VII. Ausflug ins Grüne

Der Symbiot lag in einem Bett. In einem weißen Bett, in einem weißen Raum, mit einer weißen Decke und einer weißen Hose am Hintern. Einer fast weißen Hose, er war eben pinkeln gewesen und auch nach siebenmaligem Schütteln hatte er nicht verhindern können, dass der letzte Tropfen in die Hose ging. Ein typisches Menschenproblem, das seine symbiotische Art nicht kannte. Wenn er erst in Adams Leiche seine Brut großziehen würde, sollte es niemanden jucken, wo die Kleinen eine Pfütze hinterließen.

»Ich bin nicht müde«, murmelte er, jetzt fiel es ihm wieder ein, er sollte sich ausschlafen. In dem vielleicht drei auf drei Meter großen Raum gab es bis auf das Bett keine weiteren Möbel. Fenster gab es ebenfalls keine und an den Wänden hing auch nichts. Nur zwei verschlossene weiße Türen sorgten in diesem langweiligen Ambiente für Abwechslung. Hinter einer lag der Waschraum, hinter der anderen der Flur verborgen. Von der Decke herab sorgte eine abgeschwächte Lampe für etwas Licht. Gerade so viel, um auf dem Weg zum Klo nicht über seine eigenen Füße zu stolpern und sich auf die Fresse zu legen.

Der Symbiot stand auf, ging in den Waschraum und machte das Licht an. Vor dem Spiegel stehend sah er sich an. Adams Gesicht kannte er bereits, aber wusste er auch, wer er selbst war? Hatte ein Symbiot wirklich kein Bewusstsein? War alles, was er dachte, nur ein Teil seines Wirts? Na ja, Adam machte im Moment Urlaub im Regenbogenland, er hatte gerade das Sagen. Mit den Worten kratzte er sich am Sack. Die unbekannte Lady, die ihn in diese Lage gebracht hatte, hatten Adams bissige Antikörper fest im Griff.

»Sei wachsam! Ich sehe, was du siehst … ich höre, was du hörst! Ich bin immer an deiner Seite!«, drohte die Lady geisterhaft in seinen Sinnen. Die sollte einfach die Klappe halten. Irgendwie wurde es in Adams ohnehin nicht geräumigem Oberstübchen gerade eng, während der feine Herr auf einer Wiese saß und Löcher in den Horizont starrte, durften sich ein höchst anständiger Symbiot, also er, und ein wie auch immer geartetes Sonst was, die unbekannte Lady, um seinen mickrigen Kadaver prügeln. Ein erbärmliches Schauspiel.

»Ich sehe deine Augen! Ich sehe deine Gedanken! Du wirst mich nicht verraten! Sonst wird Eva dich verbrennen lassen!« Das hatte ihm dieses blöde Huhn jetzt bereits mehrfach gesagt.

»Dann wäre ich dich los … ein guter Deal!« Der Symbiot konnte nicht gerade behaupten, dass ihm diese unheilige Allianz gefiel. Für einen Augenblick hielt er einen grausamen Feuertod durchaus für eine gangbare Alternative. Aber nur kurz, dann stellte er sich vor, wie seine zahlreichen Kinder glücklich in Adams Leiche spielten. Herrlich, diese Bilder wärmten sein Herz.

»Das wirst du nicht tun!«

Der Symbiot presste die Lippen zusammen, eine menschliche Geste der Anspannung, der er sich, ohne darüber nachzudenken, bediente. Zugegeben, da war definitiv sehr viel Adam in ihm, diese über Jahre unbewusst angewöhnten menschlichen Verhaltensweisen bestimmten auch, wer er war.

»Los! Zieh dich an! Sprich mit Ed … sie wird Arbeit für dich haben. Mach sie … sei wie Adam Doit!«

 

Der Symbiot, Adam, saß in einem Untersuchungssessel. Er beschloss, sich ab jetzt selbst als Adam zu sehen. Er war Adam Doit. Das half ihm, diesen Wahnsinn zu ertragen, nur so würde er es hinbekommen.

Mehrere ultramodern anmutende Untersuchungsgeräte schwirrten um seinen nackten Oberkörper herum. Die Dinger piepten, leuchteten zwischendurch in verschiedenen Farben und guckten ihm in diverse Körperöffnungen.

»Und?« Adam sah Ed auf den Arsch, die einen weißen Kittel trug. Sie hatte ein wirklich einladendes Brutbecken, mit dem man, erst einmal tot und matschig, mindestens doppelt so viele Kinder großziehen konnte. Wo hätte er auch sonst hingucken sollen, Gesichter von Frauen sahen alle gleich aus.

»Sieh an die Wand!«

»Ähm …« Hatte sie Augen im Hinterkopf?

»Du wirst Vater!«, erklärte sie oberlehrerhaft. Echt jetzt, was hatte Adam mit Luises Familienplanung zu tun? Er befand, man sollte diesen Fick nicht überbewerten. Schließlich waren ihm menschliche Kinder egal, die kleinen Scheißer machten über Jahre hinweg nur Arbeit. Das dauerte ewig, bis man sie wieder vergraben konnte und aus ihnen gute Nährbeutel wurden.

»Ja … und?«

»Da sieht man nicht nach anderen Frauen!«

»Oh.« Adam dachte nach, nein, das verstand er nicht. Warum sollte man, wenn man eine geschwängert hatte, dasselbe nicht auch mit anderen tun? Luises sich entwickelnde Schwangerschaft sah er nur als Beleg, dass er es konnte. Das mit dem Sex war schließlich durchaus unterhaltsam.

Ed drehte sich zu ihm, jetzt sah er ihr auf den Schritt. Ging nicht anders, sie stand schließlich direkt vor ihm. »Hoffnungslos!«

»Bin ich gesund?« Nur um diese Frage zu klären, war er zu Ed gekommen.

»Ja … körperlich schon.«

»Sehr gut.« Adam nickte. Die unbekannte Lady hatte es offenbar geschafft, die Nessanerin und ihre ganzen tollen medizinischen Leuchte-Dings-Geräte zu täuschen. Er hatte keine Ahnung, wie sie sogar die DNA-Tests überstehen konnte. Sogar, wenn er versuchen würde, sie zu verraten, könnte er es nicht beweisen. Was hätte er auch sagen sollen: Hey, ich bin es, der Symbiot. Die Pfeife, dessen Körper ich auf den Beinen halte, macht gerade Pause und ich muss deshalb den Laden schmeißen. Und übrigens, ich höre Stimmen. Genauer, die Stimme einer unbekannten Lady. Ed, könntest du mir bitte in die Ohren sehen, ich denke, die Stimme ist gefährlich. Sie droht mir … und … und überhaupt. Verdammt, würde sich das bescheuert anhören!

»Wie fühlst du dich?« Ed setzte sich auf einen Hocker und sah ihn mit besorgter Miene an.

»Ich bin angespannt …« Die Antwort entsprach sogar der Wahrheit, das war er wirklich. Noch hatte er keinen blassen Schimmer, wie weit er kommen würde. Sich keinen Kopf zu machen und einfach tun, was ihm gerade in den Sinn kam, hörte sich einfacher an, als es war. Hatte Ed einen Verdacht? Nessaner waren hässlich wie die Nacht, jedenfalls wenn sie Eva keinen Avatar aus dem Schrank geklaut hätten, aber blöd waren die grünschleimigen Grottenmolche nicht.

»Weil du Vater wirst …« Ed nahm seine Hand.

»Ja.« Zugegeben, das war gelogen, aber die Steilvorlage musste er nutzen.

»Du wirst es schaffen.« Jetzt nahm Ed ihn sogar in den Arm und presste ihm ihre Möpse entgegen. Oh ja, das mochte er. Er nutzte die Gelegenheit und packte ihr an den Arsch. »Na …«

Adam grinste.

»Besser nicht … du bist bereits vergeben.« Sie streifte seine Hand mit einem unschuldigen Lächeln ab und stand wieder auf. Schade drum, wäre nett gewesen.

»Adam, ich brauche dich kurz …«, rief Eva durch die Raumstation. Och, war sie wieder zurück?

 

Adam trug wieder seinen schwarzen Overall, er war lange genug in Shorts herumspaziert. Die Stiefel und das breite Koppel am Gürtel rundeten das Bild ab. Luise, die einen ähnlichen Overall trug, stand neben ihm, die Arme verschränkt. Oh, das kannte er, sie war sauer. Na ja, eigentlich war sie immer sauer auf ihn, weshalb es keinen Grund gab, sich Sorgen zu machen.

»Luise, Adam, glaubt mir, vermeidet es, auf eine Welt der Puta-III Klasse zu reisen. Es lohnt sich nicht.«

Luise lächelte. »Auf Zenit122 gibt es Wasser, Pflanzen, Tiere … woran liegt es?«

»Vor allem Tiere …« Eva trug noch ihren Druckanzug, an dessen hellgrauem Chassis die Überreste eines halben Kleintierzoos hingen. Niedlich, die Viecher hatten sogar kleine Finger. Während sie sprach, wurde sie von einer Vakuumdrohne gereinigt. Jesses, konnte das Ding saugen.

»Was wolltest du da?« Luise machte mit der Befragung weiter, sollte sie ruhig. Eine andere Drohne nahm Eva die Rüstung ab. Darunter trug sie verdammt wenig. Natürlich waren ein Slip und ein verschwitztes, enges Tank-Top völlig ausreichend. An ihrer Figur gab es definitiv wunderbar ausgebaute Kurven. Na ja, irgendwie sah sie aus wie Luise, wenn sie beim Frühstück auch mal etwas essen würde. Auf deren Bauchmuskeln konnte man mühelos Tic-Tac-Toe spielen. Wenn sie einen gelassen hätte, sie lag nicht gerne unten.

»Einem Hinweis nachgehen … den habe ich auf der Naar von einem guten Freund bekommen. Es war wichtig, aber ich habe nichts gefunden. Es gibt weitere Sektoren, die einen zweiten Blick wert sind … deswegen brauche ich euch.«

»Kein Thema, um was geht es?«

»Ein Forscher, Am-hehu ist oder war sein Name … ich weiß nicht, ob er noch existiert.«

»Hört sich an, wie ein ägyptischer Gott … wie alt ist er?« Was Luise so alles wissen wollte, Adam malte sich gerade aus, wie es wäre, mit beiden gleichzeitig Sex zu haben. Bestimmt irre, die Wahrscheinlichkeit, diese Nummer zu überleben, schätzte er allerdings nicht als hoch ein. Eigentlich war beim Sex zu sterben ein ehrenwerter Tod.

»Ägyptische Götter tragen häufig Delos Namen. Jetzt weißt du, wer ihnen bei den Pyramiden geholfen hat. Am-hehu oder auch Amschut, der Verschlinger von Millionen, ist ein Totenrichter. Jedenfalls steht es so ähnlich in alten Schriften der Erde … auch wenn davon kaum etwas stimmen sollte.«

»Was ist mit ihm?« Luise haute Adam auf die Finger, der ihr seine Hand an den Po legte. Boar, sie hatte wirklich schlechte Laune. Letzte Woche hatte sie ihn noch machen lassen. Evas Gefasel ging ihm gerade mächtig auf die Nerven, sollte sie sich doch selbst um diesen Hehu-Idioten kümmern.

»Am-hehu ist bereits 47.342 Jahre alt … das ist sogar für Delos ein hohes Alter. Er galt früher als renommierter Wissenschaftler, ein Biologe und Arzt, leider kein Freund vieler sozialer Kontakte. Er hat sich bereits sehr früh eine Welt gesucht, auf der ihn niemand bei seiner Forschung stören konnte.«

»Was war sein Forschungsgebiet?«

»DNA- und Zellmanipulationen bei niederen Lebensformen … ich denke, dass er damals zu weit gegangen ist. Er hat nie versucht, etwas von Wert zu schaffen, das Delos oder anderen Spezies geholfen hätte. Er war wie ein Typ mit einem Brennglas, der schwächere Arten mit dem gebündelten Sonnenlicht verbrannt hat und das Leid penibel genau dokumentierte.«

»Adam!« Luise riss ihn aus den Gedanken, er versuchte gerade abzuwägen, ob man Evas Brüste jeweils noch mit einer Hand halten konnte, oder bereits beide Hände benötigte. Oh ja, er war auch ein Wissenschaftler. »Hörst du überhaupt zu?

»Ähm … ja.« Natürlich tat er das. Mehr oder weniger. Nein, eigentlich war es ihm egal. Zenit122 interessierte ihn nicht die Bohne. Er bekam Hunger, Zeit, sich um das Mittagessen zu kümmern. Danach etwas schlafen, Luise ficken, Ed ließ ihn ja nicht, wieder etwas essen und es am Abend noch einmal bei Red probieren. Oh ja, der rote Teufel stand schon lange auf seiner Liste.

»Welchen Hinweis hast du auf der Naar bekommen?« Unglaublich, Luise wusste wirklich noch, was Eva eben erzählt hatte. »Was macht Am-hehu nach so langer Zeit wieder wichtig?«

»Gerüchte … meine Quelle meint, es könnte auch nur heiße Luft sein, glaubt aber, dass jemand von der Naar mitten im Gefecht mit den Rutus, also vor dem Lockdown, einen selektiven Tunnel nach Zenit122 aufgebaut hat.«

»Verstehe …«

Adam sah sie an, er verstand es nicht. Es war aber auch schwer, diesem komplizierten Gespräch mit dicken Eiern zu folgen. Früher war er beim Sex immer nur Zaungast gewesen, jetzt wollte er es selbst erleben. Ed war aus dem Spiel, Luise, Red und Po noch im Rennen. Bei Eva wollte er es nicht versuchen, dafür reichte sein Mut nicht. Interessanterweise hielt sich die unbekannte Lady während des Gesprächs mit Eva bedeckt.

 

»Seid ihr bereit?«, fragte Ed über den Helmfunk, gleich würde es wieder losgehen.

»Bereit!«, erklärte Luise, die einen schweren Druck- und Gefechtsanzug trug. Eine freundliche Leihgabe der Rutus, deren Militärtechnologie vielleicht nicht so verschlagen wie die der Delos war, dafür aber den richtigen Kick besaß. Das Ding wog ungefähr eine Tonne und hätte sich ohne Servomotoren und Schwebepads nicht einen müden Zentimeter bewegt.

»Adam?«, fragte Ed.

»Ähm …ja.« Er überlegte, kurz ein Nickerchen zu machen, die Kiste würde auch ohne sein Zutun den Weg finden. Ganz ehrlich, er hatte absolut keine Lust auf Zenit122 und wäre lieber auf dem Arcurus Gate geblieben.

»Bist du bereit?«

»Klar …« Am Sack kratzen konnte man sich in dieser Sardinenbüchse auch nicht, und ein Kühlfach für schottisches Dosenbier fehlte ebenfalls. Scheiße, er hätte besser im Bett liegen bleiben und Ed die Ohren vollheulen sollen.

»Der Tunnel öffnet sich in 60 Sekunden.«

Adam nickte lustlos, dabei hatte er doch machen wollen, was ihm spontan in den Sinn kam. Ein Superplan, er war von zickigen Weibern umgeben, hatte nichts zu trinken und würde noch nicht einmal an sich selbst herumspielen können.

»Ich gebe euch noch taktische Informationen über Zenit122. Viel ist über diese Welt nicht bekannt, die meisten Informationen stammen von Eva, die heute selbst dort war.«

Gähn, ihm blieb aber auch nichts erspart. Red ging an ihm vorbei, schlank, rothaarig und verführerisch, wie sie ihr Schöpfer erschaffen hatte. Sie lächelte keck und fuhr sich mit der Zunge über die Lippe. Dieses Luder! Leider ging sie ihm und vor allem Luise aus dem Weg, die ihr vor einigen Tagen versprochen hatte, ihren Avatar in einem ganz kleinen Glas einzukochen, falls sie sie auch nur in der Nähe von Adam erwischen würde. Eine Drohung, die man bei Luises Temperament leider wörtlich nehmen musste.

»Zenit122 ist partiell stark bewaldet. Die Flora ist nicht natürlich, sondern künstlich entstanden. Auch bei der Tierwelt soll es keine natürliche Evolution gegeben haben. Eva hat berichtet, dass es keine Unterlagen gab, wie diese Welt zuvor ausgesehen hat, weswegen eine präzise Umweltanalyse Monate dauern würde.« Ed machte einfach weiter, ob die Nessanerin eigentlich wusste, dass Adam ihr nicht zuhörte? Hey, was hatte sie gesagt, auf diesem Drecksloch gab es Bäume? Yeah und was für Bäume. Jetzt hatte sie sein Ohr. Ed zeigte einen Videostream, den Eva aufgezeichnet hatte.

Oh ja, dort gab es sogar richtig viele Bäume. Herrlich, dort könnte er super sterben, dafür sorgen, dass der Kadaver unter die Erde kam und eine neue Dynastie seiner Spezies gründen. Alle seine Kinder und Kindeskinder würden ihn auf ewig anbeten, ihn, den Entdecker, den Eroberer und den Bewahrer einer neuen Welt. Aus dem ganzen Viehzeug dort würden seine Kinder unzählige neue Nährbeutel machen. Was für eine liebreizende Vorstellung!

»Wir haben einen Satelliten in der Umlaufbahn. Es gibt keinerlei Anzeichen digitaler Kommunikation oder einer schwächer entwickelten Zivilisation. Ziel ist eine Pyramide im Sektor H7. Ich werde euch direkt davor absetzen. Setzt die Drohnen ein und passt auf euch auf. Es ist mit Fallen zu rechnen.«

Adam feixte, ob seine unbekannte Lady ihn hier herumlaufen sehen wollte? Wohl kaum, das konnte er sich nicht vorstellen. Mit ein wenig Glück würde ihn eine schön hinterlistige Falle niederstrecken. Am besten direkt in der Nähe eines großen Baumes. Dort würde er dann sein Nest gründen können. Klar, Sex mit Luise, Red und Po würde er sich dann abschminken müssen, aber man konnte eben nicht alles bekommen. Ein würdiges Ende auf einer neuen Welt, gepaart mit der Aussicht auf eine eigene Dynastie, oh ja, das war es allemal wert.

»Der Tunnel öffnet sich in 10 Sekunden.«

Adam wartete.

»Drei, zwei, eins …los!« Vor ihnen öffnete sich eine kreisförmige hellblaue Lichtscheibe. Es konnte losgehen. Die Verbindung mit Zenit122 stand.

»Ich schwebe voraus!« Natürlich drängelte Luise sich wieder nach vorne. Ihre gepanzerte Frischhaltedose setzte sich in Bewegung und verschwand mitten im blauen Licht.

»Bin weg …« Adam machte es ihr gleich, das Durchfliegen eines Wurmlochs war schon kalter Kaffee für ihn. Alles drehte sich, alles glitzerte und einen Moment später war dieser Spuk auch schon wieder vorbei. Brauchte eigentlich kein Mensch. Hatte er jetzt wirklich von sich als Mensch gesprochen? Heilige Scheiße, die Adamisierung schritt unaufhaltsam voran. Nicht dass, wenn er zu lange wartete, noch ein netter Mensch aus ihm wurde. Eine schreckliche Vorstellung, dem musste er mit einem mindestens ein Meter tiefen Grab unter einem stattlichen Baum zuvorkommen.

»Adam!« Luise fragte nicht, sie stellte fest. Alles um sie herum war grün, sogar noch grüner als grün. In diesem wilden Gestrüpp war weder ein Ziel auszumachen, noch ein Weg heraus zu entdecken.

»Bin da!«, meldete er gehorsam. Jetzt wo er darüber nachdachte, wäre es an der Zeit, über ihr Rollenverständnis zu diskutieren. Der alte Adam hatte sich vielleicht von ihr den Marsch blasen lassen. Oh, eine wirklich blöde Formulierung. Der neue Adam würde das auf jeden Fall nicht tun!

»Folge mir!« Luise schwebte in der schweren Rüstung vor ihm her, laufen hätte man hier mit den Dingern nicht können. Von der Seite sprang ihm ein froschähnliches Tier ans Visier, das nur aus Zähnen bestand. Adam erkannte die kleinen Hände wieder, die bei Eva nach ihrer Rückkehr an der Rüstung geklebt hatten. Drecksvieh!

Adam aktivierte über die Pupillensteuerung ein Nahbereichsgeschütz auf seiner Schulter und half dem kleinen Scheißer in sein nächstes Leben. Die grüne Pampe, die das Projektil aufspritzen ließ, lief Adam quer durch das Blickfeld.

»Was machst du da?«

»Ich töte alles, was mich anspringt!« Was man weder essen noch ficken konnte, war entbehrlich.

»Die tun dir nichts … spar deine Munition!«

»Ja, Ma’am!« Adam überlegte, auf sie zu schießen. Nein, dafür reichte das Kaliber des Schultergeschützes nicht. Er schwebte ihr stattdessen nur hinterher. Am Boden unter seinen Schwebepads schien wirklich jedes Blatt und jeder Ast ein Eigenleben zu führen. In einem Glas voller Regenwürmer wäre weniger losgewesen. Eine komische Erinnerung ans Angeln, die musste von Adam sein.

»Gebt mir bitte eine Statusmeldung …«, erklärte Ed, noch nicht einmal hier wurde man sie los.

»Alles im grünen Bereich«, antwortete Adam und kicherte, worauf er von den beiden Frauen nur lautes Schweigen zurückbekam. Na kommt schon, der war gut.

»Abstand zum Eingang der Pyramide 300 Meter«, antwortete Luise, ohne seine Pointe zu kommentieren. »Ich sondere meine fliegenden Augen ab!« Woraufhin sich umgehend zwei Drohnen aus ihrer Schulterpanzerung lösten. »Adam!«

»Schicke auch meine Drohnen los!« Er überlegte, wie er Luise am besten übers Knie legen konnte. Gefesselt und geknebelt. Am besten gemeinsam mit Ed, splitterfasernackt und zusammengebunden, das wäre ein Spaß gewesen. Auch Adams Drohnen lösten sich aus seiner schwebenden Panzerrüstung.

»Ich empfange Signale. Verbinde sie mit Daten der Satelliten und Evas Aufklärungsinformationen. Lasse daraus ein taktisches Overlay berechnen. Daten sind unterwegs.«

Adams Blickfeld veränderte sich, an seinem Visier bildete sich eine dynamische Projektion. Feinde und Gefahren wären, wenn es sie geben würde, rot gewesen. Die Kleintiere wurden alle gelb und der Weg, den sie entlang mussten, blau eingefärbt. Er aktivierte den Autopiloten.

 

»Noch 100 Meter!«, sagte Luise, schnell kamen sie in diesem Dickicht nicht voran. Überall sorgten Lianen für Hindernisse auf ihrer Flugbahn durch dieses grüne Paradies. Hier gab es noch nicht mal zwei Meter über dem Boden schwebend ein gutes Durchkommen.

»Warum fliegen wir eigentlich nicht über den Baumwipfeln?«, fragte Adam.

»Hast du vorhin nicht zugehört … es ist nicht auszuschließen, dass es automatische Abwehrsysteme gibt«, antwortete Luise. Okay, da musste er wirklich nicht zugehört haben.

»Es gibt keine Signaturen digitaler Systeme, es gibt auch keine Elektrizität … der Weg ist sicher. Die Drohnen beginnen, den Zugang der Pyramide freizulegen«, erklärte Ed.

Adam schüttelte den Kopf, sie würden hier vermutlich kaum mehr als einige vermooste Steine finden. Dummerweise bewahrte ihn die schwere Rüstung auch davor, heldenhaft seinen Kadaver bei einem hübschen Baum unter die Erde zu bringen. Irgendwie entwickelte sich der Tag in die falsche Richtung: kein Sex, kein Bier, kein Nest und mehrere Frauen, die ihm auf die Nüsse gingen.

 

»Angekommen!« Luise verharrte einen halben Meter über dem Boden schwebend vor einem Erdloch. Die vier Drohnen hatten bereits damit angefangen, das Erdreich, das den Zugang bedeckte, abzusaugen und neben dem Loch auf einen Haufen zu bewegen. Das ging definitiv schneller, als mit dem Spaten zu buddeln.

»Der Zugang zur Pyramide befindet sich in drei Metern Tiefe. Ich übertrage euch alle Informationen, die wir von außen erfassen können. Der verschüttete Zugang sollte intakt sein und euch tief in die innere Struktur bringen.«

»Hast du einen Überblick über die gesamte Struktur ?«, fragte Luise und sah an den Flanken einer gewaltigen und teilweise mit Kletterpflanzen bedeckten Pyramide herauf.

»Nein, dafür ist das Mauerwerk zu stark.«

»Wie hoch ist das Ding?«, fragte Adam, der bei dem Anblick nicht schlecht staunte. Wenn diese seltsame Delos-Pfeife den Tempel hier selbst errichtet hatte, dürfte er damit eine Weile beschäftigt gewesen sein. Oder er war doch nicht so alleine, wie Eva es ihnen gesagt hatte.

»An der Spitze 402 Meter. Es ist aber denkbar, dass es auch unter der Erde umfangreiche Strukturen gibt.« Eds Klugscheißerantwort half niemandem weiter.

Adam verzog den Mund, in das blöde Ding wollte er nicht herein. Seine Kriterien hatten sich nicht geändert: Dort erwartete ihn keine Sexparty, eine Bar, die kaltes schottisches Dosenbier ausschenkte, war auch nicht zu erwarten, und auf nacktem Granit würde er bei einem spontanen Ableben, mit dem er durchaus rechnen konnte, auch kein Nest gründen können.

Eine ihrer fußballgroßen Drohnen fing an zu blinken. Der Zugang war frei. In drei Metern Tiefe war nun eine massive und mit dubiosen Schriftzeichen versehene, waagerecht auf dem Boden liegende Granitplatte zu erkennen. Gut drei auf vier Meter groß und über den Daumen geschätzt 50-60 Tonnen schwer.

Die Mädels schwiegen.

»Darf ich eine Frage stellen?«, fragte er vorsichtig. Luise musste noch nicht einmal etwas sagen, die Wellen ihrer aufbrausenden Gesichtszüge übertrugen sich kontaktlos.

»Was?«, schnaubte Luise, was, um Himmelswillen, hatte Adam, als er noch die Gelegenheit dazu gehabt hatte, nicht vor ihr weglaufen lassen. Ähm, fing er jetzt schon mit christlichen Redensarten der Menschen an? Die passten überhaupt nicht zu ihm. Verdammt, das Adam spielen veränderte ihn immer mehr.

»Und dieser Am-hey-du-Dingens hat diese Hütte ganz alleine gebaut? Irre, ich habe für mein Gartenhaus vier Jahre benötigt … und meine Tür war keine 60 Tonnen schwer!«

»102 Tonnen«, ergänzte Ed.

»Bitte?«, fragte Luise.

»Die Platte, die den Zugang versiegelt, wiegt 102 Tonnen. Sie besteht aus einer unbekannten Granit-Ferrit-Legierung, deren Schmelzpunkt wir nicht kennen.«

»Sollen wir anklopfen?« Adam grinste. »Oder hat jemand eine Klingel gesehen?«

»Adam!« , pfiff Luise ihn an.

»Frag ja nur …« In ihm kam der leise Verdacht auf, dass Eva und Ed bei der Planung für diesen Einsatz ein wenig geschlampt hatten. »Soll ich helfen?«

»Wenn du eine Idee hast … gerne«, sagte Ed.

»Und wie bitte willst du helfen?« Na, Luise erwartete aber auch nicht viel von ihm.

»Würdest du bitte ein Stück zurückweichen?« Er schwebte über dem Loch und ließ sich langsam absinken.

»Und jetzt?«

»Feuer!« Adam hatte mit seiner Rüstung Bodenkontakt, die Schweberei war ohnehin nichts für ihn. Er entsicherte die in seinen Armen integrierten primären Impulskanonen und hielt direkt links und rechts von ihm auf die Granitplatte drauf. Dauerfeuer. Brennender Staub und Steine prasselten gegen die schicke hellgraue Rüstung, die gleich vermutlich weniger schick aussehen sollte. Die Sicht war gleich null. Hören konnte er bei dem ohrenbetäubenden Krach auch nichts mehr.

In dem Overlay seines Visiers wurde der verfügbare Energielevel der schweren Kampfrüstung angezeigt, der bei dem Dauerfeuer zügig abwärts zählte. Im Prinzip kam die Energie für die Schwebepads und für die Impulslader aus dem gleichen Aggregat. Noch stand er auf derselben Stelle. Würde die fette Granitplatte seinen mörderischen Beschuss überstehen?

Noch sieben Prozent Leistung. Der Boden gab nach. Er hörte nicht auf, zu schießen. Noch drei Prozent, die Granitplatte brach. Adam stürzte schreiend in die Tiefe. Bei einem Ranking aller schlechten Ideen in seinem Leben wäre die heute ganz vorne mit dabei gewesen.

 

***