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Zu diesem Zeitpunkt waren die Grauhemden des Einsatzteams auf dem Hangardeck gelangweilt und müde. Sie wussten zwar, dass aufgrund der Beladung auf Providencia etwas los war, doch keiner von ihnen war eingeweiht. Die meisten glaubten, sie befänden sich einfach nur auf einer weiteren Schmuggeltour.

Solange der Zeppelin in der Luft und die Kabine gesichert und verriegelt war, gab es außer einigen Reinigungs- und kleineren Wartungsarbeiten wenig für sie zu tun. Ein Radio lief, und ein paar Mechaniker arbeiteten an einer größeren Drohne. Der Rest der Nachtbesatzung organisierte Ersatzteile oder plauderte müßig.

Wie sie es oft taten, wenn das Schiff an einem heißen Tag oder Abend mit geringer Geschwindigkeit flog, hatten sie die Startrampe für die Drohnen heruntergeklappt. Da es bereits nach Mitternacht war, gab es jetzt zwar nicht mehr viel zu sehen, aber die kühle Luft war in dem ansonsten nicht klimatisierten Raum willkommen.

Da die Musik spielte und sie nur wenig auf die Umgebung achteten, blieb das Klopfen an der Tür zunächst unbemerkt. Erst ein zweiter lauterer Schlag mit der Faust erregte die Aufmerksamkeit des Technikers, der sich der Tür am nächsten befand. Er ging hin, warf einen Blick auf den kleinen Bildschirm, der mit einer Außenkamera verbunden war, und verzog das Gesicht. »Es ist Solari.«

Die anderen Besatzungsmitglieder des Luftschiffes wären aufgeschreckt, wenn der CEO so plötzlich aufgetaucht wäre, aus naheliegenden Gründen hegte die ganze Gruppe aber nur wenig Respekt vor diesem Mann.

»Was will er?«, fragte der Schichtleiter.

»Woher soll ich das wissen?«

Solari klopfte erneut an die Tür. Er stand hochaufgerichtet da. Dann beugte er sich zu der Kamera vor, bis sein Gesicht den ganzen Bildschirm ausfüllte. »Ich muss mit Ihnen sprechen. Colon schickt mich.«

Die Männer sahen sich gegenseitig an, bis Solari erneut ungeduldig klopfte. Der Schichtleiter traf eine Entscheidung. »Lasst ihn rein.«

Die Tür wurde geöffnet. Solari trat steif hindurch. »Ich muss mit allen sprechen.«

»Das ist gerade ungünstig, Mr. Solari«, erwiderte der Schichtleiter.

Unbeeindruckt ging Solari weiter und sah starr geradeaus.

Der Techniker, der die Tür geöffnet hatte, warf einen Blick auf den Gang, sah dort niemanden und schloss die Tür wieder.

»Ich habe neue Anweisungen für Sie«, sagte Solari, ging an dem Schichtleiter vorbei und drehte sich dann um. Er wirkte eher wie ein Roboter als wie ein Zombie oder ein hypnotisierter Mensch. Und er benahm sich sonderbar genug, um bei denjenigen, die gesehen hatten, wie Colons Polvo tatsächlich funktionierte, Argwohn hervorzurufen. Trotzdem wirkte er so fesselnd, dass alle Augen auf ihn gerichtet blieben.

Ein Blitz zuckte draußen und erhellte das Abteil mit einem kurzen, blendenden Leuchten.

»Was ist das?« Solari wirkte erschrocken.

»Der Kerl hat den Verstand verloren«, rief jemand.

»Oder seine Medikamente.«

»Das ist nur der Sturm«, sagte der Schichtführer beruhigend. »Bringen wir Sie in Ihr Quartier zurück.«

Er wollte Solari bei der Hand nehmen, aber der extravagante CEO hob dramatisch den Arm. »Das ist die Botschaft«, sagte er und ließ seine Stimme in vollem Bariton erklingen:

»Fünf Faden tief dein Vater liegt,

Sein Gebein ward zu Korallen,

Zu Perlen seine Augen-Ballen,

Und vom Moder unbesiegt.«

Die Besatzung reagierte verblüfft. Einige lachten hämisch. Sie hatten Solari schon öfter seltsame Dinge tun sehen, dies hier war ohne Frage der Gipfel. Dennoch schaute keiner von ihnen weg, denn in diesem Augenblick kam ihm sein Ruf für seltsames und ostentatives Verhalten zugute.

Über ihnen hatten sich Joe und seine beiden Freiwilligen durch die Lücke in der Decke gezwängt und kletterten nun hinter einer Reihe von abgestellten Drohnen auf das Deck hinunter. Joe konnte Solaris Deklamation gut verstehen. »Er gibt gerade Shakespeares Der Sturm

»Gute Wahl«, flüsterte Irena.

Solari schwang jetzt die Arme und schien so richtig in seiner Rolle aufzugehen:

»Wandelt durch der Nymphen Macht

Sich jeder Teil von ihm und glänzt in fremder Pracht.

Die Nymphen lassen ihm zu Ehren

Von Stund zu Stund die Totenglocke hören.

Horch auf, ich höre sie, ding-dang, ding-dang …«

Als Solari das letzte Wort in einem dröhnenden Crescendo herausschrie, brachen Kapitän Bascombe und seine Leute die dünne Aluminiumtür auf und stürmten auf das Deck. Colons Männer drehten sich um, um den Angriff abzuwehren, während Joe und seine Partner hinter ihnen herunterkletterten.

Die Hälfte der Grauhemden wurden sofort überwältigt, ganz kampflos gaben sie aber nicht auf. Sie wehrten sich, obwohl sie in der Unterzahl waren. Dem Schichtführer und einigen Männern in seiner unmittelbaren Nähe gelang es, sich zurückzuziehen. Einige schnappten sich Stangen und andere knüppelähnliche Waffen, während der Schichtführer eine Handfeuerwaffe zog und feuerte.

Joe ließ sich hinter dem Mann auf den Boden fallen. Er schlug ihm die Pistole aus der Hand und kickte sie weg. Der Schichtführer stürzte sich auf ihn, aber Joe wich aus, betäubte den Mann mit einer Geraden und schlug ihn dann mit einem Aufwärtshaken k. o.

Währenddessen griff Gregorio ein anderes Mitglied der Grauhemden an, rang ihn zu Boden und packte ihn in einen Halbnelson. Das dritte Grauhemd bekam den Taser zu spüren, als Irena ihm die Zacken in die Brust feuerte und ihn damit zur Aufgabe zwang.

Solari hatte seine Deklamation von Ariels Gesang beendet und beobachtete nun voller Genugtuung, wie sich eines der letzten Grauhemden auf ihn stürzte und versuchte, ihn als Geisel zu nehmen.

Denn Commander Wells fing den Angriff ab. Wie ein Eishockeyspieler beim Cross-Checking rammte sie den Angreifer mit der Schulter. Er verfehlte Solari und krachte auf das Deck. Zwei der regulären Besatzungsmitglieder überwältigten ihn, bevor er aufstehen konnte.

»Meine Leibwächterin«, sagte Solari zu Commander Wells und legte in einer buddhistischen Geste die Hände zusammen. »Danke.«

Der Kampf war vorbei. Solari strahlte Wells an, während der Kapitän und seine Männer die Grauhemden fesselten.

»Wie haben Sie meinen Auftritt gefunden?«

»Ich sehe Ihre Zukunft am Broadway«, gab Commander Wells zurück.

»Oh ja, ich auch«, bestätigte er. »Vielleicht sollte ich ein oder zwei Theater kaufen.«

»Das muss leider noch warten, bis wir hier fertig sind.« Joe tippte mit dem Fuß auf die Metallplatten des Bodens. »Wir sollten uns möglichst schnell um das Ladedeck unter uns kümmern.«

Eine kurze Zählung ergab, dass zehn von Colons Grauhemden auf dem Hangardeck gewesen waren, zusammen mit einem Angehörigen der Security. Damit blieben nur noch drei seiner Handlanger übrig, aber da es sich bei ihnen um Security-Männer handelte, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie bewaffnet waren. Die Männer des Kapitäns überprüften die Luken, die zum unteren Frachtdeck führten. Beide waren verriegelt. »Wir haben das Überraschungsmoment verloren.«

»Gibt es einen anderen Weg nach unten?«, wollte Joe wissen.

Der Kapitän zeigte auf den Aufzug in der Mitte des riesigen Hangars. »Aber er bewegt sich sehr langsam«, warnte er. »Jeder, der sich auf der Plattform befindet, sitzt da wie auf dem Präsentierteller.«

»Wir können Kurt nicht allein lassen«, sagte Joe.

Kapitän Bascombe nickte grimmig. »Ich aktiviere die Kontrollen.«