Nachwort

Der Zeichenkünstler Erich Ohser – Eine Entdeckung

Geistesverwandte

»Wir wollen um ihn trauern, indem wir uns an seinen Zeichnungen freuen.« Das vermerkte Erich Kästner mit Blick auf seinen in den Tod getriebenen Künstlerfreund Erich Ohser, der als e. o. plauen mit seinen Bildgeschichten von Vater und Sohn weltberühmt geworden war. Recht hatte er! So populär e. o. plauen war – der Zeichner Erich Ohser blieb lange ein Geheimtipp. Indessen stellt das ausgesprochen vielseitige zeichnerische Œuvre den Künstler in die erste Riege deutscher Zeichner des 20. Jahrhunderts. Auch lässt die heitere Welt von Vater und Sohn kaum ahnen, was für ein Schicksal ihrem Schöpfer beschieden sein würde. Grund genug, einige Schlaglichter auf das Leben und das Werk Ohsers zu werfen.

Es ist kein Zufall, dass gerade Erich Kästner die Bedeutung von Ohsers Zeichenkunst hervorhob. Die beiden begegneten sich zu Beginn ihrer erstaunlichen Karrieren, und sogleich entwickelte sich zwischen ihnen eine produktive Freundschaft und Kooperation. In Leipzig, wo Ohser an der renommierten Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe studierte und Kästner als witzig-geistreicher Journalist reüssierte, erlebten sie ihre ersten gemeinsamen Erfolge. Schon während seines Studiums gelang es Ohser, als Buchillustrator und Pressezeichner hervorzutreten – und auch zu Kästners Publikationen in Zeitungen und Büchern trug er Zeichnungen bei.

Die wechselseitige Anregung und künstlerische Zusammenarbeit zwischen Kästner und Ohser setzte sich fort: drei der ersten Lyrikbände Kästners erscheinen mit Illustrationen und Titelgestaltung von Ohser. Und es war ein Zeitungs-
skandal um das von Ohser illustrierte Gedicht Kästners Abendlied eines Kammervirtuosen von 1927, der die beiden Künstler schließlich von Leipzig nach
Berlin vertrieb: Kästners scharf analytischer Blick und seine pointierte Sprache wurden auch hier kongenial von Ohsers borstig-expressivem Linienduktus ergänzt. Mit eindeutig zweideutigem pseudo-musikalischem Vokabular (der Liebhaber griff die Dame in die Seiten bis diese nach einem Crescendo die Lider ohne Worte schloss) hatte Kästner ein erotisches Stelldichein geschildert und Ohser brillant zeichnerisch umgesetzt – im Beethovenjahr 100 Jahre nach dem Tod des Meisters ein Unding: Die Neue Leipziger Zeitung entließ beide wegen dieser »Tempelschändung«.

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Abb. 1: Erich Kästner vor einem Berliner Zeitungskiosk, 1930er Jahre

Es hatten sich zwei verwandte Künstlertemperamente gefunden, wie auch an Ohsers Entwurf für Kästners vierten Lyrikband Gesang zwischen den Stühlen, der 1932 erschien und wie die vorhergegangenen Gedichtbände deutschlandweit für Furore sorgte, deutlich wurde. Die endgültig ausgeführte Variante des Titels variiert die in Ohsers Entwurf bereits voll entwickelte Grundidee: Die biblische Figur des vergeblichen Rufers in der Wüste wird nunmehr zum tragikomischen Helden. Zwischen leeren Stühlen, buchstäblich zwischen allen Parteien, findet der Künstler als Antiheld seinen Platz, von dem er frontal seinem Publikum warnenden »Gesang« offeriert. Skepsis im Hinblick auf den Folgenreichtum und die Wirksamkeit der Kunst verkörpert sich in diesem Sängerzwerg – und doch bezeichnet die Figur die künstlerische und persönliche Position des »Trotzdem!«, die Kästner und Ohser ein Jahr vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten einzunehmen beanspruchten.

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Abb. 2: »Gesang zwischen den Stühlen« (Titelentwurf), etwa 1932, Gouache

Obgleich Ohser in der Zeichnung sonst vornehmlich beim Schwarz-Weiß bleibt, wählt er für den Aufmerksamkeit heischenden Bandeinband farbige Akzente. Vor dem Grauton der Gesamtgestaltung hebt sich effektvoll der rote Schriftzug ab. Ohser, der sich während seines Leipziger Studiums auch mit Theorien und Möglichkeiten der Schrift bzw. der Typografie auseinandergesetzt hatte, wählt für den Titel bewusst eine handschriftliche Formulierung. Den Einsatz der charaktervollen Sütterlinschrift als individuelles Erkennungszeichen sollte er auch in den Bildgeschichten von Vater und Sohn praktizieren und nach gerade als Marke im Schriftzug seines Pseudonyms etablieren: e. o. plauen. Aber das kam später und machte den Zeichner gleichsam zu einer Weltmarke und einem Exportschlager.

Wer war nun dieser stürmisch aufstrebende Zeichenkünstler? Geboren 1903 im Vogtland, verlebte er Kindheit und Jugend in der zu plötzlichem Reichtum gekommenen Industriestadt Plauen. Hier absolvierte er, dem Wunsch des Vaters folgend, eine Lehre als Schlosser, eine Zeit, an die er sich zeitlebens als Fronarbeit erinnern wird. Noch in seiner Heimatstadt, in der es im Zusammenhang mit dem internationalen Erfolg der »Plauener Spitze«, eines Qualitätssiegels und einer Dachmarke für durchbrochene dekorative Elemente aus Garn, eine besondere Pflege und Förderung des Zeichnens gab, war das Talent des Jungen erkannt worden. Von den Lehrern ermutigt, wagte Ohser 1920 den Schritt nach Leipzig und wurde in kurzer Zeit zu einem so selbstbewussten wie erfolgreichen Studenten, ausgezeichnet mit einem Stipendium und geehrt mit einer ersten eigenen Ausstellung in Plauen.

Neben Kästner traf Ohser in Leipzig auf den Zeitungsredakteur Erich Knauf, der somit den Bund der »drei Erichs« vervollständigte und sowohl Kästners Texte als auch Ohsers Zeichnungen publizierte. Knauf, ausgestattet mit einem untrüglichen Gespür für künstlerische Qualität und von sozialen Missständen und politischen Widersprüchen angefeuert, schrieb leidenschaftlich gegen die Übel seiner Zeit an. Er spürte Begabungen auf und war zugleich für seine schonungslosen Verrisse bekannt: Als einflussreicher Publizist und Dichter wurde er zu einer prägenden Stimme in der Weimarer Republik. Erich Ohser, Erich Kästner und Erich Knauf waren sich einig in ihrer Weltsicht und in ihren ästhetischen Überzeugungen. Ihre sprachlichen und bildnerischen Mittel waren scharf geschliffen und ihr Spott traf stets ins Schwarze. Alle drei bevorzugten die verknappte Form, die lapidare Pointe, ihr Blick war radikal modern und unsentimental, immer auf das Gegenwärtige gerichtet: Eine sezierende, in Ohsers Sinne, zeichnerische Perspektive. Auf der Leipziger Akademie hatte er alle Spielarten der Zeichnung und den Variantenreichtum ihrer unterschiedlichen Techniken kennengelernt und erprobt. Schnell entwickelte er seine eigene Handschrift, die bei den verschiedenen Themen je verschieden Anwendung fand: von der betont unkünstlerisch-kratzigen Linie in Karikatur und Illustration, zur freundlich-parlierenden Witzzeichnung und Bildgeschichte, von einigen farbigen Erkundungen zum konsequenten Schwarz-Weiß seiner freien Blätter.

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Abb. 3: Selbstporträt, etwa 1925, Tuschezeichnung

Indem mit »etwa 1925« beschrifteten Selbstbildnis tritt uns der damalige Student nicht als Bohemien, sondern als »Mann von Welt« entgegen, gekleidet in Anzug, Hemd und Krawatte. Nur sein wilder Haarschopf deutet auf künstlerische Unangepasstheit und Temperament. Mit tiefem Ernst schaut er in die Ferne, alle Konzentration in der Wiedergabe liegt auf dem im scharfen Seitenlicht modellierten Kopf. Wenige andeutende Bleistiftlinien definieren die Form, die Volumina werden sorgsam mit Pinselstrichen in Abstufungen vom hellen Grau bis dunklem Schwarz herausgearbeitet. Die unbezeichneten Flächen wirken in diesem Zusammenhang als Lichter, die reine Blattfarbe wird durch das umgebende Dunkel in ein eigentümliches Leuchten versetzt, das in der Summe als lebendiges Inkarnat wahrgenommen wird. Ohser verwandelt die abstrakten Grundlagen der Zeichnung in das ausgeklügelte Porträt eines ambitionierten Künstlers, das zugleich wie eine Momentaufnahme anmutet.

Die »drei Erichs« in Berlin

Nach ihren Anfangserfolgen wendeten die »drei Erichs« sich Ende der 1920er Jahre nach Berlin. Nach der Bücherstadt Leipzig wurde die Pressestadt Berlin zu ihrer eigentlichen Bühne und künstlerischen Heimat, für Knauf und Ohser dabei als letzte Station. Doch zuvor krempelte Knauf mit großem Elan und pfiffigen Ideen als neu ernannter Lektor die Büchergilde Gutenberg um und führt sie zur Blüte. Dabei wurde Ohser für ihn zu einem wichtigen Witzzeichner und Illustrator. Insbesondere dessen Illustrationen zu Michail Soschtschenkos Die Stiefel des Zaren. Erzählungen aus dem heutigen Russland begeisterten das Publikum.

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Abb. 4: Illustration zu Michail Schoschtschenko Die Stiefel des Zaren, 1929, Tuschezeichnung

Das Buch erschien 1930 in der Büchergilde Gutenberg, Ohser steuerte insgesamt 26 Illustrationen bei. Im selben Jahr reisten Kästner und Ohser in die Sowjetunion und besuchten dort auch den russischen Dichter. Soschtschenko war ihm Geistesverwandter: Das Credo des populären Humoristen und Satirikers, das dessen Erzählband abschließt, kann auch auf Ohsers Selbstverständnis als Künstler angewandt werden.

»Statt einer Selbstbiografie. Die Kritiker wissen nicht, in welche Kategorie sie mich eigentlich einreihen sollen. Ob in die ernste Literatur oder gar in die Feuilletonliteratur, die die Aufmerksamkeit der Kritik gar nicht verdient. […] Gewöhnlich sprechen die Kritiker von mir als einem Humoristen, einem Schreiber, der unterhält und um den Preis des Gelächters bereit ist, aus der Sprache der Väter weiß der Teufel was zu machen. […] Ich habe den Satz gekürzt. Ich schreibe sehr gedrängt. Meine Sätze sind kurz, auch den Kleinsten zugänglich.«

Für die Illustrationen wählte Ohser das radikale Schwarz-Weiß der Tuschezeichnung, eine Technik, die keine Korrekturen zulässt. Er meistert die Herausforderung in einer Mischung aus streng kalkulierter und kontrolliert langsamer Setzung und gestisch-heftigem Schwung der Strichführung, der auch mit zufälligen Effekten wie Flecken, Klecksen und Ausrutschern rechnet. Dabei inszeniert er das Bildgeschehen dramaturgisch präzise: sei es in rasanter Draufsicht, sei es als Szenario, das wie ein Blick auf eine klassische Guckkastenbühne angelegt ist. Ihm genügen wenige Angaben, um räumlichen Zusammenhang herzustellen. Das Bildpersonal verdichtet sich spannungsreich zum Zentrum allen Geschehens. Mit mitunter ruppigen Strichlagen setzt der Zeichner Dynamik in die Blätter, die wiederum von festem, fast dekorativem Konturenwerk getragen werden. Körper- und Dinggrenzen überschneiden sich dabei und werden mit schmutzig verwischten Akzenten versehen. Das Lineament trägt den Text und behauptet doch gleichsam lautstark seine künstlerische Autonomie.

Politisches

Ohser hatte als Student die großen Traditionslinien europäischer Grafik und Karikatur kennengelernt. Er machte sich diese Anregungen gemäß seines Temperaments zu eigen und sich seinerseits als Karikaturist einen Namen, lange bevor er aus den Verwerfungen von Kunst- und Zeitgeschichte heraus zu e. o. plauen werden sollte. Als wacher Beobachter kommentierte er mit beißendem Spott die Auswüchse politischer Radikalisierungen in der Weimarer Republik. Besonders aggressiv kritisierte er mit seinen künstlerischen Mitteln die aufstrebenden Nationalsozialisten. Den Größenwahn von Hitler und Goebbels entlarvte er mit zeichnerischen Mitteln und führte deren Gefolge als dumpfe Schlägerbanden vor. Dabei nutzte er all das, was die Karikatur zu einer Bildwaffe werden lässt: Übertreibungen und Verzerrung, einseitige Zuspitzung und absichtsvolle Verhässlichung, die bildnerische Verleumdung des Gegners, ja, dessen Vernichtung im Bilde. Er entwickelte hierfür eine eigene, drastische Bildsprache, die sparsam aber effektvoll ist. Von diesen, vielfach im »Vorwärts« veröffentlichten Karikaturen, hat sich kein Original erhalten: angeblich verbrannten Knauf und Ohser sämtliche Blätter im Frühjahr 1933 aus Angst vor Verfolgung.

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Abb. 5: Karikatur im Vorwärts, 1932

Ihre Sorge war nicht unberechtigt, alle »drei Erichs« konnten ihr Bleiben in Deutschland nur durch Kompromisse ermöglichen. Sie suchten ihr jeweiliges Auskommen; die Anerkennung Ohsers als Pressezeichner genehmigten die neuen Machthaber nur unter Auflagen – und auch nachdem Ohser als e. o. plauen mit Vater und Sohn schlagartig großen Erfolg hatte, gab es im Hintergrund immer wieder Anfeindungen, die vom Verlag aber trickreich abgewehrt wurden. Ohser hatte mittlerweile Familie. Seine ehemalige Kommilitonin Marigard (eigentlich Maria Luise Irmgard) Bantzer (1905–1999), selbst Künstlerin und Kinderbuchillustratorin, war ihm nach Berlin gefolgt, der Eheschließung folgte im Dezember 1931 bald die Geburt des geliebten, wuschelköpfigen Sohnes Chris-
tian (der leitete später erfolgreich in Amerika eine Druckerei und betrieb in England eine Farm). Als Ohser den neuen Machthabern 1933, die er so effektvoll verspottet hatte, nicht genehm war, sah er sich als Künstler und als Familienvater in arger Bedrängnis. Insofern war es ein besonderes Glück für den Zeichner, als er von der Redaktion der Berliner Illustrirten Zeitung um Vorschläge für eine Bildgeschichte gebeten wurde. Sein Vorschlag, die Alltagsabenteuer eines gutmütigen Vaters mit seinem fantasievollen und ungebärdigen Sohn zu schildern, überzeugte. Und nicht nur das: die Redaktion, der selbstverständlich bekannt war, welchen Ruf Ohser als politischer Karikaturist genoss, setzte den Zeichner listig im Propagandaministerium durch – allerdings unter der Auflage, nur unter anderem Namen und ausschließlich als unpolitisch tätiger Pressezeichner zu arbeiten. Und Ohser, der nicht nur ein großer Witze- und Streicheerfinder war, sondern auch gern und ausgiebig mit Sprache und Dialekt spielte, besann sich auf seine vogtländische Herkunft. Aus »Erich Ohser« aus Plauen wird nun »e. o. plauen« – ein Künstlername, der ursprünglich als Versteck gedacht, so populär werden sollte, dass er den eigentlichen Namen des Künstlers tatsächlich fast verdrängte. Von 1934 bis 1937 lieferte Ohser wöchentlich jene Bildgeschichten, die schnell ein Millionenpublikum für sich gewinnen und dem Zeichner wirtschaftlichen Erfolg und Prominenz einbrachten. Aber auch der Vereinnahmung durch offizielle Seiten konnte Ohser sich nicht entziehen, so müssen Vater und Sohn etwa für das »Winterhilfswerk« werben. Gleichermaßen hat die Vermarktung seiner Bildfiguren für den Zeichner selbst nicht nur angenehme Konsequenzen, und genau das thematisiert er als Begründung für seinen Abschied von der Serie: Ohsers Bilderfindungen haben sich vervielfältigt, wurden nachgeahmt, entwickelten ein unkontrollierbares Eigenleben, Vater und Sohn – wie auch ihr Schöpfer selbst – können ihren Widergängern nicht entfliehen.

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Abb. 6: Endlich allein in Hollywood!, 1938, Tuschezeichnung

Der Künstler zog also in der 49. Ausgabe der Berliner Illustrirten Zeitung 1937 einen Schlussstrich, wenngleich er weiterhin auch vom Erfolg der Buchausgaben von Vater und Sohn profitiert. Und er blieb bei seinem Pseudonym und konzentriert sich wieder auf Witzzeichnung, Porträtkarikatur und Illustration. Er kommentiert die Welt des Sports, der technischen Neuerungen, der Geschlechterrollen, der Filmstars und anderer Prominenz. Mit hintergründigem Humor und fröhlicher Feder bediente er damit das breite Themenspektrum der illustrierten Zeitschriften und setzt dabei seine besondere, durchaus eigenwillige Note.

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Abb. 7: Karikatur in Das Reich, 1943, Tuschezeichnung

Die politischen Karikaturen Ohsers waren prägnant und scharf, sie sollten verletzen. Ganz anders zeigte sich der Zeichner in der Fülle seiner Witzbilder, die in Zeitungen in Sachsen und Berlin publiziert wurden. Hier kultiviert er einen menschenfreundlichen Humor, der spöttisch die Effekte der Moderne parodiert. Dabei erweist sich Ohser mitunter als ein hellsichtiger Kritiker des Fortschritts, doch bleibt er bei aller Skepsis stets versöhnlich in der inhaltlichen Aussage und im künstlerischen Tonfall. Seine Witzbilder bereitete er in der Regel über mehrere Vorstufen vor, es gibt sie in der Form von Einzelszenen und von ganzen Bildgeschichten.

Aber auch der harte und widerborstige Strich des Karikaturisten Ohser sollte ein weiteres Mal Verwendung finden. Im Jahr 1940 wurde ihm die Mitarbeit an der Zeitschrift Das Reich angetragen, nach langen Diskussionen mit seiner Partnerin ließ er sich schließlich darauf ein. Deutschland hatte einen Krieg begonnen, und die Mitarbeit bei Goebbels Prestigeprojekt verhieß nicht nur ein gesichertes Einkommen, sondern auch Schutz vor der Front. Also lieferte Ohser politische Karikaturen, die die alliierten Kriegsgegner Deutschlands bloßstellen und diffamieren sollten. Er versuchte dabei zu unterscheiden zwischen seiner geliebten Heimat Deutschland und der Diktatur der Nationalsozialisten, die er privat verachtete. Innerlich nach wie vor ein entschiedener Verächter des Nationalsozialismus und zunehmend illusionslos über den Krieg, geriet diese Gratwanderung zur Zerreißprobe mit am Ende tödlichem Ausgang.

Wie die anderen beiden Erichs verstand sich Ohser als Patriot und hoffte auf ein baldiges Ende des »Spuks«. Knauf und Kästner hatten beruflich Unterschlupf beim Film gefunden – man glaubte auch, diese Zeit schon irgendwie überstehen zu können. Jedoch der Krieg erreichte mittlerweile auch die Zivilbevölkerung – alle »drei Erichs« wurden ausgebombt. Ohser verlor sein Atelier, blieb aber in Berlin. Gemeinsam mit Knauf fand er vorübergehend Unterkunft in einem Haus am Rande der zerstörten Stadt. Dort machten die beiden Freunde, sich sicher wähnend, ihrem Unmut und ihrer Verzweiflung durch gnadenlose Witze über Hitler, Goebbels und den verlorenen Krieg, Luft. Und wurden von Nachbarn denunziert. Im Frühjahr 1944 wurden Ohser und Knauf verhaftet, ein schnell durchgezogener Prozess brachte das unausweichliche Ergebnis: die Todesstrafe. Erich Ohser entzog sich seinen Henkern und ging in der Nacht vor der Verhandlung in der Zelle in den Freitod, er war gerade 41 Jahre alt geworden. Sein Freund Erich Knauf wurde einen Monat später hingerichtet, nur Kästner als einziger der »drei Erichs« überlebte das Dritte Reich.

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Abb. 8: Erich Ohser und Erich Knauf in Berlin, 1940er Jahre

Charakterliches

Doch was war Ohser für ein Mensch? Karikaturen und Witzbilder waren dem Tagesgeschäft zugedacht, gleichwohl genossen Pressezeichner ein hohes Ansehen, sie wurden zumeist mit beachtlichen Gehältern bedacht und manche von den Zeitungsverlagen wie Stars umworben. Begehrt waren Künstler, deren Werke eine schnelle Erfassung und essentielle Verdichtung visueller Tatbestände zuließ und die dies in einer zeichnerischen Handschrift mit persönlicher Note vorführten. Ohser, später e. o. plauen, genoss als derartiger Pressezeichner Bewunderung auch in Kollegenkreisen.

Er selbst war schwerhörig, korpulent und groß gewachsen, seine Umgebung beschreibt ihn als humorvoll, tapsig, brummbärenhaft, der Autor Hans Fallada (d. i. Rudolf Ditzen, 1893–1947) spricht von einem »Elefanten, der seiltanzen konnte«. Dem Zeichner waren Kategorien wie »schön« und« »hässlich« von vornherein verdächtig und im künstlerischen Zusammenhang zumal unangemessen, wenn nicht gar falsch. Das offenbart sich in einem Streit, den Ohser mit dem mecklenburgischen Arzt Fritz Euler Anfang 1944 führte. Dieser hatte sich bei der Redaktion der Zeitschrift Das Reich über das »Ungekonnte, Hässliche und Unrichtige« der Ohserschen Zeichnungen beschwert. Der Briefwechsel, in dessen Folge Ohser im Furor seiner Verteidigung die eigenen künstlerischen Ideale formuliert, liefert auf einzigartige Weise Einblick in sein künstlerisches Denken. Im folgenden ist die Kontroverse in Auszügen dokumentiert. In einem Brief schreibt Fritz Euler:

»Das ist wohl der Hauptgrund, weshalb mich die Kunst des Herrn Plauen so abstößt. Warum muss, das, was er – der Absicht nach ganz richtig! zeichnen will, immer in einer nicht nur hässlichen sondern auch künstlerisch und vor allem zeichnerisch unrichtigen und – ich kann mir nicht helfen – liederlich wirkenden, infantilen Art dargestellt werden. Ich weiß, es hat auch früher Karikaturisten von Ruf gegeben, die es zeichnerisch mitunter nicht so genau nahmen. Herr Plauen wird vermutlich meine Ansicht als unmaßgeblich veraltet oder gouvernantenhaft abtun. Aber das kann mich eben so wenig rühren wie ihn vermutlich meine Äußerung. In dem Sinne möchte ich ja auch nicht kritisieren, dass ich etwas besser zu wissen vorgebe, denn wie oben gesagt, glaube ich ja, dass er ein Künstler ist, der gar nicht anders zeichnen kann als er es tut. Ich habe mir allerdings sagen lassen, dass der Künstler vor einiger Zeit auf einer eigenen Ausstellung bewiesen hätte, dass er wirklich, d. h. ernst zu nehmend malen und zeichnen kann. Warum dann im ›Reich‹ stets nur solche durchaus infantil wirkenden Sachen hinsetzen. Oder sollte ein gewisser Stil hier bereits derart zur ›Manier‹ im üblen Sinn entartet sein, dass der Künstler schon gar nicht mehr anders kann.«

Erich Ohser antwortete:

»Herr Euler, Sie bekämpfen mich mit dem Zitat: ›Kunst kommt von Können.‹ Sie bezeichnen sich als Nichtsachverständigen, was auch ohne Schwierigkeit aus Ihrem Brief hervorgeht, aber Sie üben Kritik. Haben Sie sich schon mal überlegt, dass das Erkennen des ›Könners‹ bei ›Kunst kommt von Können‹ von ihrer Vorbildung und ihrer Erkenntnismöglichkeit dem ›Können‹ gegenüber abhängt. Viel gefährlicher als der entartete Künstler ist der entartete Betrachter. Davon gibt es Millionen. Hauptsächlich finden wir ihn unter den ›gehobenen Bürgern‹. Einfache Menschen sind viel unvoreingenommener und aufgeschlossener moderner Kunst gegenüber. Ich habe da einige Erfahrung. Ich muss nicht so zeichnen, sondern ich will so zeichnen, wie ich zeichne. Ich kann so naturalistisch langweilig zeichnen, dass es Ihnen eine helle Freude machen würde. Aber ich will Ihnen keine Freude machen. Nur noch eine Erklärung über meinen Stil. [Der französische Künstler Henri] Matisse hat einmal gesagt: Wenn meine rechte Hand geschickt wird, so werde ich mit der linken Hand zeichnen. Diese Worte haben mich in meiner Akademiestudienzeit stark beeindruckt. Dazu kam die Erkenntnis, dass Kinderzeichnungen sowie auch Zeichnungen von Erwachsenen, die eine Not, eine Freude oder ein sinnliches Gefühl primitiv auf irgend einem Stück Papier oder auf einer Wand zeichnerisch zum Ausdruck brachten, oft von stärkstem Ausdruck sind, obwohl sie alles andre sind als akademisch künstlerisch im hergebrachten Sinne. Es geht dem Künstler also immer etwas verloren, wenn er der naturalistischen Scheinform nachläuft. Nichts hat mit Kunst so wenig zu tun wie das objektive Sehen der Kamera. Nun arbeite ich seit Jahren daran, die verschütteten Kräfte kindlichen künstlerischen Sehens gepaart mit dem Können (ohne es zu überschätzen) des reifen Mannes, in meinen Zeichnungen zum Ausdruck zu bringen.«

Das zeichnerische Werk

Ohsers künstlerisches Selbstbewusstsein findet sich in seinem umfassenden zeichnerischen Werk wieder. Hier setzt er seinen Anspruch bildnerisch um. Neben den Pressezeichnungen und Illustrationen stehen die großen Werkgruppen mit freien Zeichnungen von Porträt über Akt und Caféhausstudien bis zu Landschaften. Ohser war ein leidenschaftlicher Zeichner, sein breitangelegtes Talent umfasst viele zeichnerischen Techniken: Bleistift, Tusche, Tinte, Aquarell und Buntstifte. Kein Gegenstand war seiner künstlerischen Neugierde zu gering. Ohsers Zeichnungen, ob skizzenhafte Notate oder ausformulierte Kompositionen, gliedern sich nicht in einen größeren Werkprozess, etwa als Vorstudien ein, sie sind vielmehr eigenständige Setzungen, die ihren Zweck in sich selbst finden. Ohser führt die Zeichnung als vollgültige Gattung vor, als seine Königsdisziplin.

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Abb. 9: Porträt Christian, 1942, Bleistiftzeichnung

Als begnadeter Porträtist hat Ohser mehrfach seine Familie abgebildet. Ein herausragendes Dokument seiner künstlerischen Brillanz und zugleich seiner Vaterliebe ist das Bildnis des Sohnes von 1942. Das sorgsam ausgeführte Blatt zeigt den Elfjährigen, der mit ernstem, aufmerksamen Blick seinem Vater entgegensieht. Effektvoll vor eine Dunkelheit gesetzt, modelliert sich der Kopf plastisch heraus: Ohsers fast zärtlich zarte Bleistiftlinien zaubern den empfindsamen Jungen hervor. Betont wird die Familienähnlichkeit: das wuschelige Haar mit den Geheimratsecken, das charakteristische Grübchen am Kinn und die sinnlich geschwungenen Lippen – und der Blick, der bei aller Kindlichkeit des Dargestellten doch auch Schwermut ahnen lässt.

Von Christian ist auch überliefert, dass er gemeinsam mit seinem Vater in Berlin regelmäßig den nahgelegenen Zoo besuchte. Ein feiner Bestand an Tierstudien kündet davon. Üblicherweise hat Ohser vor der Natur gezeichnet, er konzentriert sich dabei ganz auf die Gestalt und die Charakteristik der Bewegung der einzelnen Tiere, die Umgebung bleibt im wesentlichen unberücksichtigt. Ihm war dabei mehr an der Erfassung der charaktervollen Erscheinung als an einer eingehenden Schilderung der körperlichen Einzelheiten gelegen. Diese Zeichnungen sind von einer liebenden Haltung zu Tieren bestimmt, mitunter geraten sie unter dem Strich des Künstlers zu wahrhaften Charakteren. Auch im Kosmos von Vater und Sohn begegnen die Tiere stets als Freunde und Spielkameraden. Neben den Tiergestalten ist es aber insbesondere die menschliche Figur als solche, die Ohsers künstlerisches Interesse beschäftigt. Porträt, Bewegungsstudien und Akt bilden einen umfangreichen Bestand. Die frühen Aktzeichnungen sind geprägt von souveräner Erfassung der Gestalt, wobei der menschliche Leib jedoch nicht in seinen spezifischen Details, sondern quasi verallgemeinert zur Darstellung kommt: Weniger die Persönlichkeit des Modells als vielmehr der Ausdrucksgehalt der Pose werden thematisiert und befragt.

Ohser liebte das Lebendige in all seinen Spielarten, mit schneller Auffassungsgabe zeichnet er mit Vorliebe Menschen in den Caféhäusern: Tanzende, Musiker, Kellner, Männer und Frauen. Flinke Bleistiftskizzen entstanden, Szenerien von packender Prägnanz. Das urbane Leben findet hier seine absolute Verdichtung und in Ohser einen zeichnenden Chronisten, der zugleich selbst zum Protagonisten dieser Welt geworden war.

Neben dem Leben der Großstadt wandte er sich, vornehmlich auf Reisen, der Landschaft als bildnerischem Thema zu. Hier wechselt er nun das Tempo seiner Annäherung und das Format der Darstellung, von der kleinen, schnellen Skizze zum großen, ausgeführten Blatt. Besonders gern zeichnete er die Natur an der Ostsee. Die Tuschezeichnung von 1934 ist gefüllt von der rhythmischen Abfolge der Bäume. Durch das Blattwerk, das jeweils als geschlossene Einheit gegeben wird, reihen sie sich zu musterhafter Ordnung. Ohser hat seinen eigentlich spontanen Zeichenduktus hier ganz zurückgenommen und durch eine gemäßigte, wohlüberlegte Gestaltung ersetzt. Mit wenigen Lavierungen, also sehr dünnen, wässerigen Farbschichten, werden gezielt Akzente gesetzt und der Schilderung eine heitere Monumentalität verliehen. Die zumeist menschenleeren Landschaften werden in seiner Sicht zu friedvollen Paradiesen der Stille und Unbescholtenheit.

Dass Ohsers Zeichenkunst seinem Credo gemäß Anerkennung fand, beweist die große Einzelausstellung, die er 1942 in Berlin hatte und über die umfassend in der Presse berichtet wurde. So bemerkte Werner Fiedler in der »Deutschen Allgemeinen Zeitung«:

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Abb. 10: Landschaft, 1934, Tuschezeichnung

»Gebilde aus Tinte und Phantasie. Apropos Tier: da gibt’s zum Beispiel Löwen. Ja, beim seligen Brehme, was sind das für Tiere! Sie haben verteufelt wenig von der Art des stolzen Raubtiers, sind aller guten Rasseneigenschaften beraubt – und dennoch sieht man diesen seltsamen Geschöpfen auf den ersten Blick an, dass sie zur Sippe Felis leo gehören. Es ist die ›Idee‹ des Löwen – aber nicht nach Plato, sondern eben nach Plauen, der eine Steigerung nach der komischen, negativen Seite getroffen hat, statt nach der erhabenen. Im Übrigen hat ja dieser Zeichner ein sehr zärtliches Verhältnis zu den Tieren; sie benehmen sich wie Menschen, –  d. h. genauso komisch. Man hat den Eindruck, dass ehe Plauen zu zeichnen beginnt, er erst einmal ein halbes Dutzend Kleckse und grobe Krakeln auf die Tischplatte macht, damit die Feder möglichst kratzig wird und nichts verrät von der technischen Überlegenheit, die sich hinter allen Zeichnungen geschickt zu verstecken sucht. Plauens Begabung ist: so zu tun, als habe er keine. Dieser liebenswürdige Schwindler redet uns ein, er habe scheinbar alle Lehre der Statik, der Komposition und Anatomie vergessen, weil er in ein zweites Stadium der Unschuld getreten ist. Die Aktzeichnungen überraschen durch ihre schwungvollen, vom Leben durchpulsten Konturen. Sie verraten einen scharfen Blick für das Animalische des Körpers. Doch auch bei diesen ernsthaften Zeichnungen bricht gelegentlich der Humor durch, der sich in unverschämtem Schwung der großen Zehe oder in einer zärtlich übermütigen Betonung einer bestimmten Kurve ausdrückt.«

Und auch Ohser selbst meldete sich zu Wort und publizierte 1943 sein Ein Wort für die Zeichenkunst, das nach seinem Erscheinen von Tageszeitungen in Berlin, in Leipzig und seiner vogtländischen Heimat nachgedruckt wurde. Es bringt den Nachweis, dass Ohser, zwar so lapidar in der Formulierung wie er zeichnet, aber nicht minder komplex in den Argumenten, sein künstlerisches Ausdrucksmittel zu reflektieren im Stande ist.

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Abb. 11: Erich Ohser zeichnet, um 1936

»Ich glaube, es müssten viel mehr Menschen nach der Natur zeichnen. Auch solche sollten es tun, die keine ausgesprochene Begabung haben. Wer nie eine Blume, einen Baum, ein Tier oder einen Akt nach der Natur gezeichnet hat, weiß nicht, wie viel Wunder man dabei erlebt und wie glücklich das macht, wenn man erst mal über die bald überwundenen ersten großen Schwierigkeiten hinweg ist. Die Welt wird für den, der zeichnet, schöner, sehr viel schöner. Bäume, die früher für ihn Gestrüpp waren, zeigen plötzlich ihre Form. Tiere, die hässlich waren, zeigen, wo ihre Schönheit liegt. Geht dieser Mensch dann spazieren, so wird er sich wundern, wie anders alles aussehen kann. Es gibt für ihn immer weniger Hässliches, wenn er von Tag zu Tag mehr im Hässlichen die schönen Formen erkennt und lieben lernt. Ich zum Beispiel bin schon beim Abessinischen Warzenschwein. Und das will was heißen. Mit drei Jahren macht das Kind die ersten Striche auf Papier oder an die Haustür, und es hat Freude daran. Mit fünf Jahren zeichnet es schon Flugzeuge, Autos, Kanonen, ja ganze Schlachten. Dann kommt das Kind in die Schule, und die Lehrerin bringt ihm das Zeichnen bei. Nun sitzt es zu Hause und zeichnet mit viel Gestöhn eine Kerze, eine Frau aus Grundformen zusammengesetzt und einen Baum, aus Dreiecken konstruiert. Von jetzt ab findet das Kind, das Zeichnen entsetzlich schwer ist. Mit einem merklichen Ruck hört es auf, die schöne Wunderwelt, die es sich vorher spielend auf das Papier gezaubert hat, weiter zu zeichnen. Warum zeichnen die Erwachsenen nicht auch in den Briefen? Lasst Euch nicht durch die Virtuosität der Künstler verblüffen, die in vielen Fällen entsetzlich hohl ist. Die Eitelkeit lässt sie mit ›schönen‹ Strichlagen brillieren; und der Ausdruck, der unser Herz warm macht, geht dabei zum Teufel. Die Eitelkeit lässt uns immer wieder nur allzu menschlich ausgleiten. So ist es auch in der bildenden Kunst, in der man mit der Technik und der Manier den Leuten ein billiges Feuerwerk hin zaubern kann, dass sie vor Hochachtung erschauern, wenn sie es nicht durchschauen. Eine kleine Zeichnung über das Auge, durch das Herz auf das Papier gebracht, ist mehr wert als eine sechs Quadratmeter großer, krampfig gemalter, verlogener Schauerschinken.«

Ohsers zeichnerischer Bezug ist unverstellt, liebevoll und voll unmittelbarer Neugier. Mit dem Stift in der Hand erkundete er seinen Kosmos und spürte immer wieder komische und groteske Aspekte in allen nur möglichen Situationen auf. In diesem Sinne gleicht seine Haltung der eines Clowns, und es überrascht nicht, dass sich der Künstler zur Welt des Kabaretts und des Varietés hingezogen fühlte. Der Clown ist ja eine Figur, in der sich Humor und Verzweiflung auf das Kunstvollste kreuzen, ein Prototyp der traurig-komischen Pointe, eine Kippfigur, die in spielerischer Verulkung und Verzerrung die Wahrheit kenntlich macht. Der berühmteste Clown seiner Zeit – Grock – wurde von Ohser genau so porträtiert: ein einprägsames Maskengesicht, in dem sich Trauer und Schalk die Waage halten. Ähnlich, wie Vater und Sohn ja eigentlich keine Superhelden sind, sondern vielmehr, wie ein zeitgenössischer Kritiker vermerkte, »Parterre-
akrobaten des Lebens«, lässt sich auch Erich Ohser selbst als zeichnender Clown begreifen. Die menschenliebende Utopie von Vater und Sohn hat ihren Erfinder berühmt gemacht, aber Erich Ohsers trauriges Ende überdauert gleichermaßen seine Zeichenkunst wie die Ermutigung, seine und unsere Welt freimütig, wenn möglich zeichnend, täglich neu zu entdecken.

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Abb. 12: Grock, ohne Jahr, Tuschezeichnung