Spock beugte sich über die wissenschaftliche Station und studierte die ausführliche Spektralanalyse der auf Alpha Xaridia II gesammelten Trümmer. Kirk stand hinter ihm, Spock spürte ihn mehr, als dass er ihn sah.
Der Captain war nur selten geduldig, wenn er auf Informationen wartete.
»Laut den Unterlagen«, sagte Spock nach einer Weile, »besteht eine Ähnlichkeit zwischen den Strahlungsspuren der Waffen der Angreifer und denen, die die Waffen der Landor-Piraten erzeugen.«
»Die Landorier?« Kirk runzelte die Stirn. »Dann wären sie aber weit weg von zu Hause.«
»Genau«, sagte Spock. »Die konzentrierten Aktivitäten der Unbekannten deuten auf zwei Möglichkeiten hin: Entweder sind sie aus dieser Gegend, oder – wie man in New York sagt – ›von außerhalb‹.«
»Und sie konzentrieren ihre Aktivitäten hier, um den Eindruck zu erwecken, sie seien Einheimische«, sagte Kirk. »Wenn es das ist, wird unsere Aufgabe noch schwieriger.« Er schritt forsch über die Brücke, um einen Blick auf den Schirm zu werfen. »Also operieren wir zunächst mit dieser Möglichkeit und hoffen, dass doch die erstere zutrifft. Überprüfen wir mal die Nachbarn. Legen Sie das gesamte System Alpha Xaridia auf den Schirm. Mal sehen, wer sonst noch in diesem Gebiet lebt.«
Der Bildschirm zeigte eine grafische Darstellung des gesamten Systems – alle fünf Planeten, jene Welten, die den Stern Alpha Xaridia umkreisten. Kirk deutete auf einen nach dem anderen, und Spock setzte sein makelloses Gedächtnis ein und zählte ihre Eigenheiten auf.
»Alpha Xaridia I, ohne Leben. Alpha Xaridia II, der Sitz der angegriffenen Kolonie. Alpha Xaridia III, ebenfalls ohne Leben. Auf Alpha Xaridia IV fand, so nehmen wir zumindest an, vor einem Jahrhundert ein Atomkrieg statt, der die Atmosphäre zersetzte und die Bevölkerung ausradierte. Keine Anzeichen von Leben. Alpha Xaridia V ist bewohnt und wird von den Einheimischen Parathu'ul genannt, was in ihrer Sprache ›Unsere Welt‹ bedeutet.«
»Parathu'ul«, sagte Kirk langsam. Er hielt den Blick weiterhin auf den Planeten gerichtet. »Wir lassen den ersten, dritten und vierten Planeten von den Sensoren prüfen. Falls sich irgendwelche Schiffe der Angreifer dort verstecken, sind sie um so leichter zu entdecken.« Er hielt inne. Dann wiederholte er langsam: »Parathu'ul.« Er deutete auf den Bildschirm. »Ich kenne dieses Volk. Hat es sich nicht um Aufnahme in die Föderation beworben?«
»Stimmt«, bestätigte Spock. »Vor drei Jahren. Aber dem Komitee wurde schnell klar, dass ihr Hauptmotiv darin bestand, bestimmte Informationen über die in der Föderation verwendete Technik zu erhalten, die das herrschende Regime befähigen könnte, seine despotische Herrschaft über die Bevölkerung weiter auszubauen.«
»Man hat ihnen die Mitgliedschaft verweigert«, sagte Kirk, »weil das Regime mit Hilfe dieser Techniken nur noch stärker geworden wäre. Hmm. Ein totalitäres Regime, das die Axt schwingt und nach Waffen giert … Sie sind praktisch die Nachbarn einer Föderationskolonie, die angegriffen wurde, und leben in auffallender Nähe zu zwei weiteren überfallenen Sonnensystemen.« Er wandte sich ohne Vorwarnung an Chekov. »Was sagt Ihnen das, Mr. Chekov?«
Chekov gab sich alle Mühe, seine Überraschung zu verbergen. »Dass ein Besuch bei den Parath'aa angesagt wäre.«
»Ganz meine Meinung. Setzen Sie Kurs auf Parathu'ul.« Kirk klang nun fast unbeschwert. »Schauen wir doch mal rein und sagen hallo …«
Die Enterprise kam nur langsam voran. Da die Sensoren die restlichen Planeten des Systems Alpha Xaridia absuchten, dauerte es fast eine Stunde, bevor das Raumschiff in eine Kreisbahn um Parathu'ul ging. Doch kurz darauf schaute Palmer von ihrer Konsole auf. »Die Parath'aa melden sich, Captain«, sagte sie.
»Was denn, jetzt schon?«, sagte Kirk leicht überrascht. »Das ist ja kaum zu glauben.«
»Soll ich sie durchstellen, Sir?«
»Suchen Sie die Umgebung ab, Mr. Spock«, sagte Kirk, der seine Antwort an Palmer aufschob. »Irgendwelche Anzeichen von Schiffen, die auf die Beschreibung der Angreifer passen?«
»Keinerlei Anzeichen von irgendwelchen Schiffen außer dem unseren, Captain.«
»Und auf der Oberfläche von Parathu'ul? Könnten die Parath'aa sie verstecken?«
»Im Gegensatz zur Enterprise können die Schiffe der Angreifer in eine Atmosphäre eintauchen«, sagte Spock. »Parathu'ul verfügt über eine relativ fortgeschrittene Technologie, die aber das Niveau der Föderation nicht erreicht. Man könnte auf diesem Planeten ziemlich leicht Schiffe verbergen, so dass es unseren Sensoren sehr schwer fallen würde, sie zu entdecken. Es sei denn, natürlich, sie geben signifikante Energieentladungen ab, wenn wir gerade an der richtigen Stelle suchen.«
»Ach so.« Kirk rieb sich nachdenklich das Kinn.
Palmer meldete sich erneut. »Captain, die Parath'aa sind ziemlich beharrlich.«
»Tatsächlich? Na schön, Lieutenant. Auf den Schirm.«
Kurz darauf wurde ein Parath'aa auf dem Bildschirm sichtbar. Kirk krümmte sich zwar innerlich, aber er verzog keine Miene. Er war schon zu lange Captain eines Raumschiffes, um sich von seinem Gefühl für Ästhetik aus der Bahn werfen zu lassen.
Die Parath'aa gehörten, zumindest nach menschlichem Standard, nicht zu den ästhetisch erfreulichsten Gestalten, die die Galaxis zu bieten hatte. Ihre Haut war so dünn, dass sie beinahe durchscheinend war, und so konnte man Schatten und Andeutungen ihrer inneren Organe erkennen.
Die Epidermis um den Schädel des Wesens war besonders straff gespannt. Seine Augen schienen in Höhlen zu schweben. Die Parath'aa wirkten wie ein auf perverse Weise vergnügtes Volk, da sie ein ständiges Grinsen zur Schau stellten. In der Föderation hatte man sie mit einem Spitznamen belegt, den man nur hinter vorgehaltener Hand aussprach: die Totenköpfe.
»Wir grüßen die Raumschiff in die Kreisbahn«, sagte der Parath'aa formell.
Kirk neigte leicht den Kopf. »Hier ist Captain Kirk, Kommandant des Raumschiffes Enterprise.«
»Kommen Sie wegen die Neubewertung durch die Föderation?«, fragte der Parath'aa. Er klang fast eifrig.
Kirk tarnte seine Überraschung schnell. Er hatte nichts von einem neuen Aufnahmeantrag der Parath'aa gewusst. Doch dies konnte sich schnell in einen Vorteil ummünzen lassen. »Wir erforschen die Möglichkeit, ja«, sagte er neutral.
»Dann kommen Sie zu uns herunter?«
»Wenn Sie nichts dagegen haben?«, sagte Kirk.
»Wir erwarten Ihnen«, sagte der Parath'aa. »Ich bin die Planetenführer Silva.«
»Wir sind unterwegs, Silva«, sagte Kirk. »Enterprise, Ende.« Als das schwer verdauliche Abbild des Parath'aa auf dem Bildschirm verblasste, stand er auf. »Mr. Spock, der Transporterraum soll sich darauf vorbereiten, eine Landeeinheit auf den Planeten zu beamen: Dr. McCoy, Mr. Sulu, Mr. Giotto – und mich selbst.«
»Und ich soll den Planeten weiter absuchen, um in Erfahrung zu bringen, ob es Beweise für die Anwesenheit der Angreiferschiffe gibt.«
»Mr. Spock, Sie können Gedanken lesen.«
Wenige Minuten später traf die Landeeinheit auf Parathu'ul ein. Sie materialisierte mitten in Silvas Büro. Mehrere andere Parath'aa erwarteten sie in einem kleinen Halbkreis, und Silva stellte ihnen jeden einzeln vor. Ihre Namen waren praktisch unaussprechlich, und Kirk nahm an, dass es bei Silvas wirklichem Namen ebenso war. Möglicherweise hatte er zu seiner und der Mannschaft der Enterprise Bequemlichkeit eine menschlich klingende Entsprechung verwendet. Für Silva war dies eine ziemlich rücksichtsvolle Geste.
Ein weiterer Aspekt, den es zu bedenken galt – er machte auch niemanden traurig –, bestand darin, dass die Parath'aa es nicht mochten, dass man sie anfasste. So machten sie bei der Begrüßung nur eine knappe Verbeugung. Die Leiber der Parath'aa waren eigenartig strukturiert; ihre Taille saß in etwa dort, wo sich bei den Menschen die Achselhöhle befand.
»Ihre Anwesenheit ist eine Ehre für uns, Captain Kirk«, sagte Silva sanft. »Ich muss zugeben, dass wir sind überrascht. Wir haben die Antrag, unsere Aufnahmeersuchen noch einmal zu überdenken, nämlich erst vor wenige Wochen an die FVP geschickt. Dass Sie so schnell kommen … Ich bin beeindruckt.«
»Wir waren zufällig in dieser Gegend«, sagte Kirk. »Es ist vielleicht nicht falsch, wenn man die Sache als puren Zufall sieht.«
»Sie haben die Glück, an eine schöne Tag zu kommen«, sagte Silva. »Die Wetter auf Parathu'ul ist nämlich sonst immer ziemlich unerfreulich … Sehen Sie? Die Sonne scheint.« Er deutete aus dem Fenster seines Büros. »Sie bringen schöne Wetter mit, Captain. Eine gute Omen.«
Kirk warf einen Blick aus dem Fenster. Die Aussicht war äußerst erfreulich. Die Gebäude der Hauptstadt bestanden aus hohen, strahlenden Türmen. Die Straßen wirkten äußerst sauber. Auf der unter ihnen befindlichen Hauptstraße wimmelte es von Leben. Die Massen waren ruhig und benahmen sich gut.
»Seit unsere letzte Kontakt mit die VFP hat sich auf Parathu'ul viel getan«, fuhr Silva fort. »Unsere Bevölkerung ist viel zufriedener. Großräumig verbesserte Massenverkehr hat neue Lebensqualität gebracht. Die Volk ist glücklicher und wohlhabender als früher. Wir reinigen die Luft. Im Gegensatz zum alten Regime sind wir nachsichtiger mit die, die aussprechen, was sie denken. Wir sind …« Er hielt inne, suchte nach dem passenden Begriff. Dann erhellte sich seine Miene. »… eine Urlaubsort.«
»Ein Urlaubsort?« Kirk setzte ein schiefes Grinsen auf und musterte die restlichen Angehörigen der Landeeinheit, als suche er ihre Bestätigung. »Tja … Angesichts der Probleme mit den Unbekannten klingt es ziemlich unwahrscheinlich.«
»Unbekannten?« Silva wirkte wirklich verblüfft.
»Die Unbekannten, die Alpha Xaridia II angegriffen haben«, sagte Sulu. »Sie haben doch gewiss davon gehört?«
Silva runzelte die Stirn, und einer seiner Ratgeber beugte sich zu ihm hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr – beziehungsweise in das Äquivalent eines Ohrs. Silvas Schläfen pulsierten deutlich. »Ach! Ja, natürlich. Ja, die unerfreuliche Geschichte, die vor kurzem passiert ist. Eine sehr schlimme Sache.« Er schüttelte den Kopf. »Sehr schlimm.«
»Dem Anschein nach«, sagte McCoy, »hatten Sie das Glück, verschont zu bleiben.«
»Hatten Sie überhaupt keine Begegnung mit den Unbekannten?«, fragte Giotto.
»Keine«, sagte Silva. »Ich finde auch, wir hatten Glück. Offenbar ist das Glück den Parath'aa nun hold, nicht? Noch vor wenige Jahre wollte die VFP nichts mit uns zu tun haben. Und schauen Sie uns jetzt an! Gesundheit, Wachstum. Keine Probleme mit die Angreifer, mit …«
Von der Straße unter ihnen drangen Geräusche herauf. Kirk runzelte die Stirn. »Was ist das?«
»Was ist was?«, fragte Silva. Sein Mund war zum üblichen starren Grinsen verzogen.
»Das Geschrei der Menge.«
Kirk trat ans Fenster und schaute hinaus.
Dem Gebäude näherte sich eine kleine Gruppe von Protestlern. Sie trugen Spruchbänder und Schilder und schwenkten wütend die Fäuste. Es war klar, dass sie mit irgend etwas unzufrieden waren. Kirk wandte sich wieder zu Silva um. »Was haben die Leute für Probleme?«
»Habenichtse«, sagte Silva.
Kirk und die anderen tauschten einen Blick. »Habenichtse?«, fragte Sulu.
Silva schlug sich auf die Brust, dann deutete er auf seine Kollegen. »Reich.« Er zeigte auf die Straße und die Protestler. »Habenichtse. Gibt es immer, nicht? Ist immer so. Gibt immer kleine Minderheit, die als Habenichtse unglücklich sind. Aber sie werden nicht schöne Tag vermiesen, oder?«
Nun hörte man die Geräusche einer Schlägerei. Das Geschrei des Protests wurde abrupt von Waffenlärm überlagert. Die Männer von der Enterprise schauten entsetzt auf die Straße hinunter, wo der Parath'aa, der die Demonstration anführte, aus nächster Nähe niedergeschossen wurde. Die tödlichen und wirkungsvollen Blaster der Parath'aa wurden von Leuten geschwungen, die offenbar zu einer Sicherheitsorganisation gehörten, die ihrem Beruf effektiv und brutal nachkam.
Körper wurden in saubere Hälften zerlegt, Oberkörper fielen von Unterkörpern, Köpfe wurden am Hals abgetrennt. Andere aus der Menge, die den Demonstranten ihre Zustimmung zugerufen hatten, tauchten schnell in der Menge unter und entfernten sich möglichst schnell vom Ort des Gemetzels.
Kirk wandte sich zu Silva um. Er machte keinen Versuch, seine Wut und seinen Abscheu zu verbergen. Er deutete mit einem bebenden Finger angeekelt auf das Fenster. »Sie unterstützen dies?«, sagte er. »Diese abscheuliche Zurschaustellung der Unterdrückung? Und behaupten im gleichen Atemzug, sie seien Ihren Gegnern gegenüber toleranter geworden?«
»Nicht tolerant«, korrigierte Silva ihn freundlich. »Nachsichtig. Unsere Vorgänger hätten sie festgenommen und öffentlich zu Tode gefoltert. Wir hingegen sind …« Er machte die Geste des Halsabschneidens. »… gnädig. Wir sind nachsichtig, nicht? Wer öffentlich unglücklich ist und auf die Straße protestiert, weiß, dass er nicht gefoltert wird. Er hat eine schnelle Tod. Eine Fortschritt, oder nicht?« Er schaute mit dem Eifer eines Welpen von einem zum anderen.
McCoy brachte kaum ein Wort heraus, doch als es ihm gelang, war es nur eines, das er in sarkastischem Tonfall flüsterte. »Ungeheuer.«
Kirks Kommunikator piepste, und er schnippte ihn auf. Er bemühte sich, mit neutraler Stimme zu sprechen. »Hier Kirk.«
»Die vorgesehene Inspektion ist beendet, Captain«, meldete sich Spock. »Zwar besteht noch immer eine Möglichkeit der Tarnung, aber im Moment gibt es dafür keine Anzeichen.«
»Danke, Mr. Spock. Sie können uns gleich wieder an Bord holen.«
»Probleme?«, fragte Silva.
»Keine Probleme, Silva«, erwiderte Kirk. »Überhaupt keine.«
»Dann Sie werden uns also empfehlen? Und die FVP sagen, dass wir jetzt liberaler sind?«
»Ich bin sicher, man wird sich gern alle Details anhören«, sagte Kirk.
»Auch, dass es hier sauber ist und man auf Parathu'ul ein besseres Leben hat?«
»Ganz bestimmt.«
»Massentransport. Berichten Sie, dass unsere Züge alle pünktlich abfahren.«
Kirk musterte Silva schief. »Irgendwie, Silva, habe ich daran nicht den geringsten Zweifel. Mr. Spock – vier Mann hochbeamen.«
Kurz darauf verschwand die Landeeinheit im Leuchten der Transporterstrahlen der Enterprise. Silva drehte sich um und grinste seine Kollegen an.
»Jetzt sind wir ganz sicher drin«, sagte er.