Kirk, Spock, Chekov und McCoy materialisierten inmitten der verwüsteten Kolonie und gerieten – so sah es aus – mitten in eine gewaltige Auseinandersetzung hinein.
Das zweite, was Kirk auffiel, war der Brandgeruch. Er wandte sich langsam um und begutachtete den Tatort auf Alpha Xaridia II.
Im Moment brannte nichts mehr. Aber in der Luft hing eine allgegenwärtige Schwärze, ein Leichenhausgeruch, der sich noch nicht verflüchtigt hatte. Kirk brauchte einen Augenblick, um sich klarzumachen, dass der Geruch teilweise auf die Tatsache zurückzuführen war, dass die Angreifer Kraftwerke getroffen hatten. Der daraus resultierende Großbrand hatte die Luft so übelriechend gemacht, dass der Gestank noch blieb, obwohl die Brände längst gelöscht waren. Er vermischte sich mit dem zum Würgen animierenden Geruch verbrannten Menschenfleisches.
Kirk schaute McCoy an. Der Arzt hatte mehr als ein Bild der Verwüstung gesehen, doch es war ihm, wie jedem perfekten Mediziner, gelungen, die Sache irgendwie gelassen zu sehen. McCoy liebte die Menschen und das Leben freilich derart, dass dieser Anblick trotzdem ein innerer Kampf für ihn war.
Spock zeigte natürlich keine Reaktion. Kirk registrierte, dass Chekov am meisten ergriffen wirkte. Was zu erwarten gewesen war. Er gab keinen Kommentar ab, sondern sagte nur: »Mr. Chekov … bleiben Sie bei Mr. Spock. Sehen Sie mal nach, ob Sie etwas in den Ruinen finden.«
Spock nickte. Er aktivierte seinen Tricorder und ging ohne ein weiteres Wort auf eine Sektion der Ruinen zu, um die Untersuchung zu beginnen. Chekov gesellte sich zu ihm und machte sich dann, auf Spocks Befehl hin, daran, einen anderen Teil der Trümmer näher in Augenschein zu nehmen.
An Ruinen herrschte kein Mangel. Es gab hier eigentlich nichts anderes. Überall sah man brandgeschwärzte, eingestürzte Gebäude und zerschmetterte Fahrzeuge. Rechts von Kirk hatte ein Schild überlebt, auf dem BOTANISCHER GARTEN stand. Jemand hatte eine kleine, selbstgemachte, aus blauem Papier ausgeschnittene Urkunde an das Schild gehängt. Darauf stand in kindlicher Handschrift »1. Preis«. Kirk fragte sich, welche Bewandtnis es mit der Urkunde hatte und wie der Garten ausgesehen hatte, der ein Kind dazu inspiriert hatte, das Schriftstück dort aufzuhängen. Von dem Garten war außer den Stümpfen einiger Bäume, die sich früher vielleicht dreißig Meter in die Höhe geschraubt hatten, nichts übriggeblieben. Wohin man auch schaute, der Blick fiel auf verkohltes Holz und versengten Boden. Seitlich befanden sich die Überreste eines Busches, der wahrscheinlich alles war, was von einer üppigen Pflanzenwelt überlebt hatte. Kirk wusste nicht, wie er in der Blüte ausgesehen hatte.
Einige Gebäude waren abgerissen worden. Momentan errichtete man gerade mehrere Neubauten. Aber die Arbeit war noch weit davon entfernt, beendet zu sein.
Der laute Streit ging weiter, und Kirk erkannte, dass es sich um eine Art Bürgerversammlung handelte. Er schaute McCoy an und deutete mit dem Kopf in die betreffende Richtung. McCoy zögerte. »Weiß denn keiner, dass wir kommen?«, fragte er. Der Schiffsarzt der Enterprise war daran gewöhnt, dass man sie nach der Landung auf einem Planeten irgendwie in Empfang nahm. Dass man ihn zugunsten einer lauten und ungestümen Auseinandersetzung ignorierte, war eine neue Erfahrung für ihn.
»Wir haben Bescheid gegeben«, sagte Kirk. »Der Administrator – ein Bursche namens Jeff Gelb – hat nur gesagt: ›Kommen Sie, wenn Sie wollen. Aber wir haben zu tun. Erwarten Sie nicht, dass wir Zeit für Sie haben.‹«
»Sieht so aus, als hätte er es ernst gemeint.«
Sie näherten sich dem Rand der Versammlung. Etwa zwanzig Menschen waren dort zusammengekommen. Alle schrien durcheinander. Ein Mann bat um Ruhe, aber erfolglos. Kirk fiel auf, dass er hager war und gequält wirkte und einen zerzausten braunen Bart hatte.
Kirk und McCoy tauschten einen Blick. Dann füllte Kirk seine Lunge mit Luft, setzte seine Kommandostimme ein und brüllte: »Ruhe!«
Ob es am abrupten Eindringen einer fremden Stimme oder der Autorität lag, die Kirk ausstrahlte – oder einfach daran, dass er lauter brüllte als die anderen … Es klappte. Das Geschrei erstarb auf der Stelle und wurde, als die Kolonisten die Quelle der Störung suchten und fanden, durch ein ziemlich leises, verwundertes Stimmengewirr ersetzt.
Der Bärtige musterte Kirk irgendwie mit widerwilliger Dankbarkeit. »Captain Kirk?«
»Mr. Gelb?«, erwiderte Kirk.
Gelb nickte eifrig.
»Dies ist Leonard McCoy, unser Schiffsarzt. Eins nach dem anderen … Brauchen Sie medizinische Hilfe?«
»Uns fehlt nur eins«, schrie jemand aus der Menge. »Eine Flotte, die nicht erst kommt, nachdem man uns hier zusammengeschossen hat!«
Kirk warf nicht einmal einen Blick in die Richtung des Protestlers. Er wusste, dass es in solchen Situationen wichtig war, sich mit dem anerkannten Führer der Gruppe auseinanderzusetzen. Sonst konnte die Sache nur noch mehr aus dem Ruder laufen. »Mr. Gelb«, sagte er noch einmal, »brauchen Sie medizinische Hilfe?«
»Nein, Captain«, sagte Gelb. Er stand auf einem kleinen Schutthaufen, von dem er nun herabstieg. »Wir haben die, die behandelt werden mussten, behandelt, und den Rest begraben. Und obwohl ich es nicht so rüde ausgedrückt hätte …« – er dehnte das vorletzte Wort und hielt einen Moment inne, bevor er weitersprach –, »können wir die Hilfe der Flotte wahrlich brauchen.«
»Wir wollen nur weg von hier«, schrie jemand, »und dieses System verlassen!«
»Hier ist unser Zuhause!«, erwiderte ein anderer. »Wollen wir uns etwa von Terroristen aus unserem Zuhause vertreiben lassen?«
»Dies ist kein Zuhause! Es ist nur eine ausgebrannte Hülle!«
»Wir können alles wieder aufbauen!«
»Sicherheit gibt es nirgendwo.«
Den letzten Satz hatte kein Kolonist gesprochen, sondern Kirk. »Es gibt nirgendwo Sicherheit«, wiederholte er, diesmal zwar leiser, aber nicht mit weniger Überzeugung.
Ein Kolonist – ein untersetzter, streitlustig wirkender Mann – trat vor. »Dafür soll gefälligst die Flotte sorgen!«, sagte er.
»Die Flotte kann das Leben zwar sicherer machen«, sagte Kirk. »Aber Leben bedeutet, jeden Tag ein Risiko einzugehen. Wenn Sie absolute Sicherheit wollen, steigen Sie in eine Verdummungskapsel und verbringen Sie das Leben abseits der Menschheit. Aber selbst dann kann ein Haus über Ihnen einstürzen oder ein Erdbeben Sie verschlucken. Ein Blutstau könnte Sie auf der Stelle tot umfallen lassen, ohne Vorwarnung, zu jeder Zeit. Das einzige, was im Leben sicher ist, ist der Tod.«
Die Kolonisten schauten sich verwirrt an. Gelb räusperte sich. »Captain … Sollen Ihre Worte etwa dazu dienen, dass wir uns sicherer fühlen?«
»Ich wollte Sie nur wissen lassen, dass Kolonisten zu den härtesten und trotzigsten Burschen überhaupt gehören«, sagte Kirk. »Sie sind ein Menschentyp, der nicht nur keine Angst vor dem Leben hat, sondern auch bereit ist, es direkt anzugehen, und sich jeder Herausforderung stellt, die ihm den Weg verbaut.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann deutete der Untersetzte auf die verwüstete Ansiedlung. »Wir haben's hier nicht mit irgendwelchen Schwierigkeiten zu tun«, sagte er. »Wir haben es mit kaltblütigem Mord zu tun. Sie sind hier reingeflogen und haben alle umgebracht. Frauen, Kinder – alle sind schreiend gestorben. Die Arbeit von Jahren – in Sekunden vernichtet. Und ich möchte nur eins wissen: Was, zum Henker, gedenken Sie dagegen zu tun?«
Kirk schaute in die ihn umgebenden Gesichter. Sie waren verärgert, ängstlich und gern bereit zu glauben, dass man ihnen helfen wollte, aber sie hatten Angst vor dem, was ihnen sonst noch passieren konnte. Sie hatten die Herausforderung furchtlos angenommen, die ein fremder Planet ihnen stellte, aber die Verwüstungen, die mutwillige und mörderische Gewalt …
Kirks Kinnmuskeln zuckten. Sein Blick verengte sich. Als er die Kolonisten wieder anschaute, war ein wütendes Feuer in seinen Augen.
»Wir nageln diese Schweinehunde an die Wand«, sagte er.
McCoy blinzelte überrascht, sagte aber nichts.
»Wir zählen auf Sie, Captain«, sagte Gelb nach einem langen, schweigenden Augenblick.
Kirk nickte, dann wandte er sich um und ging zu Spock hinüber. McCoy folgte ihm auf dem Fuße. Als Kirk schneller ging, sagte er ziemlich leise: »Das waren große Worte, Jim. Aber wir können nicht überall sein. Wenn die Angreifer wieder hier auftauchen, während wir anderswo sind, werden die Kolonisten …«
»… mich beim Sterben verfluchen«, sagte Kirk. Er schaute McCoy an. »Wir kriegen sie, Pille. Diese Brutalität wird sich nicht wiederholen. Ich lasse es nicht zu. Ich lasse es einfach nicht zu.«
McCoy sagte nichts. Er hatte irgendwie das Gefühl, dass es besser war, nichts zu sagen.
Spock beugte sich über ein stark verkohltes Gebiet, studierte die Tricorderanzeige und nahm Feinabstimmungen vor. Kirk tauchte hinter ihm auf. »Neuigkeiten, Mr. Spock?«
Falls Spock die Ironie in der Stimme des Captains hörte, ließ er sich nichts anmerken. »Eigenartig, Captain. Die provisorischen Tricordermessungen zeigen eine atypische Reststrahlung an.« Er stand auf und glättete sein Hemd. »Es ist eine Waffentechnik, die unsere Wissenschaft nicht kennt.«
»Wie wird sie sich unseren Abwehrschirmen gegenüber verhalten?«
»Das kann ich im Moment noch nicht sagen. Rechnen Sie mit einem Kampf, Captain?«
Kirk schaute Spock kühl an.
»Und ob«, sagte er.
Chekov pirschte durch ein ausgebranntes Koloniegebäude und suchte es mit einem Tricorder ab. Die Luft war dick von Rauch und Staub. Eine Reihe kleiner Feuer speiste den schwarzen Dunst, der den Himmel verdeckte. Er trat an einen Schrank heran, da der Tricorder etwas Ungewöhnliches anzeigte, dann blieb er urplötzlich stehen. Chekov bückte sich, packte den Griff der Schranktür und riss diese auf.
Trotz der Tricorderanzeige, die ihm einen Wink gegeben hatte, war er erschrocken, einen Jungen im Inneren des Schrankes zu finden – einen Jungen, der darin Zuflucht gesucht hatte. Die Grimasse, zu der sich sein Gesicht verzerrt hatte, sagte Chekov, dass er erstickt war.
Chekov holte stoßweise Luft, dann hob er den Jungen aus seinem Versteck heraus. Nachdem er ihn vorsichtig auf dem Boden ausgestreckt hatte, wandte er sich von ihm ab und verbiss sich die Tränen.
Verdammt. All diese Zerstörungen, all diese Verschwendung. Ohne dass er es wollte, strömten die Bilder der Vernichtung von den anderen Kolonialplaneten auf ihn ein. Er schüttelte den Kopf.
Seine Ausbildung hatte ihn nicht auf solche Dinge vorbereitet. Eigentlich waren die einzigen Verwüstungen, die er je gesehen hatte, die aus dem Geschichtsunterricht über den alten Krieg zwischen der Föderation und den Romulanern und die der russischen Revolution von 1917 gewesen. Er hätte sich nie träumen lassen, dass sie einst Bestandteil seiner Flottenerfahrungen sein würden.
Er hatte zu den Sternen reisen wollen. Und nun hatte er die Kehrseite der Medaille gesehen. Chekov ging vorsichtig über den Schutt hinweg, aber er konnte nicht anders, er musste dem Jungen einen Blick zuwerfen.
Menschen waren nicht dazu bestimmt, von Lebewesen in die Luft gesprengt zu werden, die aus dem All kamen – solche Geschichten hatte es früher nur auf der Erde gegeben. Wer war schon darauf aus, so schreckliche Erzählungen Wirklichkeit werden zu lassen? Ein Teil seines Ichs hätte am liebsten zum Phaser gegriffen – damit er sich sicher fühlen konnte, dass ihm nicht das gleiche geschah.
Doch er hob den Tricorder und zwang sich, den Sensor so einzustellen, damit er weitere Beispiele der Strahlung finden konnte, die Spock zuvor entdeckt hatte. Die wichtigsten Funde sollten gesammelt und zur Enterprise hinaufgebeamt werden. Sie sollten einer forensischen Untersuchung dienen. Seine Finger, glatt vom Schweiß, rutschten zweimal ab, bevor er die Einstellungen endlich richtig hinbekam.
Chekov bückte sich und schwenkte den Tricorder vor einer ausgebrannten grauen Straßenlaterne hin und her. Die Messung war für seine Zwecke zu niedrig. Gut, dachte er. Also muss ich mich konzentrieren. Chekov liebte Rätsel, und solche Arbeit war gut für ihn. Sie richtete sein Interesse auf die Einzelheiten, bis sie ein Gesamtbild ergaben.
Er ging einige Meter weiter und bückte sich erneut. Diesmal richtete er den Tricorder auf ein kleines Lagerhaus. Die Strahlung und die spektrografische Anzeige befanden sich innerhalb der Vorgaben Spocks. Die Strahlungsquelle war ein kleiner tragbarer Computer, der sich offenbar in der Nähe eines direkten Treffers befunden hatte. Vielleicht ist sein Speicher noch intakt, dachte Chekov.
Der Fähnrich kniete sich hin, um das Gerät eingehender zu betrachten, und dachte dabei über die Lebewesen nach, die so tief im Machtbereich der Föderation eine ganze Bevölkerung abgeschlachtet hatten. Sie mussten sich doch klargemacht haben, dass ihre Tat die Flotte auf den Plan rief. Was hatten sie zu gewinnen gehofft? Bislang hatte noch niemand eine Theorie, nicht mal Captain Kirk.
Leider war der Speicher des Computers gelöscht. Chekov stand wieder auf und kehrte zum Sammelplatz zurück.
Als er zwischen den geschwärzten Ruinen herging, dachte er ein paar Monate zurück – an sein Examen an der Starfleet-Akademie. Da er sich in fast allen Fächern bestens bewährt hatte, war es keine Frage gewesen, dass er einen Platz auf einem Raumschiff finden würde. Aber er hatte nicht gewusst, auf welchem.
Zwar hätte es ihn mit Stolz erfüllt, wenn man ihn auf irgendeins der neuen Schiffe der Constitution-Klasse versetzt hätte, aber die Enterprise war natürlich seine erste Wahl gewesen. Sie hatte einen einmaligen Ruf, begründet durch den heroischen Captain Christopher Pike und den legendären Captain Robert April.
Doch weit beeindruckender war – zumindest für ihn – der momentane Captain des Schiffes: James T. Kirk. Commodore Decker von der Constellation und Bob Wesley von der Lexington waren ältere Männer, deren Akten von großartigen Fähigkeiten sprachen, aber der junge Captain James T. Kirk hatte Chekovs Phantasie auf Trab gebracht.
Kirk hatte mit seinen vierunddreißig Lebensjahren mehr gesehen und getan, als Chekov sich hätte träumen lassen. Er hatte geholfen, den Friedensvertrag von Organia abzufassen und sich mit den Romulanern eingelassen, ohne dass ihm dabei ein Haar gekrümmt worden war.
Die Enterprise hatte als erste mit der sogenannten Ersten Föderation Kontakt aufgenommen und war als erste den bis dahin unbekannten Gorn begegnet, die in der Nähe dieses Systems lebten. Jede Menge Abenteuer. Und wie sicher Chekov sich doch gewesen war, dass er daran teilhaben wollte.
Doch nun nagten Zweifel in seinem Hinterkopf. War er wirklich der richtige Mann für dieses Schiff? Er wusste nicht mehr genau, ob er das hatte, was man brauchte, um unter Captain Kirk zu dienen.
Chekov erinnerte sich recht lebhaft daran, dass er das Schiff während seiner ersten Brückenschicht beinahe in die falsche Richtung navigiert hätte. Sulu hatte ihm geholfen, den Irrtum zu verschleiern. Sie waren Freunde geworden, aber Chekov verglich sich ständig mit den Navigatoren, die früher mit dem stets gut aufgelegten Lieutenant zusammengearbeitet hatten.
Er zuckte zusammen, als er aus einem eingestürzten Haus ein Geräusch hörte – aber es waren nur ein paar Laborratten, die ihre neu gefundene Freiheit genossen.
Seine Gedanken konzentrierten sich auf andere Dinge. Er seufzte. Selbst wenn er als Angehöriger einer Landeeinheit auf einen Planeten beamte, hatte er immer das Gefühl, nicht sein Bestes zu geben. Er wurde das Gefühl nie los, dass er alles besser tun könnte, auch wenn die Landeeinheiten meist nur Welten ohne Leben erforschten.
Es war doppelt beunruhigend, wenn man wusste, dass Captain Kirk jede seiner Unzulänglichkeiten bemerkte. Kirk war sein Vorbild; nach ihm richtete er sich aus. Der Mann war eine lebende Legende, auch wenn er nie allein handelte – nicht einmal damals, auf Beta Damoron V, wo die Crew sich inmitten einer Revolution wiedergefunden hatten.
Sich an einem Menschen mit Kirks Reputation zu messen, war bestenfalls eine entmutigende Aufgabe – und eine solche, die ihn manchmal nervös und manchmal depressiv machte. Andererseits musste er sich an jemandem messen, wenn er eines Tages selbst Captain werden wollte.
All diese Gedanken führten dazu, dass er ging, ohne sich umzuschauen, und nicht einmal auf Warntöne des Tricorders achtete. Chekov schlug sich durch Trümmer und Müll und warf hin und wieder einen Blick auf das Gerät, um nach Anzeichen zu suchen, die etwas von Wert meldeten.
Dann kam er um die Ecke eines ausgebrannten Gebäudes und stolperte über einen Klotz aus Plastistahl. Als er aufstehen wollte, sah er sich einer neuen Leiche gegenüber.
Diesmal wusste er nicht genau, ob es ein Mann oder eine Frau war, denn die Haut war verkohlt, und vom Haar war nichts mehr übrig. Das Gesicht bildete eine Maske des Entsetzens, der Mund war zu einem lautlosen Schrei verzerrt. Chekov bildete sich ein zu hören, wie der Mensch geschrien hatte, als er dem Tod begegnet war.
Er rappelte sich keuchend auf. Der auf seiner Stirn perlende Schweiß wurde zu einem wahren Sturzbach; das Hemd klebte ihm unbehaglich am Rücken.
Chekov schluckte schwer und entfernte sich von dem Toten. Er holte mehrmals tief Luft und bemühte sich, die Suche etwas gefasster fortzusetzen.
Dann vernahm er ein Echos werfendes Knirschen. Er blickte zu Boden und sah mehrere Datenbänder unter seinem Stiefel. Er blieb stehen, schaute sich um und stellte fest, dass er sich in einem übel zugerichteten Forschungszentrum befand.
Nachdem Chekov den Tricorder auf die Trümmer gerichtet hatte, versuchte er in Erfahrung zu bringen, ob die Daten auf den Bändern wieder lesbar gemacht werden konnten. Unmöglich, dachte er kurz darauf. Er hatte sie kaputtgemacht, als er auf sie getreten war. Jetzt waren sie so nutzlos wie der gefundene Computer. Er nahm sich vor, seine Bemühungen zu verdoppeln, wachsam zu sein …
Er spürte, dass jemand hinter ihm stand. Und als er herumfuhr, sah er, dass er sich nicht getäuscht hatte.
Aber es war nur Captain Kirk. Er stand da, stützte die Hände in die Hüften und wirkte nicht allzu erfreut.
Chekovs Hände hielten den Tricorder, der zu Boden gefallen wäre, hätte er nicht an einem Gurt an seiner Schulter gehangen. Als er Grundstellung einnahm, ließ ein frischer Schweißausbruch ihn schwitzen, und er krümmte sich innerlich, weil er wusste, was nun kam.
»Fähnrich, haben Sie irgendeine Vorstellung von dem, was gerade passiert ist?«
»Jawohl, Sir. Ich bin versehentlich auf Datenbänder getreten, so dass die Informationen, die sie enthalten haben, jetzt zerstört sind.«
Kirk trat näher an Chekov heran. Sein Blick verengte sich. Was Chekov betraf, so spürte dieser nun, dass sich seine Poren öffneten und ihn mit einer neuen Schweißflut überschwemmten.
»Die Bänder hätten Informationen enthalten können, die während des Angriffs gemacht wurden.«
»Aye, Sir. Ich weiß, Sir.«
»Es könnte tatsächlich sein, dass wir die Chance verspielt haben zu entdecken, wer die Angreifer waren … Dank des willkürlichen Verhaltens, das Sie bei diesem Einsatz zur Schau gestellt haben. Was lernen Kadetten eigentlich heutzutage?«
»Ich weiß nicht, Sir.«
»Ja, das kann ich mir vorstellen. Sie sind aber kein Kadett mehr, Mister, und ich erwarte von den Angehörigen meiner Mannschaft, dass sie mehr Engagement zeigen als Kadetten. Sie sollen sogar mehr Engagement zeigen als die sonstigen Angehörigen der Flotte. Haben Sie mich verstanden?«
»Jawohl, Sir. Es wird nicht wieder vorkommen, Sir.« Chekov wurde den Eindruck nicht los, dass sein Akzent immer deutlicher wurde, je mehr sein Gehirn einfror.
Dann kam eine lange Pause, und schließlich schien Kirk seine Taktik zu ändern. »Natürlich wissen wir nicht, was die Bänder wirklich enthalten haben. Vielleicht enthielten sie nur etwas so Sinnloses wie Energieverbrauchsmeldungen. Aber …« Er fing nun an, den Fähnrich zu umkreisen. »Jetzt werden wir es nie erfahren. Ich möchte keine weiteren Fehler bei diesem Einsatz. Haben Sie verstanden?«
»Jawohl, Captain. Absolut.«
»Gut. Und nun bergen wir, was wir bergen können. Weitermachen.«
Fähnrich Chekov tat, wie man ihn geheißen hatte. Den Rest des Tages bemühte er sich, sich von nichts ablenken zu lassen. Als Spock ihm mitteilte, das es Zeit wurde, an Bord zurückzukehren, gesellte er sich niedergeschlagen zum Rest der Landeeinheit. Sein letzter Gedanke vor dem Beamen war müßig: Wie kam man darum herum, auf ein Raumschiff gebeamt zu werden?
Der Hauptfreizeitraum der Lexington ähnelte dem der Enterprise sehr, und zwar nicht nur äußerlich, sondern auch im Farbton. Obwohl Uhura die Gesichter nicht vertraut waren, war das Summen der Gespräche ungezwungen und leise, und das gelegentlich hörbare Lachen klang aufrichtig und herzlich. Nur eins, wurde ihr klar, gab es hier nicht: jemand, der eine vulkanische Harfe spielte oder eine alte afrikanische Ballade sang.
Aber andererseits, dachte sie, ist es auch ganz gut, dass es relativ ruhig hier zugeht. Sonst hätten Baila und sie anderswo Platz nehmen müssen, vielleicht in irgendeiner stickigen Schiffsbibliothek.
»Soweit ich weiß«, sagte ihr Kollege gerade, »leben die Rithrim in einem ziemlich starren Kastensystem.«
»Stimmt. Die Bevölkerung ist in Direktoren, Baumeister, Ernter und Zeuger unterteilt. Jeder geht nur der ihm zugewiesenen Pflicht nach.«
»Wie in einem irdischen Bienenstock.«
Uhura nickte. »Ein guter Vergleich.«
»Und wir wissen nicht, was sie von uns wollen?«
Uhura schüttelte den Kopf. »Nicht im geringsten.«
Baila schaute sie an, seine feinen Nasenflügel bebten. »Aber Sie werden es natürlich rauskriegen.«
Uhura erkannte in seiner Bemerkung zwar den beabsichtigten Dolchstoß, aber dies machte den Schmerz nicht geringer. »Wir werden es rauskriegen«, erinnerte sie ihn. »Ich tue meinen Teil – und Sie den Ihren.«
Baila legte den Kopf schief. »Also bitte, Lieutenant. Sie sind doch Expertin für nonverbale Kommunikation. Ich putze nur die Fenster, damit die Rithrim sehen, dass wir sie auch ernst nehmen.«
Seine Stimme war glatt und ruhig. Aber sie verhehlte nicht den Anflug von Animosität in seinen harten schwarzen Augen.
Uhura seufzte. »Erstens«, sagte sie, »bin ich keine Expertin. Ich weiß bloß ein bisschen mehr über nonverbale Verständigung als der Durchschnittsmensch. Zweitens brauche ich alle Unterstützung, die ich kriegen kann. Verstanden?«
»Klar«, erwiderte Baila. Er wandte den Blick von ihr ab, als interessiere er sich plötzlich für etwas anderes. »Müsste ich nicht ein Idiot sein, wenn ich es nicht verstünde? Ohne mich kann der Einsatz gar nicht erfolgreich sein.«
Uhura schüttelte den Kopf. »Sie machen es einem wirklich nicht leicht, Mr. Baila«, sagte sie und lehnte sich zurück. »Ich habe doch schon gesagt, dass ich nicht auf Ihren Job scharf bin. Was also wollen Sie von mir?«
Er wollte ihr antworten, doch dann überlegte er es sich anders. »Sie haben recht«, sagte er schließlich. »Ich verhalte mich wirklich nicht professionell. Tut mir leid. An all meinen Problemen bin ich selbst schuld.«
Als er sie dann wieder anschaute, war das Feuer aus seinem Blick gewichen. Nun wirkten seine Augen leer. Und irgendwie … traurig.
Uhura konnte ihn so gut verstehen. Sie verfluchte sich innerlich, weil sie so weich war.
In den wenigen Minuten, die sie mit dem Mann verbracht hatte, war er entweder kalt oder offen beleidigend gewesen. Sie schuldete ihm nichts – am allerwenigsten ihr Mitleid.
»Wissen Sie was?«, sagte Baila. »Vielleicht sollten wir das Gespräch auf ein anderes Mal vertagen.« Er stand auf. »Ich fürchte, ich bin im Moment kein besonders guter Gesprächspartner.«
Und dann ging er ohne ein weiteres Wort und ließ sie allein im Freizeitraum zurück.
Ein paar Angehörige der Mannschaft schauten auf, als er ging. Als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, schauten sie Uhura an.
Uhura lächelte verlegen. Die anderen erwiderten ihr Lächeln oder zuckten die Achseln, dann wandten sie sich wieder ihren eigenen Gesprächen zu.
Uhura biss sich auf die Lippe. Es würde ganz bestimmt ein spannender Auftrag werden.
Ein paar Stunden später siegte der Hunger, und Chekov verließ seine Kabine. Er ging zur nächsten Messe und hoffte, dass ihn unterwegs nicht allzu viele Leute sahen. Obwohl Kirk ihm den Rüffel unter vier Augen erteilt hatte, war er sicher, dass sich die Sache irgendwie herumgesprochen hatte. Wahrscheinlich starrten ihn jetzt alle an.
Doch als er die Messe betrat, stellte er erleichtert fest, dass nur wenige Leute anwesend waren. Sie entspannten sich, beendeten gerade ihre Mahlzeit oder unterhielten sich bei einer Tasse Kaffee miteinander. Chekov trat an einen Nahrungsautomaten heran und nahm die Datenbänder mit dem Tagesmenü. Schon sie in der Hand zu halten, erinnerte ihn an seinen Fehler. Er fühlte sich versucht, wieder in sein Quartier zurückzukehren. Doch das Grummeln seines Magens ließ ihn die Angelegenheit noch einmal überdenken.
Als er das Tablett an einen Tisch getragen hatte, nahm er den Deckel von der Schale und ließ sich vom Dampf der Suppe besänftigen. Etwas Gemüsesuppe, mehr brauchte er nicht. Er nahm den Löffel und fiel hungrig über die Suppe her.
»Na, wie war's denn da unten?«
Chekov hielt mitten im Schlürfen inne. Kein Zweifel, da stand Ärger an. Als er aufschaute, sah er in das lächelnde Gesicht Lieutenant Palmers. Sie nahm den gegenüberliegenden Platz ein und stellte ebenfalls ein Tablett auf den Tisch. Chekov legte zwar augenblicklich keinen großen Wert auf Gesellschaft irgendwelcher Art, aber gegen einen höheren Dienstgrad konnte er nichts unternehmen.
»Übel.« Mehr sagte er nicht. Er hoffte, dass ihr dies reichte. Palmer aß eine Gabel voll Hühnersalat und nickte. Chekov nahm sich vor, die Suppe in sich hineinzuschaufeln und dann so schnell wie möglich in seine Kabine zu gehen.
Bevor er mit sich selbst ins reine gekommen war, schaute Palmer ihn an. »Sie müssen nämlich wissen«, sagte sie, »dass ich, obwohl ich schon lange hier bin, noch nie bei einem Landeunternehmen dabei war. Sie hingegen – ein Fähnrich, der kaum ein paar Monate an Bord ist – waren bestimmt schon auf sechs oder sieben Welten.«
»Vier.«
»Vier. Das sind vier mehr als bei mir. Ich will mich ja nicht beschweren, aber es wäre schon schön, hin und wieder mal einen der Leute kennenzulernen, mit denen ich per Funk zu tun habe. Auf der Trudeau hatte ich Gelegenheit dazu. Sie ist ein viel kleineres Schiff. Da kam jeder mal an die Reihe, auch wenn wir die Föderation nie verlassen haben.«
Sie hielt beim Essen inne, und Chekov fühlte sich verpflichtet, die Konversation aufrechtzuerhalten. Jeder, der einen höheren Rang hatte als er, das wusste er, konnte Einfluss auf sein Leben nehmen, und im Moment war er nicht darauf aus, dass noch mehr Menschen sauer auf ihn waren. Captain Kirk reichte ihm.
»Warum sind Sie dann auf die Enterprise gegangen?«, fragte er in der Annahme, eine solche Frage könne ihm nicht schaden.
Palmer schluckte und tupfte sich die Lippen ab. Ihre Augen waren groß. »Warum? Aus dem gleichen Grund, aus dem die meisten sich versetzen lassen. Das Schiff hat einen Ruf – Talosianer, Klingonen, Romulaner. Auf der Enterprise ist etwas los.
Ich habe allerdings nicht damit gerechnet, dass ich sie nie verlassen kann. Ich hätte es von Anfang an wissen müssen. Ich habe wirklich nichts dagegen, in der Kommunikation die Nummer Zwei zu sein: Uhura hat wirklich etwas auf dem Kasten. Es ist halt nur so, dass ich auch gern mal außerhalb des Urlaubs einen Planeten sehen möchte. Ich würde nämlich gern mal etwas Aufregendes erleben.«
Sie beendete ihre Mahlzeit und schob sich eine Strähne ihres blonden Haars übers Ohr. »Ich möchte andere Völker kennenlernen – erfahren, wer da draußen ist. Wenn ich nur an einer Kom-Station hätte sitzen wollen, hätte ich auch im Flottenhauptquartier bleiben können. Ich wäre viel lieber da, wo etwas passiert. Sie etwa nicht?«
»Ja … Natürlich. Aber machen Sie sich keine Gedanken, dass Sie etwas falsch machen könnten? Oder von irgendeinem unbekannten Gegner umgebracht werden?« Chekov musterte sie aufmerksam, er wollte unbedingt in Erfahrung bringen, aus welcher Perspektive jemand von der Mannschaft diese Grundsatzfragen sah.
»Fehler macht doch jeder mal, Fähnrich. Aber aus Fehlern kann man auch lernen. Jedenfalls sagt Mr. Spock das immer, falls ich mal was vermassle. Und was den unbekannten Gegner angeht, so ist er, schätze ich, ein Risiko, auf das ich vorbereitet bin. Allerdings gibt mir der Dienst unter Captain Kirk in dieser Hinsicht ein gewisses Maß an Sicherheit.«
Chekov nickte. Er dachte über ihre Worte nach. Sie hat natürlich recht, sagte er sich. Nun, da er seine Situation etwas entspannter sah, gestand er: »Ich habe heute einen bösen Fehler gemacht. Und was noch schlimmer ist: Captain Kirk hat mich dabei gesehen.«
»Und?«
»Und? Ich habe auf der Stelle in Erwägung gezogen, den Dienst zu quittieren. Der Captain hat mich durch die Mangel gedreht. Er sagt, er erwartet das Beste, das ich ihm aber nicht geliefert habe.«
»Dann liefern Sie's eben beim nächsten Mal. Keine Panik. Irgendwann ist Schichtwechsel, und Sie sehen aus, als könnten Sie etwas Schlaf gebrauchen.«
Na schön, er fühlte sich wirklich müde. Es überraschte ihn nicht, dass man es ihm ansah. Er stand auf und bemerkte, dass er seine Mahlzeit gar nicht beendet hatte. Vielleicht war er doch nicht so hungrig gewesen wie angenommen.
Vielleicht war er auch gar nicht hungrig nach Essen gewesen. Und das Gespräch mit Palmer hatte ihn mit aller Energie versorgt, die er gebraucht hatte.
Wenn sie ihre Fehler korrigieren konnte, konnte er es auch. Vielleicht konnte er die Achtung seines Kommandanten sogar zurückgewinnen. Er brauchte nur eins zu tun: zum besten Navigator werden, den man sich vorstellen konnte.
Aber gelingt dir das auch?, fragte er sich. Der nagende Zweifel hatte ihn noch nicht verlassen.
Ohne eine passende Antwort begleitete er Palmer zum Turbolift.