21. Kapitel

Inhaltsverzeichnis


Konsul Schimpel saß in seinem Privatkontor an dem großen Diplomatenschreibtisch. – Die Lampe hatte einen grünen Schirm. Unter dieser Beleuchtung sah des Konsuls sonst so energisches Gesicht ganz verfallenen aus – wie eine entstellte Totenmaske …

Es war Mitternacht; ringsum alles still. Nur er allein befand sich in dem großen Gebäude der Firma – er allein – mit bösen Geistern als Gesellschaft. Und diese Geister waren seine Gedanken …

Schimpel saß wie eine Statue – mit halbgeschlossenen Augen, den Kopf in die Linke gestützt …

Wenn Pinkemüller nur erst zurück wäre …!! Wenn nur erst die Vase dort auf dem Tisch stehen würde …!! – Wozu diese Angst …?! Wozu eigentlich?! Es war ja keine Gefahr dabei …!! Pinkemüller würde den Auftrag schon erledigen …! Für tausend Mark würde der noch ganz anderes ausführen …!

Woher trotzdem dieses lähmende Furchtgefühl?! Woher diese Unrast, diese Unsicherheit, dieser Verlust der früheren geistigen und körperlichen Spannkraft …?! –

Das verd… Mädel, die Hildegard, – daß sie auch ausgerechnet zu Katzenstein mit dem Schmuck sich hinverirren mußte …!! –

Ja, seit er dies wußte, seit die indische Halskette bei Katzenstein sich befand, war er ganz aus dem seelischen Gleichgewicht gekommen, verfolgten ihn ständig Gespenster …! Wenn er recht hatte, wenn Katzenstein nachforschen ließ, wer das Mädel gewesen, wenn ein Zufall ihn auf seine Spur führte, – – dann – dann war alles verloren …! Kam der Stein erst einmal ins Rollen, so gab’s kein Halten mehr …! – –

Schimpel hob plötzlich lauschend den Kopf. Die Seitenpforte wurde aufgeschlossen, die den zweiten Zugang über eine schmale Treppe zu seinem Privatkontor bildete.

Es konnte nur Pinkemüller sein …!! Er hatte ihm den Schlüssel der Pforte mitgegeben.

Schimpel sprang auf, knipste den Kronleuchter an.

Dort neben dem Bücherschrank hinter der Portiere war die zweite Tür nach der schmalen Seitentreppe hin.

Schimpel eilte dem Schwager entgegen …

Ob er die Vase mithatte …?! Ob sie noch unversehrt sein mochte, ob die Geschmeide und der Frauenkopf sich noch darin befänden …?

Er schlug die Portiere zur Seite. Da öffnete sich schon die Tür …

Ihle wurde sichtbar, dahinter Viktor Ruhnau, Haßfeld und ich …

Der Konsul prallte zurück. – Wir traten schnell ein.

Schimpel mußte bessere Nerven haben als ich. Obwohl bleich wie der Tod, fragte er dennoch ärgerlichen Tones:

„Was soll das, meine Herren?! Was wünschen Sie hier?!“ Unwillkürlich eilte seine Augen jedoch mit Fluchtgedanken nach der anderen Tür hin.

Haßfeld war’s, der den Blick richtig deutete, der schnell an dem Konsul vorbei schritt und sich vor jenen Ausgang stellte.

Schimpels Gesicht wurde grau.

Da erwiderte Ihle: „Wir haben verschiedene Fragen an Sie zu richten. Setzen Sie sich dorthin! – Bitte – gehorchen Sie …!!“ Der Ton duldete kein Widerstreben, und der Konsul ließ sich in den Sessel fallen.

Ihle setzte sich gleichfalls. Und auch wir drei anderen zogen uns Stühle herbei.

Schimpel spielte nervös mit dem Brillantring am kleinen Finger. Es war ein sehr eigenartiger, alter Ring.

Ihle schaute mahnend zu Tory hinüber. Das hieß: ‚Bitte – beginnen Sie doch!‘

Tory stand auf, entfernte die Perücke, den falschen Bart … Der Bureauvorsteher mauserte sich, wurde zu Viktor Ruhnau.

Des Konsuls stiere Augen, unnatürlich geweitet, klebten auf dem Gesicht des Stiefsohnes, der nun zu ihm sagte – kalt und schneidend:

„Geben Sie zu, daß Sie den Brahmanen, den indischen Priester aus Lahore, der sich hier Tompson nannte, ermordet haben …?“

Schimpel schwieg, zog mit dem Versuch eines verächtlichen Lächelns die Achseln hoch.

Da sprach Tori weiter:

„Ich werde Ihnen beweisen, daß Sie der Mörder sind! Hören Sie – und wenn Sie können, widerlegen Sie mich! – –

Damals an jenem Abend, in jener Nacht besser, in der der Inder ermordet wurde, beobachteten wir die leuchtende Vase drüben im leeren Hause, wir – Dr. Wilde und ich. –

Ich wußte genug von den Eigentümlichkeiten der Lahore-Vase, um mir auch den strahlenden Frauenkopf sofort richtig zu deuten; ich wußte daß, nach Abschaffung der Witwenverbrennung in Indien durch die Engländer, ganz im geheimen ein neuer Brauch aufgekommen sein sollte, anstatt aus Liebe und Treue zu dem toten Gemahl die nunmehr verbotenen Scheiterhaufen zu besteigen, sollten die Witwen indischer Fürsten sich durch einen Trank betäuben und dann freiwillig – – enthaupten lassen. Der Kopf aber wurde einbalsamiert und auf besondere Art präpariert, dann mit dem wertvollsten Schmuck der Toten geschmückt und in eine jener berühmten Vasen eingegossen. – –

Ich sah das Frauenhaupt, sah die gleißenden Diamanten und hätte schon in jenem Moment schwören können, es ist eine der neueren Lahore-Vasen, die dort drüben steht. –

Wir hörten aber auch die Todesschreie des Opfers, gingen hinüber, fanden die Leiche und nahmen die Lahore-Vase mit. –

Wer der Tote war, wußte ich bald. Tompson aus den Nebenhause – Tompson, der am Nachmittag vor dem Morde aus der Dachluke mit einem Fernglas in jenes Zimmer hinein gespäht hatte. – –

Die Vorsehung schickt uns oft auf gar seltsame Wege. Sie, Herr Konsul Schimpel, hatten dafür gesorgt, daß ich nicht, wie es mir zustand, die vollen Zinsen meines Erbteils erhielt. Und so haben sie mich eigentlich, da ich dringend Geld brauchte, zu jenen Pfandleiher hin getrieben, bei dem auch zur selben Zeit ein junges Mädchen ein indisches Brillanthalsband versetzte. Das Halsband war Katzenstein einst geraubt worden zusammen mit anderem verpfändeten Schmuck. Ich sollte für ihn nun Nachforschungen anstellen, wer jenes Mädchen gewesen, das sich mit falschem Papier ausgewiesen hatte und das dann jenes Schriftstück, von Reue und Gewissensbissen gepackt, an die Kartenlegerin Link aus Heubude zurücksandte. In einer Verkleidung fuhr ich dorthin. Auf dem Dampfer waren auch Sie, Herr Konsul Schimpel. In Heubude schlich ich Ihnen nach und entdeckte so die Wohnung des blonden Mädchens – noch mehr, ich belauschte ein Gespräch zwischen Ihnen und einer Frau, bei dem durch Andeutungen zu Tage kam, daß Sie einst in Indien gewesen waren, dort in Lahore zusammen mit einem Engländer Woakfield drei Lahore-Vasen aus dem Brahmatempel geraubt hatten und daß die von dem blonden Fräulein versetzte Halskette einst in eine der von Ihnen gestohlenen Vasen eingeschlossen gewesen war. –

Auf meinem Lauscherposten vor dem nur angelehnten Fenster verstand ich nicht alles, konnte mir aber das Fehlende unschwer ergänzen. –

Die Frau, mit der Sie sprachen, ist die Mutter jenes Mädchens, das Sie gezwungen haben, das Halsband zu verpfänden, weil Sie längst vor dem Ruin stehen, infolge fehlgeschlagener Börsengeschäfte. Und – um es gleich zu sagen! – jene Frau Schollert in Heubude ist nicht Ihre Schwester, sondern Ihre rechtmäßige Frau, die Sie als Witwe geheiratet haben, und Hildegard ist mithin Ihre Stieftochter und trägt zum Glück nicht Ihren Namen, der nicht Schimpel, sondern Schollert lautet. –

Sie haben also außer anderen Verbrechen auch das der Bigamie begangen und zwar im Einverständnis mit Ihrer ersten Frau, der Schollert, wollten nichts anderes, als den Ruhnauschen Reichtum an sich bringen …! – –

Zurück zu dem Morde. –

Tompson hatte ein fremdländisches Aussehen, er führte Zeichnungen bei sich, die nur den Zweck haben konnten, nach bestimmten Schmucksachen oder besser nach den Lahore-Vasen, in denen sie einst verborgen gewesen, zu suchen. Ein in London von mir besuchter Vortrag hatte mir die Kenntnis der Besonderheiten dieser seltsamen Urnen vermittelt. Der Vortragende hatte auch erwähnt, daß eine neuere Art von Lahore-Vasen vorhanden sein sollte und daß es einmal zwei Leuten geglückt sei, drei dieser Vasen zu stehlen, hatte hinzugefügt, daß den Dieben dies teuer zu stehen kommen dürfte, da die Priester des Brahmatempels die hartnäckigsten Verfolger wären, die es nur geben könnte. – –

Dies alles hatte mir genügt. Tompson konnte nur einer dieser Verfolger sein. Und Sie, Herr Manfred Schollert alias Schimpel, der Sie in rechtsungültiger Ehe mit meiner Mutter gelebt haben – Sie haben diesen Brahmanen ermordet! Die nähere Vorgeschichte dieses Verbrechens glaubte ich mir folgendermaßen zusammenstellen zu können:

Von den drei einst geraubten Vasen hatten Sie mit Ihrem Helfershelfer zwei zerstört, um die Schmuckstücke der darin eingeschlossenen Köpfe indischer Fürstinnen herausnehmen zu können. Eine befand sich noch in Ihrem Besitz. Sie hatten sie gut versteckt – irgendwo. Da war Ihnen einer Ihrer Verfolger nach Jahren endlich auf die Spur gekommen. Er hat sie wahrscheinlich dazu zu zwingen gewußt, die Vase in das leere Haus zu schaffen, damit er sie dort abholen konnte. Sie aber haben ihm aufgelauert und ihn beseitigt. –

So muß der Zusammenhang gewesen sein. –

Gestehen Sie nunmehr alles ein?“

„Phantasierereien eines Unreifen!“ sagte Schollert höhnisch. Aber sein Gesicht war grau und angstverzerrt.

„Gut denn. So muß ich auch das weitere hier anführen, was gegen Sie zeugt,“ fuhr Tory fort. „Sie hatten den Mord vollbracht, wollten die Vase, durch die Sie den Inder in jenes Zimmer gelockt hatten, wieder mitnehmen. Da hörten Sie ein Geräusch unten im Flur. Eine Flucht mit der schweren Vase in den Armen war unmöglich. Sie ließen die Urne daher zurück, entwichen über den Lagerplatz nach der Lavendelgasse zu. Aus den Zeitungen erfuhren Sie dann, daß die Polizei am Tatorte keine Vase mehr vorgefunden hatte, überhaupt nicht ahnte, daß eine solche Urne bei dem Verbrechen eine Rolle gespielt haben könnte. Hatte aber die Polizei von der Vase keine Kenntnis, so mußten der oder die Personen, durch die Sie verscheucht worden waren, die Urne mitgenommen haben – so sagten Sie sich. Und weiter schlossen Sie daraus, daß der oder die Diebe der Vase die Polizei von dem Morde auf so vorsichtige Weise benachrichtigt hatten, auf die Absicht dieser Leute, den gestohlenen Gegenstand zu behalten und seine Existenz ganz zu verschweigen. Um nun wieder in den Besitz der Urne zu gelangen; benutzten Sie den Weg einer öffentlichen Anzeige, die ja in der Fassung, wie Sie sie der ersten Annonce gaben, niemanden besonders auffallen konnte. Sie ahnten nicht, daß ich den Mörder bereits kannte, und selbst als Sie erfuhren, daß wir in Verdacht standen, den Mord verübt zu haben, glaubten Sie noch immer, wir wüßten nicht, wer der Täter sei. Im Gefühl voller Sicherheit für Ihre Person ließen Sie sich auf die mit Hilfe jener Anzeige geführten Verhandlungen über die Rückgabe der Vase ein. Als sie dann noch heute hörten, daß mein Freund Wilde verhaftet sei, während Sie mich als Flüchtling irgendwo außerhalb der Stadt wähnten, als Sie durch Pinkemüller, den Sie nach dem Pfeffergang geschickt hatten, bestätigt erhielten, Wilde sei wirklich verhaftet worden, da haben Sie nicht etwa beschlossen, selbst die Vase aus dem leeren Hause zu holen, sondern Pinkemüller dazu bewogen, indem Sie ihm ein guterfundenes Märchen aufbanden und ihm tausend Mark versprachen. Weshalb Sie sich nicht selbst in das leere Haus wagten, meine ich recht gut zu durchschauen: Sie scheuten sich, den Tatort nochmals zu betreten!! –

Nur die abergläubische Furcht vor jener Stätte Ihres Verbrechens veranlaßte Sie, Pinkemüller dorthin zu senden. Sie hielten dies für ganz ungefährlich, da Sie sich gesagt haben dürften, daß der verhaftete Wilde auf keinen Fall von der Vase sofort der Polizei Mitteilung machen, sondern erst abwarten würde, wie die Dinge sich weiter entwickelten, denn Wilde mußte ja daran denken, wie schwer er sich belastete, wenn er zugab, damals im Verein mit mir, dem inzwischen Entflohenen, die Urne gestohlen zu haben, wodurch die Polizei sofort einen Raubmord ihm hätte vorwerfen können – Raubmord der Vase wegen! Gewiß – mein Freund hätte auf die Annoncen hinweisen können, aus denen doch hervorging, daß ein anderer das größere Interesse an der indischen Urne hatte. Aber – würde die Polizei diese Annoncen nicht als bloße Spiegelfechterei angesehen haben, nicht ihm vorgehalten haben, er hätte sie sämtlich, Anfragen und Antworten, selbst einrücken lassen?! – –

Dies müssen Sie sich, Manfred Schimpel, genau überlegt haben und dabei zu dem Schluß gelangt sein, Wilde würde fürs erste noch von der Vase schweigen und höchstens in äußerster Not eingestehen, daß wir damals zu Dieben geworden und der wahre Mörder anderswo zu suchen sei. –

Wir haben Pinkemüller vor einer halben Stunde etwa in dem leeren Hause verhaftet, und er hat auch eingestanden, daß er in Ihrem Auftrag handelte! – –

So, Manfred Schollert – wollen Sie jetzt der Wahrheit die Ehre geben oder hoffen Sie noch immer, daß Ihnen Ihre Schuld nicht nachgewiesen werden kann?“

Der Konsul starrte zu Boden. Seine feinen Lippen zuckten. Sein ganzes Gesicht sah plötzlich verfallen und gänzlich verändert aus.

Minuten bedrückenden Schweigens folgten. Die, die diesen großen Verbrecher gefangen hatten, warteten geduldig auf die Antwort. Man merkte ihm ja an, daß er mit sich kämpfte, nachdem er sein Hirn vergeblich nach einem Ausweg aus dieser Falle gemarterte hatte.

Dann zeigte sich, daß dieser Mann in der Tat über Nerven verfügt, die vielleicht einmal für kurze Zeit versagen konnten, die aber doch sehr bald wieder die alte Spannkraft erlangten.

Sein Gesichtsausdruck veränderte sich abermals. Die scharfen Linien rücksichtsloser Energie traten wieder deutlich hervor. Er richtete sich auf, hob den Kopf. Etwas wie ein höhnisches Lächeln zuckte um seinen Mund. Seine Augen suchten die seines Stiefsohnes.

„Ich habe dich unterschätzt, Viktor,“ sagte er laut. „Du hast in dem Kampf zwischen uns gesiegt.“ Und nach kurzer Pause: „Hildegards Unvorsichtigkeit ist mein Verderben geworden. Ich habe nicht gewußt, daß sie aus Gewissensbedenken das Schriftstück, das sie als Legitimation benutzte, der Besitzerin wieder zugestellt hat. Mir erzählte sie, sie habe es vernichtet. – Es hat so sein sollen. Das Spiel ist aus.“

Ihle stand auf, trat näher an Schollert heran.

„So gestehen Sie alles ein?“ fragte er gespannt.

„Ja – alles! Leugnen hat ja doch keinen Zweck mehr. Der Brahmane Murasiwa war mit zwei anderen Indern seit Jahren in Europa. Ich hatte meine Spur gut verwischt. Erst vor vier Wochen fand er mich, er, der hartnäckigste meiner Verfolger. Die beiden anderen sind vor einem Vierteljahr, überzeugt von der Nutzlosigkeit weiterer Nachforschungen, nach Lahore zurückgekehrt. Dies teilte Murasiwa mir bei einer unserer heimlichen Zusammenkünfte leichtsinnigerweise mit, bei denen wir über die Rückgabe der Vasen verhandelten. Die Hilfe der Polizei konnte er nicht in Anspruch nehmen, da die englische Kolonialregierung keine Beweise für den neuen Brauch des freiwilligen Todes indischer Fürstenwitwen durch Enthauptung erhalten sollte und da, falls dies an die Öffentlichkeit gedrungen wäre, die Priester des Brahmatempels schwere Bestrafung zu erwarten hatten. –

Ja, alles ist richtig! Wir, Woakfield und ich, haben gerade die drei Vasen, die drei Köpfe von Fürstinnen und kostbaren Schmuck enthielten, gestohlen, ich habe dann absichtlich Murasiwa vorgeschlagen, für ihn die letzte noch erhalten gebliebene Vase in jenes Zimmer zu stellen. Aber – auch er ging mit dem Gedanken um, mich zu beseitigen, er brachte die Drahtschlinge mit, um mich zu erdrosseln. Er ahnte wohl, daß er mich in jenem Zimmer gleichfalls vorfinden würde. Es kam zum Kampf. Ich war der Stärkere. Einen Meuchelmord hatte ich beabsichtigt; schließlich tötete ich aus Notwehr.“

Dann mischte sich Haßfeld ein.

„Sie geben auch zu, damals den Pfandleihern Katzenstein in Berlin niedergeschlagen und den Tresor geplündert zu haben, nachdem Sie die Gelegenheit durch Versetzen der Vase bei ihm genügen ausgekundschaftet hatten, – auch, daß Sie und Woakfield absichtlich verschiedene Schmuckstücke, darunter auch die indische Halskette aus einer der zerstörten Vasen, bei Katzenstein vorher hatten beleihen lassen, um so doppelten Gewinn zu erzielen: die Leihsumme in bar und nachher die beliehenen Geschmeide selbst durch den Raub …?“

„Es ist so,“ erwiderte Schollert ohne Zögern.

„Viktor Ruhnau hat auch dies aus den ihm bekannt gewordenen Tatsachen richtig kombiniert,“ erklärte Haßfeld. „Er hat mich dann telegraphisch gebeten, die Akten über den damaligen Raubüberfall auf Katzenstein durchzusehen und herzukommen. – Ihr Schuldkonto wächst, Schollert! – Was ist aus Woakfield geworden?“

Schollert senkte den Blick vor Haßfelds harten Augen. Dann sagte er leise:

„Ich wollte keinen Mitwisser haben, als ich mit Hilfe falscher Papiere mich um die Stellung als Prokurist bei der Firma Ruhnau zu bewerben gedachte. Ich stamme aus guter Familie, habe eine sehr gute Schulbildung genossen und bin im Auslande stets in leitenden Stellungen bei großen Firmen beschäftigt gewesen. Mein Unglück wurde meine unbezähmbare Sucht nach Reichtum und mein Ehrgeiz. Ich hatte hochfliegende Pläne, wollte selbst Chef eines Handelshauses, Besitzer von Millionen werden.“

„Sie haben also auch Woakfield, kurz gesagt, beiseite geschafft?“ fragte Haßfeld mit ernster Betonung.

„Ja …!“

Ihle legte die Hand jetzt leicht auf des Mörders Schulter.

„Im Namen des Gesetzes …“ begann er, aber Schollert unterbrach ihn mit einem Auflachen …:

„Sparen Sie sich die Verhaftungsformel, Herr Kommissar. Ich habe mich selbst gerichtet. Hier dieser Brillantringen an meinem kleinen Finger ist ebenfalls indischer Arbeit. Unter dem beweglichen Stein lag ein Kügelchen. Ich habe es vorhin verschluckt, ohne daß Sie es merkten, vorhin, als ich das Spiel verloren gab. Warten Sie noch ein paar Minuten. Dann können Sie meine Leiche fortschaffen lassen …“

Seine Stimme klang bereits unsicher und schwankend. Sein Gesicht zuckte wie im Krampf. –

Er hatte nicht gelogen.

Eine halbe Stunde später brachte ein polternder Transportwagen den toten Verbrecher durch die nächtlich stillen Straßen nach dem Leichenschauhaus.