You Only Live Once
Ich befand mich noch immer in meiner selbst verordneten Liegekur und las amüsiert die Stelle, an der Hans Castorp von seinem Cousin Joachim das professionelle Falten der Kamelhaardecke für die Davoser Liegestühle erlernt, als Suki hereinkam.
»Was lachst du, Papa?«
»Über das Buch«, sagte ich. »Es ist an manchen Stellen so unfassbar gut geschrieben.«
»Freut mich«, sagte Suki. »Ich hasse den Zauberberg jetzt schon. Ich hab nämlich gehört, nächstes Jahr müssen wir den in Deutsch machen.«
»Dann weißt du wenigstens, wo er spielt!«, rief ich enthusiastisch.
»Einfach nur boring«, entgegnete Suki. »Die Arroganz des alten weißen Mannes.«
Wieder musste ich lachen, jetzt über sie. »Soll ich dir was daraus vorlesen?«
»Warum würde ich mir das antun?«
»Was liest du denn zurzeit?«
»Vom Ende der Einsamkeit. Das ist richtig gut.«
»Na wunderbar«, sagte ich. »Wie war’s in der Skischule?«
»Fake it till you make it«, antwortete Suki. »Aber ich bin fast schon so gut wie Lana! Und die ist ja früher schon ein paarmal mit Lewi gefahren.«
»Und die anderen in eurer Gruppe?«
»So ein paar Chinesinnen sind da und zwei stinkreiche Araberinnen, die raffen gar nix und kichern die ganze Zeit. Superpeinlich, wie schlecht die sind. Sag mal, Papsi, darf ich dich was fragen?«
»Na klar.«
»Also, ich dachte, ich hab mir überlegt, du bittest Elizabetha um eine Flasche Wein, so zum Schreiben, für dich …«
Verwundert sah ich sie an. »Ich soll für euch lügen und Alkohol abstauben?«
»Na ja«, lächelte sie. »Also … kannst du?«
»K.A.«, sagte ich, was, glaube ich, die Abkürzung für Keine Ahnung ist. »Eine Flasche Wein zu dritt, da seid ihr ja völlig betrunken.«
»Wir stretchen’s über zwei Tage!«, rief Suki. »Jeden Abend ein Glas, mehr ist das nicht. Yolo, Pappa, yolo!«
»Ach, Suki«, seufzte ich und blickte in das Buch zurück. »Ich lese jetzt noch ein bisschen, dann überlege ich.«
