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»Ich habe einen Job im Büro meiner alten Firma in Seattle angeboten bekommen«, sagte Dan, als das Anschnallzeichen erloschen war und die anderen Passagiere um sie herum sich zu strecken und zu regen begannen und die Hälse nach dem Getränkewagen reckten. »Weniger Geld und weniger Arbeitszeit als früher. Denk darüber nach, okay? Ich dachte, es könnte eine gute Gelegenheit sein.«

»Wofür? Für dich, um noch mehr mit dieser Lauren abzuhängen?«

»Mein Gott, Zoe.« Er zog ihren Kopf an seine Schulter und lachte, aber es war ein resigniertes Lachen. »Lauren Carrera ist verheiratet. Mit einer Frau namens Melissa. Wir haben dieses Gespräch schon mal geführt.«

»Na ja, ich wüsste nicht, wieso dich das abhalten sollte.«

Als sie sich grinsend zu ihm umwandte, verwuschelte er ihr das Haar.

»Ich finde, wir sollten einen Neuanfang wagen. In einer neuen Stadt, in einem neuen Haus. Alles Alte hinter uns lassen. Es ist an der Zeit, meinst du nicht?« Als sie keine Antwort gab, zog er seinen Arm zurück. »Ich habe Calebs Sachen in Kisten verpackt, während du fort warst – es wäre nicht gesund, sein Zimmer so zu lassen, als würde er zurückkommen. Ich dachte, es könnte dir helfen, inzwischen ist mir klar geworden, dass ich genau das Gegenteil erreicht habe.«

»Du hast seine Spielsachen nicht weggeworfen?«, fragte sie leise.

»Natürlich nicht. Ich habe sie auf dem Dachboden verstaut. Wir können eine gute Verwendung für sie finden, das Kinderkrankenhaus vielleicht.«

»Aber nicht Mr Bär«, rief sie, und Tränen traten ihr in die Augen.

Sie hatte Mr Bär gekauft, als sie schwanger war. Weil Dan es für ein schlechtes Omen hielt, Spielsachen für ein noch nicht geborenes Baby zu kaufen, hatte sie ihn verstecken müssen – vielleicht hatte er mit seinem Aberglauben ja recht behalten.

»Nein, keine Sorge. Mr Bär bleibt bei uns.« Dan drückte ihren Schenkel. »Seine Spielsachen wegzugeben, bedeutet nicht, dass wir ihn vergessen, Zoe. Doch wir können nicht so tun, als ob er zurückkäme. Wir müssen …« Er holte einmal tief Luft. »Du weißt schon: in der Gegenwart leben.«

»Du klingst wie Dr Schlesinger.«

»Ehrlich gesagt, hatte ich ein paar Sitzungen bei ihr, während du fort warst. Wo bleibt denn dieser Rollwagen?« Er richtete sich auf seinem Platz auf, versuchte die Kabinencrew zu sich zu winken. »Also, wirst du darüber nachdenken? Seattle?«

»Ich werde darüber nachdenken.« Sie lehnte sich wieder gegen die Kopfstütze. Dan hatte es irgendwie geschafft, ein Upgrade für die Businessclass zu bekommen; sie nahm an, dass er sie mit Geschichten von seiner kränkelnden Ehefrau herumgekriegt hatte. Darin war er gut.

»Ich habe übrigens dein Skizzenbuch gefunden, als ich deine Sachen in diesem Haus zusammengepackt habe«, sagte er nach einer Weile. »Da waren ja ein paar hochinteressante Sachen dabei.«

»Unsinn«, erwiderte sie und sah demonstrativ aus dem Fenster.

»Im Ernst. Es kam mir vor wie eine Art viktorianischer Porno. Ich habe noch nie gesehen, dass du solche Dinge zeichnest. Okay, ich sage nicht, dass es mir nicht gefallen hat – allerdings frage ich mich, woher du die Inspiration hattest.«

»Ich weiß nicht, es war experimentell.« Sie wandte sich zu ihm um. »Hast du es mitgenommen?«

»Ich habe es in deinen Koffer gesteckt …«

»Verbrenn es.«

»Was?«

»Wenn wir nach Hause kommen, will ich, dass du es verbrennst. Ohne dass es mir noch einmal vor die Augen kommt. Du hättest es gar nicht mitnehmen sollen.«

»Okay, Schatz, was immer du sagst.« Er streichelte besänftigend ihre Hand. »Das konnte ich schließlich nicht wissen. Ach ja, was ist das eigentlich für eine Halskette, die du neuerdings immer trägst? Du hast in dem Skizzenbuch eine Frau gezeichnet, die genau die gleiche trägt.«

Ihre Finger glitten zu dem silbernen Kreuz an ihrem Hals. »Es war ein Geschenk.«

»Soso? Von einem deiner schottischen Liebhaber?«

Er stieß sie mit dem Ellenbogen an und grinste, wenngleich seine Stimme einen leicht nervösen Unterton hatte. Sie brachte ein mattes Lächeln zustande.

»Von einem Freund. Es ist ein antikes Stück und mit der Geschichte der Insel verbunden.«

»Sie gefällt mir nicht«, gab er unerwartet heftig zurück. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich es mag, wenn du die Geschichte dieser Insel mit dir herumträgst. Verbrenn sie zusammen mit den Bildern, würde ich sagen. Je früher wir diesen Ort vergessen, desto besser.«

»Das Kreuz soll Mut schenken«, entgegnete sie leise.

»Weiß Gott, davon können wir alle ein bisschen gebrauchen. Im Moment muss ich ihn mir antrinken. Hi!«, wandte er sich an den lächelnden jungen Mann mit der Haartolle, der neben ihren Plätzen aufgetaucht war. »Jack Daniel’s mit Eis. Einen doppelten. Irgendwas für dich, Schatz?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Ein Wasser für sie. Geht es dir gut?«, fragte er, nachdem die Getränke serviert waren. »Du bist ganz blass.«

»Mir ist ein bisschen schlecht, das ist alles.«

»Oha.« Er schraubte den Deckel von seiner Miniaturflasche. »Vermutlich diese neuen Medikamente. Dr Chaudhry meinte, mit denen werde es dir besser gehen, sobald du dich an sie gewöhnt hast. Ich mochte ihn, du nicht? Schien ein guter Typ zu sein.« Er beugte sich vor und begann auf dem Monitor die Filmauswahl durchzusehen. »Neuanfang, Schatz.« Er schlug ihr mit einer Hand auf den Schenkel, als würde er einem Pferd einen aufmunternden Klaps versetzen, den Blick weiter auf die flackernden Bilder geheftet.

Sie wandte das Gesicht dem Fenster zu und spähte in den dunkler werdenden Himmel hinaus. Unter ihnen war nichts als Wolken; sie würde nicht einmal sehen können, wie die Lichter der Küste unter ihr kleiner wurden. Sie legte schützend einen Arm auf ihren Bauch. Bald würde ihr keine andere Wahl mehr bleiben, als Dan zu sagen, dass es kein Vergessen ihrer Zeit auf der Insel geben konnte. Was immer dort passiert war, hatte sie in seinen Bann gezogen, sie in seine Geschichte verwoben, und bald würde es ihnen in ihr neues Leben folgen. Sie trug die Geschichte in sich. Sie würde ihm das alles erklären – bald, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war.