriegel.)

Knetsch wollte wissen, ob das Besitztum des Kaffeebechers oder des Schokoriegels bei den ersten beiden Gruppen einen Einfluss darauf hätte, wie die Teilnehmer diese Gegenstände bewerteten. Dazu gab er den Teilnehmern in diesen Gruppen, nachdem sie den Fragebogen ausgefüllt hatten, die Möglichkeit, ihre Vergütung gegen den anderen Gegenstand zu tauschen. Mit anderen Worten, die Studenten mit dem Becher konnten diesen gegen einen Schokoriegel tauschen, und die Studenten mit dem Schokoriegel konnten diesen gegen einen Kaffeebecher tauschen.

Gäbe es keinen Besitztumseffekt, so müsste man davon ausgehen, dass die ersten beiden Gruppen nach dem Tausch zum jeweils bevorzugten Gegenstand am Ende denselben Anteil von Bechern und Schokoriegeln hätten wie jene, die sich unvoreingenommen entschieden hatten. Rund die Hälfte der Teilnehmer in jeder Gruppe würde tauschen, vielleicht etwas mehr in der Gruppe, die mit der Schokolade angefangen hatten, und etwas weniger in der Gruppe, die mit dem Becher begonnen hatte.

Doch das ist es nicht, was Knetsch herausfand. Es stellte sich heraus, dass das Besitztum an einem Gegenstand selbst für eine so kurze Zeit einen ziemlich starken Effekt darauf hatte, wie viel Wert sie den Dingen beimaßen. 89 Prozent derjenigen, die den Kaffeebecher bekommen hatten, lehnten es ab, ihn gegen einen Schokoriegel zu tauschen. Von denen, die Schokolade bekommen hatten, bevorzugten 90 Prozent die Schokolade, und nur 10 Prozent tauschten sie gegen einen Becher.

Gemeinsam mit mehreren Kollegen (darunter Thaler und Kahneman) führte Knetsch weitere Experimente durch, um die Ungleichheit aufzudecken, die der Besitztumseffekt bei Kauf- und Verkaufspreisen bewirkt. Diese Studien waren ein Versuch, das Verhalten des befreundeten Ökonomen abzubilden, der fand, dass 200 Dollar zu viel seien, um sie für eine Flasche Wein zu bezahlen, aber denselben Betrag zu gering fand, um sie dafür zu verkaufen.

Bei einem dieser Experimente wurden einige Teilnehmer mit Bargeld und andere mit einem Kaffeebecher bezahlt. Wer den Becher bekommen hatte, füllte den Fragebogen aus und wurde dann gefragt: »Welchen Minimalbetrag würden Sie für Ihren Kaffeebecher akzeptieren?« Wer Bargeld bekommen hatte, bekam nach Ausfüllen des Fragebogens den Becher gezeigt und wurde gefragt: »Was würden Sie maximal dafür bezahlen?«

Für etwas so Simples wie einen Kaffeebecher mit einem Universitätslogo darauf war die Ungleichheit zwischen Kauf- und Verkaufspreisen erstaunlich groß. Bei den Becherbesitzern war der minimale Verkaufspreis mindestens doppelt so hoch wie der maximale Preis, den die Bargeldempfänger dafür zu bezahlen bereit waren. Dieses Verhältnis blieb auch in den Jahrzehnten späterer Experimente bestehen, bei denen Schirmmützen, Sweatshirts, Stiftboxen und anscheinend so ungefähr alles verwendet wurde, was ein Forscher dem Unibuchladen aus den Rippen leiern konnte.

Die Ergebnisse dieser Experimente stimmten auch mit unseren allgemeinen Erfahrungen überein.

Sie haben ein Auto und denken darüber nach, es zu verkaufen. Wenn Sie den Wert in der Schwacke-Liste nachsehen, denken Sie: »Auf keinen Fall. Mein Auto ist mehr wert.« Oder: »Es ist mindestens so viel wert. Es liegt eindeutig im oberen Bereich, wenn nicht noch darüber.« Aber wenn Sie dann ein Auto kaufen wollen und ein identisches Fahrzeug sehen, für das ein Preis im oberen Bereich der Schwacke-Liste verlangt wird, ist Ihre Reaktion: »Die spinnen ja wohl. Das sind Halsabschneider. Da ist doch eine Delle im Kotflügel.«

Der Besitztumseffekt hat einen klaren Bezug zum Abbruchverhalten. Etwas zu verkaufen, das Ihnen gehört, ist das Äquivalent des Aufhörens; Sie beenden Ihr Besitztum.

Etwas nicht zu verkaufen, das Ihnen gehört, ist eine Form des Festhaltens. Wenn Sie entscheiden, ob Sie Ihren Wein oder Ihr Auto oder Ihr Haus verkaufen, treffen Sie eine Wahl, ob Sie am Eigentum dieses Gegenstands festhalten wollen oder nicht.

Was du gekannt hast, gehört dir auch

Die ursprüngliche Grundlage für den Besitztumseffekt war die Verlustangst. Einfach formuliert: Wenn wir Verluste stärker gewichten als Gewinne in derselben Höhe, sind wir mehr darüber besorgt, etwas zu verlieren, das wir bereits besitzen, als wir danach streben, den gleichen Gegenstand zu erwerben, der uns nicht gehört.

Jahrzehntelange Forschungen haben erwiesen, dass wir noch aus anderen Gründen als Verlustangst an Dingen hängen können. In diesem Prozess hat sich ein tieferes Verständnis dafür entwickelt, was wir für unseren Besitz halten.

Bei der ursprünglichen Arbeit über den Besitztumseffekt ging es um den physischen Besitz von Objekten und den zusätzlichen Wert, den wir diesen Dingen beimessen, sobald sie sich in unserem Besitz befinden. Doch in einer kritischen Betrachtung der Literatur wiesen Carey Morewedge und Colleen Giblin 2015 darauf hin, dass wir an viel mehr als nur an physischen Objekten hängen können. Als die Forschung zum Besitztumseffekt ausgeweitet wurde, erwies sich immer mehr, dass wir auch an unseren Überzeugungen, unseren Vorstellungen und unseren Entscheidungen festhalten können.

Wenn wir Überzeugungen und Vorstellungen haben, werden sie zu unserem Besitz. Wir besitzen, was wir gekauft und was wir gedacht haben.

Wenn wir uns für eine Vorgehensweise entscheiden, so bedeutet das in gewisser Weise, dass wir diese Entscheidung jetzt besitzen. Der Wert, den wir Dingen beimessen, seien es Weinflaschen oder unsere Handlungsentscheidungen, wird größer sein, als wenn diese gleichen Dinge anderen gehören, und höher als der Wert, den andere ihnen beimessen.

Der Besitztumseffekt ist besonders stark, wenn Sie das, was Sie besitzen, auch geschaffen haben. Aus offensichtlichen Gründen ist das auch als IKEA -Effekt bekannt. Die meisten Möbel, die Sie bei IKEA kaufen, müssen Sie selbst zusammenbauen. Wir bewerten diesen Nachttisch, den wir aufgebaut haben, viel höher als einen identischen, der fertig montiert war.

Der IKEA -Effekt ist einer der Gründe, warum wir mit dem Podestbau äußerst vorsichtig sein müssen. Wenn Sie etwas bauen, von dem Sie bereits sicher sind, dass es sich bauen lässt, wie etwa der Beginn des kalifornischen Hochgeschwindigkeitszugs mit dem Abschnitt zwischen Madera und Fresno oder dem zwischen Bakersfield und Merced oder zwischen San Francisco und Silicon Valley, schaffen Sie ein doppeltes Problem. Ohne nützliche Informationen darüber, ob Sie die Strecke komplettieren können, stecken Sie Zeit, Mühe und Geld hinein, was ein Problem der versunkenen Kosten erzeugt. Darüber hinaus hängen Sie an dem, was Sie gebaut haben, und das macht es noch schwerer, vom Kurs abzuweichen.

Wenn Sie schon die Waage zuungunsten des Aufhörens manipulieren, indem Sie der Mischung den persönlichen Bezug hinzufügen, achten Sie wenigstens darauf, dass Sie Ihr Herz an etwas hängen, das echten Fortschritt bei der Lösung eines schwierigen Problems repräsentiert.

Der Besitztumseffekt

Der Besitztumseffekt hilft bei der Lösung des Rätsels, warum Harold Staw sich zwei Mal weigerte, seine Läden zu verkaufen. In seinem Kampf gegen die texanischen Aktionäre, bei dem sein guter Freund und Anwalt zur anderen Seite überlief, hatte er einen persönlichen Bezug zu den kalifornischen Läden, den die auf der anderen Seite nicht hatten. Er war nicht willens, die kalifornischen Läden zu verkaufen, die er geschaffen und aufgebaut hatte, um den Wert der texanischen Läden zu schützen, die er nicht geschaffen und aufgebaut hatte.

Als Fred Meyer Inc. ihm ein Kaufangebot unterbreitete, dachte er erneut, der Preis sei zu gering, ungeachtet der Tatsache, dass seine Läden tief in den roten Zahlen steckten. Bei jedem Schritt des Weges hielt er das Geschäft, das er von einem Hühnerstall in ein Imperium verwandelt hatte, für wertvoller als diejenigen, die es von außen betrachteten. Sie erkannten das schwächelnde Geschäft als das, was es geworden war, und er konnte das nicht.

Der Besitztumseffekt bietet auch Einblicke in die Gründe, warum Andrew Wilkinson so viel von seinem persönlichen Vermögen in Flow steckte. Wilkinsons Geschichte ist eine besonders gute Illustration der Schichten von kognitivem Geröll, die ein übermäßiges Ausharren verursachen.

Wilkinson hing auf vielerlei Arten an Flow. Zunächst und ganz schlicht war Wilkinson der tatsächliche Besitzer von Flow. Zudem war es seine Idee. Er hatte es sich ausgedacht. Er hatte es geschaffen.

Er verliebte sich augenblicklich in sein Produkt, und dieses Gefühl verstärkte sich, als er es mit Asana verglich, einer ähnlichen Art von Produkt, das er sofort als »hässlich«, »kompliziert« und »schwer bedienbar« beschrieb. Flow war ein wunderschöner, funktionaler Kaffeebecher, während Asana ein Schokoriegel war, den er nicht anrühren würde. Schwer zu sagen, ob seine Überzeugung vom Wert von Flow anfangs vernünftig war, aber ganz sicher war sie es nicht während der letzten Jahre seines Engagements für das scheiternde Unternehmen.

Der Besitztumseffekt veranlasste Wilkinson eindeutig, sein Produkt überzubewerten, aber man sieht auch, wie sich das mit dem Effekt der versunkenen Kosten zu einem sehr destruktiven kognitiven Gebräu vermischte. Als er den Punkt erreichte, an dem er bereits entschieden hatte, sein Engagement für Flow zurückzufahren, lehnte er dennoch das Angebot ab, es für 6 Millionen Dollar zu verkaufen, denn damit hätte er seinen Gesamtverlust von 11 Millionen Dollar nicht ausgleichen können.

Der Besitztumseffekt fügt dem Katamari mehr Masse hinzu, noch über das hinaus, was bereits durch den Effekt der versunkenen Kosten beigesteuert wurde. Wenn Sie eine Aktivität beginnen und im Folgenden Entscheidungen treffen, diese Aktivität fortzusetzen, häufen Sie nicht nur weitere versunkene Kosten an, sondern hängen auch Ihr Herz immer stärker an Ihre Ideen, an die Überzeugung, auf dem richtigen Kurs zu sein. Wenn Sie Dinge schaffen, seien es Schienenwege, Bücherregale, Beziehungen oder Aufsätze, die Sie für den Unterricht geschrieben haben, manipuliert der Besitztumseffekt die Waage noch mehr und steigert Ihr Engagement für zum Scheitern verurteilte Angelegenheiten.

Profisportmannschaften und ihr eskalierendes Commitment für hohe Draft Picks

Nachdem Barry Staw das eskalierende Commitment zwanzig Jahre lang im Labor untersucht hatte, wollte er seine Ergebnisse durch Feldstudien validieren. Mit als Erstes befasste er sich mit Entscheidungen zum Spielereinkauf im Profisport. In einer Studie von 1995 hatten Staw und Ha Hoang untersucht, ob die Draftreihenfolge eines Spielers Auswirkungen auf seine darauf folgende Spielzeit und die Dauer seiner Laufbahn in der NBA hatte, unabhängig von seinem Qualifikationsniveau.

Wenn eine NBA -Mannschaft einen hohen Draft Pick 3 verwendet, um einen Spieler einzukaufen, dann ist das eine realitätsbezogene Entscheidung mit hohem Risiko, bei der versunkene Kosten und Besitztum potenzielle Probleme darstellen. Einen hohen Draft Pick herzugeben, um einen Spieler einzukaufen, verbrennt eine wertvolle begrenzte Ressource und geht mit höheren Bezügen einher, die für diesen Spieler bezahlt werden müssen. Auch das Besitztum spielt eine Rolle, denn die Mannschaften treffen eine sehr öffentliche Entscheidung, eine Entscheidung, für die sie die Verantwortung tragen. Da die Mannschaften mit den schlechtesten Leistungsergebnissen die höchsten Picks erhalten, verknüpft ihr Pick in der ersten Runde die Zukunft der Mannschaft sehr eindeutig mit diesem Spieler.

Hatten versunkene Kosten und Besitztum Einfluss auf zukünftige Entscheidungen, diese hoch gedrafteten Spieler öfter spielen zu lassen und stärker zu binden als andere, gleichermaßen produktive Spieler?

In Anbetracht der hohen Anreize für NBA -Mannschaften, ihre besten Spieler ins Rennen zu schicken, dürfte es Sie überraschen, dass die Antwort Ja lautet.

Die NBA und andere professionelle Sportligen sind eine besondere Umgebung für die Untersuchung von Abbruchverhalten. Entscheider im Profisport bekommen eine Menge kontinuierliches, rasches und eindeutiges Feedback bezüglich der Spielerproduktivität. Der Profibasketball bietet eine Fülle von Daten und viele objektive Messwerte der Spielerleistung für Spielergebnisse (Punkte, Field-Goal-Prozentsatz, Freiwurf-Prozentsatz), Härte (Rebounds und Blocks) und Schnelligkeit (Assists und Steals). Trainer und Mannschaftsmanagement sind in hohem Maße motiviert, die besten Spieler in den richtigen Situationen einzusetzen und natürlich zu gewinnen.

Im Gegensatz dazu treffen wir in der restlichen Welt die meisten unserer Entscheidungen ohne ein solches Maß an Informationen, um die Werterwartung oder unterschiedliche Optionen mit hoher Präzision berechnen zu können. Wenn wir entscheiden, welchen von zwei Bewerbern wir für eine Stelle auswählen (oder welche von zwei Stellen wir annehmen), haben wir nicht annähernd so viele Informationen wie NBA -Funktionäre, wenn sie darüber entscheiden, welcher von zwei Spielern an den Start gehen oder noch eine Saison in der Mannschaft bleiben soll.

Unsere wohlbegründeten Vermutungen sind viel weniger wohlbegründet.

Das heißt, wenn Trainer und Funktionäre bei Spielerentscheidungen Fehler begehen, können sie sich nicht einfach damit herausreden, dass sie die Zahlen nicht gekannt hätten. Das lässt sich mit der Transparenz der Optionen vergleichen, die den Teilnehmern bei Kahnemans und Tverskys erster Studie über die Prospect Theory gegeben wurden. Wenn die Teilnehmer eine Wette mit positiver Werterwartung ablehnten oder eine Wette mit negativer Werterwartung annahmen, lag es nicht daran, dass sie nicht wussten, ob die Wetten günstig oder ungünstig waren. Trotz der Eindeutigkeit der Entscheidung zeigte sich, dass die Leute bereit waren, schlechte Wetten anzunehmen, wenn sie Verluste gemacht hatten, und gute Wetten ablehnten, wenn sie auf dem Papier Gewinne gemacht hatten, die sie in sichere Gewinne hätten verwandeln können, indem sie aufhörten.

In der NBA stand, anders als in Kahnemans und Tverskys Studien, bei den Personalentscheidungen viel auf dem Spiel, und man sollte ein enormes Maß an Motivation vermuten, sie richtig zu machen. Doch so wie die Spielteilnehmer annahmen und ablehnten, treffen auch die NBA -Funktionäre nicht immer rationale Entscheidungen.

Staw und Hoang wollten wissen, ob im Vergleich zweier Spieler von gleicher Qualifikation derjenige mit dem höheren Draft mehr Einsatzzeit bekäme, eine längere Karriere hätte und weniger wahrscheinlich ausgetauscht würde. Dazu analysierten sie die Draftreihenfolge der NBA -Drafts von 1980 bis 1986, neun Kennzahlen für die Spielerleistung, die Einsatzminuten aus fünf Spielzeiten, die Dauer der Laufbahn und ob ein Spieler ausgetauscht wurde.

Wie sich herausstellte, hatte die Draftreihenfolge tatsächlich eine unabhängige Wirkung auf künftige Einsatzzeiten und Spielaufstellungsentscheidungen. »Die Ergebnisse belegten, dass die Mannschaften den am höchsten gedrafteten Spielern mehr Einsatzzeit gewährten und sie länger behielten, selbst nachdem sie ihre Leistungen auf dem Spielfeld, die Verletzungen, den Transferwert und die gespielte Position kontrolliert hatten.«

In den ersten fünf Jahren der Spielerkarrieren war die Draftreihenfolge ein maßgeblicher Indikator für die Spielzeit. Wenn die Mannschaften ein Jahr lang Spieldaten erzielt hatten, spielten die Picks aus der ersten Runde 522 Minuten mehr in ihrer zweiten Spielzeit als die Picks aus der zweiten Runde mit gleicher Qualifikation. Jeder nächstniedrigere Platz in der Draftreihenfolge eines Spielers verringerte seine Einsatzzeit um 23 Minuten (das heißt, der zweite Pick in der ersten Runde spielte im Laufe einer Spielzeit 23 Minuten länger als der dritte Pick in der ersten Runde).

Hatte eine Mannschaft erst mal einen Spieler in der ersten Runde ausgewählt, blieb dieser Spieler im Durchschnitt 3,3 Jahre länger in der Liga als Picks aus der zweiten Runde mit ähnlichen Spielfeldleistungen. Jede weitere Verminderung der Draftreihenfolge erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass der Spieler entlassen wurde, um 3 Prozent. Sie stellten auch fest, dass Picks aus der zweiten Runde mit um 72 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit verkauft wurden als Spieler der ersten Runde, wobei die Wahrscheinlichkeit mit jedem weiteren Abstieg in ihrer Draftreihenfolge um 3 Prozent stieg.

Wenn wir ein solches eskalierendes Commitment sogar in einem gut mit Daten versehenen Umfeld erleben können, bei dem viel auf dem Spiel steht und die Qualität des Spieler aktiv gemessen werden kann, sollte es wohl nicht überraschen, dass Beschäftigte zu lange auf ihrem Arbeitsplatz ausharren. Oder dass Studenten viel mehr für ihren Kaffeebecher verlangen, als er wert ist. Oder dass ein Professor der Wirtschaftswissenschaften seine Weinflaschen nicht zu einem Preis verkaufen will, zu dem er sie auch nicht kaufen würde.

Colin Camerer und Roberto Weber versuchten 1999, die Ergebnisse Staws mit aktualisierten Daten zu replizieren (von Spielern, die bei den NBA -Drafts 1986 bis 1991 gewählt worden waren), und verwendeten zusätzliche Variablen und Methoden, die andere Erklärungen ausschließen konnten. Ihre Ergebnisse deckten sich weitgehend mit denen Staws. Aufgrund der zusätzlichen Variablen stellten sie fest, dass der Effekt des eskalierenden Commitments nicht so stark war, aber immer noch signifikant genug, um sagen zu können, dass er »den schlüssigsten verfügbaren Feldbeleg für irrationale Eskalation darstellt«.

Der Fairness halber sollte erwähnt werden, dass Staws und Camerers Analysen der NBA vor der Moneyball -Ära im Sport durchgeführt wurden, durch die Entscheidungen viel stärker analytisch geprägt wurden. Man könnte behaupten, dass Daten damals nicht im gleichen Maße genutzt oder gewürdigt wurden wie heute. Das wirft die Frage auf: Lassen sich der Effekt der versunkenen Kosten und der Besitztumseffekt noch heute im Profisport erkennen?

Quinn Keefer, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der California State University San Marcos, führte seit Mitte der 2010er-Jahre diverse Feldstudien über die Auswirkungen der Draftreihenfolge und der Spielervergütung auf die Einsatzzeit in der NFL und der NBA durch. Bestandteil dieser Studien waren auch Entscheidungen aus der Post-Moneyball -Ära. Er verwendete zudem fortgeschrittene Analysemethoden zur Erfassung der Spielerleistungen. Auch wenn das Ausmaß des Effekts geringer war, so war es doch immer noch signifikant und spiegelte die ursprünglichen Erkenntnisse aus den 1980ern und 1990ern wider.

Die Ergebnisse der Feldstudien über den Profisport sollten extrem alarmierend sein für jeden, der denkt, er könne objektiv mit Ausstiegsentscheidungen umgehen. Wir haben es da mit intelligenten Menschen, einer großen Menge Daten, einem kontinuierlichen straffen Feedback und einer hohen Motivation zu tun. Bei den meisten Ausstiegsentscheidungen, die wir treffen, verfügen wir über weitaus weniger Informationen und haben längere, ungenauere Feedbackschleifen.

Der Status quo ist schwer aufzugeben

Der Besitztumseffekt und der Effekt der versunkenen Kosten gehen auf eine Weise Hand in Hand, die das eskalierende Commitment verstärkt. Der Status-quo-Fehler trägt zu dieser Mischung von kognitiven Kräften, die die Waage manipulieren, ebenfalls bei.

Einfach ausgedrückt ist der Status quo der Weg, auf dem man sich bereits befindet, oder die Art, wie man etwas immer schon gemacht hat. Der Fehler ist, dass wir eine Präferenz dafür haben, an solchen Entscheidungen, Methoden und Wegen festzuhalten, und eine Abneigung dagegen, zugunsten von etwas Neuem oder anderem davon abzuweichen.

Das gilt ebenso für das Nachdenken über einen beruflichen Wechsel wie bei Sarah Olstyn Martinez und Sasha Cohen wie für den Abbruch einer Beziehung und die Kontaktaufnahme mit jemand Neuem oder für den Wechsel von Studienfächern oder Universität. Ist ein Spieler bei der NBA erst mal in der Mannschaft, wird er Teil des Status quo. Wenn man ihn auf die Ersatzbank setzt oder verkauft oder entlässt, weicht man von diesem Status quo ab.

In einer bahnbrechenden Arbeit von 1988 führten die Ökonomen Richard Zeckhauser aus Harvard und William Samuelson von der Boston University den Begriff »Status-quo-Fehler« ein. Sie führten sowohl Labor- als auch Feldstudien an, die zeigten, dass Individuen ganz überwiegend an der Option des Status quo festhalten, selbst wenn diese Option mit einer geringeren Werterwartung einhergeht. Der Fehler ist allgemein bekannt, sehr widerstandsfähig und trifft auf die Entscheidungen von Individuen ebenso zu wie auf die von Organisationen.

Der Status quo stellt ein mentales Konto dar, das wir bereits eröffnet haben und mit dem versunkene Kosten verbunden sind, also Zeit, Geld oder Mühen, die bereits in die Art und Weise geflossen sind, wie wir etwas tun. Dieses Konto zu schließen, indem wir zu etwas Neuem wechseln, kann uns das Gefühl vermitteln, dass wir die bereits investierten Ressourcen verschwenden.

Wir hängen auch an dem Status quo und übernehmen Verantwortung für die Entscheidungen, die uns in dieses Fahrwasser gebracht haben, sowie für alles, was wir auf diesem Wege geschaffen haben.

Ein weiterer Faktor für unser Festhalten am Status quo ist eine Asymmetrie dessen, wie wir die Verlustangst erleben. Wir sorgen uns viel mehr über die potenziellen Nachweise einer Kursänderung als über die potenziellen Nachteile des Weiterverfolgens unseres Wegs.

Das lässt sich gut an Dr. Olstyn Martinez’ Dilemma erkennen. Ihr Nachdenken über einen Berufswechsel war eindeutig von Verlustangst geprägt. »Was, wenn ich weggehe und etwas anderes mache und es dann nicht gut läuft?« Das hat zu dem Hemmnis beigetragen, das sie davon abhielt, eine neue Stelle anzutreten.

Gleichzeitig hatte sie nicht annähernd so viel Angst vor der Aussicht auf dasselbe schlechte Ergebnis – Unzufriedenheit – durch das Verharren in ihrer gegenwärtigen Position, obwohl sie bereits erkannt hatte, dass Unzufriedenheit eine hundertprozentige Gewissheit war, wenn sie nicht ging.

Sie verteilte die mit dem jeweiligen Weg verknüpften potenziellen Verluste auf asymmetrische Weise.

John Maynard Keynes, einer der einflussreichsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts, brachte dieses Phänomen gut auf den Punkt: »Die Lebensweisheit lehrt uns, dass es besser für die Reputation ist, auf konventionelle Weise zu scheitern, als auf unkonventionelle Weise Erfolg zu haben.« Unkonventioneller Erfolg birgt das Risiko, das Scheitern als ein Ergebnis des Abweichens vom Status quo zu erleben.

Eine größere Misserfolgswahrscheinlichkeit wird eher bei ausgetretenen Pfaden toleriert. Denn wie lautet die übliche Ausrede in einem Postmortem, nachdem wir eine Entscheidung getroffen haben, die nicht funktioniert hat? »Ich habe genau die Abläufe befolgt«, oder »Ich habe mich an den Status quo gehalten«, oder »Ich habe mich der Mehrheit gebeugt«.

Konventionelles Scheitern fühlt sich nicht so schlimm an und wird auch von denjenigen, die Sie beurteilen, nicht so behandelt.

Im Kern all dieser Kräfte, die Abbruchentscheidungen entgegenstehen, steckt die Tatsache, dass wir ein Festhalten am Status quo nicht im gleichen Maße als aktive Entscheidung betrachten wie das Wechseln. Wir sorgen uns viel mehr um Handlungsfehler als um Unterlassungsfehler (gescheitertes Handeln). Wir haben mehr Angst davor, durch unser Handeln ein schlechtes Ergebnis zu »verursachen«, als etwas durch Untätigkeit »geschehen zu lassen«.

Dieses Phänomen ist als Unterlassungs-Handlungs-Fehler bekannt.

Etwas anderes zu tun, zum Beispiel eine neue Stelle anzutreten, ein neues Studienfach zu wählen, eine neue Beziehung einzugehen oder eine neue Geschäftsstrategie einzuführen, wird als neue und aktive Entscheidung wahrgenommen. Im Gegensatz dazu betrachten wir das Festhalten am Status quo gar nicht als Entscheidung.

Sie haben andere (und sich selbst) beim Nachdenken über einen neuen Weg sicher schon sagen hören: »Ich will im Moment keine Entscheidung treffen.« Das haben Sie wahrscheinlich als vernünftig akzeptiert. Aber wenn Sie mal näher darüber nachdenken, erkennen Sie, dass die Entscheidung, nichts zu verändern, ebenfalls eine Entscheidung ist. Bei der Verfolgung eines Ziels entscheiden Sie zu jedem Zeitpunkt, ob Sie auf dem bisherigen Weg bleiben oder den Kurs ändern. Den Weg fortzusetzen, ist ebenso sehr eine Entscheidung wie der Entschluss aufzuhören.

Genau genommen ist die Entscheidung, ob man bleibt oder geht, per definitionem dieselbe Entscheidung.

Einer der Schritte auf dem Weg zu einem besseren Aussteiger ist es, den Satz »Ich bin noch nicht bereit, eine Entscheidung zu treffen« nicht als sinnvolle Aussage zu akzeptieren. In jedem Augenblick Ihres Lebens haben Sie die Wahl, ob Sie bleiben oder gehen. Wenn Sie sich fürs Bleiben entscheiden, entscheiden Sie gleichzeitig, nicht zu gehen. Wenn Sie sich entscheiden aufzuhören, entscheiden Sie gleichzeitig, nicht weiterzumachen. Es ist wichtig zu erkennen, dass es sich dabei um dieselben aktiven Entschlüsse handelt.

Als Sasha Cohen erkannte, dass das Reisen von Arena zu Arena, um in Eislaufshows aufzutreten, nicht das Leben war, das sie sich wünschte, war nicht aufzuhören ebenso sehr eine Entscheidung wie die, sich nach ihren letzten Olympischen Spielen aus dem aktiven Sport zurückzuziehen. Dasselbe gilt auch für Sarah Olstyn Martinez während der letzten Jahre, in denen sie an ihrer Stelle als Notärztin und Direktorin festhielt, und ihre letztliche Entscheidung aufzuhören. Harold Staw und Andrew Wilkinson trafen eine Entscheidung, als sie weiterhin ihre Geschäftsverluste subventionierten.

Hätten Hutchison, Taske und Kasischke beschlossen, weiter zum Gipfel aufzusteigen, als sie feststellten, dass sie um 11.30 Uhr noch drei Stunden zurücklagen, wäre das ebenso sehr eine Entscheidung gewesen wie die umzukehren. Hätte Stewart Butterfield beschlossen, mit Glitch weiterzumachen, wäre das ebenso sehr eine Entscheidung gewesen wie die, es einzustellen.

Doch der Unterlassungs-Handlungs-Fehler lässt uns diese Entscheidungen nicht als gleichwertig betrachten. Deshalb akzeptieren wir die Erklärung »Ich bin noch nicht so weit, eine Entscheidung zu treffen« von anderen und von uns selbst. In Wirklichkeit bedeutet das natürlich: »Ich bin nicht bereit, vom Status quo abzuweichen.«

Wenn Sie das nächste Mal sagen: »Ich bin noch nicht bereit für eine Entscheidung«, sollten Sie eigentlich sagen: »Im Moment denke ich, dass der Status quo die beste Wahl ist.« Vielleicht brauchen Sie noch mehr Informationen, um wissen zu können, ob Sie wechseln sollen. Was Sie jedoch nicht vom Aufhören abhalten sollte, ist, dass ein Wechsel zu furchteinflößend ist, weil die Verlustangst zu intensiv ist.

Das bekannte Übel

Zu diesem Durcheinander trägt bei, dass wir das Bekannte dem Unbekannten vorziehen, dem Mehrdeutigen und Undefinierten. Was immer Sie bereits tun, ob es funktioniert oder nicht, Sie haben viel mehr Gewissheit darüber als über etwas, das Sie noch nie erlebt haben.

Daher kommt die Redensart: »Von zwei Übeln wählt man lieber das, was man schon kennt.«

Das sieht man deutlich bei Olstyn Martinez. Als ich sie fragte, ob sie an ihrem derzeitigen Arbeitsplatz zufrieden sei, fiel ihr die Antwort nicht schwer. Es war eine bereits bekannte Größe, und sie wusste, dass sie unzufrieden war. Aber als ich sie fragte, ob sie an ihrer neuen Stelle zufrieden wäre, sagte sie, sie wüsste es nicht. Dies ist ein Ausdruck von Ungewissheit bezüglich dessen, was vor ihr liegen mochte, wenn sie wechselte, denn sie hatte die neue Stelle ja noch nicht erlebt. Diese Ungewissheit trug zu ihrer Angst vor dem Wechsel bei.

Die Frage, ob sie an ihrer neuen Stelle mehr als 0 Prozent der Zeit zufriedener sein würde, half ihr zu erkennen, dass in einem Stellenwechsel eine Art Gewissheit lag. Insbesondere hatte sie eine größere Chance darauf, ihr Ziel schneller zu erreichen, wenn sie wechselte.

In diesem Moment erkannte sie, dass das nicht bekannte Übel die bessere Wahl war.

Der Preis des Bleibens

Zusätzlich dazu, wie diese Voreingenommenheit gegen das Aufhören unser persönliches Leben betrifft, lassen all die Kräfte, die Entscheidungen für den Status quo fördern, Organisationen auch einen enormen Preis bezahlen. Der Profisport bietet zufälligerweise zahlreiche Beispiele für mangelhaftes Abbruchverhalten in Form eines Festhaltens an Strategien, die nachweislich versagen.

Eins der am besten erkennbaren Beispiele ist, wie bemerkenswert langsam NBA -Mannschaften darin waren, die Vorteile von Dreipunktwürfen zu nutzen. Das wurde mehrfach dokumentiert, unter anderem von Michael Mauboussin und Dan Callahan in einem Artikel vom September 2021 über das Überwinden von Hindernissen im Sport und im Geschäftsleben. 4

Die NBA führte den Dreipunktwurf 1980 ein. Bis 1990 machte ihn die Wurfquote für lange Würfe zu einer Entscheidung mit höherer Werterwartung als ein Zweipunkter, und das, obwohl die Spieler dieser Zeit nur selten Dreipunktwürfe durchführten. Mauboussin und Callahan zitierten Larry Bird, der sagte, vor dem jährlichen Dreipunktwettbewerb des All-Star Games »kann ich mich gar nicht erinnern, den Wurf schon mal gemacht zu haben«.

Bird gewann die ersten drei dieser Wettbewerbe 1986, 1987 und 1988, ehe er verletzungsbedingt fast die gesamte Saison von 1988 bis 1989 versäumte. Er war bereits ein Rekordhalter, der beste Dreipunktwerfer seiner Generation, einer der besten reinen Werfer aller Zeiten und legendär für seine Trainingshingabe. Stellen Sie sich vor, um wie viel großartiger er hätte sein können, wenn er den Wert dieses Wurfs maximiert hätte.

Einer der frühen Irrtümer, den die Mannschaften machten, war die fehlerhafte Berechnung. Sie verglichen den Wert der Dreipunktwürfe mit (allen) Zweipunktwürfen statt den der Dreipunktwürfe mit Zweipunktwürfen, die gerade innerhalb der Dreipunktlinie ausgeführt werden. Die Ungleichheit bei der Werterwartung wird deutlich größer, wenn Sie die Wahl betrachten, welche die Spieler tatsächlich treffen müssen, nämlich zwischen einem begrenzten Zweipunkter oder einem etwas längeren Dreipunktversuch. Die Antwort auf diesen Vergleich ist eindeutig und war das auch innerhalb von zehn Jahren, nachdem die League diese Regel eingeführt hatte: Drei Punkte zu erzielen statt zweien (ein Zuwachs von 50 Prozent), ist weitaus mehr wert als die paar Prozentpunkte Genauigkeitsunterschied zwischen den beiden Würfen.

Diese Berechnung wurde bis Anfang der 1990er angestellt. Doch erstaunlicherweise begannen Dreipunktversuche erst in der Spielzeit 2014/2015, über die gesamte League hinweg die Zweipunktversuche zu überwiegen.

Es gibt noch weitere wohlbekannte und dokumentierte Misserfolgsstrategien, von denen Profimannschaften nur langsam abließen: bei der NFL immer beim Fourth Down zu kicken (statt zu laufen); immer zu versuchen, nach Touchdowns Extra-Point Kicks zu erzielen (statt Two-Point Conversions); wenn MLB -Mannschaften Innenfeldspieler auf den traditionellen Stellen positionieren (statt zu wechseln); Bunting und Base Stealing als Offensivstrategie bei der MLB ; der Widerwille von NHL -Mannschaften, ihren Tormann früher oder beim Auftreten von kleineren Defiziten auszuwechseln.

Im Profisport bringen Innovationen (oder einfach das Nachahmen erfolgreicher Innovatoren) enorme Vorteile mit sich. Die Innovatoren und die Schnellangepassten haben brilliert, so etwa die Oakland A’s und die Tampa Bay Rays im Baseball und die Houston Rockets im Basketball, und fortwährend siegreiche Mannschaften mit historisch geringen Bezügen hervorgebracht. Im Football haben die New England Patriots eine zwanzig Jahre währende Dynastie aufgebaut ohne den Vorzug dieser begehrten Top-Draft-Entscheidungen.

Im Geschäftsleben sind die Kosten des Status-quo-Fehlers tatsächlich noch viel höher als im Sport. Wenn man beim Sport nicht innoviert oder sich nicht anpasst, mag man Spiele oder Fans verlieren, aber das Geschäftsmodell existiert weiter. Eine Sportmannschaft hat die Chance, aufzuholen und wieder den Anschluss zu bekommen. Im Geschäftsleben erhält man diese Chance oft nicht, denn bis Sie aufgeholt haben, sind Sie möglicherweise schon draußen. Wenn Sie sich den Friedhof der Werbetreibenden des Superbowl von 2002 ansehen, wird diese häufige Todesursache deutlich. Ob Blockbuster oder RadioShack, das gehörte zu den Dingen, die ihnen passiert sind.

Wir alle haben schon erlebt, sei es im Geschäftsleben oder bei persönlichen Entscheidungen, wie diese kognitiven Effekte – Verlustangst, Angst vor dem sicheren Verlust, der Effekt der versunkenen Kosten, Besitztumsfehler, Status-quo-Fehler und Unterlassungs-Handlungs-Fehler – eine komplizierte Gemengelage schaffen, die es uns schwer macht, rechtzeitig auszusteigen.

Wie es scheint, gehört noch eine weitere Zutat in den Kessel: Identität, der wir uns als Nächstes zuwenden werden.

Zusammenfassung Kapitel 7

  • Der Besitztumseffekt ist eine kognitive Verzerrung, durch die wir einer Sache, die wir besitzen, mehr Wert beimessen, als würde sie uns nicht gehören.
  • Wir können an Objekten, aber auch an unseren eigenen Ideen und Überzeugungen hängen.
  • Dieses emotionale Festhalten ist ein Hindernis für den Ausstieg, denn wenn wir unserem Eigentum einen irrationalen Wert beimessen, berechnen wir seine Werterwartung falsch. Wir denken, das von uns gegründete Unternehmen oder das von uns entwickelte Projekt oder unsere Überzeugung sei mehr wert, als dies tatsächlich der Fall ist.
  • Wir bleiben lieber beim Status quo.
  • Wir sind toleranter gegenüber negativen Ergebnissen, die daraus erwachsen, dass wir an etwas festhalten, das wir bereits tun, als gegenüber Ergebnissen, die aus dem Wechsel zu etwas Neuem entstehen. Dieses Phänomen ist Teil des Unterlassungs-Handlungs-Fehlers.
  • Wenn Sie sagen: »Ich bin noch nicht bereit, mich zu entscheiden«, sagen Sie eigentlich: »Für den Augenblick wähle ich den Status quo.«
  • Selbst wenn wie beim Profisport viele Daten zur Verfügung stehen, haben kognitive Verzerrungen wie die der versunkenen Kosten, des Besitztums und des Status quo Einfluss auf die Entscheidungsfindung.