Martin Colon kämpfte sich zum Hangardeck durch, während das Schiff im Chaos versank. Die Grauhemden waren verschwunden. Er sah sie draußen hinter dem Luftschiff in leuchtend gelben Rettungsbooten. Sie ruderten mit aller Kraft. Ratten, die das sinkende Schiff verließen.
Nur Torres und die Ersatzcrew waren noch da. Torres saß allein in der Führungsdrohne, während sich die falsche Besatzung in den Shuttledrohnen hinter ihm drängte und auf Colons Ankunft wartete. Die Disziplin, die das Polvo erzeugte, hatte ihn immer beeindruckt. Er nahm sich vor, eine andere Verwendung dafür zu finden, wenn das hier erst vorbei war.
Colon machte sich auf den Weg zum Führungsfahrzeug und setzte sich neben Torres. »Los geht’s!«, fuhr er ihn an.
Torres saß nur da und starrte ausdruckslos vor sich hin. Als Colon seinem Blick folgte, bemerkte er den Mann, der sich ihnen direkt in den Weg stellte, an der Schwelle der Startrampe.
Der Mann stand mit dem Rücken zu Colon und Torres. Seine Haltung ließ vermuten, dass er die Grauhemden beobachtete, die wie verrückt in ihren gelben Rettungsbooten paddelten. »Ich bewundere Ihren Einsatz«, sagte der Mann, »aber ich glaube nicht, dass Sie es bis nach Kuba schaffen.«
Dann drehte er sich um. Es war Kurt Austin. Er war zwar unbewaffnet, doch wie ein Verkehrspolizist auf der Straße irgendeines Kaffs versperrte er ihnen den Weg.
»Überfahren Sie ihn!«, befahl Colon.
Torres rührte sich nicht. Ohne zu blinzeln, starrte er unverwandt geradeaus. Erst jetzt sah Colon die Spritze, die aus seinem Bein ragte. Polvo.
Colon wurde wütend, aber er konnte die Drohne natürlich auch selbst steuern. Doch zuerst würde er Austin ein für alle Mal erledigen. Er zog den tragbaren Frequenzgenerator hervor, den er niemals aus der Hand gelegt hatte. Er drückte auf den Knopf und hielt ihn gedrückt, um der Ersatzmannschaft einen Befehl zu geben. »Maryland -Crew!«, rief er und deutete auf Kurt. »Reißt diesen Mann in Stücke! Reißt ihn in Stücke!«
Er erwartete, dass sie sofort reagierten, dass er voller Genugtuung mitansehen würde, wie die Männer in Uniformen der US -Navy Austin wie ein Rudel Hunde zerfleischten. Aber sie zuckten nicht einmal mit der Wimper.
Erneut drückte er auf den Knopf und beobachtete die grünen Lichter, die aufleuchteten, wenn das Signal gesendet wurde. Dann wiederholte er denselben Befehl. Und bekam das gleiche Ergebnis. Seine Augen weiteten sich vor Wut.
Austin stand auf seinem Platz, furchtlos und unverletzt, mit einem süffisanten Grinsen auf dem Gesicht. »Sie hören nicht mehr auf Sie«, behauptete Austin. »Sie haben sich einer höheren Macht verschrieben.«
Colon sah auf. Auf der Stützstrebe hockte der andere Dorn in seinem Fleisch – Zavala. Er tippte etwas in die Tastatur eines Notebooks, das mit einem Sender verbunden war. Colon erkannte das Gerät. Es stammte aus einer der Bewusstseinskontrolldrohnen.
Lauschend legte Colon den Kopf auf die Seite und konnte den Befehl gerade noch hören. »Rührt euch … Rührt euch … Rührt euch …«
Zavala erhöhte die Lautstärke, und der Befehl wurde noch deutlicher verständlich.
»Wie Sie schon sagten, sie gehorchen immer der ersten Stimme, die sie vernehmen. Und das ist die Computerstimme, mit der Sie sie aus ihren Schiffen entführt haben. Das ist ihre wichtigste Prägung.«
Colon schäumte vor Wut. Er saß in der Falle und suchte verzweifelt nach einer Lösung. Vergeblich sah er sich um und blickte schließlich wieder in Austins grinsendes Gesicht.
»Manchmal gewinnt eben der Stier«, sagte Austin.
Wutentbrannt schlug Colon mit der Faust auf das Bedienfeld. Die Propeller, die die Drohne umgaben, sprangen fast augenblicklich an und surrten. Als die Drohne vom Deck aufstieg, packte Colon den Steuerknüppel und drückte ihn nach vorn. Die Maschine flog mit einem Satz auf Kurt zu, der eine Pistole zog, hastig feuerte und dann aus dem Weg sprang.
Colon machte sich nicht die Mühe, noch einmal auf ihn loszugehen. Er war frei. Er hatte die Startschwelle überquert und flog über das Wasser. Vorsichtig zog er den Steuerknüppel zurück, um an Höhe zu gewinnen.
Als das Fluggerät höher stieg, spürte er einen seltsamen Schmerz in seiner Seite. Er griff hinunter und berührte seinen Unterleib. Er zog die Hand zurück, sie war blutig. Austin hatte auf ihn geschossen, als er geflohen war.
Colon stöhnte und untersuchte die Wunde noch einmal und fragte sich, wie schlimm sie war. Das Blut war hellrot, nicht dunkel. Das bedeutete, dass die Kugel seine Leber verfehlt haben musste. Aber das ändert nichts, redete er sich ein. Auf der Maryland gab es medizinisches Personal. Alles, was er tun musste, war, das Atom-U-Boot zu erreichen. Er hatte immer noch den Sender. Er konnte ihn benutzen, um Wagner zu kontrollieren und durch ihn auch den Rest der Besatzung.
Schließlich gehörten das U-Boot und seine Raketen immer noch ihm. Und wenn die Amerikaner es suchten, um es zu versenken, würde er auftauchen und so viele Raketen abfeuern, wie er konnte, nur um sie ebenfalls zu verbrennen.
Zähneknirschend richtete er den Blick nach vorn. Das U-Boot war weniger als eine Meile entfernt und lag direkt vor ihm im Wasser. Er musste es nur einfach erreichen und darauf landen. Austin hatte also doch nicht gewonnen. Stattdessen hatte er versagt.
Auf der Kondor hätte Kurt vielleicht das Gleiche gedacht. Jetzt wusste er es besser. Ein paar Meter von ihm entfernt hatte Commander Wells einen der russischen schultergestützten Raketenwerfer ausgepackt. Sie setzte ihn auf ihre Schulter und peilte die fliehende Drohne an.
»Drück ab!«, forderte Kurt sie auf.
Sie nickte, schob die Griffe zusammen und feuerte die Rakete ab. Die Nadel fegte aus der Röhre, und ihr Triebwerk zündete in einem orangefarbenen Flammenschein, als sie losflog. Die Rakete bewegte sich pfeilgerade und hinterließ eine Rauchfahne, als sie die fliehende Drohne verfolgte. Sie schloss die Lücke in Sekundenschnelle, durchschlug das Leichtflugzeug und vernichtete es beim Aufprall völlig. Plastiktrümmer flatterten durch die Luft und fielen vom Himmel.
Kurt sah Colons Körper, heftig mit den Armen rudernd, in die Tiefe stürzten. Zweihundert Fuß weiter unten schlug er mit einem gedämpften Klatschen auf der Wasseroberfläche auf.
Der Kampf war vorbei.
Kurt blickte triumphierend zu Joe, dann ging er zu Commander Wells hinüber, die das Abschussrohr müde sinken ließ. »Bist du okay?«
Sie hatte diesen Kampf schon länger geführt als jeder andere von ihnen. Der Tribut dafür zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, selbst nachdem ihr die Last von den Schultern genommen worden war. »Ich habe mich schon mal besser gefühlt, aber ich bin nicht mehr wütend.«
Kurt lächelte. Das waren in mehrfacher Hinsicht gute Nachrichten. »Komm mit«, sagte er. »Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass das Schiff nicht sinkt.«