Die Erfindung des Skifahrens

Der wunderliche kleine Ort, der sein Aufblühen einer Fiktion verdankte, zog immer mehr illustre Gäste an – unter ihnen auch solche, die selbst Fiktionen kreierten. Der schottische Schriftsteller Robert Louis Stevenson begleitete seine an Tuberkulose erkrankte Frau nach Davos und schrieb dort seinen berühmten Abenteuerroman Die Schatzinsel, und auch der Sherlock-Holmes-Schöpfer Sir Arthur Conan Doyle war im Landwassertal zu Gast. Er reiste ebenfalls mit schwindsüchtiger Gattin an, und während sie in der Liegekur verharrte, erkundete er die Berge und popularisierte neben seinem Meisterdetektiv nun auch den Skisport. Diese Fortbewegungsart auf zwei Brettern kannte damals so gut wie niemand auf der Welt; angeblich existierten in den gesamten Alpen weniger als fünf Paar Ski. Ganz andere Sportarten wurden ausgeübt, das sogenannte Hornussen beispielsweise, ein Mannschaftsspiel, das es seit dem 17. Jahrhundert gab, oder das Schwingen, das Schlagballspiel Mazza, das Steinstoßen.

Dies alles änderte Doyle, als er 1894 mit zwei Einheimischen, den Brüdern Branger, eine waghalsige Tour auf Brettern von Davos ins zwölf Kilometer Luftlinie entfernte Arosa unternahm – und im einflussreichen Londoner Magazin Strand inspiriert darüber schrieb. Bei der britischen Oberschicht, wo exklusiver Sport auch heute noch zum guten Ton gehört, löste sein Bericht über die unbekannte neue Fortbewegungsart ein gewaltiges Echo aus: »Es gibt nichts besonders Bösartiges am Aussehen eines Paares ›Ski‹«, beginnt die humoristische Reportage, die ihn zum Urvater einer der beliebtesten modernen Sportarten machen sollte: »Es sind zwei Stöcke Ulmenholz, zweieinhalb Meter lang, mit einer quadratischen Ferse, umgedrehten Zehen und Riemen in der Mitte, um die Füße zu sichern. Niemand würde erahnen, welche Möglichkeiten in ihnen stecken. Aber du ziehst sie an, drehst dich lächelnd um, um dich zu vergewissern, ob deine Freunde dich gebührend bestaunen, im nächsten Moment bohrst du bereits deinen Kopf in eine Schneewehe, und alle finden dich unterhaltender als je zuvor.« Seine von Stürzen begleitete Talfahrt in Knickerbockern beschreibt Doyle so: »Mein Schneider sagt mir, dass Harris-Tweed sich nicht abnutzen kann. Das ist eine bloße Theorie und hält einem gründlichen wissenschaftlichen Test nicht stand. Vom Furkapass bis nach Arosa gibt es nun Proben dieses Stoffes überall zu bestaunen.« So ironisch der Ton seiner Reportage, so weitreichend sein Fazit: »Man wird feststellen, dass das ›Skifahren‹ ein Feld des Sports eröffnet, das meiner Meinung nach einzigartig ist. Noch wird dies nicht geschätzt, aber ich bin überzeugt, dass die Zeit kommen wird, in der Hunderte (…) in die Schweiz reisen werden, um ›Ski‹ zu fahren.«

Eine Großaufnahme von Sir Arthur Conan Doyle im hellen Pullover mit Mütze. Er versucht seinen langen Ski zu wenden, indem er sich mit einem Stock abstützt.

Machte Sherlock Holmes und das Skifahren populär: unkonventionelle Wendemanöver bei Wintersportpionier Sir Arthur Conan Doyle.

Dass es einmal Hunderte von Millionen sein würden, hätte den innovativen Schriftsteller wahrscheinlich dennoch überrascht. Und dass auch einmal so wunderbare, neugierige Kreaturen wie Suki, Lana und Lone zu den Skistöcken greifen, vielleicht auch. Nur Tweed-Knickerbocker tragen sie keine, dafür knallbunte Thermohosen.