_Ehrlich? Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals an einem Kochbuch mitwirken würde. Noch während ich diese Zeilen tippe, tu ich das nicht ohne Staunen. Allerdings auch mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Wer lässt sich nicht gern (positiv) vom Leben überraschen? Dies ist alles so neu für mich, und ich mag Experimente, selbst wenn sie scheitern. Und wenn sie gelingen, wie – hoffe ich – in diesem Fall, ist es einfach nur großartig. Und was mich ganz besonders freut: Das hier ist das erste Buch von mir, das ich gewissermaßen als »Auftragsarbeit« schreibe, weil Sie, liebe Leserin, lieber Leser, es sich ausdrücklich gewünscht haben.
_Dazu muss ich kurz ausholen. Drehen wir die Uhr ein paar Jahre zurück. Ich war Anfang vierzig und soeben Vater geworden, als ich beim Joggen spürte, dass etwas mit meinem Herzen nicht in Ordnung ist. Es fing mit einem Herzstolpern an. Harmlos, dachte ich. Brauchst du nicht weiter ernst zu nehmen.
Wenn Essen uns krank machen kann, kann es uns dann auch heilen? So begann meine Suche.
_Doch als ich dann wieder einmal losrannte, musste ich nach einem plötzlichen, massiven Stich in der Brust stehen bleiben. Besser gesagt, ich wurde stehen geblieben. Es war, als würde eine stählerne Hand mein Herz umschließen und ruckartig zusammendrücken. Es war beängstigend, bedrohlich in einem existenziellen Sinne: Man steht da, vollkommen macht- und hilflos, und hofft, dass es vorübergeht. Dass man diesmal noch einmal Glück hat und – wie auch immer – davonkommt.
_Das war der Beginn von allem. Ich fing an, über mich und meinen Lebensstil nachzudenken. Damals hatte ich noch nicht meine Ernährungsweise als mögliche Ursache meiner Herzbeschwerden im Verdacht. Natürlich spielte ich wiederholt mit dem Gedanken, einen Kardiologen aufzusuchen. Irgendwas in mir hielt mich im letzten Moment jedoch stets davon ab. Ich denke, ich wollte erst einmal selbst versuchen, etwas zu tun, auch wenn ich nicht wusste, was das sein sollte.
_Auf die Idee, meine Ernährung umzustellen, kam ich erst, als meine Schwester Ellen eines Tages auf Diät gegangen war. Ich habe meine Schwester noch nie so topfit gesehen! Eines Nachmittags gingen wir zusammen joggen, und Ellen lief mir regelrecht davon. Wow, dachte ich, wie wäre es, wenn du das auch mal ausprobierst?
_Was ich tat. Und was dann geschah, hat mich nicht nur überrascht – es hat mein Leben verändert. Zwei, drei Wochen nach der eher provisorischen Umstellung (kein Junkfood mehr, kein Zucker, dafür jede Menge Salate, Nüsse und Gemüse) fühlte ich mich besser. Nein, die Herzbeschwerden waren nicht verschwunden, aber ich hatte das Gefühl, als würde sich mein Körper vor meinen Augen »generalüberholen«.
_Es ist fast ein bisschen peinlich, wenn das eigene Leben zum Klischee wird. Wer kennt nicht diese Erweckungsgeschichten, die das Leben in ein Vorher und ein Nachher trennen? Vorher war man blind, und nachher ist man erleuchtet! Was soll ich sagen? Ich bin zwar – davon gehe ich einfach mal aus – immer noch nicht erleuchtet, aber ich habe am eigenen Leib erfahren, welche Macht die Ernährung haben kann. Wie grundlegend eine Ernährungsumstellung das Leben zum Besseren wenden kann. Es ist eine Macht, die wir selbst, buchstäblich, in den Händen haben.
Wie lautet die ideale Diät? Low-Carb? Low-Fat? Vegan? Paleo? Glutenfrei?
_Ich fühlte mich mit der Zeit immer fitter. Zugleich spürte ich diesen enormen Motivationsschub. Ich bin weiß Gott nicht der fleißigste Zeitgenosse. In diesem Fall aber musste mich niemand antreiben. Ich wollte es genauer wissen: Was zeichnet eine gesunde Ernährung aus? Low-Carb, Low-Fat, vegan, Paleo, glutenfrei – es gibt ja mittlerweile kaum eine Diät, die es nicht gibt. Jeder widerspricht jedem, und was gestern noch als heilsame Medizin galt, wird schon morgen wieder als gemeingefährliches Gift eingestuft, nur um kurz darauf eine 180-Grad-Rehabilitation zu erfahren, die uns staunend und ratlos in den Ausgangszustand zurückbefördert. Das »richtige« Essen ist, wie es scheint, die neue Religion geworden.
_Nicht für mich. Wenn man sich einfach »nur« heilen will, wenn es um die eigene Haut geht, die man retten will, interessiert man sich nicht für Glaubenskriege oder den letzten Diäthype aus Silicon Valley. Man interessiert sich für das, was wirklich wirkt .
_Also setzte ich mich hin, so gut wie jeden Morgen, mit einem starken Kaffee und ein paar Stückchen dunkler Schokolade, und fing an zu lesen. Zwanzig, dreißig Studien an einem guten Tag. Ich wollte mich durch die ganzen Mythen hindurchkämpfen, vordringen zu den Fakten. Ich dachte mir: Wenn du nur lange genug recherchierst, gelingt es dir hoffentlich irgendwann, das Chaos zu ordnen und die entscheidenden Zutaten der ultimativ gesunden Ernährungsweise zu identifizieren, auf wissenschaftlich solider Basis.
_So ging sie los, meine Entdeckungsreise in die faszinierend-komplexe Welt der Alters- und Ernährungsforschung. Ein Jahr verging, dann noch eins. Nach und nach schrieb ich nieder, was ich gelernt hatte, das Destillat meiner Recherche: das Buch Der Ernährungskompass – Das Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung .
_Dann folgte die nächste Überraschung. Als Autor weiß man nie, wie das eigene Gekritzel ankommen wird. Bei diesem Buch jedoch hielten sich meine Erwartungen eher in Grenzen. Mehrere Verlage hatten das Konzept bereits im Vorfeld abgelehnt. Wie bitte? Noch ein Ernährungsbuch? Um Gottes willen!, dachten die Lektoren wohl (und vielleicht gar nicht mal so zu Unrecht). Aber ich konnte und wollte nicht aufgeben. Und zum Glück ging die wochenlange Suche nach einem geeigneten Verlag doch noch gut aus.
_Von einem möglichen Bestseller war aber auch beim Verlag C. Bertelsmann, in dem der Ernährungskompass schließlich erschien, nie die Rede (was bei einem weitgehend unbekannten Autor auch nicht verwunderlich ist). Die Erwartungen waren einfach realistisch, und das heißt: bescheiden, und so ging Der Ernährungskompass im März 2018 mit einer überschaubaren Auflage von ein paar tausend Exemplaren an den Start.
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