XIX. Symbiotisch

Heilige Scheiße, was war Adam unter die Räder gekommen. Er musste pissen. Raven würde Luise und ihn töten, daran bestand kein Zweifel. Vermutlich würde Luise, gezeichnet wie sie war, bereits in den nächsten Minuten den Kampf verlieren. Eva, Ed und Elena waren bereits erledigt. Keiner konnte Raven mehr etwas entgegensetzen, auch Tre'heer Maneh war daran gescheitert. Jetzt saß der alte Delos, wie bestellt und nicht abgeholt, auf dem Boden und guckte mit starrem Blick eine Metallkugel an. Das hätte er geschickter anstellen sollen.

»Du bist ein Idiot!«

Stimmt, dachte Adam, das war er wirklich. Er hätte nie damit gerechnet, dass das miese Stück einen Weg finden würde, Eva zu besiegen. Die Göttin von Arcurus, die Ingenieurin, die Beschützerin der Erde hatte das Duell mit Raven verloren. Er hatte sie für unbesiegbar gehalten. Ein Fehler, inzwischen wusste er es besser. Jeder konnte mal daneben liegen, auch sie.

»Du bist wirklich ein Idiot!«

Bitte, die Sache mit dem Idioten hatte er zuerst für einen Gedanken gehalten, aber das war eine Stimme. Eine Stimme in seinem Kopf. Hallo, seit wann hörten Symbioten Stimmen in einem Kopf, den sie überhaupt nicht hatten? Hey, Symbioten waren höchstens die Stimmen, die andere heimsuchten.

»Ein gotterbärmlicher sogar!«

Wer bist du, fragte er sich in Gedanken. Das war jetzt schräg, vermutlich der Stress. Genau, daran war nur der Stress schuld. Welcher Mensch blieb in sicherer Erwartung seines Todes schon ruhig? Na ja, gut, er war kein Mensch. Es mochte Momente gegeben haben, wo er dem Menschsein nahekam, aber er blieb ein Symbiot. Einer, der seinem Wirt nur wegen eines Notfalls unter die Arme gegriffen hatte. Verdammt, er hätte es bleiben lassen sollen!

»Ich bin Adam!«

Klar! Ob sich die komische Viren-Lady einen dummen Spaß mit ihm erlauben wollte? Von ihr hatte er schon ewig nichts mehr gehört. Und wer bin ich, fragte er sich in Gedanken und wartete gespannt auf die nächste Antwort.

»Adam.«

Gut, wenn du dich kurz mit dir selbst unterhalten möchtest, ich werde nicht stören, dachte er. Er schüttelte den Kopf, dieser blöde Brustring hielt ihn einen halben Meter über dem Boden. Sich aus der Halterung zu befreien, war nicht möglich.

»Du Trottel verstehst es nicht, wir sind Adam. Du bist es. Ich bin es. Wir sind symbiotisch miteinander verschmolzen.« Die Stimme klang wirklich so wie er.

Ah, dachte er. Das war jetzt kompliziert. Irgendwie hörte er in seinem Kopf die ihm gut bekannte Stimme und glaubte gleichzeitig, die Worte als Gedanken zu formulieren. Das war ein wenig so, wie sich als Katze in den Schwanz zu beißen, im Kreis zu rennen und zu versuchen, sich am Arsch zu kratzen.

»Idiot! Hör auf, Zeit zu verschwenden!«

Der Idiot war er, dem wollte er nicht widersprechen. Symbioten, die glaubten, ein Mensch zu sein, hatten definitiv einen an der Waffel. Man sollte nie vergessen, aus welchem Kadaver man geschlüpft war. Und warum Zeit verschwenden? Hey, er war der geprügelte Hund in der Manege! Es war schließlich nicht so, als ob er noch mehr machen könnte, als dumm aus der Wäsche zu gucken. Die Delos hatten ihn an die Wand genagelt, na ja, in diesen blöden Ring gehängt. Das kam in seiner Situation auf dasselbe heraus.

»Heilige Scheiße, denk nach!«

Das war sein Spruch. Langsam kam ihm der Gedanke, dass er selbst Urheber dieser Stimme war, die ihm gerade in seinen Symbioten-Arsch trat. Sozusagen eine klassische autodepressive, schizophrene Selbstmotivation.

»Erinnere dich! Erinnere dich an den Tag, bevor du auf der Raumstation Raven erledigen wolltest. Dich hat eine Frau geküsst. Du wolltest es nicht, aber sie hat es aus Begeisterung über diese Veranstaltung dennoch getan. Luise hat sich darüber geärgert.«

Klar, das wusste er noch. Blöde Sache, Luise hatte ihm das wirklich übel genommen. Sie hatte ihm nicht glauben wollen, diese Frau nicht zu kennen.

»Sie hat dich mit dem Santa-Rosa Virus infiziert. Der Symbiot hat gegen die Infektion gekämpft und den Virus besiegt. Leider nicht, ohne dabei selbst etwas abzubekommen. Auch du warst nicht mehr derselbe. Der Symbiot hat dich quasi neu gestartet und sich dabei vollständig mit dir verbunden. Dadurch konnte sich unser gemeinsames Bewusstsein erholen. Du bist Adam! Du bist der Symbiot! Ich bin nur ein Gedanke, der dir hilft, es zu verstehen. Ich konnte mich erst mit Abschluss unserer Regeneration bilden.«

Ah, ja. Wow. Adam sah zu Raven, die weiterhin zu ihren Homies sprach. Die drehten alle bereits richtig am Rad, dabei hatte die Party auf der Naar gerade erst begonnen. Gleich würden die vermutlich anfangen, mit seinen Klöten Boccia zu spielen.

»Ich bin Adam«, sagte er und fing an, hysterisch zu lachen. »ICH BIN ADAM!«

Er lachte.

Die Delos, die er sah, taten es nicht. Die sahen ihn nur verständnislos an. Das durften sie gerne. Drauf geschissen, er lachte lauter. So laut er konnte.

»ICH. BIN. ADAM!«, brüllte er wie von Sinnen und schüttelte seinen Kopf. Was andere von ihm dachten, interessierte ihn nicht. Die ganzen Wichser auf der Naar gingen ihm ohnehin am Arsch vorbei. Er wusste wieder, wer er war. Nur das zählte. Er war Adam. Ja, das gefiel ihm mehr denn je.

Um ihn herum wurde es deutlich ruhiger. Eva alias Raven kam langsam auf ihn zu, sein krankes Lachen konnte sie offenbar nicht ignorieren. Sie sah ihn nur mitleidig an. Wie sollte diese Krähe auch verstehen, was ihn bewegte?

»Hallo Raven!« Adam war wieder da. Natürlich hatte er keine Ahnung, wie er aus dieser Nummer herauskommen sollte. Egal, das hatte ihn in London auch nicht gestört. Dort war er ebenfalls einige Male arg in der Klemme gewesen. Auch im Kampf gegen die Wächter-KIs waren seine Schritte selten geplant gewesen. Er hatte immer nur gemacht, was ihm gerade in den Sinn kam. Was opportun war, was ging, getan, was sich ihm angeboten hatte. Ohne an die Konsequenzen zu denken. Scheiße, wer sich ständig nur über den nächsten Tag den Kopf zerbrach, würde niemals sein Glück finden.

»Was ist nur bei dir schiefgelaufen?«, fragte sie und sah ihn voller Abscheu an.

»Alles!« Adam hatte nie vorgehabt, als Sexiest-Man-Alive auf der Titelseite des People Magazine zu landen. Da war unter 1,70 Meter kaum etwas zu machen.

»Töte ihn! Töte ihn!«, skandierte das Publikum lautstark, die wollten Blut sehen. Sein Blut, die letzten Sekunden seines Lebens dürften gerade begonnen haben.

»Du hörst, was mit dir geschehen wird ...«

»Ja?«

»Oh ja!«

»Hast du Angst vor mir?« Adam wollte sie provozieren. Im eine-Frau-zur-Weißglut-bringen war er Experte.

»Mach dich nicht lächerlich.« Noch wiegelte Raven ab, aber die Richtung stimmte bereits.

»Hast du so große Angst vor mir, dass du dich nur traust, mich in diesem Ring zur Schau zu stellen?«

Raven lächelte verkniffen, Adams Provokation hatte ihr Ziel gefunden. Mit Worten, die sich wie Gift in ihrer Eitelkeit ausbreiteten. Die Delos in dieser hässlichen Bahnhofshalle johlten weiter, die wollten offenbar seinen Skalp.

»Hey, ich bin so gefährlich ... ich könnte euch alle mit Blitzen aus meinem Arsch vernichten!« Adam setzte noch einen drauf. Luise, die sich neben ihm befand, ging es schlecht. Fuck, er wusste noch nicht einmal, ob sie überhaupt noch lebte. Mit Zorro, Buck Rogers oder den Avengers konnte er nicht rechnen. So ein Hulk in der Hosentasche wäre jetzt echt cool gewesen.

»Lass ihn frei! Wir werden ihn für dich in Stücke reißen!«, rief ein Delos, der nur wenige Meter vor Raven, Luise und Adam stand. Ansonsten hätte ihn bei dem Krach ohnehin niemand verstehen können. Die Halle hinter ihm tobte.

Raven hob die Hand, die Menge beruhigte sich. »Ihr wollt ihn haben? Ihr wollt ihn töten?«

»Wir töten ihn! Wir töten ihn!« Die Helden auf der Naar hatten Blut geleckt, die wollten ihn fertigmachen.

»IHR SOLLT IHN BEKOMMEN!« Mit einem Handstreich öffnete sich Adams Brustring. Perfekt, genau das hatte er von ihr gewollt. Er fiel, er landete und schaffte es eben noch, nicht auf die Fresse zu fallen. Na ja, von einer Superheldenlandung war das weit entfernt, aber er stand auf seinen wackeligen Beinen. Der amerikanische Kanisterschädel hatte ihn in der Botschaft, mit den Füßen unter der Decke hängend, wie einen Sandsack bearbeitet. Bei dem einseitigen Kampf waren mindestens drei seiner Rippen zu Bruch gegangen.

»Yeah!« Adam sah sich um, jetzt eine gute Idee zu haben, wäre wirklich nützlich gewesen. Sonst würde ihm seine neugewonnene Freiheit nicht viel Glück bringen. Er fühlte sich wie Will Smith in I am Legend inmitten dieser schlecht animierten Vampir-Zombie-Verschnitte, die ihn zum Frühstück verspeisen wollten. Dumm nur, dass er gut zwei Köpfe kleiner als Will Smith war, definitiv blasser, und diese verfickten Delos echt waren. Im Film hatte der Held in höchster Not eine Handgranate in seinem Keller gezündet. In Filmen klappte so etwas, in der Realität hatte man leider selten eine passende Granate zur Hand.

Er sah zu Tre’heer Maneh, der hatte eine Granate, sogar genau die richtige. Nur, wie sollte er dort hinkommen? Drauf geschissen, er rannte einfach los. Okay, er humpelte schnell, rennen konnte man das nicht mehr nennen.

»Adam, wo willst du hin?«, fragte Raven, die ihm mit verschränkten Armen amüsiert zusah.

»Einen Moment ...« Adam gab dem ersten Delos einen beherzten Bodycheck, einer Frau, die konnte er noch aus dem Weg räumen. Dann standen da aber zwei riesige Kerle, nein, es waren drei, an denen er kläglich hängen blieb. Für seinen Plan hätte er einige Kilogramm mehr auf den Rippen haben müssen. So fehlte ihm schlicht die notwendige Durchschlagskraft.

»Hast du wirklich geglaubt, du würdest an die EMP-Granate kommen?«, fragte Raven, die Menge johlte. Die, die sich in seiner Nähe befanden, schlugen und traten ihn. Fuck, genau auf die gebrochene Rippe. Er schrie, er kämpfte, er bekam auf die Fresse. Ein guter Plan half nicht, wenn man ihn nicht umsetzen konnte. Im nächsten Moment wurde er von zwei Delos wieder genau an die Stelle zurückgeschleudert, an der er angefangen hatte.

Plan B, er hatte keinen, könnte aber einen gebrauchen. Er bemühte sich, wieder auf die Füße zu kommen, was ihm sogar gelang. Bisher hatten die ihm noch nicht die Beine gebrochen. Gut, darauf sollte er sich nicht verlassen, das könnte noch kommen.

»Wir töten ihn! Wir töten ihn!« Sein Fanclub brachte sich weiterhin in Stimmung.

»Adam, gib auf!«, forderte Raven ihn auf. Sie legte es darauf an, ihn zu brechen.

»Einen Moment ...« Er hob die Hand, er hatte damit zu kämpfen, nicht aus den Latschen zu kippen. Bei dem Infight hatte er sich auch einige Kopftreffer eingefangen. Er glaubte, an der Schläfe zu bluten. Mit der Hand berührte er die Wunde, sie schmerzte, aber der anschließende Blick auf seine Hand offenbarte kein Blut. Noch nicht einmal Schweiß. Seine Haut fühlte sich furztrocken an. Scheiße, an dem Deo, das er benutzte, lag es nicht.

»Wartet, er möchte etwas sagen!« Raven verschaffte ihm eine kurze Atempause. Die nutzte er gerne. Es gab keine Ecke an seinem Körper, die ihm gerade nicht wehtat. »Ich würde gerne ... ein paar Worte an euch ... richten«, presste er mühselig hervor. Das mit dem Reden mit mehreren gebrochenen Rippen und einer Gehirnerschütterung ging nicht so leicht von der Hand.

»Möchtest du um dein Leben betteln?« Was Raven immer hatte, warum wollte sie ihn kriechen sehen? Wenn er die Chance hätte, der Bitch ans Bein zu pissen, würde er keine Sekunde damit warten. Nur Idioten ließen ihre Gegner tanzen. Na ja, oder wenn man eben den Gegner auf ganzer Linie besiegt hatte.

»Ganz kurz ...« Adam atmete, ignorierte die Schmerzen und richtete sich auf. Hatte seine kleine schwarze Symbiotenseele nicht davon geträumt, mal so richtig die Sau herauszulassen? Oh, am besten mit Red, Po, Luise und Ed in einem Bett. Scheiße, diesen Traum konnte er sich von der Backe putzen.

»Was sagt er?«, rief ein Delos. Adam redete nicht laut genug, damit ihn alle verstehen konnten.

»Adam ist ein Mensch. Er ist schwach ... wir müssen ihm Zeit geben, um besser ...« Während Raven sprach und ihm währenddessen den Rücken zudrehte, humpelte er auf sie zu. Er richtete sein Fadenkreuz auf Evas göttlichen Hintern, bei der er sich aus Ehrfurcht noch nicht einmal in seinen Träumen getraut hätte, an Sex zu denken. Keine Chance, das ging nicht. »Was machst du da?«

»Nur eine Sekunde ...« Adam stand genau hinter ihr, machte sich seine Hose auf, holte sein grünes Ding heraus und pisste Raven ans Bein. Das tat gut.

Ein Aufschrei ging durch die Reihen, verständlich, das stank widerlich. Adam war sich sicher, deswegen Nasenkrebs zu kriegen, aber er pisste weiter.

Raven sagte dazu wenig. Adam justierte nach und pisste ihr auch auf den Hintern, an den Rücken, über den Bauch und mit etwas Nachdruck in den Nacken. Der Avatar löste sich binnen Sekunden in genau die grünen Sporen auf, die Adam seit dem Besuch auf Zenit122 im Körper hatte. Irgendwie hatte er in dem Stress diese Tatsache komplett vergessen gehabt.

Spitze Schreie erklangen, Adams kleine grüne Pfütze entwickelte in der Bahnhofshalle eine ungeheuerliche Dynamik. Die Delos in der ersten Reihe versuchten zu flüchten, was ihnen aber aufgrund der großen Menge hinter ihnen nicht sehr schnell gelang. Die meisten hatten offenbar die jüngste Entwicklung noch nicht wahrgenommen. Okay, riechen konnte es jeder, aber der Gestank brachte niemanden um. Die grünen Sporen taten es sehr wohl. Zudem in einem Tempo, mit dem diese Graubacken nicht mithalten konnten. Jedes weitere Opfer vergrößerte die Menge an aktiven Sporen, weshalb die Zerstörung auf der Naar immer größere Ausmaße annahm.

»Heilige Scheiße!« Adam war fertig, noch zweimal kurz abschütteln, dann packte er seinen kleinen Hulk wieder ein. Ha, sein Ding war zwar nicht so stark, dafür aber so grün. Von Ravens Avatar war nichts mehr übrig. Das grüne Sporenzeug hatte die Schlampe komplett zerlegt. War aber deswegen auch ihre KI hinüber? Vermutlich nicht, dafür waren Wächter-KIs zu fix.

Delos schrien, Delos rannten, Delos zerkrümelte es in dieses grüne Sporenzeug. Von denen hatte niemand mehr Lust, sich mit ihm zu prügeln oder ihm lautstark mit dem Tode zu drohen. Adam sah zu Luise, die leblos in ihrem Haltering hing. Ob sie noch lebte? Er wusste es nicht. Verdammt, sie zu verlieren, brach ihm das Herz. Liebte er sie? Der Symbiot in ihm hatte sich immer dagegen gewehrt, aber ja, er tat es. Er liebte Luise. Sie war die Einzige, die mehr als eine kleine, windige Ratte in ihm gesehen hatte.

»Luise, ich bringe das hier nur kurz zu Ende.« Eine Sache wollte er noch erledigen, dann würde er sich um sie kümmern. Er humpelte auf Tre'heer Maneh zu, der leblos auf einer Erhöhung saß, die seinen Körper noch vor den Sporen beschützte. Das grüne Zeug bedeckte knöcheltief den ganzen tiefer gelegenen Boden. Die Stiefel, die Adam trug, lösten sich bereits nach wenigen Schritten in Wohlgefallen auf. Seine Kleidung tat es ebenso. Nur die energetische Hautschicht, die Ed ihm gegeben hatte, hielt dem verfluchten Zeug stand.

»Für Eva!« Adam war bei ihrem Vater angekommen, bückte sich und nahm die Metallkugel auf. Sie war handwarm. In der Halle lebte inzwischen kaum noch jemand. Die Sporen machten ganze Arbeit. Die Decke, es hätte auch der Boden sein können, knarrte bedenklich. Adam ging davon aus, dass das Schiff weder aus Granit noch aus reiner Energie bestand. Alles andere zog im Kampf gegen die Sporen den Kürzeren. Der Pott würde in Kürze auseinanderbrechen.

Über ihm pfiff es, ein schriller und lauter Ton, der Adam zusammenschrecken ließ. Zahlreiche Drohnen, fliegende Roboter, drangen in die Halle ein und versuchten, die Sporenverseuchung einzudämmen. Verständlich, die Delos waren schließlich nicht völlig bescheuert. Genauso wie Ed vor der Pyramide auf Zenit122 schnell realisierte, wie man die Ausbreitung beenden konnte, so würden auch die Delos einen Weg finden, die Naar zu retten.

Adam fummelte an der Metallkugel herum und suchte einen passenden Schalter. Er drückte, drehte, zog und rieb, ohne irgendeine Reaktion zu erreichen.

»Dafür wirst du bezahlen!«, rief Raven über einen Lautsprecher. Das war zu erwarten gewesen. Wenn Frauen sein Ding sahen, blieben sie selten sprachlos.

»Können wir darüber sprechen ...« Adam probierte es weiter, irgendwie musste das doch funktionieren. Er konnte doch nicht so blöd sein, eine Granate nicht zünden zu können.

»Ich werde dich töten!« Eine Drohung, die Adam in der aktuellen Lage durchaus ernst nahm. Raven hörte sich so richtig angepisst an. Er schmunzelte, der war gut.

»Ich hätte da noch eine Frage ...« Cool, jetzt öffnete sich die blöde Metallkugel. Was für eine trickreiche Apparatur. Er hatte die Kugel nach allen Regeln der Kunst befingert und keine Ahnung mehr, was er alles gemacht hatte. Die Kugel piepte, blinkte und gab einen roten Edelstein frei. War das wirklich ein Edelstein? Vermutlich nicht, egal, er fummelte weiter. Wenn man Kindern eine Waffe in die Hand drückte, wussten die auch nicht, wie eine Wumme funktionierte, dennoch würde es früher oder später knallen.

»Du elender Mensch!« Raven klang jetzt so richtig sauer, fast so wie seine Ex mit dem Dackel. Nein, er sollte das lassen, der Dackel konnte nichts dafür.

Aus der Decke lösten sich weitere Drohnen, größere Systeme, die diesmal direkt auf ihn zuhielten. Egal, was mit der Metallkugel noch ging, es sollte jetzt passieren. Zischende Geräusche schossen an seinen Ohren vorbei, die Drohnen ballerten auf ihn.

»Ich wollte nur von dir wissen, was passiert, wenn ich diesen Knopf ganz tief eindrücke?«

Gesagt, getan, es wurde dunkel. So richtig dunkel. Also ungefähr so dunkel wie in einem Bärenarsch. Oh ja, das mit dem EMP hatte funktioniert. In einiger Entfernung hörte Adam Drohnen im Boden einschlagen. Die Dreckskisten funktionierten also auch nicht mehr. Perfekt! Die grünen Sporen würden sich gleich um die Abfallbeseitigung kümmern. Zum Glück hielt Raven die Klappe, ob es sie endlich erwischt hatte?

»Raven?«

Keine Antwort.

»Hat es dich vielleicht gerade zerrissen?« Die Vorstellung gefiel ihm sehr gut.

Sie antwortete nicht.

»Sag doch etwas ...« Adam hob die Augenbrauen, zuckte mit den Schultern und warf die Metallkugel auf den Boden. Die brauchte er nicht mehr.

»Na gut ... ich denke, wir werden uns nicht mehr sprechen.« Adam machte sich daran, zu Luise zurück zu humpeln. Der EMP hatte zwar jegliche Strom- und Lichtquelle zerstört, aber ihm reichte die zarte Sporenbeleuchtung, um den Weg zurückzufinden. Die lemorianischen Augen waren schon praktisch.

»Luise!« Auch sie hing nicht mehr in der Haltevorrichtung, die der EMP natürlich ebenfalls gehimmelt hatte. Ihr schlanker Körper ragte aus den grünen Sporen empor.

»Ich komme zu dir.« Mit jedem weiteren Schritt wurde Adam klarer, dass sie die Naar höchstwahrscheinlich nicht mehr lebendig verlassen würden. Die Sporen würden das ganze Schiff zerstören. Mit dem EMP hatte er den Delos auch sämtliche Möglichkeiten genommen, die Verseuchung aufzuhalten.

»Hallo mein Schatz!« Sie lag vor ihm, ihr gesamter Körper leuchtete. In diesem Licht sah das wunderschön aus. Wie er war sie nackt. Der EMP hatte auch ihre energetische Haut zerstört. Und wie zuvor widerstanden ihre Körper den Sporen.

»Ich bin bei dir.« Adam legte sich an ihren Rücken und zog sie zu sich heran. Seine Hand legte er schützend auf ihren Bauch. Da war ihr Herz, er konnte ihr Herz schlagen spüren. Er biss sich auf die Lippe und schloss die Augen.

Er wusste nicht, wann dieser Teil der Naar zerbrechen würde. Das Raumschiff war riesig, weswegen die Sporen auch eine Weile brauchten, um tragende Elemente zu zerstören. Es war nicht die Frage ob, sondern nur, wann es passieren würde. Noch gab es Luft zum Atmen und Wärme.

In diesem Moment setzte die künstliche Gravitation aus. Luise und Adam verloren den Kontakt zum Boden. Alles um sie herum war grün. Alles leuchtete, so als ob sie ein lebendiger Teil der Sporen wären, die sie in einer schwerelosen Wolke umgaben.

Mit dem Ausfall der Schwerkraft dürften sich die Sporen noch schneller verteilen. Überall um sie herum knarrte es. Es fing auch an, zu zischen. Das war ein Druckverlust, die Hülle der Naar konnte sie nicht länger vor den Gefahren des Alls beschützen.

»Spürst du mich?« Adam küsste Luises Schulter, sie antwortete nicht. Dennoch fühlte er sich gut. So zu sterben, war in Ordnung. Klar, unter einem Baum wäre es schöner gewesen, aber man konnte nicht alles haben. Sein toter Körper würde leider keine symbiotischen Nachkommen ernähren. Dieses Geschenk hätte Adam seinem Freund gerne gemacht. Jetzt würde er in Kürze erfrieren. Bei Temperaturen jenseits minus 200 Grad Celsius würde es schnell gehen.

 

***