Evie Lockheart hämmerte mit aller Kraft an die Tür, ohne sich darum zu scheren, dass sämtliche Nachbarn sie hörten.
Laute Rockmusik drang aus der Wohnung, er schlief also nicht.
„Mach endlich auf, Finn Kennedy! Oder ich trete deine schicke Penthouse-Tür ein, das schwöre ich!“
Nichts rührte sich. Wütend starrte sie auf die verschlossene Tür. Zwei Wochen war es jetzt her, dass Finn nach seiner zweiten Operation aus dem Sydney Harbour Hospital entlassen worden war.
Zwei Wochen, seit er zu ihr gesagt hatte: „Verschwinde, ich will dich nicht sehen.“
Zwei Wochen vergeblicher Anrufe.
Zwei Wochen, in denen sie ihn mit SMS bombardiert hatte.
Zwei Wochen einseitiger Unterhaltung durch diese Tür.
Evie hatte genug.
Nicht eine Minute länger ertrug sie es, dass er sie aus seinem Leben ausschloss – und den Rest der Welt gleich mit.
Sie liebte ihn, sonst hätte sie ihm längst endgültig den Rücken gekehrt. Und die Erinnerungen an jenen Abend, als er in kritischem Zustand ins Harbour eingeliefert wurde, waren noch immer lebendig. Finn hatte versucht, eine schwere Infektion nach seiner ersten Operation selbst zu behandeln, was natürlich schiefgegangen war. Evie war entschlossen, nach ihm zu sehen, ganz egal, ob der sture Dickkopf damit einverstanden war oder nicht!
Sie wollte gerade wieder die Tür malträtieren, als die Fahrstuhltüren sich öffneten und Gladys den Flur betrat. Evie war noch nie so froh gewesen, Finns Haushälterin zu sehen.
„Gladys, ich brauche Finns Schlüssel.“
Alarmiert blickte die ältere Frau sie an. Sie hatte Finn damals zusammengebrochen auf dem Fußboden seiner Wohnung gefunden. Jetzt kramte sie hektisch in ihrer Tasche. „Geht es ihm nicht gut? Ist er wieder krank?“
„Ich glaube nicht, aber ich möchte mich mit eigenen Augen davon überzeugen.“ Und dann drehe ich ihm den Hals um!
Gladys unterbrach ihre Suche. „Gestern war alles in Ordnung.“
Evie unterdrückte den Impuls, der guten Seele, die nicht nur Finns, sondern auch Evies und die Apartments vieler Kollegen hier in Kirribilli Views sauber hielt, die Handtasche zu entreißen. „Sie dürfen mir den Schlüssel nicht geben, stimmt’s?“
Verlegen wich Gladys ihrem Blick aus. „Es tut mir leid, Evie. Aber er hat es ausdrücklich untersagt.“
Evie hätte am liebsten mit dem Fuß aufgestampft, aber sie beherrschte sich und streckte die Hand aus. „Gladys, ich bitte Sie von Frau zu Frau. Ich muss ihn sehen. Ich brauche den Schlüssel.“
Gladys schürzte die Lippen. „Sie lieben ihn?“
Evie wunderte es nicht, dass Gladys sich in der Gerüchteküche des Harbour bestens auskannte. Und die Gerüchte um Evie und Finn hielten sich hartnäckig. Sie nickte, während sie auf Gladys’ romantische Ader baute. Die mütterliche Putzfee von Kirribilli Views besaß ein großes Herz, in dem Liebesgeschichten immer einen besonderen Platz einnahmen.
„Ja“, sagte sie dann und dachte: Nur der Himmel weiß, warum. Der Mann macht es einem so schwer, ihn zu lieben.
Gladys zog ein Schlüsselbund aus ihrer großen Tasche, hakte einen Schlüssel ab und hielt ihn Evie hin. „Er braucht jemanden, der ihn liebt.“
„Und jemanden, der ihm den Hintern versohlt“, murmelte Evie.
Gladys lachte leise auf. „Das auch.“
„Danke“, sagte Evie.
„Dann mache ich sein Apartment heute zuletzt.“ Damit wandte sie sich ab und ging zum Fahrstuhl.
Finn starrte sie an, als sie aufschloss und hereinkam. Evie spürte seinen eisblauen Blick vom Kopf bis zu den Zehenspitzen, trotz des Dämmerlichts, das wegen der zugezogenen Vorhänge in der Wohnung herrschte.
„Erinnere mich daran, dass ich Gladys feuere“, knurrte er und stürzte den letzten Rest der bernsteingoldenen Flüssigkeit in seinem Glas hinunter.
Evie ging auf ihn zu. Er saß auf dem Sofa, schien sich seit Tagen nicht rasiert zu haben, sein dunkles Haar war zerzaust, und im gedämpften Licht wirkten seine Wangen hohl und eingefallen.
Wie konnte der Mann so aussehen und trotzdem tief in ihr Sehnsucht und Verlangen wecken? Und wie konnte er sie so anblicken, so missmutig und feindselig, ohne damit ihre Gefühle für ihn im Keim zu ersticken?
Finn Kennedy ist noch mal mein Tod, dachte sie. Ihren Stolz hatte er längst mit Füßen getreten.
Jetzt war nur noch der Couchtisch zwischen ihnen, und im Grunde war sie froh über das Hindernis. Evies Bedürfnis, Finn zu packen und kräftig durchzuschütteln, war nicht weniger geworden. „Du bist betrunken“, sagte sie.
„Nein.“ Er schenkte sich einen Fingerbreit Scotch nach. „Noch nicht.“
„Es ist drei Uhr nachmittags.“
Finn prostete ihr zu. „Nett, dass du zum Schäferstündchen kommst, aber ich ziehe ein Date mit meinem Whisky vor.“
Evie beobachtete, wie er das Glas leerte, und fragte sich verzweifelt, wie sie zu ihm durchdringen sollte. „Tu dir das nicht an, Finn.“ Sie sah auf seinen gelähmten rechten Arm, die Hand, die leblos auf seinem Oberschenkel ruhte. „Du musst Geduld haben. Rupert ist sehr zuversichtlich, dass die Schwellung mit der Zeit zurückgehen wird. Glaub mir, ehe du dich’s versiehst, stehst du wieder im OP und operierst wie früher.“
Finn knallte das Glas auf den Tisch. „Verschwinde, Evie!“
Sie zuckte zusammen, wich aber keinen Schritt zurück. Finn hatte sie oft genug angefahren und ihr gesagt, dass sie ihn in Ruhe lassen sollte. Doch es hatte auch andere Zeiten gegeben, zärtliche, leidenschaftliche Momente, in denen sie den wahren Finn kennengelernt hatte. Den Finn, den sie von ganzem Herzen liebte. Den Finn, der sich hinter einem mürrischen, arroganten Griesgram versteckte.
„Nein, ich bleibe. Weil ich dich liebe.“
„Ich will deine Liebe nicht!“, brüllte er.
Evie ging um den Tisch herum, bis sie direkt vor ihm stand. „Man bekommt im Leben nicht immer seinen Willen, Finn. Nicht einmal du!“ Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Wenn du willst, dass ich gehe, dann musst du schon deinen Hintern bewegen und mich dazu zwingen!“
„Oh, verstehe“, sagte er spöttisch. „Du legst es also doch auf ein Schäferstündchen an.“
Er taxierte sie auf eine Art und Weise, dass sie sich vorkam wie ein leicht bekleidetes Mädchen im Rotlichtviertel von Amsterdam.
„Was ist los, Prinzessin?“, fuhr er fort. „Hast du’s so nötig, dass du hier einbrichst? Ist ja auch schon eine Weile her. Aber du hättest dich nicht extra aufbrezeln müssen. Wir einarmigen Jungs können es uns nicht leisten, wählerisch zu sein.“
Evie war mit ihren Schwestern zum Mittagessen verabredet gewesen und trug einen Bleistiftrock, der knapp über ihrem Knie endete, und dazu eine schimmernde Satinbluse. Im Krankenhaus hatte sie die Haare immer im Nacken zusammengebunden, jetzt fielen sie ihr seidig glänzend auf die Schultern.
Und sie ignorierte seine bissigen Bemerkungen einfach. „Lass mich dir helfen, Finn“, sagte sie leise.
Seine gesunde Hand schnellte vor und schloss sich um ihr Handgelenk. Finn riss Evie an sich, und ihr Rock spannte, als sie rittlings auf seinem Schoß landete. Instinktiv streckte sie die Hände aus und suchte Halt an seinen Schultern.
„Was willst du?“, fragte er rau. „Mal sehen, wie ich es mit einer Hand mache?“ Er umschloss ihre rechte Brust, und Evie spürte die Wärme seiner schlanken Finger durch den Satin. „Oder dies hier?“ Finn ließ die Hand tiefer gleiten, dorthin, wo sich ihr Rock hochgeschoben hatte, strich über ihren Schenkel, schob dabei den Rock noch höher, bis der sich über ihren Hüften bauschte und ihre Beine entblößte. Besitzergreifend legte Finn die Hand auf ihren Po.
Vergeblich kämpfte sie gegen die Lust an, die sich bleischwer in ihrem Bauch sammelte. Zwischen ihren Schenkeln fing es an zu pochen, ihre Brustspitzen wurden hart. Wie gebannt blickte sie Finn in die Augen, benommen von der Hitze des Verlangens, die ihr daraus entgegenschlug.
„Du willst mir also helfen?“ Sein warmer Atem streifte ihr Gesicht. „Wobei? Dass ich mich wieder als Mann fühle? Willst du einen heißen Ritt, Evie? Auf dem einzigen Teil von mir, der noch voll funktionsfähig ist?“
Sie überging die derben Anspielungen. Finn wollte sie provozieren. So lange, bis sie empört aus der Wohnung stürmte.
Aber das Spielchen machte sie nicht mit. „Ich möchte dich lieben, Finn“, sagte sie ruhig, ohne seinem drohenden Blick auszuweichen. „Lass mich dich lieben.“
Evie beobachtete, wie ihn der Kampfgeist schlagartig verließ. Finn ließ die Hand sinken und sah zur Seite. „Ich kann dich nicht einmal richtig berühren, Evie.“
Sie umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und zwang ihn, sie anzublicken. „Du hast dies“, flüsterte sie, während sie mit den Daumen über seine Lippen strich. „Ein Mund, der – wenn er nicht beißenden Spott von sich gibt – mich verrückt macht, mich dahinschmelzen lässt, bis ich meinen eigenen Namen vergesse.“
Sie griff nach seiner unversehrten Hand und legte sie sich auf ihre rechte Brust. „Und diese Hand …“ Sie spürte, wie die Spitze augenblicklich hart wurde. „… die einen Frauenkörper genauso verwöhnen kann wie die andere.“
Seine Augen wurden dunkel, als Finn zu seiner Hand auf ihrer Brust blickte. Er rieb mit dem Daumen über die feste Knospe, und Evie schloss die Augen, weil heiße Lust sie durchzuckte.
„Und dies“, fuhr sie fort und drängte ihr Becken mit sinnlichen Bewegungen gegen seinen Schoß, genoss es, ihn hart und erregt zu spüren. „Den Rest übernehme ich.“
Evie schob die Hände zwischen ihre Körper, fand den Knopf seiner Jeans, öffnete ihn und zog den Reißverschluss auf.
Finn gab auf. Von maßlosem Verlangen erfüllt eroberte er ihren weichen Mund, stillte seinen männlichen Hunger, während er mit einer Hand an ihrer Bluse zerrte, ungeduldig, bis die Knöpfe absprangen.
Er stöhnte auf, als sie ihn umschloss, ihn rieb und das Feuer, das in ihm brannte, noch anfachte. Leidenschaftlich bedeckte er ihren Hals mit Küssen, riss den BH beiseite, nahm die harte dunkle Perle in den Mund.
Evie spürte seine heißen Lippen und schrie leise auf, warf den Kopf in den Nacken und ergab sich mit geschlossenen Augen den köstlichen, erregenden Gefühlen, die Finn in ihr weckte.
Kaum nahm sie wahr, dass er ihre Hand wegstieß und ihr Höschen zur Seite schob. Erst als sie ihn hart und heiß dort spürte, wo sie es sich am meisten ersehnte, kam sie ihm entgegen, nahm ihn in sich auf. Wie im Rausch bewegte sie ihre Hüften, drängte ihn, tiefer einzudringen, eins mit ihr zu werden.
Es war nicht sanft, es war nicht zärtlich, es fielen keine Liebesworte. Genau wie bei ihrem ersten Mal kannten sie nur ein Ziel: ihre hemmungslose, wilde Lust zu befriedigen.
Doch diesmal, als Finn auf dem Höhepunkt tief aufstöhnte und den Kopf an ihren erhitzten Brüsten barg, wusste er, dass es der Abschied war. Er musste gehen. Es musste weg aus Sydney, weg vom Sydney Harbour Hospital und weg von Evie.
Weg von der verhängnisvollen Dynamik, die ihn immer wieder zu ihr trieb.
Nur jetzt, in diesem Moment, brauchte er Evie. Er klammerte sich an sie, kostete bis ins Letzte aus, was ihr weicher duftender Frauenkörper ihm schenkte, um den allgegenwärtigen Kummer und Schmerz für eine Weile zu vergessen.
Evie halten, ein letztes Mal …