Christine Merk hat nach längerer Zeit unfreiwilliger Arbeitslosigkeit eine Stelle als Chefsekretärin in der mittelständischen Firma Werkzeugbau GmbH angetreten. In ihrem Arbeitsvertrag heißt es ua: „Die Arbeitnehmerin wird als Chefsekretärin eingestellt.“ Frau Merk, die ausgebildete Erzieherin ist und früher auch in diesem Beruf gearbeitet hat, bemüht sich sehr, ihren Aufgaben gerecht zu werden. Als ihr Chef, Herr Fudickar, jedoch zu ihr sagt: „Frau Merk, bitte servieren Sie mir eine Tasse Kaffee“, ist sie sich momentan unschlüssig, was sie davon halten soll. In den verschiedenen sozialen Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege, in denen sie früher gearbeitet hat, hatten sich immer alle Mitarbeiter – Leiter eingeschlossen – daran beteiligt, den Kaffee zu kochen. Widerstrebend führt sie den Auftrag aus. Ihre Freundin, der sie davon erzählt, hält nicht damit zurück, dass sie derartiges „Chef-Gehabe“ im Zeitalter der Gleichberechtigung für überholt hält. „In deinem Arbeitsvertrag ist von Kaffeekochen nicht die Rede. So etwas brauchst du dir nicht gefallen zu lassen.“ – Hat Frau Merks Freundin Recht?
Die Bitte von Herrn Fudickar an Frau Merk, ihm Kaffee zu kochen, ist eine Weisung. Mit ihr bringt Herr Fudickar konkret zum Ausdruck, welche Arbeitsleistung er von Frau Merk verlangt. Man sagt auch, der Arbeitgeber konkretisiert mit der Weisung die arbeitsvertraglichen Pflichten.
Die möglichen Inhalte einer Weisung sind so vielfältig wie das Arbeitsleben. Ob eine solche Weisung dann im Einzelfall zulässig und damit rechtswirksam ist, ist eine andere Frage, die anschließend behandelt wird. Eine Weisung kann neben dem Kaffeekochen das Tragen von Schutzkleidung, ein Rauchverbot, die Arbeitszeit, den Ort der Arbeit (Versetzung) oder ihren Umfang (Kurzarbeit, Überstunden) und vieles andere mehr betreffen.
Im Grunde gibt es kein einheitliches äußerliches Erkennungszeichen einer Weisung. Sie kann in der Form eines „Fass mal an!“ des Tischlermeisters, einem „Hauruck“ des Vorarbeiters, einer betrieblichen „Arbeitsordnung“ mit vielen einzelnen Weisungen (zB „Alle mit Schweißarbeiten Beschäftigten müssen eine Schutzbrille tragen“), der Zuweisung von Verkaufsbezirken an einen Vertreter bis hin zum förmlichen Schreiben an einen leitenden Angestellten mit einer Versetzungsanordnung ins Ausland auftreten. All dem gemeinsam ist lediglich, dass der Arbeitgeber oder sein Vertreter vom Arbeitnehmer eine bestimmte Verrichtung (auch mehrere) oder eine bestimmte Verhaltensweise fordert.
Mit der Anweisung Kaffee zu kochen, hat Herr Fudickar von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, die Arbeitspflicht von Frau Merk durch einseitige Weisung zu konkretisieren. Rechtsgrundlage ist der Arbeitsvertrag, in dem die zu leistende Arbeit nur ihrer Art nach (Chefsekretärin) festgelegt wurde. Wer einen Arbeitsvertrag schließt, weiß, dass er gesagt bekommt, was er zu tun hat. Das ist so selbstverständlich, dass die Unterwerfung des Arbeitnehmers unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht eigens ausgesprochen oder vereinbart werden muss. In § 106 GewO, der für alle Arbeitnehmer gilt, ist hierzu geregelt: „Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.“
Doch zurück zu Frau Merks Problem, denn noch ist nicht ganz klar, ob Herr Fudickar mit seiner Weisung nicht zu weit gegangen ist.
Welche Arbeit der Arbeitnehmer im Einzelnen zu leisten hat, bestimmt sich in erster Linie nach dem Arbeitsvertrag. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn höherrangige Regeln, also zwingendes Gesetz, Tarifvertrag, oder Betriebsvereinbarung, etwas anderes vorsehen, siehe der zuvor zitierte § 106 GewO. Die wesentliche Beschränkung des Weisungsrechts liegt also im Arbeitsvertrag.
Zum Problem des Kaffeekochens sagt der Arbeitsvertrag jedoch nichts. Wir müssen also durch Auslegung des Arbeitsvertrags feststellen, ob diese Tätigkeit zum Pflichtenkreis von Frau Merk gehört.64 Hierbei wird entscheidend sein, was unter den konkreten Umständen – mittelständisches Unternehmen, produzierendes Gewerbe – üblicherweise unter der Arbeit einer Chefsekretärin verstanden wird. Kaffeekochen gehört hier immer noch zum Berufsbild einer Chefsekretärin. Frau Merk hätte entgegen der Meinung ihrer Freundin kein Recht gehabt, das Kaffeekochen zu verweigern.
Anders wäre die Sachlage zu beurteilen, wenn Frau Merk als Schreibkraft im zentralen Schreibdienst der Firma Werkzeugbau GmbH angestellt worden wäre. Dann wäre die Weisung von Herrn Fudickar, ihm Kaffee zu kochen, nicht mehr im zulässigen Rahmen des Weisungsrechts und daher rechtswidrig.
Bei Frau Merk ging es „lediglich“ um die Zulässigkeit von Weisungen in einem relativ unbedeutenden Teilbereich des Arbeitsalltags. Jedoch auch im Bereich der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten wird der Rahmen durch den Arbeitsvertrag gesteckt. Nur soweit nichts Genaues vereinbart ist, kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungs- und Direktionsrechts bestimmen, welche Arbeit der Arbeitnehmer im Einzelnen zu leisten hat.
Ist der Arbeitnehmer für eine bestimmte Tätigkeit, zB als Autoverkäufer bei einem Autohändler angestellt, so ist diese Tätigkeit Inhalt des Arbeitsvertrages. Der Arbeitgeber darf ihn dann mit dem Verkauf aller von ihm gehandelten Automarken beschäftigen. In die Lohnbuchhaltung darf er ihn aber nicht versetzen, auch wenn der Arbeitnehmer dort mit der gleichen Bezahlung rechnen kann. Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer können den zwischen ihnen bestehenden Arbeitsvertrag einseitig ändern.
Eine Änderung des Arbeitsvertrags ist nur möglich, wenn beide Seiten zustimmen. Der Arbeitgeber kann jedoch versuchen, die Änderung des Arbeitsverhältnisses im Wege einer Änderungskündigung durchzusetzen (mehr darüber im 13. Abschnitt dieses Kapitels).
In Notfällen (zB Brand, Überschwemmung) muss der Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers kurzfristig auch andere als nach dem Arbeitsverhältnis zulässige Arbeiten verrichten.
Im Allgemeinen kann der Arbeitgeber eine geringer bezahlte Stelle auch dann nicht zuweisen, wenn sich die Tätigkeitsbeschreibung der neuen Stelle noch im Rahmen des durch den Arbeitsvertrag festgelegten Bereichs hält. Dem Arbeitgeber ist es nämlich grundsätzlich verwehrt, den Arbeitnehmer im Rahmen seines Weisungsrechts auf einen Arbeitsplatz mit geringerer Entlohnung umzusetzen.
Peter Brandl ist seit einigen Jahren bei der Bausparkasse BSK angestellt. Sein Arbeitsvertrag sieht eine Beschäftigung als „kaufmännischer Angestellter“ vor. Herr Brandl wurde in der Beratungsstelle München-Süd als Kreditsachbearbeiter im Außendienst beschäftigt. Nachdem die Arbeitsleistung von Herrn Brandl deutlich nachgelassen hat, ordnet die BSK an, dass Herr Brandl keine Kundenberatung mehr durchzuführen, sondern nur noch im „Innendienst“ zu arbeiten habe. Die Tätigkeit im Innendienst wird nach dem Gehaltsschema der BSK mit 200 EUR pro Monat geringer vergütet als die Tätigkeit im Außendienst (am Kundenschalter). Herr Brandl ist mit der neuen Tätigkeit nicht einverstanden und hält die Umsetzung für unwirksam. – Mit Recht?
Inhaltlich hat sich der Arbeitgeber durchaus im Rahmen seines Weisungsrechts gehalten, weil Herr Brandl auch nach der Versetzung weiterhin entsprechend seinem Arbeitsvertrag als kaufmännischer Angestellter beschäftigt wurde. Gleichwohl ist die Maßnahme unzulässig und damit rechtsunwirksam, weil die Umsetzung zu einer geringer entlohnten Tätigkeit geführt hat. Hier hätte die BSK eine Änderungskündigung aussprechen müssen, um Herrn Brandl wirksam in die neue Position umsetzen zu können. Das Weisungsrecht findet 66also im Allgemeinen da seine Grenze, wo die Maßnahme Auswirkungen auf die Vergütung des Arbeitnehmers hat.
Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Arbeitgeber sich im Arbeitsvertrag die Versetzung auf eine geringer entlohnte Stelle vorbehalten hat.
Der Arbeitsvertrag enthält folgende Bestimmung: Der Arbeitgeber behält sich vor, soweit erforderlich, den Arbeitnehmer auf eine andere, ggf. auch geringer entlohnte Stelle umzusetzen.
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist ein solcher Vorbehalt rechtsunwirksam und damit ohne Bedeutung.
Wichtig:
Steht ein solcher Vorbehalt allerdings in einem Tarifvertrag, so ist er nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts wirksam.
Nein. Bei Ausübung des Weisungsrechts muss der Arbeitgeber seine Maßnahmen nach billigem Ermessen treffen (§ 106 S. 1 GewO: „Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen,…).“
Eine Weisung entspricht billigem Ermessen, wenn sie nicht willkürlich ist und die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt. Der Arbeitgeber muss also insbesondere auf die Kräfte und Fähigkeiten des Arbeitnehmers sowie seine bisherige Tätigkeit Rücksicht nehmen. Er darf sich nicht von unsachlichen Motiven leiten lassen und muss unter mehreren gleich praktikablen Maßnahmen diejenige Maßnahme wählen, die den Arbeitnehmer am wenigsten belastet.
67Florian Bode ist seit sechs Jahren bei einer Wirtschaftsdetektei als Außendienstmitarbeiter (Akquisiteur) beschäftigt. Ihm war zunächst als Außendienstbezirk der Landkreis München sowie die Stadt München zugewiesen, wobei sich der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag eine Änderung des Außendienstbezirks vorbehalten hatte. Im Zuge einer Neuorganisation wird Herrn Bode mitgeteilt, dass er nunmehr die Landkreise Garmisch-Partenkirchen, Bad Tölz und den Raum Berchtesgaden zu betreuen habe. Herr Bode ist damit nicht einverstanden, weil er in München wohnt und jetzt mehr mit dem Pkw unterwegs sein muss. Er wird bei der Personalabteilung vorstellig. Er weist auf diesen Umstand hin und auch darauf, dass es ja auch noch andere Mitarbeiter gebe, denen man diese gebirgsnahen Bezirke zuweisen könne. Der Leiter der Personalabteilung erwidert, auf solche privaten Belange könne in einem marktwirtschaftlich orientierten Unternehmen keine Rücksicht genommen werden. Die Neueinteilung sei Ergebnis gründlicher unternehmenspolitischer Überlegungen. – Ist die Neuzuweisung des Außendienstbezirks an Herrn Bode rechtens?
Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob es dem Arbeitgeber in einem etwaigen Prozess gelingt, die Begründung für seine Maßnahme so zu präzisieren, dass deutlich wird, dass die Maßnahme Ergebnis sachlicher Überlegungen ist. Die pauschale Begründung, die Maßnahme sei durch eine neue Unternehmenskonzeption bedingt, ist nicht deutlich genug. Sie lässt nämlich nicht erkennen, ob hier Willkür im Spiel war und ob die Interessen von Herrn Bode – unter Abwägung gegen die Interessen anderer für den Außendienst zuständigen Mitarbeiter – berücksichtigt worden sind.
Bleibt es bei der dürren Begründung des Unternehmens, wird Herr Bode wohl Recht bekommen. Die Äußerung des Personalleiters, die privaten Belange von Herrn Bode könnten nicht berücksichtigt werden, ist ein gewisses Anzeichen, dass die Maßnahme nicht billigem Ermessen entspricht. Das schließt aber nicht aus, dass sich die Maßnahme nachträglich – nämlich im Prozess – als willkürfrei erweist, weil die Firma ausführlich und nachvollziehbar erläutert, warum die Maßnahme sachgerecht war und inwieweit auch die Belange von Herrn Bode berücksichtigt wurden.
Um diese Frage besser zu verstehen, schauen wir uns zunächst ein Beispiel an:
Konrad Laube arbeitet seit 1980 in einer großen Pkw-Vertragswerkstätte. Er wurde seinerzeit für alle anfallenden Arbeiten eingestellt und kümmerte sich auch um die Reinigung von Büros und Werkstätten. Etwa ab 1988 wurde er zu Hilfsarbeiten in der Buchhaltung herangezogen. Ab 1990 war er dann ausschließlich mit bestimmten Bürotätigkeiten in der Buchhaltung betraut und wurde entsprechend höher bezahlt. Im Jahre 2013 bekommt Herr Laube Streit mit dem sehr viel jüngeren Leiter der Buchhaltung. Dieser erreicht, dass Herr Laube vom Geschäftsführer die Weisung erhält, sich künftig nur noch um die Reinigung der Räume und das Aufräumen des Lagers zu kümmern. Der Geschäftsführer sichert Herrn Laube allerdings zu, dass die Bezahlung die gleiche bleiben werde. Muss Herr Laube der Weisung folgen?
Nein. Herr Laube war zwar ursprünglich für „alle anfallenden Arbeiten“ eingestellt worden. Weil er aber inzwischen lange Zeit nur noch im Büro gearbeitet hat, hat sich seine Arbeitsverpflichtung auf diese Tätigkeit konkretisiert. Herr Laube musste nach 23 Jahren nicht mehr damit rechnen, dass er wiederum zu Arbeiten herangezogen wird, die erheblich unter seiner jetzigen Tätigkeit einzuordnen sind. Es handelt sich um einen Fall des Vertrauensschutzes.
Nach wie viel Jahren ein solcher Vertrauensschutz anzuerkennen ist, ist nirgends festgelegt. Bei einer vom Arbeitgeber ausdrücklich oder stillschweigend gebilligten dauernden Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit (wie in unserem Beispiel) wird von der Rechtsprechung ein Vertrauensschutz des Arbeitnehmers uU schon nach drei bis vier Jahren anerkannt. Soweit es aber lediglich um bestimmte Umstände der Erbringung der Arbeitsleistung geht (zB Arbeit in einer bestimmten Abteilung, in einer bestimmten Schicht oä) wird vor Ablauf von 10 Jahren regelmäßig kein Vertrauensschutz anerkannt. Aber auch wenn Sie länger als 10 Jahre mit einer bestimmten Tätigkeit oder in bestimmter Weise beschäftigt worden sind, ist die 69Rechtsprechung mit der Zubilligung eines Vertrauensschutzes sehr zurückhaltend.
Wichtig:
Vertrauensschutz kann nur da entstehen, wo die Umstände dies nahe legen. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn sich der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag ausdrücklich vorbehalten hat, Ort oder Art und Weise der Erbringung der Arbeitsleistung zu verändern.
Ein solcher arbeitsvertraglicher Vorbehalt könnte zB folgenden Wortlaut haben: „Der Arbeitnehmer wird als Systemingenieur eingestellt. Die Firma ist berechtigt, vorübergehend oder auf Dauer andere gleichwertigen Arbeiten innerhalb des Unternehmens zuzuweisen.“
Dies wäre eine Regelung, mit der sich der Arbeitgeber freie Hand behält, – allerdings in den schon besprochenen Grenzen des billigen Ermessens – die Arbeitsverpflichtung nach Art und Ort der Arbeitsleistung – ohne Ausspruch einer Änderungskündigung – umzugestalten. Auch hier empfiehlt es sich, im Streitfall zunächst einmal im Arbeitsvertrag nachzuschauen.
Im Allgemeinen nicht. Das Privatleben ist für den Arbeitgeber tabu. Auch hier gibt es Ausnahmen. So können sich für einen Arbeitnehmer aus der Tätigkeit in einer bestimmten Branche oder in bestimmten (insbesondere leitenden) Positionen erhöhte Rücksichtspflichten bezüglich der betrieblichen Interessen ergeben, die dazu führen, dass der Arbeitgeber auch Weisungen bezüglich des außerdienstlichen Verhaltens erteilt.
Ein Unternehmen, das sich mit dem Bau von Kernreaktoren und Waffensystemen befasst, untersagt den leitenden Angestellten, sich in der Öffentlichkeit kritisch zum Produktionsprogramm zu äußern. Der Geschäftsführer einer „Liga gegen den Alkohol“ wird angewiesen, auf die Verherrlichung des Alkoholkonsums im privaten Bereich zu verzichten.
70Wie Sie sehen, hört in bestimmten Ausnahmefällen das Weisungsrecht am Werkstor nicht auf. Hier muss das Recht des Arbeitnehmers, seine Meinung frei zu äußern, hinter das betriebliche Interesse an einer erfolgreichen Vermarktung des Produkts zurücktreten.
Das Weisungsrecht findet seine Grenzen in den Gesetzen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, insbesondere auch in dem durch die Verfassung geschützten Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. § 106 S. 1 GewO: „Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.“
Diese Beschränkung durch gesetzliche Vorschriften kann von Bedeutung sein etwa bei unangemessenen Weisungen für die Kleidung, den Haarschnitt sowie bei Leibesvisitationen im Rahmen von Torkontrollen, weil hierin je nach Sachlage ein unzulässiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gesehen werden kann.
Weiterhin ist die maßvolle Bekundung der politischen Überzeugung im Betrieb regelmäßig durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt. Entsprechende Äußerungen sind kein Verstoß gegen die betriebliche Ordnung und geben dem Arbeitgeber kein Recht, eine Abmahnung auszusprechen, auch wenn die geäußerte Meinung nicht gefällt.
Wichtig:
Eine Meinungsäußerung ist nicht gegen Weisungen bzw. Abmahnungen des Arbeitgebers geschützt, wenn sie aufdringlichen, missionierenden Charakter hat. Es muss dann nämlich damit gerechnet werden, dass Mitarbeiter da sind, die sich gegen eine Missionierung verwahren oder sich gar zur Gegenpropaganda animiert fühlen. Es ist dann nur noch eine Frage der Zeit, wann das Betriebsklima vergiftet ist. Der Arbeitgeber braucht diesen Zeitpunkt 71nicht abzuwarten, sondern kann im Wege der Abmahnung schon vorher eingreifen.
Ob und inwieweit eine Meinungsäußerung noch maßvoll oder schon aufdringlich ist, darüber lässt sich im Einzelfall streiten. Das gilt insbesondere dann, wenn die Meinungsäußerung sehr knapp und prägnant gehalten ist, nämlich in Form von Plaketten an der Kleidung, Aufklebern am Auto oder einem Medaillon um den Hals. Solche Meinungsäußerungen wurden von der Rechtsprechung in verschiedenen Fällen als zu aufdringlich angesehen. Regelmäßig spielten dabei Größe und Aufmachung eine entscheidende Rolle.
Die möglichen Folgen hängen davon ab, ob die Weisung rechtmäßig ist oder nicht. Ist sie rechtmäßig, kann sie der Arbeitgeber wegen Verstoßes gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten – häufig ist von „Arbeitsverweigerung“ die Rede – abmahnen und, je nach Schwere der Pflichtverletzung, mit oder ohne vorherige Abmahnung auch kündigen.
Jedoch brauchen Sie Weisungen, die sich nicht in den durch den Arbeitsvertrag gesteckten Grenzen halten oder die gegen ein Gesetz oder die guten Sitten verstoßen, nicht zu befolgen. Wegen Ihrer Weigerung in einem solchen Fall darf Ihnen der Arbeitgeber nicht kündigen.
Wichtig:
Sie müssen Ihren Arbeitgeber allerdings deutlich auf die Gründe hinweisen, die Sie dazu bewegen, die geforderte Arbeitsleistung nicht zu erbringen oder das geforderte Verhalten zu verweigern.
72Peter Wiedenhöfer ist Buchhalter in der Firma Software GmbH. In der Mittagspause äußert er gegenüber Kollegen, dass er den Verzicht auf ein generelles Tempolimit auf den bundesdeutschen Autobahnen für unverantwortlich hält. Es kommt zu einer heftigen Diskussion, von der auf Umwegen der Geschäftsführer Kenntnis erhält. Einige Tage später erhält Herr Wiedenhöfer von der Personalabteilung ein Schreiben, in dem er aufgefordert wird, kritische Äußerungen über das Problem eines Tempolimits zu unterlassen. Andernfalls müsse er mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Herr Wiedenhöfer kümmert sich nicht um die Abmahnung, sondern vertritt weiterhin im Kollegengespräch seine Meinung. Die Firma kündigt ihm darauf hin. Herr Wiedenhöfer erhebt Kündigungsschutzklage. Im Prozess führt der Vertreter der Firma aus: „Die Kündigung war sozial gerechtfertigt und damit wirksam, weil Herr Wiedenhöfer mit seinem Gerede gröblich gegen die Interessen unserer Volkswirtschaft wie auch gegen die Interessen unseres Unternehmens als Vertragspartner eines großen Automobilproduzenten verstoßen hat. – War die Weisung der Firma an Herrn Wiedenhöfer, das Thema „Tempolimit“ zu vermeiden, rechtmäßig?
Das Gericht wird nach Lage der Dinge wohl Herrn Wiedenhöfer Recht geben. Die im Rahmen der Abmahnung ausgesprochene Weisung an Herrn Wiedenhöfer, sich im Betrieb jeder Meinungsäußerung zum Problem Tempolimit zu enthalten, hielt sich nicht im Rahmen des Weisungsrechts des Arbeitgebers, da die Form, in der Herr Wiedenhöfer sich geäußert hat, nicht zu beanstanden war. Ein Verstoß gegen diese Weisung beinhaltete daher keine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten durch Herrn Wiedenhöfer und konnte daher die Kündigung nicht rechtfertigen.
Wichtig:
Beachten Sie, dass die Beurteilung eines solchen Falles sehr stark von den Umständen des Einzelfalles abhängt. Bereits geringe Veränderungen in den Gesamtumständen können ggf. zu einem veränderten Urteil des Gerichts führen. Das könnte etwa der Fall sein, wenn Herr Wiedenhöfer seine Kollegen immer wieder mit diesem Thema konfrontiert („traktiert“) und seine Meinungsäußerungen dadurch missionarischen Charakter bekommen haben.
Bezieht sich eine – unrechtmäßige – Weisung auf die Erbringung einer bestimmten Arbeitsleistung, so bleibt Ihr Vergütungsanspruch erhalten, auch wenn Sie infolge der Weigerung keine Arbeitsleistung erbracht haben. Zwar gilt im Allgemeinen der Grundsatz: „Ohne Arbeit kein Lohn!“ Hier verhält es sich jedoch anders. An Ihrer Bereitschaft, eine vertragsgemäße Arbeitsleistung zu erbringen, hat sich durch Ihre Weigerung, eine vertragswidrige Tätigkeit auszuführen, nichts geändert. Der Arbeitgeber ist also weiterhin zur Vergütung verpflichtet, wenn Sie Ihre Arbeitskraft ordnungsgemäß anbieten, also am Arbeitsplatz erscheinen.
Petra Kleinschmidt ist als Sekretärin eines Abteilungsleiters bei der Firma Materialbau GmbH beschäftigt. Eines Tages macht Herr Kohler, ihr Vorgesetzter, ihr einen Heiratsantrag, den sie höflich, aber bestimmt ablehnt. Herr Kohler fühlt sich brüskiert und setzt bei der Geschäftsleitung durch, dass Frau Kleinschmidt angewiesen wird, ab dem ersten Werktag des Folgemonats in der Schreibkanzlei des Unternehmens zu arbeiten. Frau Kleinschmidt erscheint an diesem Tag dennoch an ihrem alten Arbeitsplatz, stellt aber fest, dass dieser bereits von einer neuen, jüngeren Mitarbeiterin besetzt ist. Frau Kleinschmidt geht nach Hause. Für die sich anschließende Zeit der Arbeitslosigkeit verlangt sie von der Firma Vergütung. Die Firma weigert sich zu zahlen mit der Begründung, Frau Kleinschmidt habe nicht gearbeitet, obwohl Arbeit in der Schreibkanzlei in ausreichendem Umfang da gewesen sei. – Wer hat Recht?
Frau Kleinschmidt wird Recht bekommen, da die Weisung in diesem Fall nicht dem erforderlichen billigen Ermessen entsprochen hat und damit unzulässig war. Dieser – unzulässigen – Weisung brauchte Frau Kleinschmidt nicht Folge zu leisten. Da sie andererseits ihre Arbeitsleistung ordnungsgemäß angeboten hat, hat sie ihren Vergütungsanspruch nicht verloren. Man sagt: Der Arbeitgeber befand sich im Annahmeverzug, das heißt, er hat es versäumt, die von Frau Kleinschmidt ordnungsgemäß angebotene Arbeit anzunehmen.
Sehr unangenehm für Sie: Wenn Sie irrtümlich an die Rechtswidrigkeit einer Weisung geglaubt haben, nützt Ihnen das nichts. Das heißt, es kann Ihnen nach einer entsprechenden Abmahnung trotzdem gekündigt werden.
Wichtig:
Diese unangenehme Folge kann sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts uU sogar dann ergeben, wenn Ihr Irrtum auf einer entsprechenden Beratung eines Rechtsanwalts oder einer Gewerkschaft beruhte.
Häufig wird es aus der Natur der Situation heraus kaum möglich oder sinnvoll sein, gegen eine Weisung gerichtlich vorzugehen. Bis es zum Prozess und zu einer Entscheidung im Prozess kommt, hat sich die Angelegenheit in der einen oder anderen Weise (Befolgung oder Nichtbefolgung der Weisung) erledigt. In diesen Fällen geht es dann nur noch um die Folgen, zB um die Zulässigkeit einer Kündigung wegen Arbeitsverweigerung oder um die Vergütungspflicht des Arbeitgebers bei Annahmeverzug.
Bei Weisungen, die auf einen Dauerzustand oder eine immer wieder auftretende Situation gerichtet sind, kann eine Klage gegen die Weisung selbst aber durchaus sinnvoll sein. Dazu zwei Beispiele:
Manfred Kugler ist Angestellter in der Firma Oxanol GmbH. In letzter Zeit erscheint er öfter mit einem unscheinbaren Parteiabzeichen am Revers im Betrieb. Von der Firmenleitung erhält er einen Brief, in dem ihm das Tragen des Parteiabzeichens unter Hinweis auf den Betriebsfriedens untersagt wird.
Frau Paulsen ist Filialleiterin in einer Drogeriemarkt-Kette. Ihr Arbeitsvertrag enthält in § 2 folgende Regelung: „Die Arbeitnehmerin wird als Filialleiterin in der Filiale Wandsbeker Marktstraße in Hamburg-Wandsbek 75eingestellt. Mit einer ggf. aus betrieblichen Gründen notwendigen Versetzung in eine andere Filiale ist die Arbeitnehmerin einverstanden“. Die Filiale in der Wandsbeker Marktstraße befindet sich in der Nähe der Wohnung von Frau Paulsen. Nach drei Jahren Beschäftigungsdauer erhält sie ein Schreiben der Firmenleitung, in dem ihr ohne nähere Begründung aufgegeben wird, ab nächstem Ersten in der Filiale in der Pinneberger Chaussee in Hamburg-Eidelstedt ihre Arbeit aufzunehmen.
In beiden Fällen ist es sinnvoll, wenn der betroffene Arbeitnehmer bzw. die betroffene Arbeitnehmerin im Wege einer Klage gegen die Weisung gerichtlich vorgeht. Es handelt sich nämlich in beiden Fällen um Weisungen, die längerfristig für den Arbeitnehmer Auswirkungen haben. Eine solche Klage wird auch als zulässig angesehen. Ob die Klage im Einzelfall allerdings jeweils Erfolg haben wird, kann nur nach näherer Kenntnis der Einzelumstände beurteilt werden. Was dabei eine Rolle spielt, haben wir in den vorangegangenen Abschnitten erläutert.
Übrigens bezeichnet man Weisungen, die darauf gerichtet sind, dem Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz an einem anderen Ort oder einen andersartigen Arbeitsplatz zuzuweisen, als Versetzung.
Im Zusammenhang mit unseren Überlegungen zum Weisungsrecht des Arbeitgebers haben wir an verschiedener Stelle festgestellt, dass der Arbeitgeber normalerweise an den „Pflöcken“ des Arbeitsvertrags nicht im Wege des Weisungsrechts rütteln kann, sondern hierzu eine Änderungskündigung aussprechen muss. Wir wollen uns deshalb im Folgenden mit der Änderungskündigung und ihren Unterschieden zu einer Maßnahme im Rahmen des Weisungsrechts beschäftigen.
Dazu zunächst ein Beispiel:
Cornelia Sommer ist seit zweieinhalb Jahren bei der Condata GmbH, einem Software-Haus mit elf Arbeitnehmern, als Buchhalterin halbtags beschäftigt. Nach einer internen Überprüfung und aufgrund einer Beratung durch einen Unternehmensberater reift beim Geschäftsführer die Einsicht, dass die Buchhaltung wirtschaftlicher durch einen stundenweise in freier Mitarbeit beschäftigten Buchhalter bewältigt werden kann. Frau Sommer erhält daraufhin folgendes Schreiben: „Betrifft: Änderungskündigung. Sehr geehrte Frau Sommer, zu unserem Bedauern sehen wir uns gezwungen, Ihr Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen ordentlich zum Quartalsende zu kündigen. Zugleich bieten wir Ihnen die Stelle einer Sekretärin mit einer gegenüber bisher um 175 EUR brutto geringeren Vergütung bei im Übrigen gleich bleibenden Bedingungen an.“ Das Schreiben verursacht bei Frau Somer erhebliche Aufregung. Sie wendet sich an Rechtsanwalt Dr. Wagler, um zu erfahren, was sie dagegen machen kann. Was wird ihr der Rechtsanwalt sagen?
Dr. Wagler wird ihr vorab erklären, was eine Änderungskündigung eigentlich ist: Eine Änderungskündigung ist zunächst einmal eine Kündigung, dh eine Erklärung des Arbeitgebers (oder auch des Arbeitnehmers), mit der dieser das Arbeitsverhältnis einseitig beendet. Eine Änderungskündigung kann wie eine „normale“ Beendigungs-Kündigung als außerordentliche (= fristlose) oder als ordentliche (=fristgemäße) Kündigung ausgesprochen werden.
Das Besondere der Änderungskündigung gegenüber der Beendigungskündigung liegt nun darin, dass die Kündigung mit dem Angebot zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags mit geänderten Bedingungen verbunden ist.
Wichtig:
Die Änderungskündigung ist für den Arbeitgeber der einzige formelle Weg, um von „ungeliebten“ Arbeitsvertragsbestimmungen herunterzukommen, ohne Sie um Ihr Einverständnis bitten zu müssen. Gehören Sie zum nach dem Kündigungsschutzgesetz 77oder anderen Gesetzen bei Kündigungen geschützten Personenkreis, muss er allerdings das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Kündigung nachweisen können.
Frau Sommer hat zwei Möglichkeiten:
(1) Sie kann das neue Vertragsangebot ablehnen oder ignorieren und gegen die Kündigung als solche Klage erheben, in der Hoffnung, dass die Kündigung vom Gericht als unrechtmäßig angesehen wird. Sie wird dann nur die Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage angreifen (Achtung: Drei-Wochen-Frist beachten!). Diesen Weg wird Frau Sommer wählen, wenn das Arbeitsverhältnis für sie nur zu den alten Konditionen interessant ist, wenn sie sich also sagt: „Wenn es mir nicht gelingt, das Arbeitsverhältnis mit den früheren Bedingungen zu erhalten, möchte ich das Arbeitsverhältnis lieber ganz aufgeben.“
Ein solcher Standpunkt wäre etwa nachvollziehbar, wenn Frau Sommer befürchten muss, durch die weniger qualifizierte Tätigkeit als Sekretärin mit ihren Buchhaltungsfähigkeiten aus der Übung zu kommen und damit bei späteren Bewerbungen eine schlechtere Ausgangsposition zu haben.
(2) Will Frau Sommer nicht riskieren, dass sie den Arbeitsplatz verliert, hat sie die Möglichkeit, sich diesen zu sichern. Dazu muss sie ihrem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens aber innerhalb von drei Wochen, nachdem sie die Kündigung erhalten hat, etwa Folgendes mitteilen: „Ihr Vertragsangebot im Zusammenhang mit Ihrer Änderungskündigung nehme ich unter dem Vorbehalt (oder: unter der Voraussetzung) an, dass die Änderung der Vertragsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist.“
Mit einer solchen Erklärung hat Frau Sommer deutlich gemacht, dass sie an ihrem Arbeitsplatz auf jeden Fall – notfalls auch unter den von der Condata GmbH gewünschten geänderten Bedingungen – festhalten und nur die Änderung der Konditionen durch das Gericht überprüfen lassen will. Frau Sommer muss dann, wenn sie die 78unter Vorbehalt angenommenen Arbeitsbedingungen nicht akzeptieren möchte, innerhalb von 3 Wochen nach Kündigungszugang Änderungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen. Das Gericht wird dann die Änderung der Arbeitsbedingungen auf ihre soziale Rechtfertigung hin überprüfen, wenn Frau Sommer den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) genießt.
Ganz allgemein gesprochen sagt man, die Änderung der Arbeitsbedingungen müsse sozial gerechtfertigt sein und einen angemessenen Ausgleich der beiderseitigen Interessen beinhalten. Beachten Sie aber, dass das nur dann gilt, wenn die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes vorliegen. (Näheres dazu im Abschnitt über den Kündigungsschutz)
Im Ergebnis läuft es regelmäßig darauf hinaus, dass das Gericht an eine Änderungskündigung weniger strenge Maßstäbe anlegt als an eine Beendigungskündigung.
Zurück zu unserem Fall mit Frau Sommer. Rechtsanwalt Dr. Wagler wird Frau Sommer darauf hinweisen, dass sie – wenn sie klagt – nicht ohne weiteres mit einem Erfolg ihrer Klage rechnen kann. Wenn die Condata GmbH nämlich nachweisen kann, dass die Buchhaltung tatsächlich ohne willkürliches Handeln auf einen externen Buchhalter verlagert wurde und dadurch der Arbeitsplatz von Frau Sommer wegfällt, wird das Gericht der Condata GmbH Recht geben.
In diesem Kapitel haben wir gesehen, dass der Arbeitgeber eine bestimmte Maßnahme im einen Fall durch eine formlose Weisung, im anderen Fall nur im Wege einer Änderungskündigung durchsetzen 79kann. Folgender Fall soll die sich hieraus ergebenden rechtlichen Folgen verdeutlichen:
Heidemarie Scholl wird von der Drugstore GmbH, einem Unternehmen, das überregional Drogerie-Märkte betreibt, als Filialleiterin eingestellt. In ihrem Arbeitsvertrag findet sich ua folgende Bestimmung: „§ 1. Frau Scholl wird als Filialleiterin für die Filiale Frankfurt, Gutleutstraße, eingestellt. Mit einer ggf. aus betrieblichen Gründen notwendigen Versetzung in eine andere Filiale ist Frau Scholl einverstanden.“
Heike Löffler wird in der gleichen Filiale als Verkäuferin beschäftigt. In ihren Arbeitsvertrag wurde versehentlich die zitierte Bestimmung des § 1 („Mit einer…Versetzung… einverstanden.“) nicht mit aufgenommen.
Die Drugstore GmbH entschließt sich wegen unbefriedigender Erträge in der Filiale Gutleutstraße, dieselbe zu schließen und die dort Beschäftigten in eine gerade neu eröffnete Filiale am Stadtrand umzusetzen. Wodurch unterscheiden sich die Rechtspositionen von Frau Scholl und Frau Löffler?
Die Drugstore GmbH kann die geplante Umsetzung von Frau Scholl im Rahmen des Weisungsrechts durchführen, da der Arbeitsvertrag die Grenzen des Weisungsrechts bezüglich des Beschäftigungsorts sehr weit gesteckt hat. Die Drugstore GmbH kann also Frau Scholl durch einfaches Schreiben und ohne Einhaltung einer Frist anweisen, ihre Arbeitsleistung künftig in der neu eröffneten Filiale zu erbringen. Klagt Frau Scholl gegen diese Weisung, so wird das Gericht die Weisung daraufhin überprüfen, ob sie der „Billigkeit entspricht“. Das ist im Allgemeinen ein weniger strenger Maßstab, als wenn das Gericht die soziale Rechtfertigung einer Änderungskündigung prüft. Bei ihrer Klage ist Frau Scholl an keine formelle Frist gebunden. Es wird ihre Position allerdings nicht verbessern, wenn sie mit einer beabsichtigten Klage zu lange wartet.
Wie sieht es bei Frau Löffler aus? Sie hat in dieser Situation zweifellos einen besseren Stand. Die Drugstore GmbH kann Frau Löffler nämlich nur dann wirksam in die neue Filiale versetzen, wenn sie eine Änderungskündigung ausspricht. Da die Änderungskündigung eine Kündigung ist, sind die vorgesehenen Kündigungsfristen für die beabsichtigte Veränderung einzuhalten. Geht Frau Löffler gegen 80die Kündigung gerichtlich vor, so sind die vom Gericht zu prüfenden Voraussetzungen an die Wirksamkeit der Versetzungsanordnung im Ergebnis strenger als bei einer Versetzungsanordnung im Rahmen des Weisungsrechts. Voraussetzung ist allerdings, dass das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet (Näheres hierzu im Abschnitt über den Kündigungsschutz).
Genießt Frau Löffler besonderen Kündigungsschutz, weil sie zB schwanger, Betriebsratsmitglied oder schwerbehindert ist, so kommt ihr dies bei der von der Drugstore GmbH durchgeführten Änderungskündigung ebenfalls zugute.
Sind also zB sowohl Frau Scholl wie auch Frau Löffler zum Zeitpunkt der Maßnahme schwanger, so kann Frau Scholl bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen sofort in die neue Filiale geschickt werden, während vor der erforderlichen Änderungskündigung von Frau Löffler die Zustimmung der zuständigen Stelle (in Bayern: Gewerbeaufsichtsamt) eingeholt sein muss. Ist dies nicht geschehen, ist die Änderungskündigung von Frau Löffler schon deswegen rechtsunwirksam.