Elena saß am Boden, mit starrem Blick sah sie Dimitri an, der kaum einen Meter von ihr entfernt von den Marines mit zahlreichen Treffern niedergestreckt worden war. Justin Codd befand sich zwischen ihnen, aus zwei Austrittswunden seines Rückens trat in einem gleichmäßigen Strom weiterhin Blut hervor. Beide Männer lebten nicht mehr. Wie hatte das passieren können? Sie verstand es nicht.
»Ich habe die Botschafterin gefunden! Sie lebt!«, brüllte jemand, den sie nicht sehen konnte. Hände berührten sie. Sie rang nach Luft, sie war nicht in der Lage, etwas zu sagen. Weitere Personen rannten in den Raum. Das war zu viel. Überall waren Gesichter, Hände und Stimmen. Nichts davon drang zu ihr durch. Versuchte jemand, mit ihr zu sprechen? Sie wusste nicht mehr, wo sie war. Ihre Augen flackerten, jemand hob sie an, sie fror, sie hatte die Kontrolle verloren. Eine Frau beugte sich über sie, sie sagte etwas. Dann spürte Elena einen Stich. Einen Stich, der ihre Sinne in eine Senke abgleiten ließ.
Elena lief über eine Wiese. Das musste ein Traum sein, er gefiel ihr. Im Traum über eine Wiese zu laufen, stand für einen guten Karriereriecher. Aber hatte sie den? Sie wurde langsamer und blieb nach wenigen Schritten stehen.
»Ich bin hier!«, rief sie, warum wusste sie auch nicht. Ihr war gerade danach. Man sollte nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Sie drehte sich um. Da war niemand. Da war überhaupt nichts, nur besagte Wiese, die bis zum Horizont reichte. Hier gab es weder Bäume noch einen Hügel. Wolken am Himmel gab es auch nicht.
»Hallo?« Sie legte die Hände in die Hüften. Der Traum fing an, sich seltsam zu entwickeln. Aus dem anfänglich guten Gefühl entwickelten sich Zweifel. Was machte sie hier? Wo kam sie her? Warum konnte sie niemanden sonst sehen?
»Ich bin allein.« In ihrer Erinnerung tauchten Bilder auf. Blutige und gewaltsame Momente, die sie lieber vergessen hätte. Es aber nicht konnte. Wie lange war das bereits her? Jahre, Tage, Minuten oder nur wenige Sekunden? Das Erlebte in der amerikanischen Botschaft in London schlug sie wie mit einem Hieb nieder. Sie sah Justin sterben, der von Dimitri erschossen wurde. Auch den Botschafter der Rutus hatte der Russe hinterrücks erschossen. Warum? Auf diese Frage wusste sie keine Antwort.
»Allein ...« Sie rutschte auf die Knie, legte das Gesicht in die Hände und wünschte sich, diese Bluttaten zu vergessen. Sie einfach aus ihrem Gedächtnis streichen, so wie man ein Blatt Papier, wenn man sich verschrieben hatte, aus einem Notizblock riss. Als sie realisierte, dass sie diese Momente des Schreckens bis zu ihrem Lebensende immer wieder erleben würde, begann sie zu weinen.
»Das wollte ich nicht ...« Vermutlich scherte sich das Schicksal einen Scheiß darum, was sie wollte. Sie schüttelte den Kopf, warum hatte Dimitri sie nicht getroffen? Er hatte doch bereits auf sie angelegt gehabt. Der Mann, dem sie vertraute, der, der sie mit der Hand auf dem Herzen zu schützen geschworen hatte. Er hatte sogar versprochen, im Ernstfall eine Kugel für sie einzufangen.
»Ich habe ihm geglaubt ...« Elena würde nie mehr einem Menschen vertrauen können. Wie hatte sie sich nur so in ihm täuschen können? Justin Codd hatte ihre schlechte Urteilsfähigkeit mit seinem Leben bezahlen müssen. Von ihm wollte sie dieses Opfer nicht annehmen. Sie fühlte sich an seinem Tod mitschuldig.
»Elena ...«, flüsterte eine entfernte Stimme. Sie glaubte, sie bereits gehört zu haben.
»Elena!« Eine weibliche Stimme kam näher. Sie kannte diesen Klang auf jeden Fall.
»Hörst du mich!« Das war Eva, die ganz nah bei ihr war. So nah, dass Elena ihren Atem spüren konnte. Eva, die Delos, die neue Schutzgöttin aller Menschen. Die Einzige, die den blauen Planeten vor ihresgleichen auf der Naar bewahren wollte. Vor denen, die vermutlich nicht lange brauchen würden, um aus Menschen eine domestizierte Nutztierrasse zu machen. Aus weicher Haut und jugendlichen Linien würden sich exquisite Avatare kreieren lassen. Die 2021er Kollektion würde dem geneigten Betrachter auf der Naar einen kühlen Schauer den künstlichen Rücken herunterlaufen lassen.
Elena öffnete die Augen, der Ausflug auf die Wiese im sonst wo endete auf einer Liege. Während Eva neben ihr kniete, kontrollierte eine mollige Sanitäterin ihren Blutdruck. »Der Kreislauf der Botschafterin ist stabil, sie sollte sich dennoch ausruhen.«
»Danke Corporal.« Eva schenkte der Soldatin in Flecktarnuniform ein Lächeln.
»Eva ...« Elena fand wieder ein Wort. Gut fühlte sie sich nicht, da wollte sie der Sanitäterin nicht widersprechen, die in diesem Moment den Raum verließ.
»Du lebst.«
»Wirklich?« Für bewiesen hielt Elena diese gewagte Behauptung noch nicht.
»Andere tun es nicht. Es gibt vierzehn Tote und sieben Schwerverletzte. Wir sind schwer getroffen worden ... die Folgen sind im Moment kaum absehbar.«
»Warum?« Elena registrierte, dass sie in einen benachbarten Raum der Botschaft gebracht worden war. Ebenfalls ein Besprechungsraum, nur einer ohne Leichen und blutverschmierte Wände.
»Das weiß ich nicht ... wir werden den Schützen nicht mehr fragen können. Er ist tot.«
»Ich habe Dimitri vertraut ...«
»Das habe ich auch.«
Wie ein heißer Stich schoss ihr die Fähigkeit einer Wächter-KI in die Sinne, Menschen übernehmen zu können. »War es ein Delos? Hat ein Delos Dimitri übernommen?«
»Nein.«
»Aber ...« Das war doch offensichtlich. Eine andere Erklärung sah sie nicht.
»In der Botschaft gibt es Scanner. Ich habe sie mit Einverständnis der Amerikaner anbringen lassen. Es gab keine Wächter-KI oder einen Delos auf Abwegen, der Dimitri beeinflusst hat. Der Personenschützer hat diese Entscheidung aus freien Stücken getroffen ... ähnlich wie bei dem Anschlag auf Milenas Schwägerin.«
»Aber ...«
»Das ist der Stand der Dinge.«
»Hat uns jemand ausgetrickst?« Elena setzte sich auf, sie spürte Wut in sich aufsteigen. Wut, die sie belebte. Gegen die Möglichkeit, dass Dimitri selbst die Entscheidung zu töten getroffen hatte, wehrte sie sich immer noch.
»Wer?« Eva schüttelte den Kopf.
Elena suchte nach einer Antwort.
»Ich wüsste nicht wie ... die Naar ist dicht. Da kommt niemand rein oder raus. Red, eine Nessanerin vom Gate, ist hier. Sie hat Dimitris Leiche untersucht. Es gibt keinerlei Anzeichen eines Fremdeinwirkens. Die energetische Signatur einer Delos-KI hinterlässt beim Menschen charakteristische Spuren. Diese kann man nicht einfach verschwinden lassen. Elena, Dimitri hat geschossen.«
»Das kann doch nicht sein ...« Elena wollte es nicht glauben. »Wieso sollen drei handverlesene Agenten ihr Land, ihre Spezies und jeden auf der Erde verraten?«
»Deswegen brauche ich dich. Deinen Verstand, deine Erfahrung und deine Kenntnisse der Ereignisse sind elementar, um den Fehler zu erkennen, den ich gemacht habe.« Eva strich sich eine lange braune Strähne aus dem Gesicht.
»Ich habe Dimitri nicht aufgehalten ...«
»Elena, nicht du hast einen Fehler gemacht, ich war es. Ich habe bei allen an dieser Konferenz beteiligten Nationen um Kooperation geworben und für deren Sicherheit garantiert. Das Vertrauen, das wir heute verloren haben, war unbezahlbar wertvoll.« Evas Mimik zeigte tiefen Schmerz.
»Ich bin müde ...« Elena wusste nicht, was sie noch tun sollte, wenn sogar Eva nicht weiterwusste. Dieser Anschlag hatte die brüchige Allianz der Nationen verheerend getroffen. Der ganze Scherbenhaufen lag in einer blutigen Pfütze.
»Das glaube ich dir ...« Eva strich ihr mit der Hand durch die Haare, da war noch mehr. Die Delos wollte etwas von ihr, das stand wie ein Elefant im Raum.
»Ich habe keine Zeit, mich auszuruhen, oder?«
»Leider nein.« Eva schluckte. »Ich brauche dich mehr denn je ... ich brauche dich an meiner Seite. Ich habe keine Ahnung, ob ich noch etwas von unserem Bündnis retten kann, aber mir wird ohne dich niemand zuhören.«
»Werden wir sterben?« Elena ging davon aus, für diesen Job keinen Lohn zu bekommen, den sie in irgendeiner Form auszugeben in der Lage wäre. Ruhm gab es auch keinen, Dankbarkeit konnte sie auch vergessen, nur der blanke Hass dürfte ihr sicher sein. Sie, ein Mensch von der Erde, die nach wie vor einer Delos zuhörte.
»Jeder von uns wird es ... aber nicht heute.« Eva lächelte. »Zusammen können wir etwas erreichen.«
»Wirklich?«
»Daran glaube ich!«
»Hilfst du mir aufzustehen?«
»Klar!« Eva hielt sie am Arm fest.
»Wie sehe ich aus?«
»Scheiße ...« Eva war leider erschreckend aufrichtig. »Wir gehen auf keine Misswahl.«
»Danke.« Bei den ersten Schritten verhielten sich ihre Knie wie Kekse in heißer Schokolade. Dann ging es besser. Überall an ihrer Kleidung befand sich Blut.
»Warte, ich wische es dir von der Stirn.«
Elena sah das blutige Taschentuch in Evas Hand, die einen dunkelgrauen Hosenanzug trug. Auf die provokanten körperbetonten Schnitte zu verzichten, half bei Gesprächen mit männlichen Vertretern von der Erde ungemein.
»Mein Blut?«
»Nein, du bist körperlich unverletzt.« Es klopfte an der Tür. »Red, du kannst reinkommen.«
Die rothaarige Nessanerin betrat den Raum, ebenfalls eine bildhübsche Frau. Auch sie verbarg ihre Figur in einem unvorteilhaften Hosenanzug. In der Hand hielt sie ein Pad-System fest. »Darf ich stören?«
Eva sah sie an. »Ich bitte darum.«
»Täter und Opfer sind sauber ... ich habe das gesamte Botschaftspersonal gescannt.« Red ging auf Elena zu. »Die Botschafterin ist auch sauber.«
Eva nickte. »Beruhigend.«
»Du bist es auch.« Dann hielt sie sich mit einem Lächeln selbst das Gerät an den Kopf. »Ich auch.«
»Ist noch etwas?«, fragte Eva.
»Meine Schuhe sind voll Blut.«
»Druck dir neue ...«
Red nickte. »Ed hat mich gebeten, dir mitzuteilen, dass Milena in Del'Narrow vor Wut kocht. Sie erwartet umgehend, mit dir zu sprechen. Ed sagte auch, dass sie Milena noch nie so wütend erlebt hat ... und, dass sie obskure Dinge erwähnte, die sie mit Menschen machen wird, wenn du sie auch nur noch ein paar Minuten warten lässt.«
»Ich habe mit Elena gesprochen. Ich werde es gleich auch mit Milena tun«, antwortete Eva mit fester Stimme. »Sie weiß genau, in welcher Lage wir stecken!«
»Ich wollte es nur ausrichten ... darf ich Ed sagen, dass du wieder erreichbar bist?«
»Red!«
»Entschuldigung.«
»Wie lange ist das mit Milena her?«
»Ein paar Minuten ...«
»Dann kann sie auch noch länger warten ... ich werde jetzt gemeinsam mit Elena versuchen, von unserer Allianz auf der Erde zu retten, was noch zu retten ist.«
»Milena hat Ed gebeten, mir zu sagen, damit ich es an dich weitergebe, dass sie umgehend Kriegsschiffe entsenden kann, um Aufstände auf der Erde zu befrieden.«
»Red! Richte Ed aus, sie soll Milena ausrichten, dass sie zu warten hat! Warten!« Eva so zu hören, war ungewohnt. »Wir werden keinen Krieg anfangen! Wir werden nicht die Naar angreifen! Wir werden keine Delos töten! Und wir werden auch die Menschen nicht im Stich lassen! Hast du das verstanden?«
»Ähm ... ja.«
»Du kannst gehen!«
»Zurück zum Gate?«, fragte Red eingeschüchtert.
»Ja!« Eva zeigte auf die Tür. »Verschwinde!«
Elena ging durch den Flur der amerikanischen Botschaft. Sie hatte sich in ihrem Leben noch nie unwohler gefühlt. Eva begleitete sie. Keiner der Marine Infanteristen oder der Secret Service Agenten, die Türen sicherten, sprachen sie an. So sah Angst aus. Die wussten alle ganz genau, zu was Eva in der Lage war. Wie Dimitri trugen alle schützende Kupferhalsbänder, die bekanntlich bei dem zuvor erfolgten Blutbad niemandem geholfen hatten.
Die nächste Tür öffnete sich, neben ranghohem Botschaftspersonal, die bereits an einem Tisch saßen, waren zahlreiche Bildschirme aktiv. Eine Videokonferenz war jetzt nicht die schlechteste Idee. Es fehlten allerdings zahlreiche Nationen, im Moment waren nur die NATO-Partner dabei. Elena setzte sich neben Eva. Keiner im Raum sagte ein Wort. Waffen und Bodyguards gab es keine.
»Bitte entschuldigen Sie meine Verfassung ...« Elena fing an, die Worte kosteten viel Kraft. »Sie wissen, was heute passiert ist. Wir wurden schwer getroffen, neben dem Verlust an ranghohen Vertretern alliierter Nationen, haben wir auch das Botschafterpaar der Rutus unter den Opfern zu beklagen. Ich habe nur mit Glück überlebt ... der Täter war mein persönlicher Personenschützer.«
»Ein Russe!«, sagte der französische General im Kampfanzug. Der Ton hatte sich geändert.
»Ausgebildet vom FSB!«, ergänzte ein türkischer Militär.
»Frau Botschafterin, Sie sind kompromittiert. Sie sollten sich ausruhen und uns die Arbeit machen lassen«, erklärte ein Brite. Viele Frauen gab es in der Runde nicht.
»Wenn ich jetzt ruhe, befürchte ich, nicht mehr aufzuwachen. Uns droht ein Krieg, den wir nicht gewinnen können. Meine Damen, meine Herren. Dieser Anschlag galt dem Ziel, unsere Allianz zu zerstreuen: dem Bündnis zwischen verschiedenen Nationen auf der Erde, den Rutus, wie auch den Delos und dem Arcurus Gate.«
»Frau Botschafterin, Sie gehören zu den wenigen Überlebenden eines Blutbads. Belehren Sie uns nicht über den Wert von Bündnissen. Noch weiß ich nicht, welche Rolle Sie spielen. Aber wie ich sehe, sind Sie nicht alleine gekommen.«
Eva sah ihn stumm an.
»Die Delos mit dem guten Herzen ... herzlich willkommen auf der Erde. Entschuldigen Sie bitte meinen Zynismus. Wenn wir schon untergehen, werde ich es nicht auf den Knien tun!« Die Nerven lagen blank, der Kanadier zeigte sich alles andere als diplomatisch. Bei ihm um Vertrauen zu werben, versprach wenig Erfolg.
Elena schluckte, sie hatte keinen blassen Schimmer, wo sie bei den Militärs ansetzen sollte.
»Mein Name ist Ant'hariomun ... ich lebe nicht mehr. Dennoch spreche ich zu Ihnen.« Eva übernahm das Gespräch. »Es gibt Verbindungen zwischen unseren Spezies ... ich verstehe die Menschen als ein Teil meiner Identität. Deswegen nenne ich mich Eva. Das ist auch der Grund, weswegen ich mich vehement gegen Tendenzen wehre, die Erde mit Gewalt in die Dienste der Delos zu stellen.«
»Schön wär's ...«, kam von dem Franzosen.
»Wir haben es mit einer Bedrohung zu tun, die technologische Möglichkeiten benutzt, um die Urheber der jüngsten Anschläge zu maskieren. Ich sehe nicht mehr, dass diese drei Personenschützer aus freien Stücken gehandelt haben.«
»Und wer war es dann ?«, fragte ein Deutscher. Evas Eröffnung sorgte für Aufmerksamkeit.
»Die Naar wird durch das Arcurus Gate sehr genau überwacht. Es gibt dort keine korrelierenden Zwischenfälle. Wie Sie wissen, haben wir noch nicht alle Wächter-KIs neutralisieren können. Es gibt im Moment keine Beweise, aber ich halte einen Zusammenhang für plausibel.« Eva schaffte es, die Militärs zum Zuhören zu bewegen. Mehr war im Moment nicht zu erwarten.
»Was ist mit den Rutus?«, fragte der im Raum anwesende amerikanische Militär. Ein Colonel der Navy, Samuel Winters, Elena kannte ihn bisher nicht.
»Der Magistrat von Del'Narrow, Milena ist wütend, sie befindet sich aber auch in sicherer Entfernung und ich werde ihr sicherlich nicht den Weg in einen Krieg ermöglichen.«
»Und die Naar?«
»Unter Kontrolle.«
»Eva ... genau darin liegt die Gefahr. Die Kontrolle liegt nur in Händen sehr weniger, was ist, wenn es jemandem gelingt, die Nessaner auf dem Gate zu überwältigen?«
»Das wird nicht passieren!«
»Bitte!« Elena erhob die Stimme. »Es hilft doch niemandem, wenn wir darüber sprechen, was alles passieren könnte. Noch stehen wir auf der Seite derer, die das Steuer in den Händen halten.«
»Frau Botschafterin, vielleicht können Sie uns damit beschwichtigen, aber nicht die Menschen auf den Straßen. Die Nachricht von dem Anschlag ist bereits raus ... so eine Katastrophe lässt sich nicht unter den Teppich kehren« , erklärte der Brite, ein stämmiger Typ mit roten Haaren und Schnauzbart.
»Das weiß ich!«
»Schauen Sie vor die Tür ... die Straßen brennen. Was sollen wir den Menschen erzählen?«
»Sagen Sie die Wahrheit ... berichten Sie über unser Gespräch. Erklären Sie die Optionen und begründen Sie Ihre Entscheidung. Es liegt mir fern, zu lügen oder jemanden zu bevormunden. Ich denke, im Moment ist es auch nicht nötig, Angst davor zu haben, Panik zu schüren. Die Panik ist längst auf den Straßen angekommen.«
»Die Wahrheit ...« Der Brite rieb sich wütend die Nase. »Natürlich, die Wahrheit zu sagen, ist immer einfach.«
»Ich bekomme gerade eine neue Information, ich denke, sie ist wichtig«, warf der Amerikaner dazwischen. Über einen Knopf in seinem Ohr wurde er mit Nachrichten versorgt. Vermutlich verhinderte er mit dem Einwurf eine Eskalation.
»Bitte ...« Elena lehnte sich zurück, die Müdigkeit forderte ihren Tribut. Sie hatte mittlerweile seit über dreißig Stunden nicht mehr geschlafen, war beschossen worden und durfte sich jetzt mit diesen ordenbehangenen Ignoranten herumschlagen. Hoffentlich hatte es keine weiteren Anschläge gegeben.
»Red, die Nessanerin, die bei der Spurensicherung geholfen hat, hat auch eine umfangreiche genetische Überprüfung sämtlicher Täter und Opfer initiiert. Dafür lieferte sie uns eine umfassende und sehr detaillierte Aufschlüsselung der Genome. Das FBI hat mit den Daten eigene Abgleiche angestellt und ein Match in einer Opferdatenbank erzielt.« Jetzt hörten alle den Ausführungen des amerikanischen Colonels zu, besonders Eva.
»Vor zwölf Jahren kam es in San Francisco zu einem örtlich begrenzten, aber sehr gefährlichen Zwischenfall mit einem mutmaßlich künstlich erzeugten Virus. Dabei sind mehrere Zivilisten und FBI Agenten ums Leben gekommen. Dieser Vorfall ist nie öffentlich geworden. Ich kannte ihn selbst nicht.«
»Haben Sie weitere Details?«, fragte Eva.
»Das bemerkenswerteste Detail ist die Tatsache, dass der Virus die Persönlichkeit der Opfer beeinflusst hat. Sogar infizierte FBI-Agenten hatten ein konspiratives Verhalten an den Tag gelegt, um die Ausbreitung des Virus zu begünstigen.«
»Colonel, wo liegt die genetische Übereinstimmung? Können Sie uns Details über den Match erläutern?« Eva zeigte sich sehr interessiert. Elena verstand die Bedeutung dieser Entwicklung.
»Ich bin kein Arzt, bitte entschuldigen Sie unklare Formulierungen. Experten des FBI haben besondere Marker entdeckt, anhand derer sich die grundsätzlich unterschiedlichen Genome der Beteiligten in einen kausalen Zusammenhang bringen lassen.«
»Colonel, das sind sehr wichtige Erkenntnisse. Ist es möglich, mit den Verantwortlichen zu sprechen?« In Evas Augen entstand ein regelrechtes Leuchtfeuer. So sah neue Hoffnung aus.
»Ich denke schon.«
»Ich kann über das Gate einen Tunnel nach London einrichten lassen. Es wäre wichtig, diese Erkenntnisse sofort zu verifizieren. Wenn es uns gelingt, die Beweise des FBI in einen direkten Zusammenhang mit den Anschlägen zu bringen, sehe ich gute Chancen, die Verantwortlichen zu identifizieren.«
»Ich werde es einrichten.«
Zwei Stunden später. Elena konnte vor Müdigkeit kaum noch stehen, an Schlaf war nicht zu denken. Colonel Winters hatte in den Staaten alle Hebel in Bewegung gesetzt, um dieser Spur zu folgen. Verantwortliche des FBI befanden sich auf dem Weg zu ihnen. Wobei der Weg in diesem Fall eine Distanz von 1200 Lichtjahren ausmachte. Einmal von San Francisco nach Arcurus und wieder zurück nach London. Das dürfte die längste Dienstreise aller Zeiten sein.
»Ich wünsche allen einen guten Tag.« Eine dunkelhäutige Frau schritt aus dem offenen Tunnel. Groß, schlank, ihr schulterlanger Schopf zeigte bereits die ersten grauen Haare. Eine Professorin für angewandte Forensik, die zuvor für das FBI gearbeitet hatte. Dr. Megan Serans, 50, verheiratet, zwei Kinder, sie hatte vor zwölf Jahren die entscheidenden Marker entdeckt. Eine Wissenschaftlerin mit bester Reputation. Elena fehlte der Sachverstand, um diese Leistung zu bewerten, aber da Megan Serans sogar Eva Wissen voraushatte, musste es zweifelsfrei beachtenswert sein.
»Dr. Serans.« Elena begrüßte sie in dem mit unbewaffneten Soldaten abgesicherten Raum, in dem Ed den Tunnelzugang hatte entstehen lassen.
»Botschafterin Gutierrez, ich habe bereits in einigen sehr interessanten Artikeln über sie gelesen. Es freut mich, Sie kennenzulernen.« Serans gab Elena die Hand.
»Ich hätte es geschätzt, Sie zu einem anderen Anlass in London begrüßen zu dürfen ... dem ist leider nicht so. Ich muss ihre Dienste in Anspruch nehmen.« Elena schenkte der Spezialistin sofort reinen Wein ein.
»Der Santa-Rosa-Virus ist wieder da?«, fragte Serans
»Wir nennen ihn nicht so ... aber dazu sind Sie hier. Helfen Sie uns, die offenen Enden zu verbinden.« Elena zeigte auf die Tür. Ed hatte bereits vom Gate Ausrüstung nach London bringen lassen. Red arbeitete mehr oder weniger in einem Labor in der Botschaft und auf dem Gate gleichzeitig.
»Ich werde tun, was in meiner Macht steht.« Serans lächelte, eine sympathische Person.
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