Knarz und Knäcker
Der Wald lag wie ein schwarzer und sehr stacheliger Teppich unter ihnen. Die Sonne war mittlerweile untergegangen.
„Fumpfs!“, stöhnte Silvania und eierte mit ausgebreiteten Armen durch den Abendhimmel, als hätte die Luft Schlaglöcher. „Ich hasse fliegen!“
„Stell dir vor, du wärst eine Feder“, riet Daka. Sie flog, als wäre es ein Kinderspiel.
„Weißt du, was ich heute alles gegessen habe? Ich KANN keine Feder sein.“
„Dann guck einfach nach unten und konzentriere dich auf den silbernen Wohnwagen“, erwiderte Daka.
„Mach ich schon die ganze Zeit. Aber da unten ist alles dunkel. Selbst wenn der Wohnwagen direkt unter uns im Wald steht, würden wir ihn von hier oben wahrscheinlich gar nicht sehen.“
Daka nickte. „Okay, wir fliegen zurück zum Wohngebiet und sehen uns lieber dort noch mal um.“
„Also, hätte ich das Kind von einem Vampir entführt, würde ich mich so schnell wie möglich aus dem Staub machen. Am besten gleich über die Grenze, auf eine Fähre. Oder zum nächsten Flughaf–“
Etwas knarzte, knackte und knisterte.
Silvania sah ihre Schwester verstört an. „Bist du das? Also, echt!“
Jetzt fiepte und quietschte es auch.
„SCHLOTZ ZOPPO! Das Babyfon!“ Daka zog den kleinen, weißgrauen Empfänger aus ihrer Jackentasche. „Das hatte ich ganz vergessen.“
Franz trug den Sender vom Babyfon um den Gürtel seines schwarzen Lichtschutzstramplers. Er liebte es, am Babyfon herumzuspielen, die Antenne zu verbiegen, den Schalter hin- und herzuschieben und seinen Finger ins Loch fürs Stromkabel zu bohren.
Daka hatte ihm das Gerät extra noch angesteckt, bevor sie Franz zu Dr. Mörser gebracht hatten. Allerdings hatte sie dann in der Eile vergessen, Dr. Mörser den Empfänger dafür zu geben. Manchmal war es ganz gut, wenn man Dinge vergaß.
Silvania und Daka flogen so schnell sie konnten zurück zum Wohngebiet und landeten mit einem Luftsprung auf der Terrasse von ihrem Haus. Das Babyfon knarzte immer heftiger.
„Lass mal hören, vielleicht verstehen wir was“, sagte Daka.
Die Schwestern versuchten beide, ihr Ohr an den Empfänger zu pressen.
„… komm schon … FIIIEEP … schön beißen! …KNAAAARZ … so ist es gut … QUIIEETSCH … ha, ha, das kitzelt! … wird’s ernst … KNÄÄÄCKER … so, jetzt schnell das Gift … FÜÜÜÜÜP!“
Das Babyfon verstummte plötzlich. Offenbar hatte Baby Franz am Schalter gespielt.
Die Schwestern sahen sich mit großen Augen an.
„GIFT!“, rief Silvania dann. „Er wird Franz vergiften!“
„Wird er nicht, und darauf kannst du Gift nehmen, Schwester!“ Daka steckte den Empfänger ein. „Das Babyfon hat nur eine geringe Reichweite. Wenn wir hier Empfang haben, können Dr. Mörser und Franz nicht weit weg sein.“
Mit diesem Gedanken im Kopf stürmten Silvania und Daka durch den Vorgarten und auf den Lindenweg.