„Die Hamptons“,
schnaubte Blake O’Neill mit der Lautstärke, die selbst einen Gorilla in der Brunftzeit verschreckt hätte, und pfefferte die Sporttasche in seinen Spind hinein. „Sehe ich aus, als würde ich in die Hamptons passen?!“
Hunter hielt dies für eine rhetorische Frage und sagte deswegen kein Wort, während er dabei war, seine Ausrüstung für das heutige Training anzulegen. Wie er in den vergangenen Monaten gelernt hatte, breiteten seine Teamkollegen gerne ihr Privatleben in der Umkleidekabine aus und gerieten darüber auch das eine oder andere Mal aneinander. Vor allem der Runningback Blake O’Neill war für sein aufbrausendes Wesen bekannt, weshalb Hunter es für besser hielt, seine Frage nicht zu beantworten.
Ian Carlisle sah das wohl ein bisschen anders, weshalb er in aller Ruhe und Gelassenheit erklärte: „Dir würden sie in den Hamptons nicht einmal beim Parkservice über den Weg trauen, Alter.“
Anders als erwartet protestierte Blake jedoch nicht, sondern nickte schroff. „Danke! Genau das habe ich auch Madison zu erklären versucht, aber sie wollte mir nicht glauben.“ Ohne ein besonderes Gespür von Schamgefühl zog er seine Boxershorts nach unten, kratzte sich an der Brust und stellte sein linkes Bein auf der Bank ab, auf der Hunter saß und seine Schulterpolster anlegte.
„O Gott!“ Hunter stöhnte auf und kniff die Augen zusammen, während er zurückzuckte. Mit Nacktheit unter Teamkollegen kam er zwar klar, aber das bedeutete nicht, dass er das Gemächt des Runningbacks in unmittelbarer Nähe zu seinem Gesicht haben wollte. „O’Neill, kennst du den Film Dirty Dancing
?“ Er setzte sich auf und wich, so gut es ging, beiseite. Dabei straffte er den Verschluss des Schulterpolsters, bis es richtig saß.
„Hä?“ Blake runzelte die Stirn und schaute verwirrt auf ihn hinab.
„Das ist mein Tanzbereich und das ist dein Tanzbereich
“, zitierte Hunter und nickte in Richtung Leistengegend, die Blake offenbar stolz aller Welt präsentieren wollte. „Du kommst nicht in meinen und ich komme nicht in deinen.“
„Was?“ Irritiert zwinkerte der dunkelhaarige Footballspieler, während Tom Peacock im Hintergrund zu kichern begonnen hatte. „Wovon zum Teufel sprichst du?“
Hunter verdrehte die Augen und blaffte ihn an: „Du sollst mir deinen Schwanz nicht ins Gesicht halten, Mann! Ich bin kein Urologe und nicht an deinem Gehänge interessiert.“
Blake grunzte auf und murmelte: „Hab dich nicht so!“ Wenigstens zog er sein Bein zurück, sodass seine gesamte männliche Pracht nicht länger direkt vor Hunters Augen hing. So ein Anblick am frühen Morgen konnte einem den ganzen Tag verderben. „Spricht da der Neid aus dir, Stone? Oder warum stört es dich, wenn ich nackt bin?“
„Meinetwegen kannst du nackt aufs Feld laufen, wenn es dich glücklich macht“, erwiderte er mit einem Achselzucken. „Mich stört lediglich, dass du dich untenrum nicht ordentlich rasiert hast. Auf den Anblick war ich nicht vorbereitet – erinnert mich an grottenschlechte Pornos aus den Achtzigern. Und was den Neid betrifft: Mein Schwanz war bei meiner Geburt schon so überdurchschnittlich groß, dass die Krankenschwestern reihenweise ihre Telefonnummern in meine Windeltasche gesteckt haben, damit ich sie nach meiner Volljährigkeit anrufe.“
Keinesfalls beleidigt lachte Blake auf und warf Hunter gutmütig vor: „Du bist ein Freak und noch immer grün hinter den Ohren, aber ich kann dich gut leiden.“
„Nett von dir, aber tu uns allen einen Gefallen und zieh dich endlich an“, bat Hunter ihn und schnitt eine Grimasse. „Und spar dir die Zeigefreudigkeit für deine Zukünftige auf.“
Als Antwort grunzte Blake und zeigte tatsächlich Erbarmen, weil er sich für das Training anzuziehen begann. Jetzt hatte Hunter zwar Blakes nackten Allerwertesten vor Augen, aber der Anblick war weniger verstörend als die Vorderseite des Runningbacks.
„Danke, Mann.“ Eddie Goldberg klopfte Hunter auf die Schulter. „Noch eine Minute länger und ich hätte den Verein gewechselt, um Blakes Anblick im Adamskostüm zu entgehen.“
„Hey, das habe ich gehört!“ Blake klang beleidigt und warf ihnen über die Schulter hinweg einen schmollenden Blick zu.
„Das solltest du auch hören“, entgegnete Eddie Goldberg wie die Ruhe selbst. „Sei so nett und verschone uns in Zukunft mit derart übertriebenen Demonstrationen deiner Manneskraft. Ich habe schon befürchtet, deinetwegen traumatisiert zu werden.“
„Ts!“ Das kam von Graham Carter, der sich gegen den Nachbarspind lehnte und abfällig den Mund verzog. „Du hast ja keine Ahnung, was wirklich traumatisierend ist! Ein nackter Blake, der seine Klöten schwingen lässt, ist nichts gegen den Anblick deiner Schwester, die gerade mit deinem Teamkollegen Sex hat – in deiner Dusche!“ Geradezu vorwurfsvoll zeigte er auf den Center Al Rory, der rot anlief, dabei jedoch lächelte. Außerdem sagte er kein Wort. Aber das war für Hunter nichts Neues, weil er den gigantischen Footballspieler bislang nie besonders redselig erlebt hatte.
Offenbar waren stille Wasser wirklich tief.
„Ihr hättet wenigstens das Badezimmer abschließen können, wenn ich mir schon die ganze Nacht euer Stöhnen anhören muss!“ Graham runzelte finster die Stirn und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und du kannst deiner Freundin sagen, dass ich gesehen habe, wie sie den letzten Twinkie gegessen hat, auch wenn sie es bis heute abstreitet!“
Al brummte und zuckte mit den Schultern. Mehr gab es von seiner Seite wohl nicht zu sagen.
„Gott“, klagte Graham und sah zur Decke hinauf. „Was habe ich nur verbrochen, dass ihr einen Wasserschaden in der Wohnung habt und ich euch ein Obdach geben musste? Mit meiner kleinen Schwester zusammenzuwohnen, treibt mich noch in einen Nervenzusammenbruch!“
„Wird das hier eine Familiendiskussion?“, wollte Hunter wissen und erhob sich von der Bank, während er in sein Trikot schlüpfte. „Wenn das so ist, solltet ihr in Ruhe darüber reden. In der Zwischenzeit werde ich dem Coach sagen, dass ich deine Position übernehme und dich vertrete, Carter.“
„Ach, fick dich, Stone.“ Graham streckte ihm den Mittelfinger entgegen, grinste dabei jedoch.
Um ehrlich zu sein, hatte Hunter den Vorschlag nicht nur im Scherz gesagt. Er hätte nichts dagegen, wenn sein Teamkollege ihm die Position als rechter Wide Receiver abtreten würde – dauerhaft. Graham wurde vom Coach nämlich sehr viel häufiger aufs Feld geschickt als Hunter, der darauf brannte, endlich zum Stammspieler zu avancieren und nicht ständig vom Spielfeldrand zuschauen zu müssen. Wenn er aufgestellt wurde, wusste er schon im Vorfeld, dass das Spiel im Grunde bereits entschieden war, und kam sich deshalb wie ein Statist vor.
Hunter war eben kein Schön-Wetter-Spieler, sondern sah sich als Mann fürs Grobe. Er mochte das Spiel, wenn es hart, schwierig und anstrengend war, und er war erst dann zufrieden, wenn ihm jeder Knochen im Leib wehtat und er gewonnen hatte.
„Hey“, empörte sich Blake, der – gottlob – eine Hose trug. „Eigentlich wollte ich mich gerade über meine
Familienprobleme beschweren! Du bist ein anderes Mal dran, Carter.“
„Wie großzügig“, spottete Graham. „Aber vielleicht solltest du dich ein bisschen zurückhalten und nicht vom Leder ziehen. Oder muss ich dich daran erinnern, dass du zu Hause verprügelt wurdest, nachdem du in der Kabine hinausposaunt hattest, dass du den Geburtstag deines zukünftigen Schwiegervaters geschwänzt hast, indem du den Simulanten gespielt und eine Durchfallerkrankung erfunden hast? Vielleicht solltest du daran denken, dass Ian alles mitanhören kann und deine Schandtaten gerne seiner Liebsten erzählt, die immerhin die Cousine der Zukünftigen ist.“
„Hey, ich petze nicht“, verteidigte sich Ian augenblicklich.
Blake dagegen hob beide Hände in die Luft und gestikulierte wild. „Wie oft soll ich das noch sagen? Madison hat mich nicht verprügelt! Sie hat mich beim Kickboxen ungünstig erwischt!“
Dupree Williams schlug die Tür seines Spinds zu und zog eine Augenbraue in die Höhe. „Drei Mal? Offenbar scheint Madison nicht sehr gut im Kickboxen zu sein, wenn sie dich ständig ungünstig
erwischt.“
Hunter lachte fröhlich auf, denn er kannte Blakes Verlobte und fand die Vorstellung mehr als amüsant, dass das kleine Persönchen den raubeinigen und bullig wirkenden Footballspieler mit einem gezielten Tritt beim Kickboxing niederstreckte.
„Vermutlich tritt sie nur deshalb ständig versehentlich
daneben, weil du ihr nicht genug bei der Hochzeitsvorbereitung hilfst“, mutmaßte Tom und schlüpfte ebenfalls in sein Trikot. „Ich weiß von Erin, dass du nicht einmal mit zum Konditor gehen wolltest, obwohl es um eure Hochzeitstorte ging. Frauen ist so ein Kram wichtig.“
„Hör auf, Tom“, riet Eddie ihm. „Er hat drei Frauen zu Hause und weiß, wovon er spricht.“
„Ja“, stimmte Hunter ihm zu, obwohl er weder Ahnung von Hochzeitsvorbereitungen hatte noch Toms Frau kannte. „Tom wirkt wie ein durchweg zufriedener Mann. Er weiß offenbar, wie er mit seiner Frau umgehen muss, was bedeutet, dass er keine ungünstigen
Tritte beim Kickboxing abbekommt, sondern wahrscheinlich regelmäßig oral befriedigt wird.“
„Worauf du einen lassen kannst!“ Tom nickte zustimmend.
„Ich werde auch regelmäßig oral befriedigt“, warf Blake sofort protestierend ein.
Ian räusperte sich. „Aber nicht mehr lange, wenn du dich weiterhin wegen der Hochzeit dermaßen anstellst.“
„Was soll ich denn tun? Ich habe Madison meine Kreditkarte gegeben und ihr gesagt, dass ich alles toll finde, was sie toll findet.“
„O, Mann, Blake.“ Dupree schüttelte den Kopf. „Da wundert es mich wirklich gar nicht, dass Madison dich versehentlich
beim Kickboxing trifft.“
„Und vielleicht ist das auch der Grund, weshalb Madison eure Hochzeit jetzt in den Hamptons feiern will“, spekulierte Eddie.
„Nein, das war nicht Madisons Idee“, brummte Blake und runzelte die Stirn. „Ihre Grandma besteht darauf, dass wir in diesem snobistischen Club in den Hamptons feiern – ganz in der Nähe des Familienanwesens. Die Kellner tragen Frack und sind wahrscheinlich besser angezogen als ich.“
Da Blake ein Faible für T-Shirts mit sexistischen Botschaften hatte, ging Hunter davon aus, dass er recht hatte. Die Kellner im snobistischen Club seines Stiefvaters trugen sogar eine Fliege, wie sich Hunter erinnerte. Zum Glück hatte er sich in den letzten Jahren regelmäßig vor den spießigen Familientreffen, die dort stattfanden, drücken können.
„Hattet ihr nicht längst ein Hotel gefunden, in dem ihr feiern wolltet?“
Blake ließ die Schultern hängen. „Das ist zu klein für all die Gäste, die wir plötzlich erwarten, seit Madisons Großmutter sich in die Planung eingemischt hat.“
Hunter rümpfte die Nase. „Du lässt dich von der Grandma deiner Verlobten herumkommandieren?“
„Du kennst ihre Grandma nicht“, entgegnete sein Mannschaftskollege ernst und schauderte kurz auf. „Ich würde lieber mit einem blutrünstigen Tiger eingesperrt werden oder mit gefräßigen Haien schwimmen, als mit ihrer Großmutter Streit anzufangen. Du hast ja keine Ahnung, wie diese Frau ist!“
Allem Anschein nach musste es sich bei besagter Grandma um den Teufel in Menschengestalt handeln.
„Als ich gefragt habe, ob es wirklich nötig sei, so viele Gäste einzuladen, die weder Madison kennt noch ich kenne, hatte ich Schiss, dass sie mich mit ihrer Gehhilfe verprügelt.“
Sein Teamkollege befürchtete, von einer alten Frau mit einer Gehhilfe verprügelt zu werden? Hunter konnte darüber nur den Kopf schütteln. „Du hast wirklich Probleme, O’Neill.“
Anscheinend war Blake für seinen Sarkasmus nicht empfänglich, weil er betrübt nickte. „Ich weiß.“
„Auch auf die Gefahr hin, die Stimmung zu versauen und die Hochzeitsvorbereitung zu torpedieren, aber ihr solltet euch lieber beeilen, schließlich fängt in fünf Minuten das Training an.“ Das kam von Kelly Slade, der bislang still zugehört hatte. Hunter schätzte seine ruhige, unaufgeregte Art, die er auch auf dem Feld ausstrahlte. Weniger schätzte er seinen nächsten Kommentar.
„Vor allem du
solltest dir nicht den Zorn des Coachs aufs Haupt laden.“ Kelly nickte ihm zu. „Brennan hat dich sowieso gefressen, also liefere ihm nicht noch mehr Munition gegen dich, Hunter.“
Obwohl er normalerweise etwas dagegen hatte, ungefragt Ratschläge zu erhalten, weil er dann das Gefühl nicht loswurde, bevormundet zu werden, nickte er Kelly zu und hielt die Klappe. Hunter konnte es sich schließlich nicht leisten, auch noch den Kapitän gegen sich aufzubringen, wenn bereits der Coach ihn auf dem Kieker hatte.
Der beachtete ihn überhaupt nicht, als das Team den Trainingsplatz betrat und damit begann, sich warm zu machen. Und auch Hunter ignorierte den Coach, führte die Muskellockerungsübungen sowie die kurzen, hochintensiven Intervalleinheiten aus, die seinen Puls in die Höhe schnellen ließen, und trabte gemächlich mit den anderen über den Platz, um seine Runden zu drehen. Als es darum ging, Defense und Offense für das Training aufzuteilen und in verschiedenen Bereichen zu trainieren, begann Hunter, sich von den anderen abzusetzen und seine Übungen separat zu absolvieren.
Am Einzeltraining schätzte er, dass er sich komplett auf seine eigene Leistung fokussieren konnte, und konzentrierte sich ganz auf sich, ohne nach rechts oder links zu sehen, um das Training der anderen zu beobachten. Er selbst war sein eigener größter Konkurrent, weshalb er nicht mehr Ansporn brauchte, um seine Leistung noch mehr zu steigern. Hunter kannte die Schwächen und Stärken der anderen Wide Receiver, weshalb er seine Zeit nicht damit verschwenden wollte, deren Training zu verfolgen, wenn er sich auf sein eigenes Programm konzentrieren konnte. Was nützte es ihm, andere trainieren zu sehen, wenn er an seinem eigenen Spiel arbeiten konnte? Es ging ihm schließlich um sich und nicht um andere.
Weil einen guten Wide Receiver vor allem eins ausmachte, nämlich Geschwindigkeit, konzentrierte er sich auf seine Beinarbeit und trainierte intensiv an seinen Sprints, indem er sich von einem der Assistenztrainer einen Schultergurt anlegen ließ, der mit einem Zugband befestigt war, um an seiner Beschleunigung zu arbeiten. Mit dem zusätzlichen Zugwiderstand wurde das Sprinttraining intensiviert sowie erschwert, und Hunter kam richtig ins Schwitzen. Seine Beinmuskulatur begann zu brennen und sein Puls schnellte in die Höhe, während er immer wieder lossprintete und durch das Gegengewicht, das ihn zurückhalten sollte, dazu gezwungen wurde, sich richtig ins Zeug zu legen, um die gewünschte Beschleunigung zu erreichen.
Nicht nur durch das Lob des Assistenztrainers, sondern vor allem durch seinen schweren Atem, das Brennen seiner Beinmuskeln und seinen erhöhten Herzschlags wusste Hunter, dass er alles gab und sich dabei stetig verbesserte. Nur mit genügend Anstrengung und mit wachsender Kraft wurde er schneller und wendiger – so schnell und wendig, dass seine Gegner keine Chance gegen ihn hatten und dass auch der blinde Coach der Titans irgendwann keine andere Möglichkeit hätte, als ihn dauerhaft aufs Feld zu stellen.
Nur wenige Minuten später gesellte sich John Brennan zu ihnen, um mit eigenen Augen sehen zu können, welche Fortschritte Hunter machte, der noch immer mit dem zusätzlichen Zugwiderstand kurze Sprints trainierte und am Ende der Sprints Ausfallschritte nach rechts und nach links machte, um Tennisbälle zu fangen, die der Assistenztrainer ihm in schneller Reihenfolge zuwarf.
Hunter beachtete den blonden ehemaligen Footballspieler nicht, der mit undurchdringlicher Miene neben dem Trainingsplatz stehen geblieben war, die Arme vor der Brust verschränkt hielt und ihn beobachtete. Auch als er sich von einem der anderen Trainer Hunters Akte geben ließ und mit gerunzelter Stirn darin herumblätterte, wie Hunter nach einem kurzen Blick zur Seite bemerkte, konzentrierte er sich voll und ganz auf seinen Sprint und darauf, die drei Tennisbälle nacheinander zu fangen.
„Stone.“ Der Coach gab die Akte zurück an den Assistenztrainer und winkte ihn zu sich heran.
In der Annahme, von seinem Trainer für seine enorme Trainingsbereitschaft oder für die Steigerung seiner Leistung beachtet zu werden, entsicherte Hunter das Zugband von seinem Schultergurt und nahm seinen Helm ab, bevor er sich zum Coach begab, der eine ziemlich finstere Miene für einen Footballtrainer machte, der gerade Zeuge eines ergebnisorientierten und wahnsinnig guten Trainings geworden war.
„Ja, Coach?“
„Sind dir die vielen Kameras und die offiziellen Vertreter der NFL auf dem Platz aufgefallen?“
Hunter hatte keine Ahnung, was der Coach meinte, und runzelte die Stirn. Konnte es sein, dass er einen Sonnenstich bekommen hatte, oder wurde Hunter gerade Zeuge eines stressbedingten Burn-outs? „Nein, Coach.“
„Mir auch nicht“, brummte John Brennan verstimmt. „Falls du es nicht bemerkt haben solltest, aber das hier ist kein offizieller 40-Yards-Dash, bei dem du einen neuen Rekord aufstellen kannst und im Anschluss von ESPN interviewt wirst. Wir trainieren – ohne Zuschauer oder Funktionäre, die du beeindrucken kannst. Und ich will verflucht sein, wenn sich einer meiner Wide Receiver verletzt und einen Muskelfaserriss riskiert, weil er es mit den Sprints übertreibt!“
Hunter spürte, wie sein Nacken brannte und sich seine Schulterpartie verspannte. „Ich verbessere meine Schnelligkeit und trainiere Kraft sowie Ausdauer“, hielt er dagegen. „Und ich riskiere überhaupt nichts, sondern werde besser.“
„Du übertreibst es mit den Sprints!“
Das konnte Hunter nicht auf sich sitzen lassen, schließlich nahm er seinen Job verdammt ernst und hing sich richtig rein, um besser zu werden und Erfolg zu haben. „Ich bin ein Profifootballspieler und weiß genau, was ich tue! Hartes Training ist das A und O für den Erfolg.“ Während er sprach, schob er das Kinn nach vorn und hörte den verstimmten Unterton in seiner Stimme.
„Das, was ich gesehen habe, war fast schon fahrlässig“, entgegnete Brennan mit einem abfälligen Schnauben. „Hast du eigentlich irgendwann einmal davon gehört, dass man nach einem Sprint langsam auslaufen soll, um die Gelenke zu schonen? Du stoppst so abrupt, dass du dir bald ein Paar Krücken besorgen kannst, weil deine Fußgelenke im Eimer sind. Von deinen Knien ganz zu schweigen!“
Nun schnaubte auch Hunter auf. „Mit meinen Gelenken und meinen Knien ist alles in Ordnung!“
Das Gesicht des Coachs nahm eine rote Färbung an und eine Ader begann auf seiner Stirn zu pochen. „Was glaubst du, wie lange das noch so sein wird, wenn du weiterhin nicht auf dich achtest und dich wie ein verantwortungsloser Idiot benimmst?“
Hunter hatte sich schon einiges sagen lassen müssen: Er sei eine Primadonna, ein Aufschneider und ein überhebliches Arschloch. Eine ehemalige Flamme hatte ihn sogar eine Mimose genannt, weil er vor einem entscheidenden Spiel am College keine heiße Nummer mit ihr im Keller ihres Wohnheimes hatte schieben wollen – damals hatte er befürchtet, sich eine Zerrung zuzuziehen, weil besagte ehemalige Flamme kein Leichtgewicht gewesen war.
Aber noch nie hatte ihm jemand vorgeworfen, dass er nicht auf sich achtete und sich wie ein verantwortungsloser Idiot benahm.
Alles, was mit Football zusammenhing, nahm Hunter todernst. „Ich reiße mir hier den Arsch auf …“
„Kann schon sein, aber deine Gelenke verkraften diese Art von Training nicht mehr lange, wenn du nicht endlich mit Verstand an die Sache gehst!“
Ganz automatisch ballte er die Hände zu Fäusten. „Diese Art von Training hat mich von vier Komma vier neun auf vier Komma zwei fünf auf einer Strecke von vierzig Yards gebracht! Kein anderer Receiver im Team ist so schnell wie ich! Carter läuft …“
„Ich weiß, wie schnell Carter ist“, unterbrach Brennan ihn ein weiteres Mal. „Und ich weiß, dass er ein paar Jahre mehr als du auf dem Buckel hat, aber vermutlich länger als du spielen wird, weil er besser mit seiner Kraft haushalten kann und schonender trainiert. Anstatt hier die Ein-Mann-Show abzuziehen, solltest du dir ansehen, was dir deine Mannschaftskollegen voraushaben, und dich an ihnen orientieren. Von Carter und Carlisle könntest du einiges lernen.“ Er zeigte auf sich selbst und runzelte nun so stark die Stirn, dass sich seine Augenbrauen berührten. „Und du solltest lernen, dass du die Klappe halten solltest, wenn dein Coach dir Anweisungen gibt! Du wirst es nicht glauben, aber es gibt Leute mit Erfahrung – Leute, die wissen, wovon sie sprechen, und von denen du mal einen Ratschlag annehmen solltest, anstatt mit dem Kopf durch die Wand zu gehen und in zwei Jahren in Rente zu gehen, weil deine Knochen im Arsch sind!“
Mittlerweile starrten ein paar seiner Teamkollegen, die in der Nähe Pässe übten, zu ihnen herüber und die beiden Assistenztrainer waren völlig verstummt. Hunter brodelte dagegen innerlich, und es juckte ihm in den Fingern, seinem eigenen Coach eine neue Nase zu verpassen. Der Hurensohn redete einen Haufen Scheiß und konnte nicht einmal dann zugeben, dass Hunter eine fabelhafte Figur auf dem Feld abgab, wenn er beim Training alles gab. Anscheinend konnte er dem ehemaligen Quarterback nichts recht machen.
Es lag einfach nicht in seiner Natur, offensichtliche Scheiße nicht zu kommentieren, weshalb er erwiderte: „Bisher hat keiner meiner Trainer etwas gegen meine Trainingsmethode einzuwenden gehabt.“
Wenn ihn nicht alles täuschte, würde Brennans pochende Stirnader gleich explodieren. Das tat sie jedoch nicht. Stattdessen brüllte er über den Trainingsplatz: „Fred! Beweg deinen Arsch her, Fred!“
Hunter konnte sehen, wie einige seiner Teamkollegen mit ihren Übungen aufhörten, stehen blieben und zu ihnen hersahen und wie auch eine Gruppe von Assistenztrainern, Koordinatoren und Mitarbeitern in ihrer Diskussion innehielten und anschließend zu ihnen schauten. Und aus dieser Gruppe löste sich eine Person, um über den Trainingsplatz zu ihnen zu gehen. Diese Person war jedoch nicht Fred.
Nein, sie war kleiner, zierlicher und ganz eindeutig kein Mann.
Scheiße.
„Coach Brennan?“ Die blondhaarige Riley Manning trat zu ihnen, schenkte Hunter lediglich einen kurzen Blick und lächelte den Coach anschließend freundlich an, während sie ihm die Hand reichte. „Fred ist leider gerade anderweitig beschäftigt, aber ich freue mich, Sie endlich persönlich zu treffen. Mein Name ist Riley Manning und ich bin die neue Physiothera …“
Ganz offensichtlich war es die Angewohnheit des Coachs, die Leute um ihn herum zu unterbrechen. Denn das tat er auch bei Riley, deren Hand er mit einem knappen Brummen schüttelte, bevor er regelrecht barsch verlangte: „Erklären Sie diesem Hornochsen hier, welchen Schaden seine Gelenke nehmen können, wenn er es mit seinen Sprints übertreibt und abrupt stoppt, ohne wenigstens ein paar Meter ruhig auszulaufen! Und dann werden Sie ihn ab sofort betreuen und sicherstellen, dass er sich nicht übernimmt, sondern Kräftigungsübungen durchführt, damit er noch ein paar Jahre spielen kann, ohne ständig wegen eines Muskelfaserrisses oder anderer Verletzungen auszufallen, die auf das Konto seines übergroßen Egos gehen!“
Hunter konnte sehen, wie Rileys Lächeln absoluter Irritation wich und wie sie sprachlos zwinkerte, während der Coach sich ohne ein weiteres Wort umdrehte und über den Platz stampfte. Er dagegen musste sich mit aller Kraft beherrschen, dem anderen Mann nicht hinterherzurennen und ihn zu Boden zu werfen, um sich mit ihm zu prügeln.
Tatsächlich war Hunter so außer sich, dass er nur am Rande bemerkte, wie fabelhaft der blonden Frau an seiner Seite die dunkelblauen Jeans standen und dass er trotz der etwas zu großen weißen Bluse, die sie locker in die Jeans gestopft hatte, ihren bombastischen Oberkörper erkennen konnte.
Wenn er nicht derart wütend und aufgebracht gewesen wäre, hätte er sich womöglich darüber Gedanken gemacht, dass er von oben bis unten verschwitzt war, vermutlich stank und dass er ausgerechnet vor der heißen Blondine als Hornochse bezeichnet worden war, bei der er nur allzu gern landen würde. Jedoch war Hunter nicht so sehr abgelenkt, dass er das winzige Tattoo in Form eines Herzchens nicht bemerkt hätte, das gleich neben ihrem rechten Knöchel aufblitzte. Riley Manning trug nämlich flache Schuhe und reichte ihm damit bis an die Nasenspitze, was bedeutete, dass sie ziemlich groß für eine Frau war, immerhin war Hunter mit einer Körpergröße von eins neunzig alles andere als ein Zwerg.
Gerade als er mit einem flapsigen Kommentar die merkwürdige Situation entkrampfen wollte, die der Coach mit seinem unhöflichen Abgang hinterlassen hatte, drehte sie sich zu ihm um und musterte ihn gelassen. „Mr. Stone, so sieht man sich wieder. Mit Ihren Klamotten habe ich Sie im ersten Moment fast nicht erkannt.“
Er schnitt eine Grimasse und klemmte sich seinen Helm fester unter den Arm. „Ein Wort von Ihnen und ich lasse auf der Stelle die Hüllen fallen, wenn Sie sichergehen wollen, dass ich auch wirklich der bin, für den Sie mich halten.“
Riley stieß das heisere Lachen aus, das so sehr nach einem Porno klang, dass Hunter augenblicklich eine Gänsehaut bekam. „Nicht nötig“, versicherte sie ihm feixend. „Spätestens als der Coach Sie einen Hornochsen nannte, war ich mir zu einhundert Prozent sicher, dass er nur Sie damit meinen konnte.“
„Tja“, entgegnete er, obwohl er innerlich mit den Zähnen knirschte. „Der Coach hat leider keinen blassen Schimmer von meinen besonderen Qualitäten, aber ich überzeuge Sie gern davon, dass ich ein richtig netter Kerl bin, wenn wir beide miteinander ausgehen.“
„Ich fürchte, ich will mich von Ihren besonderen Qualitäten nicht überzeugen lassen“, antwortete sie wie die Ruhe selbst. „Außerdem gehe ich grundsätzlich nicht mit Männern aus, die einen Muskelfaserriss riskieren, weil sie nach einem Sprint darauf verzichten, ruhig auszulaufen und ihre Gelenke zu schonen.“ Sie griff nach ihrem Handy und begann, darauf herumzutippen. „Wie sieht es morgen nach dem Konditionstraining bei Ihnen aus?“
„Das wäre zwölf Uhr mittags. Ist es da nicht etwas zu früh für ein Date?“
Über den Rand ihres Telefons hinweg schenkte sie ihm einen langen Blick. „Ich rede hier von einem Termin für Ihre Physiotherapie. Von einem Date war nie die Rede.“
„Sind Sie sicher? Ich kenne da eine sehr nette Bar nur ein paar Blocks von meiner Wohnung entfernt, in der richtig gute Drinks serviert werden.“
„Wie schön für Sie, Mr. Stone, auch wenn ich Ihnen empfehlen würde, den Alkoholkonsum während besonders intensiver Trainingsphasen einzuschränken. Also morgen um zwölf Uhr. Im Krafttrainingsraum.“
„War das eine Frage oder eine Anweisung?“
Sie lächelte ihn zuckersüß an, beantwortete seine Frage jedoch nicht. Stattdessen fuhr sie fort: „Ich würde es begrüßen, wenn Sie zu der nächsten Therapiesitzung angezogen erscheinen, denn ich habe vor, mit Ihnen ein bisschen Yoga zu machen, und wenn Sie sich komplett nackt auf die Matte legen, muss die im Anschluss desinfiziert werden.“
Die Aussicht auf Yoga gefiel ihm nicht. Und es gefiel ihm überhaupt nicht, dass sie auf das Trainingsfeld deutete und ihn aufforderte: „Nach dem nächsten Sprint sollten Sie mindestens die gleiche Entfernung locker joggen, die Sie zuvor gerannt sind. Lassen Sie mal sehen, wie Sie sich dabei anstellen, und wehe, Sie schummeln!“
Hunter setzte sich den Helm auf den Kopf und brummte verdrossen: „Eigentlich mag ich es nicht, wenn ich herumkommandiert werde.“
„Dann sollten Sie froh sein, dass ich Ihre Einladung zu einem Date abgelehnt habe, denn ich kommandiere für mein Leben gern andere herum.“ Sie klatschte in die Hände. „Los, jetzt! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“
Grinsend joggte Hunter zurück zum Trainingsfeld und befestigte das Zugband wieder an seinem Schultergurt. Riley Manning wusste es noch nicht, aber er würde bei ihr allzu gern eine Ausnahme machen und sich von ihr herumkommandieren lassen – vorzugsweise zwischen den Laken. Und er rechnete fest damit, dass es in naher Zukunft dazu kommen würde.