„Shaman!“ Zoe vergaß ihre schmerzenden Glieder, ihren dröhnenden Kopf, ihre verletzte Hand. Sie sprang über die Absperrung in die Box. Als sie neben Shaman auf die Knie fiel, hob der Hengst den Kopf.
Er lebte! Zoe musste sich an der Bretterwand abstützen, weil ihr plötzlich total schwindlig war. Vor lauter Erleichterung. Aber noch war die Gefahr nicht gebannt. Shamans wunderschöne braune Augen sahen trüb und glasig aus.
„Was ist passiert? Bist du krank?“, flüsterte Zoe.
Der Mustang schüttelte sich, öffnete das Maul und schloss es wieder. Ein tiefes Grollen drang aus seinem Inneren.
Nun warf er den Kopf nach oben. Seine Beine zuckten, er versuchte, sich aufzurichten. Er brauchte mehrere Anläufe, bis er es endlich geschafft hatte und stand.
Mit wackeligen Schritten ging er zu seinem Wassertrog und trank.
Chenoa, dachte Zoe. Wo war Chenoa?
Und dann klickte es irgendwo in ihrem Kopf und sie verstand. Jemand hatte Shaman betäubt und Chenoa aus dem Stall entführt. Das war die einzig mögliche Erklärung. Shaman hätte es niemals zugelassen, dass er und die Stute getrennt würden, gestern Nacht im Stall wäre er eher gestorben, als von ihrer Seite zu weichen.
Kurz bevor er das Bewusstsein verloren hatte, hatte er Zoe einen Hilferuf geschickt. Genau wie damals, im letzten Sommer, als er sie von Vancouver hierher nach Snowfields geholt hatte.
„Und ich bin gekommen“, flüsterte sie.
Der Hengst drehte seinen wunderschönen schwarzen Kopf zu ihr und schaute sie an. Sie sah die goldenen Sprenkel, die in seiner samtbraunen Iris schwammen wie Herbstblätter auf einem dunklen See. Alles Trübe und Benommene war aus seinem Blick gewichen.
„Chenoa ist in größter Gefahr“, sagte Zoe. „Wir müssen sie retten.“
Shaman bewegte sich schwerfälliger als sonst, als sie ihn aus dem Stall führte. Wahrscheinlich fühlte er sich nach dem Knock-out genauso zerschlagen wie Zoe.
Als sie vor dem Sattelplatz standen, sah sie ihn ratlos an.
„Und nun?“, murmelte sie. Wenn ihre Vermutung stimmte und der Fahrer des Pick-ups die Stute entführt hatte, dann hatte er sie entweder zu Fuß weggebracht oder geritten. In dem Pick-up-Truck konnte er sie nicht transportieren.
Er will sie ja auch gar nicht transportieren, dachte Zoe. Er will sie töten. Deshalb hatte er gestern das Feuer im Stall gelegt.
Gerade eben noch hatte sie vor Aufregung geschwitzt, jetzt war ihr eiskalt. Vielleicht war bereits alles zu spät und Chenoa schon tot.
Shaman stupste mit dem Kopf gegen ihre Schulter und scharrte ungeduldig mit den Füßen. Seine Ohren zuckten, er spürte genau wie Zoe, dass das Leben der Stute auf dem Spiel stand.
Aber sie hatten nur eine Chance, Chenoa zu finden: wenn Shaman Zoe auf seinen Rücken ließ. Der Mustang war nicht aufgezäumt, er trug nicht einmal ein Halfter, aber das war kein Problem. Zoe hatte ihn schon so oft ohne Sattel und Zaumzeug geritten. Die Frage war nur, ob er sie aufsteigen lassen würde.
Sie atmete noch einmal tief durch, dann stemmte sie sich an seinem Hals hoch. Und rechnete die ganze Zeit damit, dass er ausweichen, sie abschütteln und ohne sie vom Hof stürmen würde. Doch er blieb ruhig stehen, bis sie auf seinem Rücken saß. Dann galoppierte er los.
Sie schlugen den kürzesten Weg in den Wald ein, der an den Ruinen des alten Stalls vorbeiführte, und dort stand Isabelle. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und betrachtete die verkohlten, immer noch schwelenden Holzbalken wie das Grab eines geliebten Menschen.
Als sie Shamans Hufschläge hörte, drehte sie sich um und sah Zoe. Ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen.
„Was machst du denn hier?“, fragte sie fassungslos. „Ich dachte …“
„Chenoa ist entführt worden!“, schrie Zoe. „Jemand will sie töten.“
„Was?“, rief Isabelle. „Und wo willst du hin?“
Shaman war inzwischen an ihr vorbeigaloppiert. Sie hatten keine Zeit für Erklärungen, sie mussten weiter!
„Sag Cyprian Bescheid!“, rief Zoe über ihre Schulter hinweg. „Und Caleb. Sie sollen sofort nachkommen!“
„Wohin sollen sie nachkommen?“, schrie Isabelle, aber das wusste Zoe ja selbst nicht.
Es war so ein Glück, auf Shaman zu reiten. Trotz ihrer Angst um Chenoa, trotz ihrer Schmerzen, war da diese Freude, die alles in ihr zum Singen brachte. Dieses Gefühl, dass sie und Shaman zu einem einzigen kraftvollen Wesen verschmolzen.
Vielleicht würde er sie nur dieses eine Mal auf sich reiten lassen, vielleicht würde er morgen nicht einmal mehr mit ihr spazieren gehen. Es war egal. Dieser Moment zählte.
Zoe beugte sich dicht über Shamans Hals, roch seinen würzigen Duft, spürte seine kraftvollen Bewegungen in ihrem Leib und wusste, dass ihre Herzen im Gleichtakt schlugen.
Die jungen Blätter der Buchen leuchteten hellgrün im Sonnenlicht, das durch die Wipfel der Nadelbäume flirrte. Vor ihnen reckte sich ein abgestorbener Baum in die Höhe, der Stamm und die toten Äste waren von glänzendem Efeu überzogen. Sie galoppierten unter einem blühenden Schlehenbusch durch. Winzige weiße Blüten, zart wie Schaum.
Waldvögel zwitscherten und jubilierten.
Zoe schloss die Augen und hörte einen hellen Freudenschrei. Das war sie selbst.
Shaman wusste genau, wo er hinwollte, er zögerte keine Sekunde. Er bog nach links ab, dann zweimal nach rechts und wieder nach links. Es war, als ob ihn jemand rief, den Zoe nicht hören konnte.
Und dann blieb er plötzlich stehen.
„Was ist?“, fragte Zoe und richtete sich auf.
Einige Meter vor ihnen war eine Waldlichtung und dort stand sie. Chenoa.
Ihr schneeweißes Fell strahlte durch das hellgrüne Blattwerk der Büsche wie ein Leuchtsignal. Zoe musste an Cyprians Bemerkung denken, als er die Stute das erste Mal gesehen hatte. Die Schneekönigin.
Zoes Blick flog über die Lichtung und die Büsche, die sie umgaben. Die Stute schien allein zu sein. Weit und breit war niemand zu sehen. Auch von dem schwarzen Pick-up fehlte jede Spur.
Sie sprang von Shamans Rücken zu Boden und hastete auf die Schimmelstute zu. Vielleicht hatte sie sich doch getäuscht. Chenoa war gar nicht entführt worden. Sie hatte es irgendwie geschafft, aus dem Stall zu kommen, und war hierher in den Wald gerannt.
„Na, meine Schöne?“ Zoe verlangsamte nun ihre Schritte und senkte den Blick, so wie sie es von Caleb gelernt hatte. Sie durfte Chenoa nicht erschrecken. Das Pferd durfte nicht noch einmal weglaufen.
Die Stute schnaubte leise und neigte den Kopf, als wollte sie Zoe begrüßen. Inzwischen hatte Zoe sie fast erreicht und streckte die Hand nach ihrem Halfter aus. Chenoa blieb vollkommen entspannt stehen, sie machte keine Anstalten zu fliehen. Nun erst bemerkte Zoe, dass die schöne schneeweiße Mähne der Schimmelstute an der linken Seite weggebrannt war. Zoe spürte, wie sich ihre Brust zusammenzog.
„Wir gehen jetzt nach Hause“, sagte sie leise.
Sie würde die Stute am Halfter führen, beschloss sie. Shaman würde ihnen bestimmt folgen.
Sie wollte sich gerade in Bewegung setzen, als sie hinter sich ein lautes Knacken hörte. Als sie herumfuhr, sah sie den Mann am Rande der Lichtung.
Er hielt ein Gewehr in den Händen und zielte auf sie.
„Lass sie los“, sagte er ruhig, ohne dabei den Finger vom Abzug zu nehmen.
Es war der Mann aus Zoes Traum.
Und plötzlich wusste sie auch wieder, was sie aus dem Augenwinkel bemerkt hatte, als sie gestern durch das Seitenfenster des Pick-ups geblickt hatte. Die dunkelgrüne Lodenjacke, die sie am Samstag in Mr. Scarlattis Haus in Calgary gesehen hatte.
Und die Mr. Scarlatti jetzt anhatte.
„Lass das Pferd los“, sagte Mr. Scarlatti noch einmal. „Und leg deine Hände in den Nacken.“
Diesmal gehorchte sie sofort. Die Mündung des Gewehres starrte sie an wie ein böses Auge. Ihre Gedanken flatterten wie aufgescheuchte Vögel durch ihren Kopf. Mr. Scarlatti. Patrices bester Freund, Chenoas Tierarzt. Was wollte er hier, was hatte er vor?
„Warum wollen Sie Chenoa töten?“ Zoe wunderte sich, wie ruhig ihre Stimme klang. „Ich verstehe das nicht.“
Mr. Scarlatti lachte heiser. In Calgary war er so entspannt und sympathisch gewesen. Ein Mann, der in sich selbst ruhte. Und jetzt?
Auf seiner Stirn glitzerten Schweißperlen und auch seine grauen Schläfen waren schweißnass. Die Augen flackerten nervös, der Blick flog zwischen Chenoa und Zoe hin und her.
„Wollen Sie sich an Chenoa … rächen?“, fragte Zoe. Der Gedanke war absurd. Aber die ganze Geschichte war total absurd. „Weil sie Patrice verletzt hat?“
Mr. Scarlatti stieß wieder dieses heisere, freudlose Lachen aus. „Warum hat er den verfluchten Gaul nicht töten lassen? Er hat es mir doch versprochen!“
Ich muss mit ihm reden, schoss es Zoe durch den Kopf. Solange er mit mir spricht, schießt er nicht.
„Er hat es nicht übers Herz gebracht“, sagte sie. „Schauen Sie sie doch nur an. Sie ist wunderschön. So ein Pferd bringt man doch nicht um.“
„Halt’s Maul!“, fuhr Mr. Scarlatti sie an. „Du hast doch keine Ahnung. Ich werde bestimmt nicht zulassen, dass dieses Pferd alles zerstört, was ich mir aufgebaut habe.“ Ohne das Gewehr sinken zu lassen, griff er in seine Jackentasche und holte einen kleinen Gegenstand aus Metall heraus. Es sah aus wie ein Computerstick.
„Was ist das?“, fragte Zoe. „Was haben Sie vor?“ Weiterreden, bloß nicht aufhören! Sie musste Zeit gewinnen, bis Caleb oder Cyprian hier waren. Wenn der Wald nur nicht so verdammt groß gewesen wäre.
Mr. Scarlatti ignorierte ihre Frage. „Weißt du, was ein Tierarzt verdient?“, stieß er stattdessen hervor. „Einen Hungerlohn. Egal, wie sehr er sich ins Zeug legt, egal, wie gut er ist. Als Turnierreiter scheffelst du die Kohle, aber der Tierarzt, der alles am Laufen hält, der kriegt nur ein paar Cent. Ohne das Nebengeschäft wäre ich heute noch in Quebec und würde Pferde röntgen.“
„Was für ein Nebengeschäft?“, fragte Zoe.
Der Schweiß floss Mr. Scarlatti jetzt in Strömen übers Gesicht. Seine Finger zitterten. Wenn er bloß das verdammte Gewehr weggelegt hätte.
„Am Anfang war es nur eine bescheuerte Idee. Ich hatte diesen Kumpel, Christian, der international mit Kunst handelte. Als er hörte, dass Patrice und Chenoa bei einem Turnier in Rom antreten würden, hat er mich im Spaß gefragt, ob ich nicht ein Bild über die Grenze schmuggeln könnte. Und da hat es bei mir Klick gemacht.“
„Sie haben das Kunstwerk in Chenoas Box versteckt“, sagte Zoe.
„Richtig. Und ich hab dafür gesorgt, dass die Burschen beim Zoll nicht so exakt hinsehen. Weil Chenoa nämlich genau im richtigen Moment ausgeflippt ist.“ Er hob den Stick in seiner Hand und grinste schief. „Hiermit. Das ist ein Sender.“ Sein Grinsen verschwand genauso plötzlich, wie es erschienen war. „Und weißt du, wo der Empfänger ist?“
„In Chenoa“, flüsterte Zoe. Jedes Mal, wenn Mr. Scarlatti den Knopf drückte, löste er bei der Stute unglaubliche Schmerzen aus. Deshalb verlor sie die Nerven und begann zu toben.
Aber wo hatte Mr. Scarlatti den Empfänger bei ihr versteckt? Als der Tierarzt Chenoa untersucht hatte, hatte er doch nichts gefunden.
Doch dann fiel Zoe wieder ein, was Caleb ihr gestern erzählt hatte.
„In ihrem Zahnersatz!“, rief sie. „Sie haben den Empfänger in Chenoas falschem Zahn versteckt!“
„Bingo!“, rief Mr. Scarlatti. „Kluges Köpfchen!“ Ohne das Gewehr sinken zu lassen, wischte er sich mit dem linken Jackenärmel über die schweißnasse Stirn. „Viertausend Dollar hat mir der erste Einsatz gebracht. Und Patrice hat an demselben Wochenende zwanzigtausend Dollar Preisgeld abgesahnt.“ Er schüttelte den Kopf. „Die Welt ist ungerecht.“
„Haben Sie deshalb dafür gesorgt, dass Chenoa ihn so schwer verletzt hat?“, fragte Zoe. „Aus Neid? Weil er mehr Geld verdiente als Sie?“
Scarlattis Gesicht verdüsterte sich. „Quatsch! Das war ein Unfall. Ich wollte Patrice nichts antun, ganz bestimmt nicht. Da ist irgendwas schiefgegangen. Der Impuls wurde von einem anderen elektronischen Gerät ausgelöst. Von einem Handy oder einem Computer, der die gleiche Frequenz benutzte.“ Sein Blick bohrte sich in Zoes Stirn. „Ich war das nicht. Ich bin auch sofort rein in die Box und hab Patrice rausgezogen. Ohne mich hätte Chenoa ihn totgetreten.“
„Ohne Sie hätte sie überhaupt nichts gemacht“, sagte Zoe.
Mr. Scarlattis Mundwinkel wanderten noch tiefer nach unten. „Es reicht“, sagte er müde.
„Was haben Sie vor?“, fragte Zoe und nun begann ihre Stimme doch zu zittern. „Wollen Sie mich ebenfalls erschießen?“
Mr. Scarlatti schüttelte den Kopf. „Das ist gar nicht nötig. Das übernimmt Chenoa für mich.“
„Das ist nicht Ihr Ernst“, stammelte Zoe. „Das können Sie doch nicht …“
„Es wird wie ein Unfall aussehen.“ Wieder wischte sich Mr. Scarlatti mit dem Jackenärmel den Schweiß von der Stirn. „Und danach werde ich Chenoa erschießen. Warum zum Teufel musstest du dich auch in Dinge einmischen, die dich nichts angehen?“
Zoes Herz raste. Chenoa stand direkt hinter ihr, wenn sie jetzt ausrastete und um sich trat, wäre Zoe verloren. Angsterfüllt warf sie einen Blick über die Schulter. Die Stute graste in aller Seelenruhe, sie schien kein bisschen nervös zu sein. Dennoch wich Zoe ein paar Schritte zurück.
„Stehen bleiben!“ Mr. Scarlattis Stimme war hart wie Metall. Er hob seine Linke, in der er den Stick hielt, und nun drückte er ihn mit dem Daumen.
Chenoa reagierte sofort. Sie warf den Kopf hoch, stieß einen durchdringenden Schmerzensschrei aus und bäumte sich auf.
Im selben Moment schoss ein schwarzer Mustang aus dem Schatten der Bäume hervor, gefolgt von einem dunkelbraunen Hengst, auf dem eine Reiterin saß. Beide Pferde galoppierten direkt auf Mr. Scarlatti zu.
„Lauf, Zoe, lauf!“, schrie eine helle Stimme.
Und das tat Zoe auch. Aber nicht nur sie begann zu rennen, auch Mr. Scarlatti machte einen Sprung nach vorn, um Shaman und dem anderen Pferd auszuweichen. Leider bewegte er sich dabei in die falsche Richtung, nämlich auf Chenoa zu, die immer noch auf den Hinterläufen stand und deren Vorderhufe durch die Luft wirbelten. Die Stute sah furchterregend aus, weißer Schaum stand vor ihrem Maul, ihre schwarzen Augen schienen zu glühen.
Mr. Scarlatti merkte jetzt, welchen fatalen Fehler er gemacht hatte, und wollte sich abwenden, aber bevor er weglaufen konnte, traf ihn ein Hufschlag am Hinterkopf. Wie ein Sack ging er zu Boden.
Sofort danach beruhigte sich Chenoa wieder. Ihre Vorderläufe senkten sich, auch ihr Kopf hing schwer nach unten. Die Stute atmete heftig, sie war nass geschwitzt und zitterte wie nach einem langen Galopp.
Vom Rand der Lichtung trabte Shaman auf Zoe zu, gefolgt von Isabelle auf ihrem Lusitano Branco.
„Bist du okay, Zoe?“, keuchte sie aufgeregt.
„Ich glaube schon.“ Zoe massierte ihre Schläfen. Ihr Kopf dröhnte, als ob ihr Chenoa wirklich eins übergezogen hätte. „Wo kommst du denn jetzt her? Bist du mir gefolgt?“ Auch Branco war ungesattelt. Nachdem Zoe ihr begegnet war, war Isabelle vermutlich direkt zur Koppel gerannt und aufgesprungen.
„Ich hätte euch nicht gefunden, wenn Shaman mir nicht entgegengelaufen wäre.“ Isabelle ließ sich zu Boden gleiten und starrte auf Mr. Scarlatti, der immer noch regungslos dalag. Seine Lider waren nicht ganz geschlossen, durch die Schlitze sah man das Weiße seiner Augen. „Dieser Schweinehund!“
„Ist er …?“ Zoes Stimme versagte.
Isabelle ging neben Scarlatti in die Knie, legte ihre Hand an seinen Hals, fühlte seinen Puls und schüttelte den Kopf. „Nur ohnmächtig. Der wird schon wieder.“
„Er ist schuld an allem“, sagte Zoe.
Isabelle nickte finster. „Ich hab alles gehört.“ Sie griff nach dem Sender, den Mr. Scarlatti auch jetzt noch umklammert hielt, und entwand ihn seinen Fingern. „Ich hab ihm vertraut.“
„Alle haben ihm vertraut.“ Zoe trat zu Chenoa und streichelte ihren schweißnassen Hals. „Nicht einmal Chenoa hatte Angst vor ihm.“
„Ich erinnere mich noch an die Zahn-OP. Michael hat darauf bestanden, sie selbst durchzuführen. Keiner behandelt Chenoa so gut wie ich, hat er damals gesagt.“ Sie schnaubte verächtlich.
„Er hat ihr den Empfänger eingesetzt, um sie jederzeit manipulieren zu können“, sagte Zoe. „Und es war ihm total egal, dass sie vor Schmerzen durchgedreht ist.“
Isabelle atmete tief ein, es klang fast wie ein Schluchzen. „Michael ist die Hexe. Und ich blöde Kuh hatte die ganze Zeit Angst vor Chenoa.“ Sie zog ihr Handy aus der Tasche. „Ich ruf jetzt Cyprian an und sag ihm, wo wir sind. Er und Caleb sind bestimmt schon unterwegs.“
„Du kannst auch gleich die Polizei verständigen“, sagte Zoe.
Wie auf ein Stichwort begann Mr. Scarlatti den Kopf hin und her zu werfen. Er stöhnte leise.
„Er kommt zu sich!“, rief Zoe alarmiert. „Wir sollten ihn fesseln.“
Isabelle hob das Gewehr auf, das Mr. Scarlatti weggeworfen hatte, als er vor den Pferden geflüchtet war.
„Nicht nötig“, sagte sie ruhig. „Jetzt sind wir am Drücker.“