Wie der Rest der Föderationsgruppe war auch Uhura von den Rithrim-Baumeistern, mit denen Endris sie zusammengebracht hatte, eingewiesen worden. Doch selbst die ausführlichste Konferenz hätte sie nicht auf das vorbereiten können, was sie nach dem Herunterbeamen zu sehen bekam.
Im Westen spuckte ein Vulkan von atemberaubenden Dimensionen einen ständigen Strom grell-flüssigen Gesteins aus. Die Wogen wurden von der unsichtbaren Barriere eines Rithrim-Schutzschirms abgelenkt, der etwa fünfzig Meter vor der Einrichtung lag. Aber auch das machte sie nicht weniger furchterregend.
Im Norden und Süden kroch die umgeleitete Lava an dem Schirm entlang und ergoss sich in die blendende Weite des blaugrünen Ozeans, der das Zeugerzentrum an drei Seiten umgab. Wo sich das kalte Wasser und das rotglühende Gestein am Ufer trafen, stiegen zischend riesige Dampfwolken auf und verdichteten die darüber treibenden Wolken.
Das Zentrum selbst war einfach und kastenartig – etwa fünfzig mal fünfzig Meter lang und zwei Stockwerke hoch. Obwohl es allem Anschein nach aus dem gleichen Gestein erbaut war wie der Direktorenhof, wirkte das Gebäude viel moderner – und ebenso die es umgebende Bildhauerkunst, die die vier Rithrim-Kasten pries.
»Verdammt«, keuchte Wesley, der Uhura begleitete. Er justierte sein Visor. »Haben Sie so was schon mal gesehen, Lieutenant?«
»Kann ich nicht behaupten«, murmelte Uhura und machte einige Schritte auf den Schirm zu.
Die Lava brandete gegen die Barriere. Es war wie ein Kampf zwischen Gewalt und Mäßigung, zwischen Chaos und Ordnung. Ein kleines Rithrim-Gebäude, in dem der Nachwuchs gezeugt und genährt wurde, stand inmitten dieses Zusammenpralls der Elementargewalten – und überlebte.
Es war bemerkenswert. Es war mehr als bemerkenswert.
»Willkommen in Girin Gatha«, rief eine kräftige und vertraute Stimme. Als Uhura sich umwandte, sah sie Samuels über den buckligen Streifen aus Sandgestein kommen, der sich vor der Einrichtung erstreckte. Der Erste Offizier war nun seit fast einer Stunde hier unten und half den Ingenieuren der Lexington, das Terrain zu sondieren.
Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Seine Uniformjacke war von dunklen Flecken übersät. »Ein hübscher Ort für einen Besuch«, merkte Samuels an, »aber meine Nachkommen möchte ich hier nicht unbedingt zeugen.«
Uhura lächelte. »Welch ein Glück, dass Sie davon verschont bleiben«, erwiderte sie.
Ihr fiel auf, dass der Mann ihr allmählich ans Herz wuchs. Selbst wenn man seinen Sinn für Humor nicht mochte, an seiner Hingabe war kaum zu zweifeln. Sie hatte bisher keinen Offizier gesehen, der härter arbeitete als Wynn Samuels.
Er wandte sich zum Commodore. »Was führt Sie hierher, Sir?«, fragte er.
Wesley zuckte die Achseln. »Lieutenant Uhura war der Meinung, es wäre vielleicht keine schlechte Idee, sich mal hier umzusehen.« Er musterte sie von der Seite. »Falls das Thema wieder zur Sprache kommt, meint sie, verstehen wir besser, worum es eigentlich geht.« Er hielt inne. »Nach kurzem Nachdenken musste ich ihr recht geben. Und deswegen sind wir hier.«
»Ach so«, sagte der Erste Offizier. »In diesem Fall sollten Sie sich lieber im Inneren des Gebäudes umsehen. Da drin ist es bedeutend angenehmer.« Er schob sich eine Locke des schweißgetränkten Haars aus dem Gesicht. »Bloß weil ich so behämmert bin, mich hier draußen aufzuhalten, brauchen Sie's nicht auch zu sein.«
Wesley schaute Uhura an. Dann deutete er mit einem kurzen Neigen des Kopfes auf das Zeugerzentrum. »Sollen wir?«, fragte er.
Uhura zögerte. »Bei allem gebührenden Respekt«, sagte sie dann, »ich bin nicht besonders auf Bequemlichkeit aus, Commodore. Ich habe nichts gegen ein bisschen Schwitzen, wenn es bedeutet, etwas zu sehen, was ich noch nie zuvor gesehen habe. Sind wir denn nicht gerade deswegen hergekommen?«
Wesley musterte sie eingehend, dann fiel ihm ein, wo er diese Worte zum ersten Mal vernommen hatte – und von wem. Langsam legte sich ein Lächeln auf sein Gesicht. »Sie haben recht, Lieutenant. Danke, dass Sie mich daran erinnern.« Er wandte sich Samuels zu. »Sehen Sie?«, sagte er. »Das ist ein Kommunikationsoffizier!«
Der Erste Offizier räusperte sich. Es schien ihm etwas peinlich zu sein, an einem unterschwelligen Angriff auf Baila teilzunehmen – und das auch noch in Gegenwart einer Kollegin Bailas.
»Ich gehe lieber zu den Ingenieuren zurück«, sagte er. Und mit einem Nicken, das beiden galt, drehte er sich um und ging über den buckligen Vorhof des Gebäudes.
Als er außer Sichtweite verschwand, schaute der Commodore Uhura an. »Ich hatte nicht vor, ein Werturteil über Mr. Baila zu fällen, Lieutenant – auch wenn es sich so angehört hat.«
»Ist schon in Ordnung, Commodore. Ich verstehe Sie.«
Wesley runzelte die Stirn. Er schien über irgend etwas nachzudenken. Schließlich sagte er: »Kann ich Ihnen eine vertrauliche Frage stellen, Lieutenant?«
Dies brachte Uhura zwar leicht aus dem Gleichgewicht, aber sie nickte. »Klar.«
Wesleys Stirnrunzeln vertiefte sich; er wirkte nun wirklich wütend. »Sie haben sich inzwischen mehrmals mit Baila unterhalten und sind fraglos eine Frau mit Wahrnehmungsvermögen. Können Sie mir sagen, was ihn dazu gebracht hat, es nicht mehr so genau zu nehmen?«
Uhura wusste nicht genau, was sie dazu sagen sollte. »Es nicht mehr so genau zu nehmen?«, wiederholte sie.
Wesley hob beide Hände. »Hören Sie, falls ich zu tief in Sie dringe, oder falls es Ihnen nur unbehaglich ist, über einen Kollegen zu reden, ziehe ich die Frage zurück. Es ist nur so, dass er früher ein guter Offizier war – ein sehr guter Offizier. Aber jetzt ist er etwas weniger als das.«
Uhura schluckte. Dann war Bailas Vermutung also doch nicht ganz aus der Luft gegriffen. Sein Arbeitsplatz war tatsächlich in Gefahr.
Leider konnte sie Wesleys Frage nicht beantworten. Und dies sagte sie ihm.
Der Commodore akzeptierte ihre Antwort. »Es war nur ein Schuss ins Blaue«, sagte er. »Das kann doch niemandem weh tun, oder?«
»Nein, Sir. Es tut niemandem weh.«
Wesley rieb seine Hände aneinander. »Nun denn, wir sind hier, um uns umzusehen. Sehen wir uns also um. Haben Sie irgendeinen Vorschlag, wo wir anfangen sollen?«
Uhura überblickte die Umgebung. »Nun«, sagte sie. »Auf dieser Seite des Vulkans haben wir alles gesehen. Wie wär's mit der anderen Seite?«
»Klingt ganz vernünftig«, sagte Wesley.
Und in diese Richtung gingen sie dann, wobei das Zischen, das die Lava und das Meerwasser erzeugten, immer lauter wurde. Als sie die Stelle zwischen dem Zeugerzentrum und dem Meer erreicht hatten, war das Geräusch fast betäubend, wenngleich die Wassertröpfchen in der Luft die Hitze einigermaßen erträglich machten.
Für eine Weile fühlte Uhura sich vom zischenden Zusammenstoß des geschmolzenen Gesteins und der plätschernden Gezeiten wie hypnotisiert. Dann wandte sie sich zu Wesley um und stellte fest, dass er gar nicht mehr auf die Küstenlinie schaute.
Er beobachtete das Gebäude. Und als sie seinem Blick folgte, erkannte sie, was ihn daran fesselte.
Im Kreis der Skulpturen, der die Rückseite des Zeugerzentrums umgab, klafften einige Lücken. Man sah zwar einige Sockel, aber keine Statuen. Es war, als wären sie an den Fußknöcheln abgeschnitten worden. Und doch hatten alle ihre Geheimdienstberichte über Rithrim ergeben, dass es auf dieser Welt keine Kriminalität gab.
Wesley grunzte. »Was ist Ihrer Meinung nach passiert?«, fragte er. »Die Statuen da sind doch noch nicht so alt, dass man sie erneuern müsste.«
Zuerst war Uhura sprachlos. Dann erinnerte sie sich an die Baumeister im Hof – und an das kurze Gefühl, dass diese im Begriff seien, die Fresken unkenntlich zu machen statt zu restaurieren.
Gab es da einen Zusammenhang, oder zog sie voreilige Schlüsse? Und selbst wenn sie recht hatte, war ihre Beobachtung angesichts dieser Mission von irgendwelcher Wichtigkeit?
»Sir«, sagte sie schließlich, »es kann zwar sein, dass ich völlig danebenliege, aber ich glaube, die Rithrim sind im Begriff, eine Veränderung ihrer öffentlichen Statuenpolitik vorzunehmen.«
Wesley schaute sie an. »Was meinen Sie damit?«
»Damals im Hof … hielten sich einige Baumeister auf …«
»Ich erinnere mich«, sagte Wesley. »Ich habe sie an den Reliefs arbeiten sehen.«
»Genau«, bestätigte Uhura. »Zuerst dachte ich, sie restaurieren sie nur. Doch dann hatte ich den Eindruck, sie seien im Begriff, sie irgendwie abzuschleifen. Und jetzt, da ich sehe, dass hier Statuen fehlen, frage ich mich, ob in der Rithrim-Gesellschaft vielleicht irgendeine Säuberungsaktion stattfindet – irgendeine ideologische Säuberung, die es erforderlich macht, bestimmte Leute zu Unpersonen zu machen, die früher verehrt wurden.«
Wesley runzelte die Stirn. »Könnte durchaus sein. Aber wenn es der Fall ist, möchte ich gern darüber informiert sein. Auch wenn es für uns jetzt vielleicht nicht von Wichtigkeit ist, könnte dies später einmal der Fall sein.«
Uhura stimmte ihm zu. »Vielleicht sollten wir die Direktoren fragen«, sagte sie.
Wesley nickte. »Vielleicht sollten wir es wirklich.« Er zückte seinen Kommunikator und schnippte ihn auf. »Zwei Personen raufbeamen«, wies er den Transporteringenieur an.
Doch bevor sein Befehl ausgeführt wurde, fiel Uhura auf, dass er noch einmal einen Blick auf die Skulpturen warf. Auch der ihre wurde wie magisch von ihnen angezogen.
»Könnte sein, dass hier irgendwas nicht stimmt«, sagte der Commodore, bevor sie das Zeugerzentrum hinter sich ließen.
Uhura stand in ihrem Quartier vor dem Badezimmerspiegel und fuhr sich mit dem Kamm durchs Haar. Sie war Wesley dankbar, dass er ihr die Gelegenheit eingeräumt hatte, unter die Dusche zu gehen und die Kleider zu wechseln. Nach der gnadenlosen Hitze in Girin Gatha war es ein gutes Gefühl, wieder sauber zu sein, eine frisch gereinigte Uniform zu tragen und nichts anderes zu hören als das unterschwellige Summen der Generatoren der Lexington.
Glücklicherweise hatte der Commodore den Fall der verschwundenen Statuen nicht für so dringend gehalten, dass sie die Direktoren sofort kontaktieren mussten. Bei der Vorstellung, während einer ausgedehnten Besprechung mit Endris und den anderen ihre durchgeschwitzte Uniform tragen zu müssen, verzog sie das Gesicht.
Sie musterte sich ein letztes Mal im Spiegel, legte den Kamm weg, glättete ihre Uniform und verließ das Badezimmer. Die Lampe, das wusste sie, würde sich, wenige Sekunden nachdem die Sensoren ihre Abwesenheit registriert hatten, von allein ausschalten.
Wesley erwartete sie erst in zehn Minuten auf der Brücke. Doch da nichts sie in ihrer Kabine hielt und sie hoffte, Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, beschloss sie, sich früher zum Dienst zu melden.
Sie war auf halbem Weg zur Tür, als sie das Summen hörte, das die Anwesenheit eines Besuchers anzeigte. Es überraschte sie. Wer kann das sein?, fragte sie sich.
»Herein«, sagte sie.
Die Türhälften glitten auseinander und enthüllten Jerome Baila. Uhura fiel auf, dass sein Gesichtsausdruck so beherrscht war wie immer. Aber an seinem Blick war irgend etwas anders – er war irgendwie sanft, fast verletzlich, während er zuvor hart und unbeugsam gewirkt hatte.
Er machte einen Schritt herein. »Kann ich mit Ihnen reden?«
Uhura zuckte die Achseln. »Sicher. Ich muss zwar gleich auf die Brücke, aber ein paar Minuten habe ich noch. Wollen Sie sich setzen?«
Baila ging zu einem dick gepolsterten Sessel in einer Ecke des Raumes und nahm auf dem Rand Platz. Uhura setzte sich ihm gegenüber hin, auf ein Pendant des Sessels. Zwischen ihnen befand sich der formlose, auf Echtholzbeinen stehende Glastisch. Er hatte sie bei ihrer Ankunft sehr beeindruckt.
»Was kann ich für sie tun?«, fragte sie.
Baila knetete seine Hände. Er schien sich vor Nervosität kaum beherrschen zu können. »Erzählen Sie mir von Ihrem Dorf«, sagte er. »Von Ihrer Familie. Von der Gegend, aus der Sie stammen.«
Nachdem er sie bisher so auf Distanz gehalten hatte, waren dies nicht gerade die Fragen, die Uhura von ihm erwartet hatte. Sie fühlte sich verlockt, ihn nach dem Grund seines Stimmungsumschwungs zu fragen, doch dann hielt sie sich zurück.
»Ich komme aus Koyo«, sagte sie. »Aus einer Kleinstadt westlich von Mombasa. Sie liegt aber nicht so weit im Westen, dass es dort keinen guten Boden für die Landwirtschaft gäbe. Mein Vater ist Professor für afrikanische Geschichte an der Universität von Kenia; meine Mutter war Bildhauerin. Ich bin ein Einzelkind.« Sie hielt inne. »Was möchten Sie sonst noch wissen?«
»Wo haben Sie die Zeichensprache gelernt?«, fragte er.
Uhura lächelte, als sie daran dachte. »Als ich zehn Jahre alt war, kam meine Cousine Epala einen Sommer lang zu Besuch zu uns. Sie ist seit der Geburt taub; sie konnte nur mit den Händen sprechen. Ich weiß noch, dass diese Hände mir wie flatternde Vögel vorkamen, und dass ich annahm, ich würde nie verstehen, was sie sagte. Aber sie war ein Jahr älter als ich und sehr hübsch, und ich wollte ebenso sein wie sie. Also habe ich die Sprache der flatternden Vögel erlernt.« Ihr Lächeln wurde breiter. »Und so habe ich mich dann nach und nach für allgemeine Kommunikation interessiert.«
Baila nickte. »Und was hat Ihre Familie davon gehalten, als Sie beschlossen, in den Weltraum zu gehen?«
Uhura zuckte die Achseln. »Anfangs war sie darüber nicht sehr begeistert. Weil es bedeutete, dass sie mich über lange Zeiträume hinweg nicht sehen würde. Aber nach einer Weile hat sie es hingenommen.« Sie schaute ihn an. »Warum fragen Sie?«
Baila schluckte. »Nur so.« Und zu ihrer großen Überraschung stand er auf und ging zur Tür.
»He – einen Moment noch!« Die Worte waren schon aus ihrem Munde, ehe sie einen klaren Gedanken fassen konnte. Und sie hatten nicht so freundlich geklungen wie sonst. In ihnen schwebte ein deutlicher Tonfall von Verärgerung mit.
Baila blieb stehen und drehte sich um. »Ja?« Seine Augen waren nun wieder undurchdringlich und arrogant. Sein ganzes Betragen war eine Herausforderung.
Uhuras Verärgerung verebbte kurz, und sie fragte sich, was sie als nächstes sagen sollte. Warum war sie überhaupt wütend? Er hatte ihr doch schließlich nur ein paar Fragen gestellt.
Nein, er hatte mehr als das getan. Er hatte sich nach einem Teil ihres Ichs erkundigt. Und in seinem Ersuchen war die unausgesprochene Zusicherung gewesen, dass er im Austausch dafür auch etwas über sich preisgeben würde. Nun jedoch wollte er diesem Versprechen untreu werden. Aber so wollte sie ihn nicht davonkommen lassen.
»Sie haben mich gefragt«, sagte sie, »und ich habe geantwortet. Jetzt bin ich an der Reihe. Hinsetzen.«
Baila zögerte, doch nur kurz. Dann folgte er ihrer Anweisung.
Auch Uhura nahm wieder Platz. Sie schaute ihrem Besucher offen in die Augen. »Wo kommen Sie her?«, fragte sie.
Die Muskeln an Bailas Schläfen arbeiteten kaum merklich. »Potayu. Am Nyasasee.«
»Und Ihre Familie?« Uhura sah schon jetzt, dass sie ihm alles würde aus der Nase ziehen müssen.
»Mein Vater war Bauer, meine Mutter Bäuerin. Ich habe sechs Brüder und Schwestern. Der Boden, den sie bearbeitet haben, war nie so gut wie der in der Nähe von Mombasa.«
Der letzte Satz kam wie ein Peitschenhieb über seine Lippen, als sei es ihre Schuld, dass seine Familie schwer hatte schuften müssen. Wie jede Ostafrikanerin war natürlich auch Uhura mit den Missernten vertraut, zu denen es vor einem Jahrzehnt in der Gegend von Nyasa gekommen war. Aber selbst wenn sie in einer öderen Gegend gelebt hätte, hätte sie nichts dagegen machen können.
»So wie Sie es sagen, klingt es, als hätte ich den Regen zurückgehalten«, sagte sie.
Baila zuckte die Achseln. »War nicht meine Absicht.«
Uhura zürnte zwar angesichts seiner Unverschämtheit, aber sie hatte noch immer die Absicht, ihn zu verstehen. Sie wollte seine Abwehr in diesem Moment mehr denn je durchdringen.
Was konnte sie ihn sonst noch fragen? Dann fiel ihr ein, was er sie als letztes gefragt hatte. »Und was hat Ihre Familie davon gehalten, als Sie zur Flotte wollten?«
Bevor sie das letzte Wort ausgesprochen hatte, sah sie den Blick in seinen Augen. Er ist erleichtert, wurde ihr klar. Er hat gewollt, dass ich ihm diese Frage stelle. Er hat die ganze Zeit darauf gewartet.
»Alle waren dagegen«, erwiderte er. »Sie waren ganz und gar dagegen.«
Diverse Informationen, die Uhura als Kind gehört hatte, trieben an die Oberfläche ihrer Erinnerung. Und plötzlich verstand sie. Sie verstand alles.
»Potayu gehörte zu den Ortschaften der Anhänger Beccah Talulus, nicht wahr?«
»Ja«, gab Baila zu. »Meine Eltern gehörten zu ihren frühesten und treuesten Jüngern. Sie glaubten schon vor meiner Geburt an sie.«
»Und als es dann zu der Missernte kam …«
»Litten wir Hunger«, sagte er und beendete ihren Gedanken. »Natürlich ist niemand gestorben, aber viele von uns waren nicht weit vom Tod entfernt. Wenn es nicht irgendwann geregnet hätte … wäre ich wahrscheinlich jetzt nicht hier, um mich mit Ihnen zu unterhalten.«
Uhura schüttelte den Kopf. Sie lebten im 23. Jahrhundert. Da starb niemand mehr am Hunger oder war dem Hungertod nahe. Aber Beccah Talulu hatte ganze Ortschaften überredet, die Verfahren der modernen Wissenschaft zu ächten und zu den einfachen Werten zurückzukehren.
Nun, nicht alles daran war schlecht gewesen. Die Zivilisation neigte dazu, den Menschen von seinen Wurzeln zu entfremden; es war gut, ihn an seine Verwandtschaft mit der Natur zu erinnern. Aber Talulu, eine selbsternannte Prophetin, die behauptete, von den großen Königen der Region abzustammen, war Uhuras Ansicht nach zu weit gegangen.
»Als Kind«, sagte Baila, »hat man mir verboten, irgend etwas zu lesen, das auch nur entfernt mit Wissenschaft zu tun hatte. Aber ich war nun mal neugierig und wollte Dinge kennenlernen, die über das hinausgingen, was mit unserem Dorf und den dort gepflegten Methoden zusammenhing. Als meine Eltern mich dann in eine größere Ortschaft brachten, um Körbe und Töpfereien auf dem Markt zu verkaufen, habe ich die Buchhändler bestohlen und die Bücher in meinem Gewand versteckt. Nach einer Weile wurde ich ein ziemlich geschickter Dieb. Aber die Bücher haben mich nicht zufrieden gemacht – sie haben mein Verlangen nur angestachelt.«
Seine Augen flackerten, als durchlebe er alles Erzählte noch einmal. »Als ich dann elf war, konnte ich mich nicht mehr beherrschen. Ich lief fort – zum Haus meiner Tante in Quelimane. Meine Tante hielt nichts von Talulu. Sie war überglücklich, mich bei sich zu haben.«
Uhura schaute ihn an. »Quelimane liegt doch an der Küste. Sind Sie – im Alter von elf Jahren – die ganze Strecke gewandert?«
Baila grunzte. »Es war die längste Reise, die ich je gemacht habe. Im Vergleich dazu kommt einem die Strecke von der Erde bis zur Neutralen Zone wie eine Kleinigkeit vor. Aber ich habe es geschafft.«
»Und Ihre Eltern?«, fragte Uhura. »Wollten sie Sie nicht zurückhaben?«
Baila schüttelte den Kopf. »Tante Kisal hat ihnen gesagt, warum ich fortgegangen war. Sie haben nicht versucht, mir einzureden, es sei ein Fehler gewesen. Sie haben mich einfach abgeschrieben.«
Dies war Uhura völlig unverständlich. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es Eltern gab, die kampflos auf ihre Kinder verzichteten. Aber schließlich hatte sie ja auch nie in einem Talulu-Dorf gelebt, oder?
»Dank meiner Tante«, fuhr Baila fort, »bekam ich eine ordentliche Ausbildung. Dann verliebte ich mich in die Vorstellung, in die Flotte einzutreten – um dorthin zu gehen, wo noch niemand zuvor gewesen war. Manchmal ließ mich der Gedanke daran nicht einschlafen. Ich habe schwer gearbeitet. Und beim zweiten Versuch hat man mich dann an der Akademie aufgenommen.«
»Da war Ihre Tante bestimmt sehr stolz«, sagte Uhura.
Baila schüttelte den Kopf. »Sie ist leider vorher verstorben.« Er seufzte. »Das erste Jahr an der Akademie war zwar faszinierend und aufregend für mich, aber ich war auch sehr einsam. Auch wenn ich viele Freunde hatte – in meinem Geist war eine Leere, die nach der Frau schrie, die mich aufgezogen hatte.« Er befeuchtete seine Lippen. »Als die Semesterferien anfingen, fuhren alle anderen Kadetten zu ihrer Familie nach Hause. Ich hatte niemanden, zu dem ich gehen konnte, aber ich wollte um keinen Preis allein in San Francisco bleiben. Und dann kam mir eine Idee: Ich wollte nach Potayu fahren.«
»Sind Sie hingefahren?«, fragte Uhura.
Baila nickte. »Ja. Aber es war, wie sich bald zeigte, keine sehr gute Idee. Meine Eltern, meine Brüder und Schwestern … benahmen sich, als würden sie mich nicht kennen. Es war, als hätte ich nie für sie existiert. Und als ich protestierte und sagte, ich sei noch immer der gleiche, sagte meine Mutter, Jerome sei längst tot, und die Toten kehrten nie ins Leben zurück, egal was man mich auch auf der Akademie gelehrt hätte.
Ich war nämlich so lange fort gewesen«, fuhr er fort, »dass ich völlig vergessen hatte, was Beccah Talulu über jene sagte, die mit Schiffen zu den Sternen fliegen wollten: dass es falsch sei, und eine Beleidigung der Scholle, die uns das Leben geschenkt hat. Für meine Familie war das, was ich tat und vorhatte, eine Handlung gegen die Natur.« Er ließ den Kopf hängen, und die Muskeln an seinen Schläfen zuckten nun noch stärker. Als er erneut das Wort ergriff, waren seine Worte sehr leise. »Tja, wenn Beccah Talulu es gesagt hat …«
Uhura schaute ihn eingehend an. Nun war überhaupt kein Hochmut und keinerlei Arroganz mehr in ihm. Jetzt war er nur noch ein Mensch, der von seiner Vergangenheit und seinem Volk abgeschnitten war. Ein Mensch, der – alles verloren hatte, was ihm lieb war, weil er dem nachgegangen war, wonach sein Herz sich gesehnt hatte.
Baila schaute auf. Seine Nasenflügel bebten. »Nun wissen Sie es«, sagte er. »Sie haben eine Geschichte gehört, die ich nicht gewagt habe, irgend jemandem auf diesem Schiff zu erzählen. Und eins kann ich Ihnen sagen: Wenn Sie nicht aus Koyo stammen würden, hätte ich sie auch Ihnen nicht erzählt.«
Uhura verstand.
Was hatte Commodore Wesley sie vor dem Zeugerzentrum gefragt? »Können Sie mir sagen, was ihn dazu gebracht hat, es nicht mehr so genau zu nehmen? Früher war er ein guter Offizier – ein sehr guter Offizier. Und jetzt ist er etwas weniger als das.«
Nun kannte sie die Antwort auf seine Frage. Bailas Diensteifer war langsam aber sicher von seiner Betrübtheit ausgehöhlt worden. Seine Neugier war aufgrund der Missbilligung seiner Familie über das, was aus ihm geworden war, abgestorben. Und im Laufe der vielen Jahre hatte dies eine Hülse aus ihm gemacht, die hohle Imitation eines Offiziers.
Baila stand auf. »Wir sollten jetzt lieber auf die Brücke gehen«, sagte er. »Die Zeit wird knapp.«
Uhura stieß innerlich einen Fluch aus. Bailas Enthüllung hatte sie dermaßen gefesselt, dass sie Wesleys Befehl völlig vergessen hatte. Sie sprang auf die Beine und eilte zur Tür. Doch bevor sie sie erreichte, fiel ihr auf, dass Baila sich nicht rührte.
»Ist was?«, fragte sie.
Er musterte sie eingehend. »Was ich Ihnen da erzählt habe … Niemand darf es wissen. Ich möchte nicht, dass irgend jemand davon erfährt.«
Uhura runzelte die Stirn. Sie hatte ohnehin nicht vorgehabt, die Sache mit einem Dritten zu besprechen. »Einverstanden«, sagte sie.
Baila nickte. »Danke.«
Dann gingen sie zur Tür hinaus und eilten dem Turbolift entgegen.
Als die Enterprise aus dem Warptransit kam, erblickte Kirk als erstes große Metallstücke, die vor ihnen herschwebten. Die Trümmer schienen Überreste eines Schiffes zu sein, und er glaubte einen flüchtigen Moment, irgendein Raumschiff sei vor ihnen eingetroffen und habe die Unbekannten angegriffen, bevor sie sich ihren terroristischen Aktivitäten hingegeben hatten.
»Spock …«
»Analysiere die Trümmer, Captain«, meldete Spock, der schon mit dieser Frage gerechnet hatte. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann blickte er von der wissenschaftlichen Station auf. »Es handelt sich wohl um die Überreste der Viking, Captain.«
Kirk stieß eine Verwünschung aus. Die Viking war das Patrouillenschiff gewesen, das herbeigeeilt war, um Gamma Xaridia IV Hilfe anzubieten. Wie hatte der Plan des Captains der Viking ausgesehen? War er mit dem Schiff und der Mannschaft im System geblieben, um sich in der Nähe zu verbergen und abzuwarten, ob die Unbekannten noch einmal angreifen würden? Was seine Absicht auch gewesen war, sein mutiger Schritt war sein letzter gewesen.
Kirks Blut kochte. »Volle Kraft voraus.«
»Nähern uns Gamma Xaridia VIII, Captain«, rief Sulu.
Chekov deutete plötzlich auf den Hauptschirm. Er sprang beinahe hoch. »Da sind sie!«
»Ungenau, aber enthusiastisch, Mr. Chekov«, sagte Kirk. »Aber da sind sie, ohne Zweifel.«
Die Angreifer schwärmten dem achten Planeten des Systems Gamma Xaridia entgegen, und die Sensoren meldeten schnell, dass es sich um ein volles Dutzend handelte.
»Sie kommen gerade erst an«, sagte Spock. »Offenbar bestand die Kampftaktik der Viking darin, den Angriff so weit zu verlangsamen, damit das Notsignal uns noch rechtzeitig erreichen konnte.«
»Wollen wir dafür sorgen, dass das Opfer der Viking nicht sinnlos war«, sagte Kirk scharf. »Uhu … Palmer, einen Kanal öffnen. Warnen Sie sie vor einem Angriff auf Gamma Xaridia.«
»Sende auf allen Frequenzen, Captain«, sagte Palmer. »Keine Antwort.«
Plötzlich sammelten sich die Angreiferschiffe, schossen herum und fegten genau auf die Enterprise zu.
»Ich schätze, gleich kriegen wir ihre Antwort«, sagte Kirk.
Die Angreifer rasten in zwei schwankenden Reihen von je sechs Schiffen auf sie zu. Dann sprachen ihre Waffen. Sie deckten das viel größere Raumschiff mit einer Reihe von hammerähnlichen Schlägen ein, die es wanken ließ.
»Mehrere Treffer der Steuerbordschirme!«, rief Sulu.
»Alle Phaser Feuer!«, rief Kirk.
Die Phaser der Enterprise feuerten ins All hinaus – doch um den Bruchteil einer Sekunde, bevor sie einschlagen konnten, trennten sich die Unbekannten wieder, bildeten elegante Zwillingsbogen, und der Beschuss verpuffte wirkungslos dort, wo sie soeben noch gewesen waren.
»Bleiben Sie vor ihnen, Mr. Sulu«, sagte Kirk. »Berechnen Sie ihre Bewegungen im Voraus und feuern Sie dorthin, wo sie wieder auftauchen.«
Chekov schaute Sulu nervös an und sagte leise: »Will er, dass Sie ihre Gedanken lesen?«
Sulu gab keine Antwort. Statt dessen flogen seine Finger über die Zieleinrichtung, und er beobachtete sorgfältig die schwungvollen Kurven der Schiffsarmada. Im Geiste vollführte er einen Countdown, schaute dorthin, wohin ihr Kurs sie bringen würde, und feuerte.
Doch das halbe Dutzend Schiffe fegte urplötzlich und unglaublicherweise in die Tiefe und wich dem Phaserhieb in einer Entfernung von wenigen Kilometern aus.
Inzwischen raste das zweite halbe Dutzend von Backbord heran und feuerte erneut auf die Enterprise. Die Staffel jagte zur Seite und verschwand im All, bevor das Raumschiff den Beschuss erwidern konnte.
»Steuerbord- und Backbordschirme auf siebzig Prozent Leistung«, meldete Spock.
Kirk verzog bei dieser Nachricht das Gesicht. Wenn man einem Schirm Energie entzog, um den anderen zu stärken, waren sie an einer Seite praktisch ungeschützt. »Status der Angreifer?«
»Wir haben bisher noch keinen getroffen. Die Größe ihrer Triebwerke deutet zwar an, dass sie nicht schneller als Warp zwei fliegen können, aber sie sind bei Impulskraft weit manövrierfähiger als wir. Ihre Größe und Geschwindigkeit ermöglichen es ihnen, sehr nahe an uns dranzubleiben und die Wirksamkeit ihrer Waffen zu erhöhen, ohne dass wir ihnen etwas anhaben können. Ihr Kampfstil entspricht keiner uns bekannten Taktik.«
»Sie kommen von achtern!«
»Wenden!«
»Zu spät!«
Die Unbekannten nahmen das Heck der Enterprise unter Beschuss. Kirk konnte die Schreie aus dem Maschinenraum beinahe hören; die Schirmgeneratoren arbeiteten mit äußerster Kraft.
»Phaser und Photonen, volle Kraft! Feuer!«
Die Enterprise schlug mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und Manövern zu. Doch die Angreifer tanzten zwischen den Entladungen des gewaltigen Raumschiffes. Inzwischen schüttelte sich das Schiff erneut; die Verteidigungsanlagen wurden immer schwächer.
Aus allen Teilen des Schiffes wurden Schadensmeldungen zur Brücke geschrien. »Bugphaser aus!«, rief Spock. »Steuerbordschirm gibt nach. Backbordschirm kann nur noch einen oder zwei Treffer aushalten!«
»Captain, die Turnoga-Taktik!«, rief Chekov plötzlich. »In einer solchen Situation …«
»Jetzt nicht, Mr. Chekov!«, sagte Kirk.
»Aber Sir … Gegen mehrere Gegner ist die Turnoga-Taktik …«
»Man setzt sie gegen Schiffe ein, die beträchtlich größer sind als diese, Fähnrich, und ich habe keine Zeit, die Brücke in einen Akademiehörsaal zu verwandeln. Bei vier-neunzehn Markierung sechs beidrehen. Bugschirm senken, auf Warpgeschwindigkeit vorbereiten.«
»Was?« Chekov konnte es nicht glauben. »Captain – selbst der minimale Warp fegt uns aus dem System hinaus! Dann ist die Kolonie hilflos! Und ohne Schirm sind wir hilflos! Sie könnten auf uns feuern, bevor …«
»Führen Sie meine Befehle aus, Fähnrich!«
»Jawohl, Sir.« Doch auch als Chekovs Hände über die Kontrollen flogen, gab er nicht auf. »Aber ich weiß, wenn wir die Turnoga …«
»Sind beurlaubt, Fähnrich«, sagte Kirk scharf. »Palmer, übernehmen Sie. Mr. Chekov, verschwinden Sie von der Brücke. Sie haben Quartierarrest.«
Chekovs Hände erstarrten, und er spürte, dass das Blut in seinem Kopf pulsierte. Er wollte etwas sagen, aber schon war Palmer neben ihm und schob ihn beiseite. Chekov erhob sich schwankend, die Welt schien sich um ihn zu drehen, und wie aus weiter Ferne hörte er Palmer sagen: »Kurs eingegeben, Sir.«
»Vorwärts, volle Impulskraft.«
Als Chekov zum Turbolift ging, sah er Dr. McCoy dort stehen. Er hatte sich so sehr auf die Schlacht konzentriert, dass er ihn nicht mal auf die Brücke hatte kommen sehen. Chekov schob sich wortlos an ihm vorbei in den Lift.
Aber so schnell wurde er McCoy nicht los. »Kommen Sie«, sagte der Arzt. »Ich begleite Sie zu Ihrem Quartier.« Und ohne auf eine Antwort zu warten, folgte er ihm in den Lift hinein.
Kirk vergaß den Zwischenfall mit Chekov und konzentrierte sich auf die anstehende Aufgabe. Die Schiffe der Angreifer waren nun wieder zusammen. Die Enterprise befand sich auf Kollisionskurs mit der kleinen Flotte.
»Sie schießen nicht«, sagte Palmer überrascht.
»Weil wir die Schirme deaktiviert haben. Sie wissen nicht, ob wir uns ergeben oder Selbstmörder sind. Auf meinen Befehl gehen wir auf Warp vier.«
»Direkte Beschleunigung, Captain?« Sulu drehte sich auf seinem Sitz halb um. »Sir, die Belastung könnte …« Doch Kirks Gesichtsausdruck brachte ihn dazu, sich einfach wieder den Instrumenten zuzuwenden und »Aye, Sir« zu sagen.
Sie jagten den Unbekannten immer weiter entgegen, bis die schwankenden kleinen Schiffe den Bildschirm ausfüllten.
Kirk aktivierte die Direktleitung zum Maschinenraum. »Scotty!«
»Aye, Captain!« Der Chefingenieur klang noch betrübter als üblich. Was angesichts der Umstände nicht verwunderlich war.
»Auf meinen Befehl hin leiten sie sämtliche Energie aus den Heckdeflektoren in den Bug um.«
»Dann ist unser Hintern schutzlos, Sir.«
»Weiß ich, Mr. Scott. Bereitmachen.«
Die Angreifer wirkten noch immer zögerlich, als wüssten sie nicht genau, welches As die Enterprise womöglich noch im Ärmel hatte.
»Kollisionskurs«, sagte Sulu. »Countdown. – Elf … zehn … neun … acht … sieben … sechs … Angreifer richten ihre Waffen aus.«
»Jetzt, Scotty! Energie umleiten!«
Die Deflektoren am Heck der Enterprise verblassten, und der Bugschirm wurde mit Energie gespeist. Mehrere Schüsse der Angreifer prallten wirkungslos von dem Frontdeflektor des Raumschiffes ab.
Als die Aggressoren erkannten, dass die Enterprise nun in der Lage war, sie frontal zu rammen, führten sie das gleiche Manöver aus wie schon zuvor – sie spritzten auseinander und jagten dicht an beiden Seiten des Raumschiffes vorbei.
»Sir, sie stürzen sich von oben auf uns!«
Kirk zählte mit angehaltenem Atem, dann rief er: »Jetzt, Sulu! Volle Kraft voraus, Warp vier!«
Die Enterprise machte einen Satz nach vorn. Die Leute auf der Brücke wurden an die Rückenlehnen ihrer Sitze gepresst, und rings um Kirk wurde das Knirschen der Infrastruktur unter der plötzlichen Beschleunigung hörbar.
»Captain!«, rief Spock über das Brüllen der Maschinen hinweg. »Sieben Angreifer sind bei der Beschleunigung in unser Warpfeld geraten!«
»Ausgezeichnet!«, rief Kirk zurück. »Sulu, verlangsamen! Warp abbrechen!«
Gehorsam schalteten sich die starken Triebwerke der Enterprise ab, und der Warpraum löste sich rings um das Schiff auf. Dies galt auch für die fremden Schiffe. Sie bebten, zitterten, barsten und lösten sich in überall herumschwebende Einzelteile auf.
»Sie haben der Belastung von Warp vier nicht standgehalten!«, sagte Palmer erstaunt.
»Ich habe es vermutet«, sagte Kirk forsch, »da ihre Triebwerke nicht dazu geschaffen sind, mehr als Warp zwei auszuhalten. Da sie so dicht an unserem Rumpf waren, dachte ich, wir können sie mitreißen, wenn wir schnell in den Warp gehen. Palmer, berechnen Sie den Rückkurs nach Gamma Xaridia IV.«
»Schon erledigt, Captain.«
»Gut. Mr. Sulu: volle Impulsgeschwindigkeit. Bringen Sie uns heil zurück, aber schnell. Einige von ihnen sind an uns vorbeigerutscht. Und mit denen sind wir noch lange nicht fertig.«
Die Enterprise schwang herum und war kurz darauf wieder unterwegs. Sie erreichte den Rand des Systems Gamma Xaridia, als die verbliebenen Schiffe der Angreifer gerade im Begriff waren, sich neu zu formieren.
Der Anblick des zurückkehrenden Raumschiffes schien die kleinen Einheiten deutlich zu verunsichern; sie zerstreuten sich in alle Richtungen, die sämtlich von Gamma Xaridia VIII wegführten. Offenbar hatten sie für heute genug.
Doch Kirk war noch nicht ganz fertig. »Traktorstrahlen – weitestmögliches Feld!«, rief er. Wenn man die Traktorstrahlen so weit auffächerte, schwächte dies zwar ihre allgemeine Kraft, aber die Schiffe der Unbekannten waren so klein, dass man vielleicht nicht mehr brauchte, um sie zu packen.
Wie sich herausstellte, hatte Kirk recht. Eins der Schiffe war ein wenig zu langsam. Bevor es genug Distanz zwischen sich und die Enterprise bringen konnte, war es schon von den Traktorstrahlen erfasst.
»Wir haben sie, Captain!«, jubilierte Sulu.
»Ziehen Sie sie ran, Mr. Sulu. Wollen wir doch mal sehen, ob ihre Freunde kommen, um sie zu retten.«
Doch dies war nicht der Fall. Die anderen Schiffe jagten davon und überließen die Gefangenen der Gnade der Enterprise. Kirk fühlte sich in diesem Augenblick nicht sonderlich gnädig. Trotzdem sah er auch eine Gelegenheit: Nun konnte man in Erfahrung bringen, wer hinter den scheinbar willkürlichen Überfällen auf die Xaridia-Kolonien steckte.
»Ruffrequenz öff…«
In diesem Moment explodierte das gefangene Schiff der Unbekannten. Die geschwächten Schirme konnten die Enterprise gerade eben vor der überraschend starken Druckwelle schützen. Dann brach der überlastete Bugschirm völlig zusammen. Die Zerstörung war so umfassend, dass vom Schiff der Unbekannten nicht einmal Bruchstücke übrigblieben. Sekunden später war der die Enterprise umgebende Raum leer. Die Unbekannten waren in alle möglichen Richtungen verschwunden. Das einzige Schiff, das sie geschnappt hatten, war vor ihren Augen explodiert.