Mit der Vergütung erhält der Arbeitnehmer das versprochene Entgelt für seine Arbeit. Daneben entstehen auf Arbeitnehmerseite häufig noch andere finanzielle Forderungen, die ihre Ursache darin haben, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber etwas „auslegt“. Man spricht hier von Aufwendungen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber.
Aufwendungen aus dem Arbeitsverhältnis sind also im Allgemeinen Ausgaben, die dem Arbeitnehmer bei Ausführung der ihm übertragenen Arbeit entstehen. Hierzu werden teilweise auch Schäden gerechnet, die der Arbeitnehmer bei Ausübung der Arbeit an seinem Eigentum erleidet.
Aufwendungen bei Ausführung der Arbeit muss Ihr Arbeitgeber ersetzen, wenn Sie diese Auslagen den Umständen nach für erforderlich halten durften und diese Aufwendungen nicht bereits mit dem Lohn bzw. Gehalt abgegolten sind.
138Sie können sich vorstellen, dass es bei der Feststellung, ob eine bestimmte Aufwendung als mit dem Lohn abgegolten anzusehen ist, schnell zu gegensätzlichen Auffassungen kommen kann. Kommt ein solcher Fall zum Gericht, ist die Entscheidung nur schwer vorauszusagen, weil die Grenzen fließend sind.
Um diese Rechtsunsicherheit zu beseitigen, finden wir in zahlreichen Tarifverträgen ausführliche Regeln zu diesem Punkt. Als grobe Leitlinie können Sie sich für die Fälle, in denen der Aufwendungsersatz nicht in einem Tarifvertrag oder in Ihrem Arbeitsvertrag eigens geregelt ist Folgendes einprägen:
Zu den erstattungsfähigen Auslagen gehören nur diejenigen Aufwendungen, die der Arbeitsausführung selbst dienen, so zum Beispiel:
Fahrtkosten zu auswärtigen Baustellen, Fahrtkosten für Dienstfahrten, Reisespesen (Übernachtung), Auslagen zur Beschaffung von Handwerkszeug, sofern nicht branchenüblich vom Arbeitnehmer selbst bereitzustellen.
Nicht erstattungsfähig sind die persönlichen von seiner Vergütung zu bestreitenden Aufwendungen des Arbeitnehmers.
In der Regel die Kosten der Arbeitskleidung, Kosten der Verpflegung, Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, Umzugskosten.
Erstattungsfähig sind Ausgaben für persönliche Schutzkleidung, die aufgrund von Unfallverhütungsvorschriften zu tragen ist. Im Allgemeinen muss der Arbeitgeber diese Bekleidungsstücke selbst bereitstellen. Tut er das nicht und besorgen Sie an seiner Stelle die vorgeschriebenen Stücke (zB Sicherheitsschuhe, Sicherheitshelm, Schutzbrille), so muss der Arbeitgeber Ihnen die erforderlichen Auslagen ersetzen. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses müssen Sie diese 139Gegenstände dann allerdings herausgeben. Nicht erstattungspflichtig sind Kosten derjenigen Arbeitskleidung, die lediglich zur Schonung Ihrer Privatkleidung bestimmt ist, oder etwa die Kosten Ihrer im Dienst getragenen normalen Kleidung.
In allen übrigen Fällen müssen Sie ua anhand der Branchenüblichkeiten feststellen, ob Aufwendungen hierfür als mit der Vergütung abgegolten angesehen werden müssen oder nicht. Vielfach können jedoch Tarifverträge weiterhelfen, weil sie Rückschlüsse auf bestehende Branchenüblichkeiten zulassen.
Pavlos Samirakis ist Lagerarbeiter bei der Halogen GmbH. Eines Tages wird er beim Entladen eines LKWs mit Ameisensäure-Korbflaschen eingesetzt. Bei einer der Korbflaschen platzt beim Herunterheben von der Rampe wegen eines Materialfehlers der Glasboden ab. Die Säure fließt aus und verletzt ihn erheblich. Außerdem ist seine Bekleidung unbrauchbar geworden. Die zuständige Berufsgenossenschaft hat den Vorfall als Berufsunfall anerkannt und den Personenschaden ersetzt. Herr Samirakis möchte von der Halogen GmbH auch den Schaden an seiner Kleidung, also den Sachschaden ersetzt bekommen. Die Halogen GmbH lehnt ab. Am Materialfehler des Glases der Korbflasche treffe sie kein Verschulden, und ohne Verschulden gebe es keine Haftung. Wer hat recht?
Herr Samirakis kann verlangen, dass der Schaden an seiner Kleidung ersetzt wird. Hätte die Halogen GmbH ein Verschulden an dem Unfall getroffen (zB mangelnde Sicherheitsvorkehrungen trotz Vorhersehbarkeit des Unfalls), so wäre ein Schadensersatzanspruch schon deswegen gegeben.
Im vorliegenden Fall, der vom Bundesarbeitsgericht vor vielen Jahren einmal entschieden wurde, fehlte es an einem solchen Verschulden.140 Das Bundesarbeitsgericht hat dennoch einen Schadensersatzanspruch anerkannt, indem es den Schaden als einen Aufwand des Arbeitnehmers angesehen hat, der mit der Arbeitsvergütung als nicht abgegolten angesehen werden könne. Voraussetzung sei jedoch, so das Bundesarbeitsgericht damals,
Diese Voraussetzungen hat das Bundesarbeitsgericht in dem geschilderten Fall als gegeben angesehen. Aus diesen Grundsätzen ergibt sich andererseits deutlich, dass nicht jeder Schaden, den Sie bei Ausübung Ihrer Arbeit an Ihrem Eigentum erleiden, von Ihrem Arbeitgeber ersetzt werden muss.
Frau Spät ist Sekretärin. Sie bückt sich, um aus dem untersten Fach eines Regals einen schweren Aktenordner hervorzuholen. Mit einer scharfen Kante des Ordners reißt sie ein Loch in ihren Strumpf.
Hier muss der Arbeitgeber nicht zahlen, da die Arbeit von Frau Spät zum einen nicht gefährlich ist und zum anderen der entstandene Schaden auch nicht außergewöhnlich ist.
Die beschriebene Abgrenzung von erstattungspflichtigen Schäden zu Schäden, die der Arbeitnehmer selbst tragen muss, führt allerdings bei Dienstfahrten mit dem Privat-Pkw zu unbefriedigenden Ergebnissen. Auto fahren kann zwar als gefährlich eingestuft werden, dabei auftretende Schäden sind aber keineswegs außergewöhnlich.
Das Bundesarbeitsgericht hat aus diesem Grund seine Rechtsprechung verändert. Nunmehr gilt, dass der Arbeitgeber für Schäden 141am Eigentum des Arbeitnehmers aufkommen muss, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
Damit ist jetzt für die Haftungsfrage nicht mehr entscheidend, ob der Schaden „im Vollzug einer gefährlichen Arbeit“ entstanden und ob er „außergewöhnlich“ ist.
Maria Kandler ist beim Verein für Sozialfürsorge e. V. – einer Sozialstation mit ländlichem Einzugsgebiet – als hauptamtliche Altenpflegerin beschäftigt. Für ihre Hausbesuche benutzt sie mit Billigung des Geschäftsführers des Vereins ihr privates Kraftfahrzeug und erhält dafür ein Kilometergeld von 0,16 EUR. An einem Februarmorgen fährt sie auf einer Kreisstraße zu einem Hausbesuch. Auf einer nicht rechtzeitig erkennbaren Ölspur gerät sie ins Schleudern und kollidiert mit einem Baum. Sachschaden: 2.500 EUR. Frau Kandler möchte den Schaden vom Verein ersetzt haben. Der Geschäftsführer winkt ab: Solche Schäden gehörten zum allgemeinen Lebensrisiko und außerdem habe Frau Kandler sich durch eine Kaskoversicherung schützen können. – Wer hat recht?
Der Verein wird zahlen müssen. Hätte Frau Kandler ihr Fahrzeug nicht zur Verfügung gestellt, hätte der Verein selbst ein eigenes Fahrzeug einsetzen und damit das Unfallrisiko tragen müssen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätte sich nämlich Frau Kandlers Aufgabe (viele Hausbesuche) nicht erledigen lassen. So gesehen kann ohne weiteres angenommen, dass der Schaden „im Betätigungsbereich des Arbeitgebers“ entstanden ist.
142Wichtig:
Wenn Sie ein privateigenes Kraftfahrzeug im Dienst einsetzen, ist für die eventuelle Schadensersatzpflicht Ihres Arbeitgebers entscheidend, ob Ihr Arbeitgeber für den Fall, dass Sie Ihr Fahrzeug nicht bereitstellen würden, ein Dienstfahrzeug zur Verfügung stellen müsste.
Hinzu kommt, dass das Unfallrisiko von Frau Kandler durch den Verein nicht vergütet worden ist. Der Kilometersatz von 0,16 EUR mag ihre allgemeinen Kfz-Kosten knapp abdecken, für den Abschluss einer Vollkaskoversicherung reicht dieser Satz sicher nicht aus. Frau Kandler hat also keine besondere Vergütung für dieses Schadensrisiko erhalten.
Hierzu vertritt die Rechtsprechung die Auffassung, dass der Arbeitgeber nicht nur das Schadensrisiko unverschuldeter Unfälle tragen muss, sondern auch das Risiko, dass es infolge geringen Verschuldens (= leichteste Fahrlässigkeit) zu einem Unfall kommt.
Frau Kandler fährt auf ein bei Gegenlicht vor ihr fahrendes und überraschend bremsendes Fahrzeug auf. Sachschaden: 1.000,– EUR.
Auch in diesem Fall könnte Frau Kandler Ersatz des an ihrem Pkw entstandenen Schadens vom Verein verlangen. Beruht der Unfall andererseits auf sogenannter „mittlerer Fahrlässigkeit“, so ist der Schaden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu teilen. Bei grober Fahrlässigkeit schließlich muss der Arbeitnehmer den Schaden in der Regel allein tragen.
Das Bürgerliche Gesetzbuch erklärt im § 276 Abs. 2 BGB den allgemeinen Begriff der Fahrlässigkeit folgendermaßen: „Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.“
Wir ersparen uns ein Studium der umfangreichen Einzelfallrechtsprechung zum Fahrlässigkeitsbegriff. Stattdessen folgende Faustregel:
Abschließend noch ein Fall, der für den Arbeitnehmer ungünstig ausging, obwohl dem Arbeitnehmer nur leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen war.
Der 30-jährige Marcus Panke ist Einrichtungsplaner bei der Bayerischen Auto-Union (BAU), einem Hersteller von Kraftfahrzeugen. Von der Abteilung Arbeitssicherheit wird er vom Betriebssitz München aus zu einem Arbeitssicherheitslehrgang der Süddeutschen Eisen- und Stahlberufsgenossenschaft nach Treuchtlingen entsandt. Zwischen München und Treuchtlingen besteht eine durchgehende Zugverbindung (Fahrzeit ca. eineinhalb Stunden). Die BAU hatte ihren Lehrgangsteilnehmern freigestellt, als Verkehrsmittel die Eisenbahn oder einen privaten Pkw zu benutzen. Fahrtkostenerstattung (Bahn-Fahrkarte bzw.0,21 EUR/km bei Kfz-Benutzung) war zugesagt. Der in Starnberg (25 km südlich von München) wohnende Kläger benutzte seinen fast neuen Privat-Pkw (Wert ca.30.000 EUR), den er als Jahreswagen nutzte. Das Fahrzeug war nicht vollkaskoversichert.
Herr Panke war in einem Hotel etwa 20 Gehminuten vom Schulungsheim entfernt untergebracht. Als er am zweiten Tag des Lehrgangs morgens vom Hotel zum Schulungsheim fährt, kommt es infolge eines leicht fahrlässigen Fahrfehlers von Herrn Panke zu einem Unfall. Der Schaden am Wagen des Herrn Panke beträgt 17.000 EUR.
Herr Panke möchte den Schaden von der BAU ersetzt bekommen. Er steht auf dem Standpunkt, seine Teilnahme an der Tagung sei eine dienstliche Unternehmung gewesen, für die die BAU AG das Schadensrisiko 144tragen müsse, zumal die Benutzung des eigenen Kfz ausdrücklich freigestellt worden sei. Mit den 0,21 EUR/km könne andererseits eine Vollkaskoversicherung nicht bezahlt werden.
Die BAU hält Herrn Panke entgegen, die Teilnahme an der Tagung sei zwar als Dienstfahrt angeordnet gewesen, nicht aber die Benutzung des privaten Kraftfahrzeugs. Diese sei freigestellt gewesen.
Wie wird das Gericht entschieden haben?
Herr Panke muss den Schaden selbst übernehmen. Dabei ist entscheidend, dass die Firma BAU Herrn Panke kein Fahrzeug hätte bereitstellen müssen, wenn er auf die Benutzung des eigenen Fahrzeugs verzichtet hätte. Herr Panke hätte nämlich genauso gut mit der Bahn fahren können. Die Benutzung des Autos diente lediglich der persönlichen Erleichterung und ist damit dem persönlichen Lebensbereich und Lebensrisiko des Arbeitnehmers zuzuordnen. Hierfür muss der Arbeitgeber nicht aufkommen.
Wenn es nicht – wie etwa im Fall von Frau Kandler – offensichtlich ist, dass Ihr Arbeitgeber Ihnen eigentlich ein Fahrzeug zur Durchführung der Dienstfahrten zur Verfügung stellen müsste, müssen Sie darauf dringen, dass die Benutzung des eigenen Pkws von Ihrem Arbeitgeber vor Antritt der Reise angeordnet wird. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass Sie eine – ggf. zeitlich begrenzte – Vollkaskoversicherung abschließen und sich von Ihrem Arbeitgeber zusichern lassen, dass die Kosten hierfür zusätzlich zum Kilometergeld übernommen werden.