Ja, ja, ja, Adam starb! Er starb endlich! Endlich, dieser Nährbeutel hatte aber auch ewig gebraucht, um einzusehen, dass seine Lebensberechtigung nur darin bestand, der Brut eines Symbioten einen proteinreichen Nistplatz zu gewähren. Dabei war er noch nicht einmal gut genährt. Mit dem halben Hemd würde der Symbiot kaum mehr als eine Handvoll Nachkommen durch die erste Brutphase bekommen. Eine beschämende Perspektive, dessen war er sich bewusst. Mit einer derartig bescheidenen Nachkommenschaft würde er sich in dem kollektiven und genetisch vererbbaren Gedächtnis seiner Art kaum den verdienten Platz, den er immer angestrebt hatte, sichern können. Ein schrecklicher Gedanke, aber was sollte er tun? Kein Symbiot konnte sich den Nährbeutel aussuchen, den das Schicksal ihm zudachte. Hey, wenn er auch in Adams winzigem Spatzenhirn einige Larven ablegen würde, sollte sich vielleicht etwas mehr aus diesen denkbar schlechten Brutbedingungen herausholen lassen. Das war eine gute Idee.
Noch schlug Adams Herz, wenn auch nicht mehr so gleichmäßig wie zuvor. Mit dem Atmen hatte er ebenfalls bereits Probleme, der Nährbeutel befand sich auf dem besten Weg ins Jenseits. Wenn das Herz erst stillstand, sollte der Rest schnell gehen. Nachdem der menschliche Körper den verbliebenen Sauerstoff verbraucht hatte, würde der Kadaver binnen kurzer Zeit herrlich matschig werden. Ein schöner Gedanke, was gab es Wundervolleres als die sich frisch zersetzende Leiche eines verblichenen Nährbeutels. Fantastisch, wenn man dann wie schwerelos und ohne auf störende Organe Rücksicht nehmen zu müssen in dem sich verflüssigenden Brustkorb eine Runde schwimmen konnte. Der Symbiot schwelgte in dieser Vorstellung und malte sich die verwesende Leiche in allen Farben aus, die ein Kadaver eben so annahm.
Ach ja, Symbioten durften einen Körper erst haben, wenn diese ohne nachzuhelfen starben. Einen Nährbeutel vorsätzlich zu töten, auch wenn ein Symbiot es gekonnt hätte, würde sich niemand von ihnen wagen. Das war das heilige Versprechen, das die Symbioten Eva auf Arcurus gegeben hatten.
Tok, tok, tok … noch schlug Adams Herz. Das zog sich doch länger hin als erwartet. Nun denn, als Symbiot hatte er eine Aufgabe, auch die gehörte zur Abmachung mit Eva: den Schutz eines Nährbeutels vor Viren, Bakterien und anderen Erregern. Dafür musste er nur einmal kurz Adams Blut schlürfen. Am Geschmack konnte er mühelos alles entdecken, was da nicht hingehörte.
Nein, da war nichts. Nichts, bei dem der Symbiot gezwungen gewesen wäre, einzugreifen. Von Nothilfe bei einer natürlichen Herzschwäche war mit Eva nichts vereinbart worden. Vermutlich hatte Adam in seiner Zeit in London zu oft seine alten Socken geraucht, eigentlich war es kein Wunder, bei diesem unstetigen Lebenswandel früh zu verscheiden. YOLO, you only live once, schnell zu leben, um früh zu sterben, hielt der Symbiot für einen äußerst pragmatischen Ansatz junger Menschen. Diejenigen dieser völlig überbewerteten Spezies, die mit einem lächerlich gesunden Lebenswandel versuchten, uralt zu werden, waren seiner bescheidenen Meinung nach nur egoistische Arschlöcher.
Tok, tok, tok … wenn man darauf wartete, dass ein Herz aufhörte zu schlagen, konnte die Zeit ganz schön lang werden. Herrje, der Typ war doch inzwischen schon mehr tot als lebendig. Jetzt noch so herumzuzicken, zeugte von einem ganz schlechten Stil, schließlich hatte der Symbiot seinen Teil der Vereinbarung eingehalten. Er hatte Adam vor dem ganzen widerlichen Viehzeug beschützt, das es auf Arcurus gab und das ohne sein Eingreifen diesen Narren bereits vor Monaten von innen aufgefressen hätte. Eine abscheuliche Bande, die einem schneller als man gucken konnte potenzielle Nährbeutel wegfutterte.
Tok, tok, tok, echt jetzt? Warum dauerte das so lange? Der Symbiot dachte nach. Zugegeben, das konnte er eigentlich nicht ohne Adams Hilfe. Das mit seinem Bewusstsein war so eine Sache, da Symbioten kein eigenes hatten. Sie besaßen ein genetisches Gedächtnis und pflegten sich in der Gedankenwelt ihres Wirts zu bewegen. Lustig oder, so bekam jeder Wirt den Symbioten, den er verdient hatte. Sich Fragen zu stellen, war ebenfalls so eine menschliche Angewohnheit. In diesem Fall völlig unnötig, dennoch hatte er keinen blassen Schimmer, warum sein Nährbeutel gerade an diesem Tag das Zeitliche segnen wollte.
Tok, tok und tok … der letzte Herzschlag hatte kurz auf sich warten lassen. Zu früh, um sich bereits über Adams Tod zu freuen. Warum starb dieser Mensch überhaupt? Diese Frage wurde der Symbiot nicht los. Fragen waren wie Giftpfeile, die, wenn sie einmal in den Gedanken steckten, stetig weiter ihre Wirkung entfalteten.
Drohte Gefahr? Noch so ein Menschending, dass den Symbioten gerade aufschrecken ließ. Menschen sahen in der Regel überall Gefahren, eine wahrhaft paranoide Spezies. Dennoch … könnte der Grund dafür, dass Adam starb, auch eine Gefahr für seine Brut sein? Das wäre eine Ungeheuerlichkeit, leider aber in dieser Situation nicht auszuschließen. Die Brut galt es unter allen Umständen zu beschützen.
Tok, tok, tok … heilige Scheiße! Was war los? Warum fühlte sich der Symbiot plötzlich so seltsam? Und wieso hatte er heilige Scheiße gedacht? Das waren Adams Worte. Niemand sonst benutzte diese Phrase. Etwas von diesem zähen Idioten wehrte sich noch und da er es selbst nicht konnte, brachte er den Symbioten auf solch blöde Ideen. Arsch! Stirb endlich!
Nö … tat Adam nicht. Tok, tok, tok … der Symbiot hatte große Lust, etwas nachzuhelfen. Nur so ein wenig, niemand würde es bemerken. Niemand würde davon erfahren. Nein, er würde es wissen und damit leben müssen: mit einer Lüge, das wäre unerträglich gewesen. Er hätte später sein schlechtes Gewissen an seine Brut übertragen, jedes seiner Kinder hätte es dann gewusst. Früher oder später wäre es nicht mehr zu verheimlichen gewesen.
»Hallo«, sagte eine seidenweiche Stimme, nach Adam klang die aber nicht.
»Ähm … ja.«
»Ich bin es.«
»Oh … und wer ist ich?« Verdammt, konnten Symbioten eigentlich den Verstand verlieren, den sie überhaupt nicht hatten? Das war eine üble Frage. Wenn man einmal anfing, nach Antworten zu suchen, war es schwer, es wieder bleiben zu lassen.
»Ich bin es.« Die Dame wiederholte sich.
»Schön … Adam bist du nicht!« Seinen Nährbeutel hätte der Symbiot sofort erkannt.
»Ich bin deine Zukunft.«
»Echt?«
»Eine Zukunft in Achtung, einer reichen Brut und ewigem Gedenken an deine Taten.«
»Ich kaufe nichts an der Tür!« Egal, wer den Symbioten gerade verarschen wollte, so nicht!
»Möchtest du das nicht? Träumst du nicht jeden Tag davon? Ist das nicht dein innigster Wunsch?«
»Ich möchte mich auch jeden Tag mit schottischem Dosenbier besaufen und Adam beim Ficken über die Schulter sehen!« Das kribbelte immer so schön, wenn er kam. Zudem Luise meist schrie, als ob sie Adam bei der Nummer das Genick brechen wollte. Eine Hoffnung, die bisher unerfüllt geblieben war. Adams dürrer Hals hatte sich bei dem mörderischen Sex leider als äußerst widerstandsfähig erwiesen.
»Auch das kann ich dir verschaffen.«
»Wer bist du?«
»Alles, was du dir wünschst.«
»Hey, unbekannte Lady … ich kenne dich nicht und was noch wichtiger ist, ich traue dir nicht. Wie kannst du überhaupt auf diese Art zu mir sprechen?«
»Ich bin Adam.«
»Nee … versuch es noch mal und lass dir etwas Besseres einfallen. Ich bin zwar nur ein Symbiot, aber nicht blöd!« Da könnte ja jeder kommen, um so einen Blödsinn zu behaupten.
»Ich bin Adam!«
»Mädel!«
»Ich habe ihn übernommen.«
»Du bist keine Wächter-KI!« Auch das hätte der Symbiot bemerkt. Wenn es so wäre, hätte die Wächter-KI ihn ebenfalls platt gemacht. Und da dem nicht so war, konnte es auch keine Wächter-KI sein. Zudem Adam sich gegen diese binären Arschgeigen mit einer Kupferabschirmung am Hals geschützt hatte.
»Das ist richtig.«
»Was bist du dann?«
»Etwas anderes …«
»So kommen wir nicht weiter … geh mir nicht auf die Nüsse.« Der Symbiot hatte auf so einen Scheiß keine Lust. Die komische Lady sollte ihn in Ruhe lassen.
»Wir können zusammenarbeiten … wir können Adam gemeinsam übernehmen. Zuerst hilft sein Körper mir, dann ist er dein. Das ist der Handel. Schlag ein, ich werde dir dieses Angebot kein zweites Mal unterbreiten.«
»Lady, jetzt verstehe ich es … du brauchst mich? Nur deshalb pinselst du mir Honig auf den Bauch. Was ist los? Bekommst du es allein nicht hin? Kannst du nicht beenden, was du angefangen hast?«
»Du denkst wie ein Mensch.«
»Ein Teil von mir ist auch einer …« So ein bisschen wie Adam zu sein, war im Prinzip gar nicht mal schlecht.
»Haben wir einen Handel?«
»Lady …« Langsam wurde dem Symbioten klar, was abging. Dieses Wesen, das er bisher nicht bemerkt hatte, versuchte gerade, Adams Persönlichkeit zu übernehmen. Viel gab es bei der Blitzbirne ohnehin nicht zu holen, aber egal. Offenbar war der Symbiot, der einen Teil von Adams Bewusstsein in Beschlag genommen hatte, dabei im Weg.
»Haben wir einen Handel?«
»Nein.«
»Du machst einen Fehler.«
»Da kann ich nichts für … ist der menschliche Teil von mir.«
»Der Spott steht dir nicht zu!«
»Doch … finde schon.«
»Ich werde deine Existenz auslöschen … restlos. Es wird nichts von dir übrig bleiben!«
»Du hättest nicht ein müdes Wort an mich verschwendet, wenn du dazu in der Lage wärst … also spiel dich nicht so auf, du kannst es nicht. Du brauchst mich!«
»Du wirst den Kampf verlieren!«
»Nein!« Jetzt war Schluss! Der Symbiot ließ mehrere Enzyme frei, die Mixtur hätte sogar eine Leiche aufschrecken lassen. Adams Puls raste auf über 200 Schläge in der Minute. Die Körpertemperatur stieg ebenfalls. Die Lady wollte eine Party haben, die konnte sie bekommen. Entweder würde der Symbiot die Schlampe erwischen oder Adam könnte der Kopf platzen. Na ja, der Kopf war entbehrlich, den brauchte man für ein kuscheliges Nest nicht.
Adams Körper reagierte, die Lady versuchte, seinen Enzymen entgegenzuwirken. Klar versuchte sie das, wenn sie es nicht getan hätte, wäre Adam in weniger als einer Minute tot gewesen. Heilige Scheiße, dem Symbioten gefiel diese Redensart, jetzt sah er, was diese Lady war! Eine ihm nicht bekannte genetische Signatur, die sich zu hundert Prozent wie eine körpereigene Zelle verhielt. Klar, so etwas konnte der Symbiot nicht entdecken. Er sah jetzt aber, was sie tat, und er sah, wie sie es tat. Sie war sogar in der Lage, in seine Enzyme einzudringen und sie genetisch zu verändern. Damit gelang es ihr, Adams explodierenden Kreislauf wieder einzufangen. Abgefahren, hey, wer hatte sich denn so einen kranken Scheiß einfallen lassen? Dieses komische Ding wuchs sicherlich nicht auf Bäumen, das roch nach Delos-Technologie.
»Ich bin stärker als du!«
»Na ja, jeder ist stärker als ich …« Das war eine Sache, die der Symbiot mit Adam gemein hatte. Kleiner als andere zu sein, wurde erst dann zum Problem, wenn man es nicht mit Verschlagenheit kompensieren konnte. Er hatte nicht vorgehabt, Adam mit Enzymen zu töten, es sollte nur seine Gegnerin hinter dem Ofen hervorlocken. Das hatte gut funktioniert, was noch besser funktionierte, war die genetisch quietschbunte Markierung, die er ihrer nahezu unsichtbaren DNA-Struktur verpasste. Denn unsichtbar war sie jetzt nicht mehr. Seinem Gegner einen Eimer fluoreszierende Farbe über den Kopf zu kippen, erleichterte es ungemein, ihn in der Nacht abzuknallen.
»Du kannst mich so nicht besiegen! Das ist nur ein harmloser Schnupfenerreger! Gegen den bin ich immun! Da solltest du dir schon etwas Besseres einfallen lassen!«
»Dafür riechst du jetzt wie eine läufige Hündin … kannst du sie bereits bellen hören?« Der Symbiot hatte seine Zeit mit Adam genutzt, um so ziemlich jeden Mikroorganismus kennenzulernen, der es sich in seinem Mund, seinem Arsch, oder dazwischen gemütlich gemacht hatte. Und von denen gab es echt viele. Die meisten von ihnen waren harmlos, weil Adams Immunsystem sie fest im Griff hatte. Der Symbiot verglich menschliche Antikörper gerne mit Hunden, da sie in etwa genauso bissig waren. Die Lady schmeckte jetzt nach einem ordinären Schnupfen, weswegen es nur Sekunden dauerte, bis Adams Immunabwehr über sie herfiel.
»Adams Immunabwehr kann mich nicht besiegen!«, lamentierte sie, während Adams Immunzellen sie wie riesige Schaumstofftaschen umschlossen.
»Aber in einen hässlichen Kampf verwickeln.« Der Symbiot brachte nun neue Enzyme aus, mit denen er unbekannte Erreger angreifen, isolieren und sicher in eine undurchdringliche Zellwand verpacken konnte. Das war, als ob man einen wirklich fiesen Hundehaufen in eine mehrere Millimeter dicke Tüte packte. Vielleicht hatte er sie nicht direkt angreifen können, aber die menschlichen Immunzellen konnte er sicher eintüten. Und darin befand sich nun die fremde Lady. Aus der Nase, aus dem Sinn, weg war sie. Als ob er sich über Monate einen Nährbeutel heranzüchten würde, um sich dann den verdienten Brutplatz für seine Nachkommenschaft streitig machen zu lassen.
»Was machst du?«
»Ich verpacke dich!« Das war, bis ihm etwas Besseres einfiel, eine gute Idee. Adams Immunabwehr war eine passende Ablenkung gewesen, um seiner Gegnerin einen Sack über den Kopf zu ziehen.
»Das wird nicht lange halten!«
»Lang genug!« Leider lag die Lady mit ihrer Aussage nicht völlig daneben. Der Symbiot würde die Angreiferin nur so lange unter Kontrolle behalten, wie Adams Herz schlug. Mit Beginn des Verfalls würden sich diese Fesseln auflösen.
»Ich werde die Haft überleben! Du wirst allerdings Adams Tod nicht aufhalten können! Sobald er stirbt, werde ich kommen, um dich zu holen!«
»Ähm … ja.« Davon ging er aus. Herrje, dass jetzt das Wohl seiner Brut an Adams Leben hing, war wirklich blöd. Der Symbiot musste sich etwas einfallen lassen. »Adam wird nicht sterben!«
»Ach ja?«
»Oh ja!« Der Symbiot hatte eine Idee. Na gut, eine bescheuerte Idee, aber eine bessere fiel ihm nicht ein. »Ich bin Adam!«
»Lächerlich!«
»Du wirst es sehen!« Nein, das war wirklich lächerlich. Ging so etwas überhaupt? War der Symbiot in der Lage, Adams Körper zu benutzen und so zu tun, als wäre er ein Mensch? Er sollte mit kleinen Schritten anfangen. Fürs Erste würde es reichen, seine Körperfunktionen zu sichern, die Kontrolle über die Lunge wäre ein wertvoller erster Schritt. Ohne zu atmen, ging es nicht. Der Symbiot kam nicht umhin, sein sicheres Fleckchen in Adams dunkler Seele zu verlassen, um einen Weg zu finden, seinem gefährdeten Nährbeutel zu helfen. Er ließ sich fallen. Fallen in einen Teil von Adam, den er nicht kannte. Der Symbiot wusste nicht, was ihn in seinem aktiven Bewusstsein erwartete.
Der Symbiot öffnete seine Augen. Echt, er hatte jetzt Augen? War er etwa wach? Er sah sich um, sah schon merkwürdig aus, auf einer riesigen Wiese zu sitzen. Hier gab es keine Bäume, dafür aber einen wolkenlosen blauen Himmel.
»Ich habe Hände!« Zu seiner Überraschung hatte er welche, die Adams schmierigen Griffeln ziemlich ähnlich sahen. Er griff sich zwischen die Beine, er hatte auch Eier! Cool, war so eine Menschensache, die hatte er immer schon haben wollen.
»Wo bin ich hier?« Also die Realität war es definitiv nicht, dort dürfte es solche Wiesen kaum geben. Der Symbiot stand auf. Er hatte auch Beine und alles andere, was zu Adam dazugehörte. Nein, nichts von dem, was er sah, war real. Das dürfte ein Traum, eine Illusion oder so etwas in der Art sein. Wobei das nur von Adam stammen konnte. Wo war er? Existierte er noch? Der Symbiot marschierte los, es ging leicht bergab und die Luft schmeckte nach Frühling.
»Adam?« Der Symbiot sah vor sich einen Mann auf der Wiese sitzen, die Knie angezogen und die Arme auf ihnen abgelegt. Das war Adam, das war nicht schwer zu sehen.
Keine Antwort.
Der Symbiot ging näher an ihn heran, der andere Adam schien ihn nicht zu bemerken und starrte weiter in die Ferne. Er lächelte kaum erkennbar und wirkte dabei nicht unglücklich. Solche Situationen konnte es wirklich nur in einer Illusion geben.
»Kannst du mich hören?«
Eine Antwort gab es immer noch nicht.
»Wir müssen reden …« Das mussten sie wirklich, ansonsten würde die Lady sie beide plattmachen.
Nichts. Keine Reaktion. Adams Blick schweifte weiter gedankenverloren in die Ferne.
»Ich rede, du hörst mir zu … wir haben ein Problem. Ein sehr großes Problem sogar. Da ist jemand, der uns beiden ans Fell will, ich habe ihn aufgehalten, aber ohne deine Hilfe wird derjenige wiederkommen. Vermutlich mit ganz schlechter Laune … ich müsste dein aktives Bewusstsein übernehmen, aber ich bin mir nicht sicher, wie das geht. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob ich dir damit nicht den Gnadenschuss verpassen würde.«
Adam beobachtete weiter den grünen Horizont.
Der Symbiot berührte seine Hand und konnte ihm direkt in die Sinne sehen. In dieser Illusion bewahrte Adam alles, was ihn ausmachte, gut geschützt in sich auf. Das Gute und auch das weniger Gute, von dem es eindeutig mehr zu sehen gab. Der Typ war eben ein Arschloch, aber er existierte noch.
»Ich werde es tun …« Eine andere Option sah der Symbiot nicht, ohne ein gewisses Risiko einzugehen, würde sich niemand von ihnen aus den Klauen dieser Lady befreien können. Der Symbiot klopfte Adam auf die Schulter und ging wieder. Verdammt, die Geschichte mit der Gründung eines Nests hatte er sich anders vorgestellt. Was sollte er jetzt überhaupt tun?
»Adam?«, fragte jemand, hoffentlich nicht wieder diese dämliche Lady, deren Namen der Symbiot nicht kannte. Ob sie überhaupt einen Namen hatte? Das mit Namen war auch so eine Menschen-Delos-Rutus Sache, Symbioten hatten keinen.
»Kannst du mich hören?« Die Stimme zeigte Beharrlichkeit und gehörte ebenfalls einer Frau. Wer war sie? Kannte er sie? Er überlegte, irgendwie glaubte er, sie bereits gehört zu haben.
»Na komm schon, du bist wach!« Jetzt rappelte sie auch noch an ihm. »Der Computer sagt, dass du wach bist … also hör auf, dich schlafend zu stellen!«
Der Symbiot wollte antworten, hatte aber immer noch Probleme, sich zu orientieren. Wo war er? Alles hier fühlte sich anders an, irgendwie größer, schwerer und es roch auch nicht nach warmen Innereien. Was zur Hölle war mit ihm passiert?
»ADAM!«, schrie die Frau ihn an. Das war Luise, jetzt erkannte er sie. Aber das würde bedeuten, dass … der Symbiot stockte, konnte das wirklich sein? »LOS! DU ARSCH! MACH DIE AUGEN AUF! ODER ICH SORGE DAFÜR, DASS DU SIE NIE MEHR ÖFFNEST!« Genau, es war eindeutig Luise. Das mit menschlichen Frauen und Logik war ihm ohnehin zu hoch.
»Ähm …« Der Symbiot drückte einen lang gezogenen Seufzer durch seine zusammengebissenen Zähne. Er hatte zwar etwas anderes auf der Zunge liegen gehabt, aber dort lag es immer noch.
»Du lebst!« Jetzt fiel Luise ihm um den Hals. Oh, das fühlte sich interessant an. Sie war verschwitzt und roch wie eine tote Beutelratte. Genauso wie er es mochte. Von dem seifig-parfümierten Geruch nach dem Duschen hatte er immer Kopfschmerzen bekommen. Zum Glück war Adam nie ein Hygienefetischist gewesen.
»Hallo …« Der Symbiot öffnete die Augen und sah als Erstes Luises rot verheulte, aber glücklich strahlende Augen. Er hatte bereits früher mit Adams Augen sehen können, dennoch wirkte seine Perspektive nun näher, irgendwie unmittelbarer. Ihm gelang es sogar, die Hand zu heben und Luises Wange zu berühren.
Sie küsste ihn. Sekundenlang, dann hob sie den Kopf, strafte ihn mit Blicken und knallte ihm eine. »Du hast mir Angst gemacht! Ich dachte schon, dass ich nie wieder mit dir sprechen könnte.«
»Ähm … ja.« Sollte der Symbiot ihr sagen, wer er war? Was passiert war und welche Entscheidung er getroffen hatte? Und vor allem, wie es dem echten Adam ging? Jetzt wäre dazu der richtige Zeitpunkt gewesen, Luise die Geschichte zu erzählen, hätte vieles erklärt. »Ich denke, ich sollte dir etwas sagen.«
»Was?« Luises Augen wurden größer.
»Lass es!« Das war die unbekannte Lady, die sich in seinen Sinnen meldete. Offenbar konnte sie den Ereignissen folgen, Luise schien sie nicht zu hören. »Im besten Fall würde sie dir nicht glauben und befürchten, dass du dich nur als Vater billig aus der Affäre ziehen willst. Schlimmer wäre aber, wenn sie dir glaubt. Wenn sie Eva von dir berichtet, die keine andere Wahl haben würde, als deinen konterminierten Körper in Asche zu verwandeln.«
»Weißt du …« Der Symbiot überlegte, die Perspektive, verbrannt zu werden, entsprach nicht seiner Familienplanung. Als Ascheflöckchen konnte man keine Brut großziehen.
»Also überlege dir gut, was du sagst … Adam ist ein Idiot, du kannst also eine Menge dummes Zeug von dir geben, ohne dass es jemandem auffallen wird.«
»Ja.« Luise hörte ihm zu, mit der linken Hand strich sie ihm über die Wange, die sie zuvor mit einer rechten Geraden getroffen hatte. Dem Symbioten klingelten jetzt noch die Ohren. »Was möchtest du mir sagen?«
»Wenn du ihr jetzt von mir erzählst, wirst du niemals dein heiß ersehntes Nest bekommen. Eva würde Adams Körper verbrennen, was niemand von uns überstehen würde … vergiss das nicht!« Die Lady machte klar, um was es ging.
»Ich bin müde …« Dem Symbioten war in diesem Moment nicht klar, was er tun sollte. Er wollte nicht sterben, aber das Risiko, das er in sich barg, war gewaltig. Er musste einen anderen Weg finden, um aus der Nummer herauszukommen. Als Erstes musste er Adams Körper wieder auf die Beine bekommen.
»Sehr gut … spiele deine Rolle!«
»Ich lass dich schlafen …« Luise gab dem Symbioten einen Kuss und ließ ihn dann zurück.
An Ruhe war nicht zu denken. Er sollte eine Rolle spielen? Aber würde er Luise wirklich davon überzeugen, dass er Adam war? Ihm fehlte die Fantasie, wie er das anstellen sollte. Etwas in ihm war zwar Adam, nur hatte er sich damit bisher noch nie auseinandergesetzt, wie Nährbeutel sich im Alltag verhielten. Menschen konnten durchaus kompliziert sein, in seiner Vergangenheit hatte Adam aufgrund fehlender Größe, bescheidener Stärke, zweifelhafter Kampfkraft, sicherlich keinem guten Aussehen und diversen Problemen mit Rauschmitteln eher das Leben einer windigen Ratte geführt. Als er dann allerdings die Gelegenheit dazu bekam, hatte er auch durchaus Loyalität, beachtlichen Mut und eine bemerkenswerte Sturheit gezeigt. Die Beziehung mit Luise war mindestens genauso kompliziert, bei den beiden hatte eindeutig sie die Hosen an. Er tat, was sie sagte, was sogar meistens gut für ihn war. Dennoch hatten sie auf einer für Außerstehende nicht erkennbaren Ebene zueinandergefunden. Beides waren definitiv Bauchmenschen.
Bauchmenschen, dachte der Symbiot, das gefiel ihm. Er mochte Bäuche, besonders gut genährte, je fetter, desto besser, in denen sich eine besonders stolze Brut heranziehen ließ. Er hatte eine Idee, er sollte sich keinen Kopf über sein Verhalten machen, sondern ebenfalls einfach aus dem Bauch heraus handeln. Genau, er würde einfach tun, was ihm gerade in den Sinn kam!
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