Unverwischbare Spuren, unauslöschliche Taten
K endra durchsuchte die Liste wieder und wieder, scrollte die Einträge am Bildschirm hoch und runter in der Hoffnung auf einen Namen, der einfach nicht da war. Und je länger sie suchte, desto mehr fürchtete sie ein Tippen auf ihrer Schulter und die katastrophale Frage, warum sie dieses bestimmte Dokument aufgerufen hatte. Sie sah von ihrem Bildschirm hoch und fing Staffords Blick auf. Er fixierte sie nicht direkt, aber es kam ihr so vor, als ob er Bescheid wüsste.
Gestern Nacht im Zug nach Hause und später über einer Tasse heißer Schokolade, da hatte sie sich durch die Begegnung mit diesem Journalisten beschwingt gefühlt. Als wenn sie sich wehren würde. Heute Morgen im Büro allerdings hatte sie sich panisch gefragt, was sie da womöglich in Bewegung gesetzt hatte. Wenn sie nun Stafford und Mead begegnete, war es, als wüssten sie genau, was sie gestern getan hatte, gerade so, als hätte sie es als Memo mit den beiden in Cc an das ganze Ministerium gemailt.
Ihr Gefühl befahl ihr zurückzurudern, es zu lassen. Jack Parlabane hatte nichts gegen sie in der Hand, wenn sie jetzt aufhörte. Aber der bloße Anblick von Mead und Stafford brannte in ihr wie Feuer.
Das Dokument verriet ihr, dass sich mindestens einer der beiden daran zu schaffen gemacht hatte. Es war also schon einer dabei, etwas zu verschleiern. Sie wollte es nicht sein lassen. Und dabei ging es nicht darum, wie sie behandelt worden war. Es ging darum, wie jeder behandelt wurde, und um die Gefahren, die von diesen Leuten ausgingen, nur weil sie dachten, dass sie einen Anspruch auf all das hätten.
Ein verheirateter Kollege war letztes Jahr wegen einer Affäre gefeuert worden, weil er sich dadurch erpressbar gemacht hatte. Man könnte meinen, dass das Erpressungsrisiko bei einer Affäre wächst, je höher man in der Hierarchie nach oben kam, aber wie immer bei solchen Angelegenheiten galt: «Für unsere Freunde interpretieren wir das Gesetz, für unsere Feinde wenden wir es gnadenlos an.»
Kendra hatte sich Parlabanes Lebenslauf letzte Nacht angeschaut. Alles, was sie gestern noch aufregend gefunden hatte, jagte ihr heute einen kalten Schauer über den Rücken. Dieser Typ war kein gewöhnlicher Journalist. Und damit meinte sie nicht, dass er Ecken und Kanten hatte. Er war ein verurteilter Krimineller. Er war rücksichtslos, bis zur Lebensverneinung, und missachtete das Gesetz, wo immer er glaubte, es könne ihm und seinem hehren Ziel, die Wahrheit ans Licht zu zerren, im Wege stehen.
Wollte wirklich sie diejenige sein, die diesen Geist aus der Flasche ließ?