Darby packte die letzten ihrer Bücher in eine Umzugskiste. Es war unglaublich, wie schnell der letzte Monat vergangen war. Aber mit der Wut und dem Schmerz zwischen ihr und Blake hatte sich auch jede Minute endlos hingezogen.
Er hatte sein Wort gehalten und den Vertrag unterschrieben, den ihr Anwalt aufgesetzt hatte. Sie war nun kein Partner mehr in ihrer Praxis. Sie war nichts mehr für ihn.
Nein, das stimmte nicht. Sie war die Mutter seines ungeborenen Kindes.
Diese Verbindung würden sie immer haben.
Eine Träne lief ihr über die Wange.
Auch wenn der Umzug aus so vielen Gründen richtig war, fiel es ihr nicht leicht, Knoxville zu verlassen. Als die Leute des Umzugsunternehmens heute Morgen den Inhalt ihres Apartments in Kisten verpackten, war sie in Tränen ausgebrochen. Sie hatte geweint, bis ihre Brust schmerzte. Dann war sie ins Büro gefahren, um dort die letzten Sachen einzupacken, weil sie es nicht ertrug zuzusehen, wie sie ihr Apartment ausräumten.
Denn es brach ihr das Herz.
Zu Hause ist, wo dein Herz ist.
Ihr Herz war bei Blake.
Wenn er sie liebte, würde sie für immer in Knoxville bleiben. Aber er liebte sie nicht. Und da ihr nichts anderes übrig blieb, akzeptierte sie es.
„Ich kann nicht glauben, dass du wirklich gehst.“
Überrascht sah Darby zur Tür. „Blake.“ Schnell wischte sie sich über die Augen, damit er ihre Tränen nicht sah. „Wie lange stehst du schon dort?“
Wollte er wieder mit ihr streiten? Sie schienen nichts anderes zu tun bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen sie wirklich miteinander sprachen.
Himmel, sah er gut aus in seiner schwarzen Hose und dem weißen Polohemd. Aber wann sah er nicht gut aus?
„Lange genug, um zu sehen, dass du wegen des Umzugs nicht ganz so sicher bist, wie du vorgegeben hast. Du kannst deine Meinung immer noch ändern.“
Sie holte tief Luft und wappnete sich gegen seine verbale Attacke. „Dass ich traurig bin, weil ich mich verabschieden muss, heißt nicht, dass ich unsicher bin, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe.“
Er betrat ihr Büro und schloss die Tür.
Darby schluckte. Sie war nicht sicher, ob sie einen weiteren Streit überstand. Nicht jetzt, in ihren letzten Minuten in der Praxis.
„Ich möchte nicht, dass du gehst, Darby.“
Wenn sie nicht stark genug war für einen Streit, dann bestimmt auch nicht stark genug für sein leises Geständnis.
Sie trat einen Schritt zurück. „Das haben wir doch schon besprochen.“
„Aber vielleicht haben wir nicht die richtigen Dinge gesagt.“
Hoffnung regte sich in ihrer Brust. „Welche richtigen Dinge?“
Wenn er sie bat zu bleiben, seine Familie zu sein, ihr sagte, dass er sie liebte, würde sie für immer bleiben.
„Du bist ein Teil meines Lebens, Darby. Ein guter Teil, den ich nicht missen möchte.“
„Blake, es sind zwei Monate vergangen, und du hast mich kaum wahrgenommen.“ Monate, in denen er ihr Herz mit jedem beiläufigen Blick und jedem Lächeln, das er nicht erwiderte, gebrochen hatte.
„Ich habe dich jeden Moment an jedem Tag sehr deutlich wahrgenommen. Wie könnte ich nicht?“, fragte er und kam näher. „Du bist schwanger mit meinem Kind.“
Das Baby. Nur deshalb war er hier.
„Blake, daran ändert auch ein Umzug nichts.“
Missbilligend presste er seine Lippen zusammen. „Der Ort verändert alles.“
Ihre Gefühle für ihn würde er nicht ändern, aber vielleicht ließ der Schmerz ihres gebrochenen Herzens etwas nach, wenn sie ihn nicht täglich sehen musste.
Aber eigentlich bezweifelte sie das.
„Du weißt, wo du mich findest.“ Sie wich nicht länger zurück, sondern stellte sich ihm. „Du wusstest immer, wo du mich finden kannst. Du hast nur nie genau hingesehen. Nicht bei mir. Nicht wirklich.“
Wenige Zentimeter trennten ihre Körper, als er über ihr aufragte. „Was soll das heißen?“
„Ich war immer genau hier, Blake.“
„Genauso, wie ich immer für dich da war, Darby. Immer. Wenn du mich brauchtest, war ich für dich da.“
„Das warst du.“ Sie schluckte schwer. Was tat er?
„Und trotzdem willst du weggehen? Um uns zu vergessen?“
Darby hielt es nicht länger aus. „Verstehst du nicht, Blake? Es gab nie ein Uns.“ Sie presste ihre Hände gegen seine Brust. „Wir hatten nur ein Wochenende voller Täuschungen.“
„Ist es das, was du glaubst?“
„Dann sag mir, dass ich falschliege.“
„Du liegst falsch.“ Wie, um das zu beweisen, senkte er den Kopf und küsste sie so verzehrend, dass ihre Knie weich wurden. „Sag mir, dass du das nicht fühlst, Darby. Sag mir, dass du mich jetzt nicht willst.“
„Das ist nur sexuelle Anziehung.“ Sag, dass ich unrecht habe. Bitte, Blake, sag mir, dass du mehr für mich fühlst.
„Sag nichts gegen die Chemie. Sie bewegt die Welt.“
„Nicht meine“, murmelte sie leise.
Weil sie wusste, dass sie gehen musste, solange sie noch konnte, löste sich Darby aus seinem lockeren Griff.
Sie hatte gehofft, er würde sie aufhalten, sie festhalten und ihr sagen, dass er so viel mehr für sie fühlte.
„Wenn du hierbleibst, heirate ich dich.“
„Warum?“ Sag, dass du mich liebst. Ich gehe überall mit dir hin, Blake. Liebe mich einfach nur.
„Für das Baby.“
Ein Teil von Darby starb. Der Teil, der an der Hoffnung festhielt, dass er sich vielleicht etwas aus ihr machte. Aber wenn es hart auf hart kam, würde Blake nicht um sie kämpfen. Warum sollte er? Er liebte sie nicht und hatte ihr nie einen Grund gegeben, etwas anderes zu denken. Auf lange Sicht war es für ihn leichter, wenn sie ging.
Darby berührte seine Wange. Sie liebte das Gefühl der leichten Bartstoppeln. „Mach es für mich nicht noch schwerer, als es ohnehin schon ist, Blake.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, drückte einen Kuss auf seine Lippen und trat zurück. Ihr Blick landete auf etwas, das sie noch nicht eingepackt hatte. Ihr Herz.
Sie nahm das Modell in die Hand, und Erinnerungen strömten auf sie ein. Alle mit Blake. Sie drehte sich um, lächelte durch ihre Tränen und hielt ihm das Herz hin.
„Hier“, flüsterte sie. „Es scheint, als würde mein Herz nicht mit mir umziehen. Es hat sowieso immer dir gehört.“
„Wo ist denn die hübsche Ärztin?“
Stirnrunzelnd sah Blake Mr Hill an, und das nicht wegen des Geschwürs an seinem Bein. Zum Glück bildete sich jetzt rosa Granulationsgewebe, und es heilte langsam ab.
„Sie ist weg.“
Der Mann erwiderte seinen finsteren Blick einfach. „Für eine Ärztin war sie nicht schlecht. Ein angenehmer Anblick. Wohin ist sie gegangen?“
Er brauchte keinen Mann in den Siebzigern, der ihm sagte, dass Darby ein erfreulicher Anblick war. Das wusste Blake.
„Sie ist dahin zurückgezogen, wo sie herkommt.“ Klang er verbittert? Wahrscheinlich. So fühlte er sich auch. Darby fand heraus, dass sie schwanger war, und verließ ihn sofort. Sicher, er wusste nicht viel darüber, wie man als Familie war, aber sie hatte ihm nicht einmal eine Chance gegeben.
„Und wo ist das?“, fragte der alte Mann.
„Alabama“, antwortete Blake.
„Und Sie mögen Alabama nicht?“
„Es ist ein Bundesstaat.“
„Und Elend ist eine Gemütsverfassung.“ Mr Hill winkte ab. „Warum sind Sie noch hier? Sie sollten ihr folgen.“
„Niemand hat nach Ihrer Meinung gefragt.“
„Das hätten Sie aber tun sollen. Mich gibt es schon eine Weile, und ich habe aus den Lebenserfahrungen gelernt. Das sollten Sie mal probieren.“
„Ich habe auch aus Erfahrungen gelernt.“ Nämlich, dass er sich nur auf sich selbst verlassen sollte. Er war ein Narr gewesen, nach dem Studium in Knoxville zu bleiben.
„Gar nichts haben Sie, sonst würden Sie jetzt ihr Bein streicheln statt meines.“
Abrupt ließ Blake die Wade des Mannes los. Mr Hill hatte nicht ganz unrecht. Allerdings hatte er das Bein nicht gestreichelt, er hatte den feuchten Verband mit einem elastischen Schutzverband bedeckt, damit Mr Hills Kleidung keine Flecken bekam.
„Sie wissen ja nicht, wovon Sie reden.“
„Wenn mir das Herz einer hübschen jungen Frau gehören würde, wäre ich bei ihr.“
Aber Darbys Herz gehörte ihm nicht.
Nun, eigentlich schon, aber es war aus Plastik.
Blake erstarrte. Siedend heiß fielen ihm ihre Worte ein, und endlich verstand er.
Darby hatte ihm ihr Herz gegeben, gesagt, dass es ihm gehörte.
Sie liebte ihn.
Und er war zu blind gewesen, um es zu erkennen.
Wie auch, wenn er zu blind gewesen war, um seine eigenen Gefühle für Darby zu sehen?
In Alabama hatte er erkannt, dass er sie wollte, sie immer gewollt hatte, aber statt danach zu handeln, war er verängstigt weggelaufen. Und dabei hatte er sie verloren.
Blake legte das Stethoskop beiseite und starrte seinen Patienten an. „Sie sind ein weiser Mann, Nathan Hill.“
Der Mann lächelte sein zahnloses Lächeln. „Sieht so aus, als würden Sie auch klüger werden.“
„Sieht so aus. Hoffen wir, dass es noch nicht zu spät ist.“
„Ich kann einfach nicht glauben, dass du wirklich zu Hause bist.“ Rosy wedelte mit ihrem Pinsel, und Farbtropfen regneten auf die Plastikfolie, die den Boden schützte. „Hoppla.“
Darby wischte sich mit dem Handrücken über ihre schweißnasse Stirn. Auf ihrem farbbesprenkelten Gesicht stand ein breites Lächeln. Ein Teil von ihr konnte es auch nicht glauben.
„Und ich finde es unfasslich, dass du den leckeren Arzt nicht mitgebracht hast“, meldete sich Mandy, die eine Ecke des Zimmers, das sie gerade strichen, abklebte.
Das Zimmer, in dem Darby bald ihre Patienten empfangen würde.
In Alabama. In ihrer eigenen Praxis. Weit weg von eben jenem leckeren Doktor.
„Blake ist damit beschäftigt, einen Ersatz für mich in Knoxville zu finden.“
Mandy sah Darby an, bevor sie ihren Blick auf die Malerfolie senkte. Darby hasste das Mitleid ihrer Freundin. Alle waren sehr mitfühlend gewesen, als sie erzählt hatte, dass sie und Blake sich getrennt hatten. Wenn sie nicht schwanger wäre, würde sie ihnen beichten, dass das gesamte Wochenende nur eine Täuschung gewesen war.
„Im Büro oder in seinem Bett?“ Rosy musterte Darby neugierig. „Denn so gern ich dich zu Hause habe, ich möchte auch, dass du glücklich bist, und er hat dich glücklich gemacht.“
„Was auch immer.“ Darby schüttelte den Kopf. Ihre Schwägerin war noch genauso in ihren Mann verliebt wie am Tag ihrer Hochzeit. Trotzdem hatte sie recht. „Ich bin glücklich.“
Mandy sah auf und musterte sie noch neugieriger als Rosy. „Bist du sicher?“
Dachten ihre Freunde etwa, sie wäre deprimiert? Besuchten sie sie deshalb so oft? Sie wusste ihre Sorgen zu schätzen, darum setzte sie ein Lächeln auf. „Ganz sicher.“
Das war zum größten Teil die Wahrheit.
Sicher, sie weinte sich nachts in den Schlaf und vermisste Blake, aber es war die richtige Entscheidung gewesen, nach Hause zu ziehen, damit ihr Baby in ihrer liebevollen Familie aufwachsen konnte.
Bis jetzt hatte sie noch niemandem von ihrer Schwangerschaft erzählt. Da sie erst im dritten Monat war, blieb ihr noch etwas Zeit, bevor es auffiel. Sie war noch nicht so weit.
Wahrscheinlich wäre ihre Familie enttäuscht, dass sie eine alleinerziehende Mutter sein würde. Aber sie würden sie trotzdem lieben und in den Monaten bis zur Entbindung und auch danach unterstützen.
Im Moment war ihre größte Sorge, dass der nächste Gynäkologe und Geburtshelfer dreißig Meilen entfernt war, aber das sollte kein Problem sein, da die meisten Erstgeburten ihre Zeit dauerten.
Was den Ersatz für sie anging, ob nun im Büro oder in Blakes Bett, sie tat ihr Bestes, nicht daran zu denken. Denn der Gedanke schmerzte mehr, als sie zugeben wollte. Darum hatte sie sich auf ihr neues Leben konzentriert. Jetzt musste sie nur noch die Reparaturen abschließen, dann konnte sie wie geplant am ersten Oktober eröffnen.
Sie sah aus dem Fenster auf ihre Brüder, auf Mark, den Tierarzt, und Trey unten am See. So, wie es ihre Zeit erlaubte, hatten sie die letzten Wochen, während Darby mit Mandy und ihren Schwägerinnen im Inneren des Hauses gearbeitet hatte, den Garten gesäubert, Dachziegel ersetzt und die Fassade gestrichen. Jetzt bauten sie ihr einen neuen Steg.
Genauso, wie sie und Mandy ihre Freundschaft langsam wieder aufbauten, fachten Mandy und Trey alte Flammen wieder an. Darby freute sich wirklich für die beiden.
„Hey, ist das Blake da unten bei den Jungs?“
Bei Rosys Frage begann ihr Herz wild zu klopfen. Sicher halluzinierte sie nur. Auf keinen Fall kam Blake mit Trey, Mark und ihren Brüdern auf das Haus zu.
„Scheinbar ist er doch nicht so beschäftigt in Knoxville, dass er nicht auf einen Besuch vorbeikommen kann“, kicherte Rosy und sah Darby wissend an. „Schließlich ist es nur ein Umweg von sechs Stunden.“
Darby bemerkte ihre Schwägerin kaum, nahm kaum Mandys Schweigen wahr – oder dass sie ihrem Blick auswich … Hatte sie gewusst, dass Blake hier war?
Was wollte er hier?
Ihr wurde schwindelig, und das bestimmt nicht wegen der schadstofffreien Farbdunste oder ihrer Schwangerschaft. Der Sauerstoff schien in dem Moment zu verschwinden, als Blake das Zimmer betrat.
Sein Blick begegnete ihrem, und es fühlte sich für sie so an wie das letzte Mal, als sie in Alabama gewesen waren. Er hatte sie gehalten, sie berührt, geküsst und geliebt.
Nur leider war das nur gespielt gewesen. Warum war er also hier?
Warum sah er sie an, als hätte er sie vermisst? Als wollte er sie in die Arme nehmen und küssen, bis sie beide atemlos waren?
Blake wollte Darby in seine Arme nehmen und küssen, bis sie beide atemlos waren, bis sie sich nur noch aneinander festklammern konnten und nie wieder loslassen wollten.
Denn er wollte sie nicht mehr loslassen. Niemals mehr.
Wahrscheinlich war er ein Narr, aber er war trotzdem hier.
In Alabama. Seinem neuen Zuhause.
Nicht, dass er praktisch gesehen, ein Zuhause hatte. Nicht mehr.
Land, ja – dank des Grundstücks, das er mit Mandys Hilfe gekauft hatte. Ein Zuhause, nein.
Aber als er Darby ansah, wusste er, dass er einem Zuhause viel näher war, als er es irgendwo auf der Welt sein könnte.
„Blake?“ Sie trat auf ihn zu, bemerkte, dass alle Augen auf sie gerichtet waren, und stockte. „Was tust du hier?“
„Du hast gesagt, ich könnte dich jederzeit besuchen, wenn ich in der Gegend bin.“ War sie verärgert darüber, dass er hier war?
„Du warst in der Gegend?“
„Eigentlich …“, begann er und fragte sich, wie sie wohl auf seine Neuigkeiten reagieren würde. Seine Mutter hatte gedacht, dass er verrückt war, als er ihr von seinen Plänen erzählte. Sie hatte ihm aber auch Glück gewünscht, begeistert von der Aussicht, Großmutter zu werden, was ihn überraschte. „Eigentlich bin ich dein neuer Nachbar.“
Darby blieb der Mund offen stehen, und sie starrte ihn ungläubig an. „Bist du?“
Der ganze Phillips-Clan und ihre Freunde starrten ihn wütend an. Offensichtlich hatte ihnen Darbys nicht gerade überschwängliche Begrüßung verraten, dass im Paradies nicht alles in Ordnung war.
„Ich habe das Grundstück neben dir gekauft. Das Land war ursprünglich ein Teil von deinem Land, wurde aber in ein Extragrundstück umgewandelt, als du das Haus gekauft hast.“
Warum erzählte er ihr das? Natürlich wusste sie, dass das Land unterteilt worden war. Himmel, war er nervös.
„Du hast den Rest meines Landes gekauft?“
Er nickte.
Ihre Augen waren so blau wie ein wolkenloser Himmel, und er bedauerte, dass er sie überhaupt hatte gehen lassen.
„Warum?“
„Ähm, ich glaube, wir sollten nach Hause fahren.“ Rosy hakte sich bei ihrem Ehemann unter und warf den anderen einen Blick zu, der deutlich sagte, sie sollten auch gehen.
Darby sah ihre Schwägerin und die anderen im Raum ausdruckslos an. Sie hatte komplett vergessen, dass sie nicht allein waren.
„Ich auch“, sagte Mandy. Sie ging auf Darby zu und umarmte sie schnell. „Ruf mich später an und gib mir Bescheid, wann wir das fertig machen wollen. Ciao, Blake. Trey, bist du fertig?“
Mandy und Trey gingen, aber obwohl ihre Frauen an ihren Armen zupften, rührten sich Darbys Brüder nicht vom Fleck – sie starrten Blake weiter finster an.
Wussten sie, dass Darby mit seinem Kind schwanger war?
Draußen waren sie freundlich genug gewesen, aber das war vor Darbys deutlicher Überraschung, ihn hier zu sehen. Sie hatten gedacht, sie erwartete ihn. Was hatte sie ihrer Familie erzählt?
Wussten alle, was für ein Idiot er gewesen war? Dass er sie hatte gehen lassen, ohne ihr zu sagen, wie er fühlte, ohne um sie zu kämpfen – selbst nachdem sie ihm ihr Herz geschenkt hatte?
Wortwörtlich.
Weder Darby noch ihre Brüder bewegten sich.
Blake sah jeden ihrer Brüder direkt an, bevor er fragte: „Können wir irgendwo unter vier Augen sprechen?“
Mit finsterem Blick verschränkte Jim seine Arme. „Wir haben keine Geheimnisse.“
„Es ist okay, Jungs.“ Darby winkte ab. „Fahrt nach Hause. Wir sehen uns dann später zum Abendessen bei Mom und Dad.“
„Wir haben den Steg fertig und wollten dich gerade holen, damit du ihn dir ansehen kannst“, sagte Ralph, ohne Blake aus den Augen zu lassen.
Darby nickte. „Ich komme mit euch raus und sehe es mir schnell an, bevor ihr fahrt.“ Sie sah Blake ausdruckslos an. „Blake kann hier warten.“
Er beobachtete durch das große Fenster, wie sie mit ihrer Familie zum Bootssteg ging, bemerkte, dass ihre Brüder immer wieder zum Haus zurücksahen und dass Rosy den Arm ihres Mannes nicht losließ.
Als die Gruppe endlich wegfuhr, kam Darby nicht wieder herein. Stattdessen setzte sie sich auf den Steg, zog die Knie an und starrte auf den See hinaus, als würde eine Riesenlast auf ihren Schultern ruhen.
Blake ahnte, dass er diese Last war.
Was wollte Blake hier? Warum hatte er den Rest des Donahue-Anwesens gekauft? Sie wusste, dass er Geld hatte, aber doch bestimmt nicht so viel, um sich das Grundstück leisten zu können, das zum See und ihrem Land gehörte? Der Preis war astronomisch gewesen.
Bedeutete es das, was sie insgeheim hoffte?
Ha, eine Fangfrage!
Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er sie liebte und gekommen war, um sie zu heiraten.
Aber wenn er ihr einen Antrag machte, hieß das dann wirklich, dass er sie liebte? Oder hatten ihn Schuldgefühle, Verantwortung oder was auch immer übermannt und er wollte ihrem Baby ein Zuhause geben? Eine Familie?
Auch wenn er sie liebevoll ansah, würde sie es nicht wirklich wissen. Schließlich hatte sie am Wochenende des Klassentreffens erlebt, was für ein toller Schauspieler er war.
Wenn Blake es darauf anlegte, konnte er ihr weismachen, dass er sie liebte.
Wollte sie wirklich einen Mann, von dem sie nicht wusste, warum er mit ihr zusammen war? Aber was war mit ihrem Baby? Schuldete sie es ihm nicht, dass sie Blake einen Vertrauensbonus schenkte?
Das ist einfach verrückt. Wenn ich wissen will, warum Blake hier ist, muss ich ihn schon fragen!
Sie wollte gerade aufstehen, als sie bemerkte, dass Blake hinter ihr stand. Wie lange war er schon da?
„Du bist nicht zurückgekommen“, sagte er leise und setzte sich neben sie. Er saß nah genug, dass sie seine Körperwärme spürte und seinen männlichen Duft einatmen konnte. Wie gern wollte sie sich an seine Schulter lehnen und seine Arme um sich spüren!
Stattdessen sah sie weiter fasziniert auf das Sonnenlicht, das vom Seewasser reflektiert wurde.
„Ich brauchte ein paar Minuten, um zu verdauen, dass du hier bist.“ Sie konnte seinen Blick auf sich spüren, aber sie guckte stur weiter geradeaus.
„Ist es schlecht, dass ich hier bin?“, fragte er.
„Nur unerwartet. Du bist immer willkommen, Blake, das habe ich dir doch gesagt. Ich werde dich nicht von unserem Baby fernhalten. Hast du deshalb das Land neben mir gekauft? Weil du ein Haus bauen willst, in dem du wohnen kannst, wenn du unser Kind besuchen kommst?“
Er atmete langsam aus und schüttelte den Kopf. „Ich habe in Knoxville alles aufgegeben.“
Abrupt drehte sie sich zu ihm um. „Du hast was?“
„Ich habe die Praxis Dr. Kingston verkauft und mein Haus an ein Pärchen aus einem anderen Bundesstaat. Ich ziehe für immer nach Armadillo Lake.“
„Aber … aber was willst du hier tun?“
„Ich habe in Alabama eine Zulassung beantragt. Ich möchte hier praktizieren.“
„Warum?“
„Ganz einfach.“ Blake sah sie ernst an. „Weil du hier bist.“
„Und das Baby?“
„Ja, du und das Baby.“ Er sah auf ihren flachen Bauch. „Wie fühlst du dich? Leidest du unter Morgenübelkeit?“
„Nur leicht.“ Sie musterte ihn und fragte sich, ob sie zu viele Farbdämpfe eingeatmet hatte und sich nur einbildete, dass er wirklich hier war. „Du hast wirklich in Knoxville alles verkauft?“
„Ja.“
„Aber es hat dir dort doch so gefallen.“
„Nicht mehr, nachdem du weg warst.“
Darbys Herz geriet ins Stocken. Was sagte er da? Fühlte er sich verantwortlich und dachte, er müsste nach Alabama kommen und sich um sie und ihr Baby kümmern?
„Sag mir, dass du mich hier haben willst, Darby. Dass ich noch immer in deinem Leben willkommen bin.“
„Ich will dich hier.“ Mehr als alles wollte sie ihn bei sich haben, weil sie sich ihr Leben ohne Blake nicht vorstellen konnte. „Du bist in meinem Leben willkommen.“
Forschend sah er ihr in die Augen. „Sag mir, dass du mich genauso vermisst hast wie ich dich.“
„Okay.“ Sie nickte, während sie sich fragte, worauf er hinauswollte, warum ihr Herz so sehr pochte. „Ich habe dich genauso vermisst wie du mich.“
„Das scheint ganz gut zu funktionieren.“ Er nahm ihre Hand in seine, fuhr die Linien in ihrer Handfläche nach, verschränkte dann ihre Finger und drückte sie. „Versuchen wir etwas anderes. Sag mir, dass du mich genauso liebst wie ich dich.“
Darby wollte ihm glauben. Schließlich wirkte er aufrichtig. Seine Handfläche fühlte sich klamm an, als wartete er nervös auf ihre Antwort.
Seufzend entzog sie ihm ihre Hand. „Du weißt, wie ich für dich fühle, Blake.“
„Weiß ich das?“
„Ich habe es dir gesagt.“
„Was genau hast du mir gesagt, Darby?“
„Dass mein Herz immer dir gehört hat.“
„Und dann hast du mir das Plastikmodellherz gegeben.“ Blake schüttelte den Kopf. „Ich war dumm, Darby. Unglaublich dumm. Ich dachte, du meinst das Modell, aber das hast du nicht, oder?“
Panik ergriff sie, gab ihr das Gefühl, sich schützen zu müssen. „Ich habe dir das Modell gegeben, Blake.“
„Aber dein Herz hast du mir schon lange vorher geschenkt, stimmt’s? Darum bist du überhaupt in Knoxville geblieben. Weil ich dort war.“
Sie verdrehte die Augen und sah wieder auf den See. „Du bist so was von eingebildet.“
„Sag mir, dass ich falschliege.“
„Du liegst falsch.“
„Du lügst.“
„Vielleicht“, gab sie nach.
„Ich bin auch deinetwegen in Knoxville geblieben. Weil ich bei dir sein wollte. Bevor ich überhaupt wusste, dass es das war, was ich mir insgeheim immer gewünscht hatte.“
Ruckartig wandte sie sich ihm zu. „Wie bitte?“
„Obwohl wir kein Pärchen waren, habe ich mich dir näher gefühlt als jeder Frau, die ich kenne. Bei dir hatte ich das Gefühl dazuzugehören, als wäre ich nach Hause gekommen. Ich wollte die Gefühle für dich nicht zulassen, weil du mich offen gestanden ziemlich erschreckt hast, aber ich konnte einfach nicht ohne dich sein.“
„Du hast mich gehen lassen.“
„Ich war ein Idiot.“
Darby lehnte den Kopf gegen ihre Knie und starrte auf das Wasser. Sie hatte einfach Angst, ihm zu glauben. „Was bedeutet das für uns?“
„Es bedeutet, dass ich total verliebt bin in die Frau, wegen der ich hergekommen bin, damit sie mir eine zweite Chance gibt.“
„Blake, du musst das nicht sagen, nur weil ich schwanger bin.“
„Ich sage nichts, was ich nicht glaube.“
„Du glaubst, du liebst mich?“
„Ich liebe dich.“
Sie schüttelte den Kopf. „Das ist nur der Schock der Veränderungen, weil ich unsere Praxis verlassen habe und nach unserem gemeinsamen Wochenende schwanger bin. Das ist alles, Blake. Du vermisst es nur, mit mir zusammenzuarbeiten.“
„Das auch, aber es gibt Dinge, die ich noch mehr an dir vermisse als das.“
„Zum Beispiel?“ Die Frage konnte sie nicht zurückhalten.
„Wie du mich anlächelst, wenn ich einen Raum betrete. Wenn dich etwas verwirrt, fragst du nach meiner Meinung und hörst genau zu, was ich antworte. Wenn meine Lippen deine berühren, fängt mein ganzer Körper Feuer.“
Sie mochte all das an Blake. Er hatte immer an sie geglaubt, ihren Fähigkeiten vertraut, und sein Vertrauen hatte ihr Kraft gegeben.
„Dein Körper fängt Feuer, wenn wir uns küssen?“
Er musterte sie. „Deiner nicht?“
Sie nickte. „Doch, aber das erklärt nicht, warum du hier bist.“
„Um dich zu bitten, mich als Partner zu akzeptieren, Darby. Mit dem Baby wirst du meine Hilfe brauchen.“
Mit dem Baby.
Sagte er deshalb die richtigen Sachen? „Danke, ich komme schon zurecht.“
„Aber mit einem Partner wird es leichter“, betonte er. „Ich habe Referenzen, und meine letzte Partnerin würde bestimmt ein gutes Wort für mich einlegen.“
„Haha, wirklich witzig.“
„Ich meine es ernst, Darby.“ Er hob ihre Hand an seine Lippen und küsste ihre Fingerspitzen. „Ich möchte ein Teil deines Lebens sein. Ich habe zwar nie daran gedacht, in Alabama zu leben, aber ich weiß, dass ich dahingehöre, wo du bist.“
Darbys Herz füllte sich mit Liebe, mit dem Wissen, dass Blake sie ebenfalls liebte. Nicht, weil sie schwanger war, sondern weil er an dem Wochenende genauso wenig vorgespielt hatte wie sie. „Woher weißt du das?“
„Weil zu Hause da ist, wo dein Herz ist, und mein Herz ist immer bei dir, egal, wo du bist.“