„Magst du die Leute überhaupt, mit denen du zur Schule gegangen bist?“ Blake schob sich eine Fritte in den Mund. Normalerweise aß er sehr gesund, aber das war seine große Schwäche. Je salziger und heißer, desto besser, und da die freundlichen Ladys aus der Krankenhauscafeteria sein Laster kannten, bekam er immer eine extrafrische Portion.
„Natürlich mag ich sie“, behauptete Darby und wurde rot. „Ich bin mit ihnen zur Highschool gegangen.“
„Das bedeutet nicht, dass du sie magst.“ Er schob sich genüsslich eine weitere Fritte in den Mund. „Du hast noch nie jemanden erwähnt, mit dem du zur Schule gegangen bist.“
„Das heißt aber auch nicht, dass ich sie nicht mag. Ich hatte einige gute Freunde in der Schule.“
„So gut, dass du sie mit einer Scheinverabredung beeindrucken musst?“
Sie wich seinem Blick aus und nippte an ihrem Wasser. „Du solltest dich geschmeichelt fühlen, schließlich darfst du das beeindruckende Scheindate sein.“
„Das stimmt allerdings“, sinnierte er, während er sie musterte, und versuchte ein Gefühl dafür zu bekommen, was sie verheimlichte.
Und Darby verschwieg etwas. Er konnte nicht genau sagen, warum, aber diese Rückkehr nach Armadillo Lake machte ihr zu schaffen.
„Erzähl mir von deiner Heimatstadt.“
Darby verzog mürrisch das Gesicht. „Da gibt es nicht viel zu erzählen.“
Sicher doch.
„Ich fahre dieses Wochenende mit dir zu deinem Klassentreffen. Meinst du nicht, da sollte ich etwas über deine Vergangenheit wissen?“
„Nicht wirklich.“ Sie kräuselte die Nase. „Wir kennen uns jetzt … vier Jahre? Was du bis jetzt nicht weißt, musst du auch nicht wissen.“
„Da bin ich anderer Meinung.“ Was wusste er schon von ihr? Nur dass sie in einer kleinen Stadt in Alabama aufgewachsen war, dank eines Stipendiums in Knoxville Medizin studiert und beschlossen hatte, in Tennessee zu bleiben, nachdem er scherzhaft vorgeschlagen hatte, zusammen eine Praxis zu eröffnen. Damals war er unsicher gewesen, wohin es ihn verschlagen würde, aber als Darby zustimmte, wusste er, dass es genau das war, was er wollte. Und er hatte diese Entscheidung noch nie bereut. Zum ersten Mal seit dem Tod seines Großvaters hatte er Wurzeln.
„Ach ja?“ Das sollte wahrscheinlich ungezwungen klingen, aber ein leichtes Quietschen in ihrer Stimme verriet ihre Angst.
Ein guter Mensch würde das Thema fallen lassen, würde sie nicht in Verlegenheit bringen, aber Blake hatte nie behauptet, ein guter Mensch zu sein. Darum schoss er sich auf den einzigen Namen ein, der ihr herausgerutscht war, als die Einladung ankam. „Ich möchte mehr über diese Mandy Coulson wissen.“
Seufzend rollte Darby mit den Augen. „Natürlich willst du mehr über sie wissen.“
Er zuckte die Schultern. „Sie ist die einzige, nicht mit dir verwandte Person aus deiner Heimatstadt, deren Namen du erwähnt hast.“
Ihre Augen schleuderten blaue Blitze, und sie hob ihr Kinn. „Trey Nix.“
Blake hielt inne, die Fritte auf halbem Weg zu seinem Mund. „Wer ist das?“
Und warum konnte er ihn auf Anhieb nicht leiden?
Mit hochrotem Gesicht stocherte Darby in ihrem Geflügelsalat. „Niemand.“
„Niemand?“ Das kaufte Blake ihr nicht ab. „Warum hast du ihn dann erwähnt?“
„Du wolltest doch einen anderen Namen hören.“
„Und Trey Nix …“ Was war das überhaupt für ein Name? „… ist dir spontan eingefallen?“
„Es ist nur ein Name.“
Aha.
„Interessant.“
Sie hielt seinem Blick stand. „Was ist so interessant?“
„Dass du erst eine Erzfeindin und dann einen Typen erwähnst.“ Rosa Flecken breiteten sich auf ihrem Hals aus, und Blakes Misstrauen regte sich. „Gab es da eine Dreiecksbeziehung zwischen dir, Mandy und wie war sein Name doch gleich?“
„Eine Dreiecksbeziehung?“ Sie lachte. „Du spinnst.“
Aber ihre halb erstickte Stimme ließ vermuten, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
„Woher willst du außerdem wissen, dass Mandy meine Feindin ist.“
„Nicht?“ Wie gut, dass Darby keine Schauspielerin werden wollte. Nicht einmal der gutgläubigste Mann würde ihr das abkaufen. „Wer ist sie dann?“
Oder wer war Trey Nix, und was hatte er Darby bedeutet?
Sie legte ihre Gabel weg. „Die ersten fünfzehn Jahre meines Lebens war Mandy meine beste Freundin.“
Die beste Freundin? Das hatte Blake nicht kommen sehen.
In der Krankenhauscafeteria war es nicht gerade voll oder besonders laut, aber er musste sich anstrengen, um ihre nächsten Worte zu hören.
„Aber das war vorher.“
„Wovor?“
Darby schüttelte den Kopf. „Lass uns das Thema wechseln. Für heute Abend habe ich genug von der Vergangenheit.“
Sie stürzte sich auf ihren Salat. Aber weil sie den ganzen Abend mit ihrem Essen gespielt hatte, bezweifelte er, dass sie Hunger hatte. Offensichtlich wollte sie nicht über Mandy reden.
Okay, er würde sie nicht weiter erwähnen. Für den Moment.
„Sag mir wenigstens, was du dieses Wochenende von mir erwartest.“
Überrascht sah sie ihn an. „Was meinst du? Das habe ich dir doch schon gesagt. Tu einfach so, als wärst du total in mich verliebt – als wäre ich das Beste, das dir je passiert ist, und du könntest nicht mehr ohne mich leben.“
„Okay“, antwortete Blake langsam. Ihr panischer Blick wunderte ihn genauso wie seine eigene Panik bei ihrer Antwort. „Das kriege ich hin.“
Darby kennengelernt zu haben war in vielerlei Hinsicht das Beste, was ihm je passiert war.
„Wie lange gehen wir schon aus?“
Verständnislos blinzelte sie ihn an. „Wie bitte?“
„Solche Fragen werden normalerweise gestellt, wenn man sich lange nicht gesehen hat.“ Er schenkte ihr einen bedeutungsvollen Blick. „Wie lange gehen wir schon aus?“
„Je einfacher wir das halten, desto besser.“ Darby starrte auf ihren Teller. „Wir sagen einfach, wir kennen uns schon seit Jahren, sind aber erst seit Kurzem zusammen. Lass uns möglichst bei der Wahrheit bleiben.“
Warum war sie so nervös? Weil sie diesen Mann aus ihrer Vergangenheit wiedersehen würde, den sie erwähnt hatte? Was ging ihn das an? Er sollte glücklich darüber sein, wenn sie ihre verlorene Liebe wiedertraf.
War Nix eine verlorene Liebe?
Blakes Magen rebellierte. „Die Wahrheit ist okay für mich.“
„Nur, dass du in mich verliebt bist“, betonte sie.
Seine irrationale Reaktion auf Darbys mögliche alte Liebe ärgerte Blake. „Das habe ich verstanden.“
Sie senkte den Blick wieder auf ihren Teller und nickte. „Ich wollte nur sichergehen, dass alles klar ist.“
„Kristallklar.“
Ihr Handy klingelte. Sie holte es hervor, und verzog das Gesicht, als sie die Nummer sah. Dann schob sie es zurück in ihre Tasche.
„Wer war das?“
„Rodney.“
Ihr Ex? Warum rief er sie immer noch an? „Du hast deine Meinung aber nicht geändert und willst wieder mit ihm zusammen sein?“
Hoffentlich nicht.
Darby mit Rodney – der Gedanke gefiel ihm absolut nicht. So verrückt es auch war, er wollte dieses Wochenende mit ihr verbringen und diese Mandy treffen. Und vielleicht auch Trey Nix, damit er verstand, in welcher Beziehung Darby zu diesem Mann stand – auch wenn er eine ziemlich gute Vorstellung davon hatte. Die ihm nicht besser gefiel als Rodney.
„Nein“, seufzte sie müde.
Er wusste, dass sie ihre Familie zu Weihnachten nicht gesehen hatte, aber als ihre Nichte geboren wurde, war sie nach Hause gefahren. Während der vier Jahre, die er sie jetzt kannte, war sie ein paar Mal im Jahr in Armadillo Lake gewesen, aber nie länger als eine Nacht geblieben.
„Ein Teil von mir überlegt, ob ich nicht lieber mit Rodney dorthin fahren sollte.“
Nein! Blake wollte ihre Familie kennenlernen, sehen, wo sie aufgewachsen war, und herausfinden, was diese Frau, die er für ihr Selbstbewusstsein bewunderte, an ihrer Heimatstadt so verunsicherte.
Darby war seine Partnerin, und sie brauchte seine Hilfe. Was für Probleme sie auch hatte, er würde ihr helfen. Das schuldete er ihr dafür, dass sie ihn während seiner Zeit als Assistenzarzt und zu Beginn seiner medizinischen Karriere unterstützt hatte.
„Ich kann mich benehmen. Sogar in einer Stadt namens Armadillo Lake.“ Er schmunzelte. „Klingt nach einem lustigen Ort zum Aufwachsen. Gibt es dort wirklich einen See?“
„Ja.“
„Und Armadillos, also Gürteltiere?“
„Ja.“
„Eure Schulmannschaft waren die Armadillos?“
Sie knirschte mit den Zähnen. „Ja.“
„Lass mich raten, euer Schulmaskottchen war ein riesiges Gürteltier?“
Den Blick fest auf ihren Teller gerichtet nickte Darby.
„Ich wette, das hat bei Footballspielen einen tollen Eindruck gemacht.“ Er schmunzelte. „Ein Gürteltier.“
Darby war ganz still geworden und sah aus, als betete sie inständig, er würde es nicht erraten. Aber wenn es um Darby ging, bemerkte Blake alles.
„Du warst das Maskottchen, stimmt’s?“
Am nächsten Morgen war Darby kaum aus ihrem Auto gestiegen, als Blake auch schon neben ihr auf dem Angestelltenparkplatz der Praxis stand. „Ich habe heute Morgen nach Mr Hill gesehen. Er will unbedingt nach Hause, dabei war er erst eine Nacht dort.“
Sie ignorierte ihn genauso wie seinen Lachanfall gestern, als sie zugab, dass sie früher das Gürteltierkostüm zu allen großen Schulsportereignissen getragen hatte.
Kein niedliches Kostüm, das ihre Beine zeigte. Nein, sie hatte in einem höllisch heißen Ganzkörpervinylanzug gesteckt, der aussah, als stammte er aus einem billigen Godzillafilm. Und alles nur, um einen Jungen zu beeindrucken. Was hatte sie sich nur dabei gedacht?
„Er setzt den Krankenschwestern ganz schön zu.“ Unbeirrt redete Blake weiter, während er ihr zu ihren Büros folgte. „Die Nachtschwester hat erzählt, dass er die Infusion wieder herausgezogen hat. Sie hat sie neu gelegt und ihm gedroht, dass sie seine Hände an die Seitenteile des Bettes fesselt, wenn er das noch einmal tut.“
Das alles wusste Darby bereits. Sie hatte Mr Hill ebenfalls besucht. Blake war nur vor ihr im Krankenhaus gewesen, weil sie verschlafen hatte, aber sie hatte auch bereits nach ihren beiden Patienten gesehen.
Kein Wunder, dass sie heute Morgen nicht aus dem Bett gekommen war. Albträume über das kommende Wochenende hatten sie letzte Nacht wach gehalten. In diesen Träumen war sie nicht in dem sexy Kleid, das sie extra dafür gekauft hatte, sondern in dem schrecklichen Gürteltierkostüm auf dem Klassentreffen aufgetaucht. Und diesmal hatte nicht Trey sie ausgelacht. Blake hatte kopfschüttelnd mit dem Finger auf sie gezeigt und nicht verstanden, dass sie dazugehören wollte. Wie verzweifelt sie sich wünschte, dass er sie bemerkte.
Schweißnass war sie aufgeschreckt. Blake dazu bringen zu wollen, sie als Frau wahrzunehmen, war genauso dumm, wie damals das Maskottchenkostüm anzuziehen.
Wahrscheinlich fiel es sowieso niemandem auf, ob sie kam oder nicht. Sie musste nicht gehen.
Nein, Mandy würde es wissen. Hatte sie Darbys Einladung nicht deshalb so spät verschickt?
Wenn sie nicht hinging, hieß das auch, dass sie sich damit abfand, dass ihre Beziehung zu Blake nie mehr sein würde, als sie jetzt war. Auch wenn das, was sie hatten, wunderbar war, wollte Darby mehr.
Sie würde hingehen.
Und Spaß haben.
Während sie Blake dazu brachte, sie als Frau wahrzunehmen, würde sie Trey dafür leiden lassen, dass er den Kapitän der Cheerleader dem klugen Mädchen im Kostüm des Schulmaskottchens vorgezogen hatte. Was hatte er sich nur dabei gedacht?
Dr. Darby Phillips war eine begehrenswerte Frau, die ihr Leben selbst in der Hand hatte. Sie hatte es weit gebracht, seit sie ein dummes Gürteltierkostüm getragen und sich nach einem Jungen verzehrt hatte, den sie nicht haben konnte.
Ihr Blick fiel auf den Mann, der neben ihr ging.
Zumindest konnte ihr in ihrer eleganten marineblauen Hose und der cremefarbenen Bluse niemand vorwerfen, dass sie wie ein schuppiges Tier aussah.
„Ach, komm schon, Dilly! Bist du immer noch sauer auf mich?“
Warum hatte sie ihm nur den Namen des Maskottchens verraten?
Und natürlich zog er sie damit auf, typisch Blake. In ihrem Büro drehte sich Darby abrupt zu ihm um. Sie schlug seine Hand von ihrem Plastikherzmodell, richtete sich zu ihrer vollen Größe von ein Meter sechzig auf und schnipste gegen seine breite Brust. „Mach dich nie wieder darüber lustig, dass ich ein Gürteltierkostüm anhatte! Verstanden?“
Seine Augen weiteten sich leicht, aber um seine vollen Lippen spielte ein Lächeln. „Ach, komm schon, Darby. Du warst bestimmt ein süßes Gürteltier.“
Finster sah sie ihn an. Er sollte zu Kreuze kriechen, vor Angst zittern, sich entschuldigen und nicht immer noch lachen.
„Zu schade, dass ich nicht auf deine Schule gegangen bin.“ Er zwickte sie ins Kinn, was ihren Körper erschauern ließ. „Ich hätte dich zu gern in dem Kostüm gesehen. Vielleicht kannst du es ja am Wochenende für mich anziehen?“
Konnte er denn nicht ernst sein? Oder wenigstens so tun, als ob sie ihm Angst machte? Natürlich nicht! Blake gehörte zu den Leuten, die ständig nervtötend gut gelaunt waren. Sosehr sie das in solchen Momenten störte, das war es, was ihr an ihm so gefiel. Was sie immer zu ihm hinzog.
Seit sie sich kennengelernt hatten, brachte er sie zum Lachen. Sie war so ernst gewesen, so entschlossen, sich nie wieder von einem Mann zum Narren machen zu lassen, so darauf konzentriert, ihr Medizinstudium abzuschließen, dass sie das Lachen verlernt hatte. Bis sie und Blake zusammen für die Notaufnahme eingeteilt worden waren. Sie konnte in Arbeit versinken, aber ein Zwinkern von Blake gab ihrem übermüdeten Körper neue Energie und brachte sie zum Lächeln.
Mit niemandem sonst fühlte sie sich so gut wie mit ihm.
Sie musste sich zwingen, an ihrem Zorn festzuhalten, und rollte mit den Augen. „Das einzige Kostüm, in dem du mich sehen musst, ist ein weißer Laborkittel.“ Finster sah sie ihn an. „Sollten wir uns nicht langsam um die Patienten kümmern?“
Blake seufzte übertrieben. „Dilly, du bist heute Morgen aber schlecht gelaunt.“
Sie schürzte die Lippen, verschränkte die Arme und sah düster zu ihm auf. Warum hatte sie nur flache Schuhe angezogen? „Keine Armadillo-Witze mehr.“
Nachdem sie sich eine Weile gegenüber standen – sie gespielt wütend, er schmunzelnd – nickte Blake. „Okay, keine Schulmaskottchenwitze mehr.“ Er hob seine Hand wie zum Pfadfinderehrenwort. „Wenn ich den Drang verspüre, dich zu necken, werde ich das einfach unterdrücken.“
Genervt verdrehte sie die Augen. „Das ist nicht witzig.“
Er zuckte leicht die Schultern. „Für mich schon.“
„Du hast auch nicht dieses schreckliche Kostüm getragen.“
Vielleicht hatte sie ihren alten Schmerz zu deutlich gezeigt, denn Blake musterte sie etwas zu eindringlich. „Soweit ich weiß, wird niemand dazu gezwungen, das Schulmaskottchen zu spielen. Man meldet sich freiwillig.“
„Mr Besserwisser, manchmal zwingen die Umstände ein Mädchen dazu, hässliche Kostüme anzuziehen und den Clown zu spielen.“
„Welche Umstände?“ Seine dunklen Augen sahen zu viel, und Darby zwang sich, ruhig stehen zu bleiben.
„Das ist kompliziert.“
Mit ernstem Blick verschränkte Blake wie sie die Arme. „Ich habe Zeit.“
Manche Dinge sollte man einfach nicht wiederholen. Und ihre Ausrutscher aus Highschoolzeiten gehörten dazu. Sie sah auf ihre Uhr. „Ich nicht. Meine Patienten warten. Ciao.“
Darby griff nach ihrem Stethoskop und eilte aus dem Büro. Ohne sich umdrehen zu müssen, fühlte sie, wie sein Blick ihr folgte, und ihre Wangen glühten.
Außerdem spürte sie seine Belustigung. Seine Neugier.
„Bis später, Dilly“, rief er ihr hinterher, während er wahrscheinlich mit den Fingern über ihr Herzmodell strich.
Was hatte sie sich nur dabei gedacht, als sie ihm von diesem blöden Kostüm und ihrem Spitznamen erzählt hatte? Bestimmt verriet sie ihm auch noch, dass man Wetten darüber abgeschlossen hatte, dass sie ewig Jungfrau bleiben würde. Und vor allem, dass sie ihren Klassenkameraden immer noch den Beweis schuldig war, dass sie sich geirrt hatten. Für eine Frau, die so stolz auf ihre Intelligenz war, machte sie viele dumme Fehler.
Aber es gab Momente, in denen musste man einfach ein Gürteltierkostüm anziehen oder einen Mann einladen, ein Wochenende mit ihr zu verbringen, in der Hoffnung, bemerkt zu werden, oder um zu akzeptieren, dass sie auf seinem Radar nicht auftauchte.
Sie wollte, dass sein Radar blinkte. Ihretwegen.
Was eindeutig zeigte, wie wenig Intelligenz sie wirklich besaß.
Denn das würde wahrscheinlich alles ruinieren, was ihr wichtig war.
Je näher sie am Freitagnachmittag Armadillo Lake kamen, desto nervöser wurde Darby.
Was war nur mit ihr los?
Sie sollte sich freuen, nach Hause zu kommen. Endlich konnte sie ihren alten Mitschülern zeigen, wie sehr sie sich in ihr getäuscht hatten. Und sie sollte aufgeregt sein, weil sie sich Blake als begehrenswerte Frau präsentieren wollte …
War das nicht die Idee hinter ihrem Last-Minute-Shopping im Dessousgeschäft gewesen? Aber würde Blake nicht hinter dem Steuer sitzen, würde sie wahrscheinlich umdrehen und schnellstens nach Tennessee zurückfahren. Nicht zuletzt weil sie Angst davor hatte, was dieser Ausflug aus ihrer Beziehung zu Blake machen würde.
Aber wenn sie mehr wollte – und das tat sie – musste sie ihn aufrütteln. Im selben Bett zu schlafen sollte da helfen. Ob er damit rechnete?
Darby sah ihn verstohlen an und musste ein sehr weibliches, anerkennendes Seufzen unterdrücken. Gott, er war einfach atemberaubend. Und an diesem Wochenende gehörte er ganz ihr.
„Du hast während der letzten dreißig Meilen kaum ein Wort gesagt.“
„Du hast genug für uns beide geredet“, entgegnete sie.
Aber Blake konnte sich sogar mit einem Baumstumpf angeregt unterhalten. Darum beneidete sie ihn. Auch wenn sie Kurse besucht hatte, um ihre Schüchternheit zu überwinden, war sie die ersten Jahre ihres Lebens sehr introvertiert gewesen. Und wenn man seine Nase lieber in ein Buch steckte, als nach Pea Ridge zu fahren, um das Einkaufszentrum unsicher zu machen, war man nicht unbedingt beliebt.
„Hat dir deine Mom nicht gesagt, dass man das nicht tut? Dein Gesicht könnte so bleiben.“
„Wie denn?“, fragte sie abwesend. Das Leben war doch unfair, wenn ein einziger Mann mit so viel gutem Aussehen, Intelligenz und Witz gesegnet war. Und trotzdem war Blake keiner dieser Männer, die dachten, sie wären unwiderstehlich. Trotz seiner Witzeleien über seine vielen Reize war er einer der aufrichtigsten Menschen, die sie kannte. Man bekam, was man sah. Und ihr gefiel viel zu sehr, was sie sah.
„Als ob wir gerade mit offenen Fenstern an noch einem Hühnerstall vorbeigefahren sind.“
Darby biss sich auf die Lippe, um nicht zu lächeln. Gleich hinter der Staatsgrenze zu Alabama hatte Blake die Fenster heruntergekurbelt, um die frische Landluft zu genießen. Und die hatte er bekommen.
Dieses Mal verzog er das Gesicht. „Ich esse nie wieder Hühnchen.“
Sie lachte laut auf. „Es gibt auch in Tennessee solche Ställe. Also erzähl mir nicht, dass du noch nie einen Hühnerstall aus nächster Nähe erlebt hast.“
„Offensichtlich bin ich im Herzen immer noch ein Stadtjunge“, gab er ungeniert zu. „Näher als von diesem Auto aus möchte ich keinen Stall erleben. Besonders keinen, der so übel riecht, wie der vorhin.“
Darby musste erneut lachen. Wie gut, dass sie ihn heute Abend nicht zu ihren Eltern mitnehmen würde.
Sie wurde immer nervöser. Ihre Brüder und deren Ehefrauen würden bestimmt darauf drängen, dass sie wieder nach Hause zog. Das taten sie immer. Ihre Familie verstand einfach nicht, warum sie Armadillo Lake damals so gern verlassen hatte, um ihren Abschluss zu machen und die Welt zu sehen. Und sie hatten erst recht nicht verstanden, warum sie dann in Knoxville blieb.
Aber sie hatten Blake auch nie kennengelernt.
„Woran hast du gerade gedacht? Du hast so finster dreingeblickt.“
„An das Klassentreffen.“
Verwirrt schüttelte er den Kopf. „Die meisten Leute freuen sich auf ihr Klassentreffen. Alte Mitschüler treffen, erfahren, wer wen geheiratet hat, wer die meisten Kinder hat, wer zwanzig Kilo zugenommen oder wer noch alle Haare hat.“
„Tja.“ Sie drehte den Kopf und starrte aus dem Fenster auf die vertrauter werdende Landschaft. „Ich bin nicht die meisten Leute, Stadtjunge.“
„Das stimmt.“ Er überraschte sie, als er ihre Hand nahm und drückte.
„Keine Angst, Darby. Du wirst deine alten Mitschüler mit deiner Intelligenz, deinem Erfolg, deiner Schönheit und besonders deiner fantastischen Begleitung beeindrucken.“ Lächelnd sah er sie kurz über den Rand seiner Sonnenbrille an. „Das verspreche ich dir.“
Die Wärme von Blakes Hand ließ sie beinahe glauben, dass ihre Fantasien über ihre Rückkehr nach Armadillo Lake wahr werden würden.
Genauso wie ihre Hoffnungen in dieses gemeinsame Wochenende, die ein sinnliches Prickeln durch ihren Körper sandten, wenn er ihre Hand hielt – aber das war etwas anderes.