Kapitel 16

»Nanu«, begrüßte ich sie, während ich den Reliance-Bericht möglichst unauffällig in der obersten Schublade verschwinden ließ. »Wenn das nicht eine Überraschung ist!«

»Was für ein Dreckloch.« Cranmer, barhäuptig und mit einer Gesichtsfarbe, die grauer und ungesunder denn je gegen das grelle Karo seines Sportsakkos wirkte, schweifte mit dem Blick seiner Triefaugen von der gewellten Tapete über den durchgesessenen Stuhl für Klienten bis zu den Fliegen, die sich hinter der Glasverkleidung der Deckenlampe gefangen hatten.

»Das war Bette Davis«, stellte ich fest. »Nun mimen Sie doch mal einen harten Burschen.«

Fitzroy, jeder Zoll der Lieblingsonkel, lächelte trübe. Heute trug er einen grünen Anzug mit lebhaft gepunkteter Krawatte und seinen schmalkrempigen Hut. An den Wänden der Herrentoilette auf dem Polizeipräsidium standen bestimmt Verschen über diese Kopfbedekkung. »Sie sind witzig«, ließ er sich vernehmen. »So witzig wie ein Loch in einem Sauerstoffzelt.«

Typischer Polizei-Jargon. Immer dieselben Redensarten. Obwohl vom Alter schon nachgedunkelt, zeigten sie doch nie eine natürliche Abnützung wie etwa Uniformen oder der Linoleumboden einer Hinterhofwohnung. Schon zu Platos Zeiten hatten sie einen Bart gehabt, aber jeder Polizist, der sie benützte, benahm sich, als seien sie ihm gerade erst aus der Feder geflossen. Er erwartete Beifall, und wenn der ausblieb, neigte er dazu, niederträchtig zu werden. Ein niederträchtiger Polizist ist zu keiner Tageszeit ein angenehmer Anblick. Und schon gar nicht am Vormittag. Ich lächelte gewinnend.

»Was führt Sie in dieses Elendsquartier?«

»So geistreich nach einem so anstrengenden Vortag und einer so ausgiebigen Morgenvisite.« Fitzroy ließ sich auf meinem Besucherstuhl nieder und deponierte seinen Hut auf der Schreibtischkante. Sein Haar sah unanständig gelb aus in dem vormittäglichen Licht, das durch das Fenster hereinfiel. Ich stand auf, ließ die Jalousette herab und nahm meinen Platz wieder ein. Seine glitzernden kleinen Augen verfolgten jede meiner Bewegungen. »Ich dachte, Sie seien vielleicht ein bißchen ruhebedürftig nach den letzten vierundzwanzig Stunden.«

»Nun kommen Sie schon, Fitz«, sagte ich. »Inzwischen sind wir nun ja schon alte Bekannte. Sie brauchen nicht schüchtern mit mir zu sein. Irgendwas scheint Sie doch aufzuregen.«

Er sprang auf und fegte mit einem Arm alles, was sich darauf befand, von meinem Schreibtisch. Die Lampe, die Schreibunterlage, die Federhalter-Garnitur, die schon seit zwei Jahren nicht mehr benützt worden war, die unbezahlten Rechnungen, das Telefon, seinen Hut – alles landete krachend auf dem Boden. Die Glühbirne in der Lampe zerplatzte mit einem Knall wie ein Pistolenschuß. Sogar Cranmer fuhr zusammen.

»Jesus«, stieß der Sergeant hervor.

»Fitz bin ich nur für meine Freunde und Kollegen.« Sein Partner hatte sich über die Schreibtischplatte gebeugt und die Finger um deren Kante gekrallt. Er brüllte nicht – nicht einmal sein Lächeln hatte er verloren – aber in der Stille, die dem plötzlichen Lärm gefolgt war, hätte er genauso gut losgebellt haben können. »Für Sie bin ich Lieutenant Fitzroy.«

Ich erhob mich, sammelte das Zeug auf dem Boden zusammen und stellte alles wieder an seinen Platz. Sogar seinen Hut hob ich auf und legte ihn wieder an die Stelle, wo er ihn abgelegt hatte. Bevor ich den Telefonhörer auflegte, horchte ich erst einmal, ob der Apparat überhaupt noch funktionierte. Aber er tat es. Würde General Motors seine Wagen genauso stabil bauen, könnte sich manche Reparaturwerkstatt umsehen. Ich setzte mich wieder.

»Das macht einen Dollar für die Glühbirne«, sagte ich ruhig. »So was kriegt man heutzutage nämlich auch nicht mehr geschenkt.«

Cranmer, der inzwischen seinen Schock überwunden hatte, verzog das Gesicht. »So hart, wie Sie tun, sind Sie ja gar nicht.«

Ich ignorierte ihn und beobachtete nur Fitzroy. »Nur weil ich das Geld meiner Klienten nicht in Plastik-Pflanzen investiere und in eine Blondine im Vorzimmer, die sich Schwielen an den Hintern sitzt, heißt das noch lange nicht, daß Sie sich hier wie eine Wildsau benehmen können. Zahlen Sie gefälligst oder verschwinden Sie. Den Anblick Ihres fetten Hinterns, der sich zur Tür hinausquetscht, nehme ich auch als Bezahlung entgegen.«

Der Sergeant machte mit eingezogenem Kopf einen angriffslustigen Schritt auf mich zu. »Sie brauchen bloß zu sagen ›Faß ihn‹, Lieutenant. Wir können ja dem Chef erzählen, er ist die Treppe runtergefallen.«

Sein Partner hielt noch immer lächelnd den Blick auf mich gerichtet. Das konnte alles bedeuten. Von seiner Position aus konnte er mich leicht mit einer seiner kleinen, harten Fäuste erreichen oder mir den ganzen Schreibtisch entgegenkippen. Ich machte mich auf beide Möglichkeiten gefaßt. Draußen schien weiter die Mittagssonne.

»Geben Sie ihm einen Dollar«, sagte er.

Cranmer sackte der Kinnladen fast bis zur Erde herunter. Er wandte den Kopf, um seinen Vorgesetzten fassungslos anzustarren.

»Nun machen Sie schon, geben Sie ihm den Schein. Ich nehme an, das ist heute sein Preis.« Fitzroy ließ keine Sekunde meinen Blick los. Seine Augen waren freundlich, humorvoll.

»Nicht meiner«, korrigierte ich. »Der von einer Glühbirne.«

Nach einigem Zögern, wie eine professionelle Jungfrau, die ja sagt, brachte der Sergeant aus seiner Gesäßtasche ein abgegriffenes Lederportemonnaie zum Vorschein, klappte das Fach für Scheine auf und durchblätterte seinen Inhalt. Es waren zwei fast bankfrische Ein-Dollar-Noten darunter, die noch nicht lange im Umlauf gewesen sein konnten. Die ließ er jedoch stecken, um einen ausgefransten Geldschein herauszuziehen, mit dem offenbar schon jemand einen Schmalztopf ausgewischt hatte. Er ließ ihn auf den Schreibtisch fallen, von wo aus mich Washingtons schmutzentstelltes Gesicht tückisch ansah. Ich schob das Radiergummi-Ende eines neuen Bleistifts unter die Mittelfalte des Scheins und drapierte ihn über das Telefon.

»Desinfizieren werde ich ihn dann später.«

Cranmer gab ein Knurren von sich und machte Anstalten, um den Schreibtisch herumzukommen. Ich stand auf, um ihm zu begegnen.

»Also los«, sagte ich. »Riskieren wir es. Ich habe Dank der Großzügigkeit von Onkel Sam drei Jahre Nahkampftraining genossen, und er hat sich nun schon acht Jahre lang gedulden müssen, etwas für sein Geld zurückzukriegen.«

Cranmer blinzelte etwas blöde. Dann grinste er und setzte seinen Weg fort. Ich straffte mich. Einen Augenblick noch, dann würde ich ihn auseinandernehmen. Wie lange mich sein Partner danach noch leben ließ, spielte keine Rolle. Die Sache war den Einsatz wert.

»Kusch, Prinz«, befahl Fitzroy. »Jeder kann mühelos sehen, daß Sie Nägel fressen und mit Batteriesäure runterspülen.«

»Aber er will es doch nicht anders haben, Lieutenant. Vor diesem Jiu-Jitsu-Quatsch habe ich keine Angst.«

»Sie haben vor nichts Angst, Roy, nicht wahr? Höchstens vor mir.«

Es hatte keine Drohung in seiner Stimme gelegen, nur reine Logik. Dennoch wurde das Gesicht des Sergeanten aschfarben, und er kehrte an seinen Platz auf der anderen Seite des Schreibtisches zurück. Ich nahm mir vor, bei nächster Gelegenheit John Alderdyce über die beiden zu befragen.

»Setzen Sie sich wieder«, wandte sich der Lieutenant an mich. »Wenn ich zu Ihnen hochgucken muß, kriege ich Genickstarre.«

Ich beschloß, ihm zu verschweigen, wo er mir Schmerzen verursachte.

Wir nahmen beide wieder Platz. Jedesmal, wenn wir uns begegneten, sank unsere Beziehung auf ein kindlicheres Niveau ab. Bald würden wir mit den Schuhspitzen Striche in den Dreck kratzen und uns gegenseitig herausfordern, ein Überschreiten zu wagen. Ich steckte mir eine Zigarette an, warf das Streichholz in den Aschenbecher mit der Abbildung von Grand Traverse Bay auf dem Boden und wartete, daß Fitzroy begann. Lange brauchte ich mich nicht zu gedulden.

»Wir haben Franklin Detwiler auf dem Flughafen geschnappt. Ich nehme an, Sie wissen, wer er ist.«

Ich bestätigte, den Namen gehört zu haben. Fitzroy zupfte an etwas in Kniehöhe seines Hosenbeins und betrachtete es eingehend. Ich lehnte mich vor, um über den Schreibtischrand spähen zu können. Es war nichts an dem Hosenbein zu sehen.

»Er sagte uns, Phil Montana habe ihn dafür bezahlt, Bingo Jefferson seinen Job in The Crescent zu überlassen. Und nachdem Jefferson umgelegt worden war, gab ihm Montana noch einmal Geld, um zu verschwinden. Wir haben auch mit Detwilers Freundin, Coral Anthony, gesprochen. Sie hat uns erzählt, Sie seien bei ihr in der Wohnung gewesen und hätten mit ihr geredet. Dann haben wir Phil Montana aufgesucht. Er sagte uns, Sie hätten ihm in seinem Büro einen Besuch abgestattet, um sich mit ihm zu unterhalten. Außerdem wurden wir über einen Mord in The Crescent informiert. Krim war nicht mehr in der Verfassung, etwas sagen zu können, aber der Hausmeister teilte uns mit, Sie seien dort gewesen und hätten mit ihm, dem Hausmeister, gesprochen. Vorhin haben wir Leola DeLancey angerufen und von ihr erfahren, daß Sie schon in aller Frühe bei ihr draußen waren, um ein Schwätzchen zu machen. Deshalb dachte ich, wir könnten uns vielleicht die Fahrt nach Grosse Pointe sparen und statt dessen lieber hier mit Ihnen ein bißchen plaudern. Falls Sie von dem vielen Reden nicht schon Halsschmerzen haben.« Er sah mich unter seinen hellen Wimpern hervor mit der Zurückhaltung einer Schneelawine an.

»Da würde Ihnen aber einiges entgehen«, meinte ich. »Es ist so ein schöner Tag und der Blick auf den See einfach zauberhaft.«

»Heißt das, Sie wollen nicht mit der Sprache rausrücken?«

»Ich könnte Ihnen sowieso nichts erzählen, was Sie nicht schon wissen beziehungsweise in der Bibliothek nachlesen könnten. Sie haben mit Montana gesprochen und von ihm erfahren, was er mir gesagt hat, sonst wüßten Sie nicht über DeLancey Bescheid. Mrs. DeLancey hat mir erklärt, ihr Mann habe zum Zeitpunkt seines Todes Schwierigkeiten mit den Steuerbehörden gehabt. Außerdem habe seine Geliebte die Bemühungen der Familie um eine amtliche Todesfeststellung mit der Behauptung torpediert, es existiere ein späteres Testament, das sie als Haupterbin einsetze. Jack Billings, Mrs. DeLanceys Sohn, vertraute mir an, sein Stiefvater und Montana hätten sich wegen eines schlechten Börsentips entzweit, den der Richter Montana gegeben hatte. Es ging um ein Unternehmen mit Namen Griffin Carbide, dessen Aktien rapide fielen. Ich habe keine Ahnung, wie oder ob das in den Fall hineinpaßt, aber ich will es Ihnen natürlich keineswegs vorenthalten. Mehr habe ich nicht zu bieten.«

»Sie vergessen etwas. Einen Ring.«

»Den habe ich nicht vergessen, sondern weggelassen, weil ich nicht glaube, daß Sie zu einem Schnellkurs für deduktive Schlußfolgerung hergekommen sind. Es war der Ring, der mich zu Phil Montana geführt und mir dadurch Aufklärung über Ann Maringers wahre Identität verschafft hat. Und das ist Ihnen ja bekannt.«

Er musterte mich jetzt ganz unverhohlen, ohne gespielte Bescheidenheit, ohne nicht existente Fusseln von seinen Kleidern zu zupfen. Sein Lächeln wurde noch breiter. Er und Leola DeLancey würden sich gegenseitig sympathisch finden. »Ich bin ein bißchen pingelig«, sagte er. »Ich mag keine Reader’s Digest-Versionen von irgend etwas. Mir ist die ungekürzte Fassung lieber. Lassen Sie den Brillanten mal sehen.«

Ich holte die Schachtel hervor und öffnete sie zu seiner Erbauung. Cranmer trat näher heran, um besser sehen zu können. Als er nach dem Ring greifen wollte, gab ich ihm einen Klaps auf den fleischigen, behaarten Handrücken. Er zog die Hand mit einem knurrenden Laut zurück.

»Wir nehmen nur den Ring mit«, sagte Fitzroy.

»Nicht ohne Beschlagnahmeverfügung.« Ich machte den Deckel wieder zu und ließ die Schachtel in meiner Tasche verschwinden.

»Ich begreife nicht, wie Sie es bei Ihrer Art von Zusammenarbeit geschafft haben, so lange im Geschäft zu bleiben.« Zum erstenmal, seit er meinen Schreibtisch abgeräumt hatte, machte er wieder einen menschlichen Eindruck. Er wurde mir direkt eine Spur weniger unsympathisch. Trotzdem packte mich die Wut.

»Wann werden Typen wie Sie endlich lernen, daß es Zusammenarbeit nicht umsonst gibt? Sie brauchen gar nicht so verächtlich das Gesicht zu verziehen. Ich rede von Höflichkeit, nicht von Korruption. Was vorgestern nacht auf dem Präsidium passiert ist, könnte ich ja vielleicht verzeihen. Sie hatten einen Mordfall zu untersuchen, und ich war zunächst einmal verdächtig. Aber Sie können nicht hier hereinplatzen, sich aufführen wie eine schlechte Kopie von Barton MacLane in einem alten Bogart-Streifen und dann auch noch erwarten, daß man sich überschlägt, Ihnen die Arbeit zu erleichtern. Wenn Sie etwas wollen, müssen Sie schon die Spielregeln einhalten.«

Er hörte mir zu, ohne mich zu unterbrechen. Dann sagte er: »Dasselbe gilt wohl auch für das, was Sie in Ihr Schreibtischschubfach gestopft haben, als wir hereinkamen.«

»Allerdings«, bestätigte ich. »Sie können mit Ihrem Verdacht gern zur Frank Murphy Hall of Justice hinübergehen und den Richter überzeugen, daß es nicht die letzte Ausgabe der Zeitschrift für Naturfreunde war. Und dann kommen Sie mit einer Beschlagnahmeverfügung wieder.«

»Wir können Sie wegen Mordverdacht festnehmen. Diesmal wegen des Mordes an Krim.«

»Nur mit Haftbefehl.«

»Und wir können Sie als unentbehrlichen Zeugen in Gewahrsam nehmen.«

»Auch nicht ohne das entsprechende Papier.«

»Wegen Behinderung der Justiz können wir Sie genauso gut einkassieren, was in diesem Bundesstaat ein längeres Verfahren geben kann, als ein Raubüberfall mit Todesfolge.«

Bevor ich den Mund öffnen konnte, fuhr er fort: »Sagen Sie es nicht!« Das Blut war ihm in die Wangen gestiegen. »Etwas gibt es, für das ich keinen richterlichen Beschluß brauche – Ihnen die Lizenz entziehen zu lassen. Ich habe Freunde bei der übergeordneten Behörde.«

»Dann werde ich eine Anhörung beantragen, und die Kommission wird wissen wollen, warum Sie den Mordfall Krim erst mal auf die lange Bank geschoben haben. Warum eigentlich? Das hätte mich auch interessiert.«

Er stand auf und schaute auf mich herab. Ich konnte nur hoffen, daß sein Genick davon keinen Schaden nahm. »Natürlich hätte ich eine Fahndung nach Ihnen anlaufen lassen und Sie bereits heute früh hinter Gittern haben können«, sagte er. »Ich habe es aber absichtlich unterlassen, um den Mörder, der den Araber auf dem Gewissen hat und einen Raubüberfall vortäuschen wollte, glauben zu machen, wir hätten ihm seine Inszenierung abgenommen. Ich bin jetzt seit sechzehn Jahren Polizist. Ich weiß, wenn ich einen großen Fall vor mir habe. Und dieser ist so groß, daß ich ihn noch gar nicht überblicken kann. Phil Montana ist genauso irgendwie darin verwickelt wie Mrs. DeLancey. Und Ihre Klientin steckt mitten drin. Was das für Sie bedeutet, wissen Sie selbst.«

»Es macht mich zur Nummer eins auf Ihrer Verdächtigen-Liste«, versetzte ich.

»Nicht nur auf meiner. Ihr Freund Montana führt sich auf, wie der Heilige Georg und der Rächer der Enterbten zusammengenommen. Aber Sie wissen genauso gut wie ich, daß während seiner Zeit im Knast die Jungens mit den italienischen Namen und dem Monogramm auf dem Geigenkasten ihre Krallen in die Stahlarbeitergewerkschaft geschlagen haben und zwar ziemlich tief. Publizität mögen diese Typen gar nicht. Joe Colombo war da ganz anders. Der liebte Menschenmengen und Applaus, Mikrofone und Fernseh-Kameras und sein Foto auf den Titelseiten. Dafür hat er jetzt aber auch eine Ladung Blei im Kopf und sieht sich die Radieschen von unten an.« Er nahm seinen Hut vom Schreibtisch. »Bleiben Sie ruhig stur, Walker. Erzählen Sie den gemeinen Polizisten nichts, die Ihnen Ihre Dominosteine umgeschmissen haben. Ich werde Sie dann mal in der Gemüseabteilung des Supermarkts besuchen kommen.«

»Wie schön, daß die alten Sprüche mal ein bißchen aufgemöbelt werden«, freute ich mich. »Demnächst kann man dann vielleicht den freundlichen Nachbarn erwarten. Wenn Sie Glück haben, werden Sie für einen weiteren Fortbildungskurs ausgewählt.«

»Ich schütte mich aus vor Lachen. Sie sollten lieber hoffen, daß die Kollegen, die Sie abholen kommen, meinen Sinn für Humor haben.« Er stülpte seinen Hut auf und entschwand durch die offenstehende Tür. Sein merkwürdig hüpfender Schritt tat der Würde seines Abgangs leider einigen Abbruch.

Cranmer blieb noch eine Sekunde zurück. »Nächstesmal wird er nicht dabei sein, um einen Kampf zwischen uns zu verhindern«, drohte er in gedämpftem Ton. Ich stellte ihm anheim, mir den Buckel runterzurutschen.

Nachdem er gegangen war, rauchte ich meine Zigarette zu Ende. Dann stand ich auf, durchquerte das Vorzimmer, steckte den Kopf hinaus und spähte den Flur entlang. Die Polizei ist immer groß in Lauschaktionen. Erst als ich sicher war, daß die beiden die Treppe genommen hatten, schloß ich die Außentür von innen ab, kehrte in mein Privatbüro zurück, setzte mich hinter den Schreibtisch und öffnete das unterste Fach.

Es war nicht die Flasche, nach der ich griff. Irgendwann in den vergangenen Jahren, auf welche Weise habe ich inzwischen vergessen, bin ich in den Besitz eines Verzeichnisses aller im Staate Michigan existierender Zeitungen gelangt. Es hatte mir eigentlich noch nie zu irgendwelchem Nutzen gereicht, aber ich kann es nicht übers Herz bringen, etwas wegzuschmeißen. Nun hievte ich den sieben Zentimeter dicken Wälzer auf die Schreibtischplatte, wartete, bis der Staub sich gesetzt hatte, und begann dann hastig darin zu blättern.

Der Herald war Hurons einzige Zeitung, und zwar ein Wochenblatt. Ich zog den Telefonapparat näher zu mir heran und wählte die angegebene Nummer.