Kapitel 20

Der Leiter der Polizeistation hieß Hardacre und sah aus, wie ich mir schon immer einen Provinzpolizisten vorgestellt hatte. Sein großflächiges Gesicht erinnerte in Farbe und Struktur an rohes Hackfleisch, gekrönt von spärlichen braunen Haaren. Unter den aufgekrempelten Ärmeln seines khakifarbenen Uniformhemdes wölbten sich pralle Bizepse, wie bei Popeye, dem Matrosen. Er hatte neun Jahre Polizeidienst in Detroit hinter sich, eine Tatsache, die er mehrfach betonte.

Nachdem er hereingekommen war, musterte er mich flüchtig, bedachte auch die Leiche mit einem kurzen Blick und ging dann weiter zur Couch, um sich dort niederzulassen und mich herüberzuwinken. Er befand sich in Begleitung von zwei Polizisten, einer groß und dunkelhaarig mit wettergegerbtem Gesicht, der andere jung, schmal und rothaarig. Beide trugen steife braune Filzhüte mit breiten Krempen und blechernen Sheriffsternen vorne dran. Der jüngere Polizist hielt einen dritten Hut in der Hand, mit dem er sich seinem Vorgesetzten näherte, während sein Partner hinüberging, um die Leiche zu untersuchen.

»Ihr Hut, Sergeant«, sagte er, die Kopfbedeckung vorstreckend. »Es werden vielleicht Fotos gemacht, und Sie wissen doch, wieviel Wert der Sheriff auf komplette Dienstkleidung legt.«

»Der Sheriff kann von mir aus seinen Hut zusammenrollen und ihn sich sonstwohin stecken. In den neun Jahren meiner Zeit in Detroit habe ich nicht ein einziges mal einen Hut getragen. Was reden Sie außerdem von Fotos? Hat Maggie etwa eine Kamera bei sich? Hallo, Maggie.«

Die Journalistin, die zehn Minuten vor ihm wieder eingetroffen war, erwiderte die Begrüßung. Sie nannte ihn Fred.

»Hat jemand den Toten angefaßt?«

Ich wandte mich nach dem dunkelhaarigen Polizisten um, der neben der Leiche hockte und mich anstarrte. Seine Hände, die in Gummihandschuhen steckten, wie sie Chirurgen benützen, baumelten locker zwischen seinen Knien.

»Ja, ich«, gab ich zur Antwort. »Ich habe versucht, ihn wiederzubeleben.« In meinem Beruf erzählt man eine Menge Lügen.

»Der Coroner wird Theater machen. Er begutachtet die Leichen lieber so, wie sie ursprünglich lagen.«

»Ich bin gern bereit, auch dem Coroner einen Hut zur Verfügung zu stellen, den er zusammenrollen und sich irgendwohin stecken kann.«

Hardacre zog ein weißes Taschentuch hervor und wischte sich über den roten Hals. Er schwitzte, obwohl es gar nicht so heiß war. Ohne mich anzusehen streckte er die Hand aus und bewegte die Finger. »Die Zulassung.«

Ich gab sie ihm. In letzter Zeit war sie öfter draußen gewesen als eine Hauskatze. Er studierte sie sorgfältig und bewegte beim Lesen die Lippen. Dann reichte er sie mir zurück. Als er nicht aufpaßte, wischte ich sie an meinem Hosenbein ab, bevor ich sie wieder einsteckte.

»Also Detroit«, sagte er. »Haben sie es mittlerweile geschafft, diesen Riesen-Lokus mal richtig auszuschwemmen?«

»Einigermaßen«, erwiderte ich. »Überwiegend haben sie aber bloß desodorierende Mittel um das Becken gespritzt.«

Er schien meine Antwort gar nicht gehört zu haben. »Ich habe nicht viel übrig für Privatdetektive. Die, mit denen ich bis jetzt zu tun hatte, waren meistens ehemalige Polizisten, die geflogen waren, weil sie Schmiergelder kassiert hatten.«

»Und was war bei Ihnen der Grund?«

Ich wollte ausprobieren, wieviel er zu schlucken bereit war, aber das brachte nicht viel. Er benutzte sein Taschentuch, um sich den Schweiß hinter dem linken Ohr abzuwischen und betrachtete es, als befürchte er, die rote Farbe könne abgehen. Dann breitete er das Tuch auf seinem Knie zum Trocknen aus und hob zum erstenmal, seit er hereingekommen war, den Blick, um mich richtig anzusehen.

»Für einen Mann in Ihrer Lage haben Sie ein ganz schön kesses Mundwerk.«

»Wie genau ist denn meine Lage, Sergeant?«

»Im Augenblick sind Sie ein Tatverdächtiger. Noch habe ich Ihre Geschichte nicht gehört. Danach betrachte ich Sie vielleicht nur noch als Zeugen. Vorausgesetzt die Geschichte gefällt mir.«

Ich erzählte ihm so viel ich für nötig hielt. Ob er damit zufrieden war, konnte ich nicht beurteilen. Ich konnte nicht einmal feststellen, ob er mir überhaupt zuhörte. Die beiden Polizisten waren dagegen ganz Ohr. Besonders der junge, der noch immer den Hut des Sergeanten in der Hand hielt. Er hing mit weit aufgerissenen Augen an meinen Lippen, so wie alle Neulinge, wenn sie merken, daß es sich um einen ernsthaften Fall handelt – halb erstaunt, sich plötzlich irgendwie beteiligt zu finden und halb ängstlich, jemand könne sie bemerken und rausschicken, wenn Erwachsene sich unterhalten. Der Dunkelhaarige hockte noch immer neben dem Toten und starrte mißmutig auf seine müßigen, behandschuhten Hände. Ich fragte mich, warum er die Gummihandschuhe überhaupt angezogen hatte.

Nachdem ich geendet hatte, ließ Hardacre erst geraume Zeit mit der Betrachtung seines trocknenden Taschentuchs verstreichen. Dann sagte er: »Haben Sie das auch so gesehen, Maggie?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Mehr oder weniger. Über die Einzelheiten kann ich nicht viel sagen. Ich habe keinen so geübten Blick wie Mr. Walker. Und was sich abgespielt hat, bevor er hierherkam, kann ich sowieso nicht beurteilen. Ich war ja nicht dabei.«

Er nickte mechanisch vor sich hin. Dann zuckte ein Lächeln um seine Mundwinkel, während er den Blick noch immer auf das Taschentuch gerichtet hielt. »Aber immer am Ball, wie üblich. Sie sind eine verdammt gute Journalistin, Maggie. Und was Ihren Scharfblick betrifft, so müßte jemand, der Sie übertreffen will, schon durch fünfzehn Zentimeter dicke Bleiplatten gucken können. Haben Sie eine Ahnung, was dieser Gold hier draußen wollte?«

Es dauerte eine Sekunde, bis ich begriff, daß er seine Frage an mich gerichtet hatte. »Ich kann nur Vermutungen anstellen«, erwiderte ich. »Vielleicht hat er den Bericht seiner Agentur über Janet Whiting gesehen – das Original meine ich, nicht die entschärfte Version, die mir Jack Billings gegeben hat – und sich entschlossen, den Wahrheitsgehalt nachzuprüfen, so wie ich. Den Grund kenne ich nicht. Womöglich witterte er dahinter Geld. Mich hat er jedenfalls zu erpressen versucht, als er dachte, ich hätte mit dem Mord an Krim zu tun.«

»Sie sagten, Sie hätten das Schloß aufgebrochen. Wie ist er hineingelangt?«

»Vielleicht fand er die Tür offen, als er ankam. Vielleicht hatte der Mörder einen Schlüssel und erwartete ihn schon. Oder vielleicht war irgend jemand ein besserer Einbrecher als ich.«

Er nickte wieder so abwesend wie zuvor. »Nun, das werden wir später feststellen. Vorläufig sieht es erst einmal so aus, als hätten Sie einen netten, kleinen Prozeß vor sich. Wegen Einbruch und unbefugtem Betreten fremden Eigentums.«

»Das bezweifle ich. Ich meine was den Einbruch betrifft. Ich hörte ein Geräusch und dachte, jemand könnte verletzt sein und Hilfe brauchen. Damit hatte ich ja auch gar nicht so unrecht. Eine Straftat dürfte mir also kaum anzuhängen sein.«

»Meinen Sie?« Er versuchte ein verächtliches Grinsen zustande zu bringen gab es dann als erfolglos jedoch wieder auf. »Sie vergessen, Walker, daß wir auch hier draußen sehr modern ausgestattet sind. Mit Telefonen und allem. Ich kann Ihre Angaben überprüfen und Sie gegebenenfalls noch heute abend einsperren. Sie müssen doch zugeben, daß es recht Verdacht erregend ist, wenn Sie in drei Mordfällen als erster auf der Bildfläche erscheinen.«

»Verdacht erregend vielleicht, aber nicht verdächtig. Mit der Detroiter Polizei bin ich wegen der beiden anderen Mordfälle jedenfalls klar. Und was diesen hier betrifft, werden wir den Coroner entscheiden lassen, wann Gold die Kugel kassiert hat. Ich habe heute eine Menge zu tun gehabt und kann beweisen, daß ich dreißig Meilen von hier entfernt war, als der Schuß fiel.«

Er musterte mich jetzt beständig. Seine Augen hatten die Farbe von Abwaschwasser. »Sie sind raffiniert, Asphaltschleicher. Zu raffiniert, aber doch nicht raffiniert genug.«

»Sie sollten mit einem Notizblock auf dem Bauch geklebt schlafen«, schlug ich vor. »Damit Sie solche Gemmen immer gleich zu Papier bringen können, wenn sie Ihnen einfallen.«

Der dunkelhaarige Polizist kicherte unterdrückt. Ich sah nicht zu ihm hinüber. Schließlich befahl Hardacre: »Dennis, nehmen Sie Verbindung mit Station eins auf. Die Kollegen sollen bei Kitchners Witwe anfragen, an wen er kurz vor seinem Tod diesen Besitz verkauft hat, und dann versuchen, diesen oder diese neuen Besitzer zu erreichen. Ich will wissen, ob gegen Walker Anzeige wegen Einbruch und unbefugtem Betreten fremden Eigentums erstattet werden soll.«

Der rothaarige Polizist setzte sich in Bewegung, machte dann jedoch noch einmal kehrt, um den Hut des Sergeanten auf den Glastisch zwischen den beiden Schalensesseln zu legen, bevor er hinausverschwand. Ich hörte, wie er die Tür eines der beiden Streifenwagen öffnete, die vor dem Haus parkten, und überlegte zum erstenmal, wie sie durch das verschlossene Tor gekommen sein mochten. Wahrscheinlich mit Hilfe eines Bolzenschneiders.

»Neun Jahre war ich bei der Polizei in Detroit«, informierte mich Hardacre. »In dieser Zeit sind mir Schnüffler aller Art über den Weg gelaufen, von Scheidungsspezialisten bis zu Wald-und-Wiesen-Schnüfflern. Zum Essen eingeladen habe ich keinen einzigen davon. Wollen Sie wissen warum nicht?«

»Weil wir uns mit dem Daumennagel zwischen den Zähnen herumbohren?«

»Weil ich diese Typen nicht leiden kann. Sie sind alle gleich penetrant und dickfellig. Wenn man sie vorne rausschmeißt, kommen sie hinten wieder rein.«

»Auf die Gefahr hin, eine anregende Unterhaltung zu unterbrechen«, ergriff Maggie das Wort, »muß ich leider darauf hinweisen daß ich eine Zeitung fertigzustellen habe. Und morgen ist Redaktionsschluß. Wer fährt mich zu meinem Büro zurück?«

Hardacre rieb sich noch einmal mit dem bereits durchweichten Taschentuch das Gesicht ab. Allmählich war mir klar, warum sein Gesicht so rauh und rot aussah. »Sie sollten ruhig noch ein bißchen bleiben«, riet er Maggie. »Das hier wird die größte Story für Ihre Zeitung, die sie je gebracht hat. Hier draußen bei uns liefert ein Mord schon eine Schlagzeile. In Detroit veröffentlichen sie Mordfälle gleich listenweise, so ähnlich wie Versandstatistiken.«

Die letzte Bemerkung war an meine Adresse gerichtet. Menschen, die auf dem Land leben, glauben immer, daß andere, die in der Stadt bleiben, das aus freiem Willen tun und sich dafür schämen müßten. Ich ging nicht darauf ein.

»Ich frage mich, was Gold mit seinem Wagen gemacht hat?«

»Was?« Der Sergeant warf mir einen scharfen Blick zu.

»Seinem Wagen. Wissen Sie, dieses Ding, das wrrum macht, wenn Sie auf das schräge Pedal treten, und losrollt. Es steht nicht unten am Fuß des Hügels geparkt, und raufgefahren ist er damit auch nicht.«

»Wie kommen Sie darauf, daß er einen Wagen bei sich hatte?« Der dunkelhaarige Polizist machte ein strenges Gesicht. »Es sei denn, Sie hätten seine Taschen durchsucht und Autoschlüssel gefunden.«

»Das habe ich nicht«, log ich. »Aber ich weiß, daß er einen Wagen besaß, oder zumindest einen zur Verfügung hatte. Und er ist nicht die ganze Strecke gelaufen.« Ich beschrieb das Fahrzeug, das an dem Abend meiner Begegnung mit Albert Gold in meiner Einfahrt geparkt hatte. War das tatsächlich nicht einmal vierundzwanzig Stunden her? Der Polizist schüttelte den Kopf.

»Kommt mir nicht bekannt vor. Aber in Huron herrscht immer ziemlich viel Betrieb, auch eine Menge Durchgangsverkehr. Da fällt einem so ein gewöhnliches Fahrzeug kaum auf.«

Ich wandte mich an die Journalistin. »Gibt es noch einen anderen Weg hier herauf?«

»Nein«, antwortete sie. »Es gab irgendwo in der Nähe einmal einen alten Forstweg, aber der ist inzwischen völlig zugewachsen.«

Dennis kam zurück und sah jünger aus als vorher. Hardacre zog fragend die Augenbrauen hoch.

»Eine Gesellschaft besitzt jetzt das Grundstück hier«, erläuterte der junge Polizist. »Aber unter der Telefonnummer hat sich niemand gemeldet.«

»Wie heißt die Gesellschaft?« wollte der Sergeant wissen.

Dennis zog einen kleinen Spiral-Schreibblock aus der Tasche und blätterte ein paar bekritzelte Seiten durch. »Da ist es ja. Griffin Carbide.«

Das Geräusch, mit dem ich mein Streichholz anstrich, ließ den jungen Polizisten zusammenfahren. Alle beobachteten mich, wie ich die Zigarette in meinem Mundwinkel ansteckte. Ich konnte nur hoffen, daß niemand das Zittern meiner Finger bemerkte. Langsam und nachdenklich blies ich die Flamme aus und zertrat das Streichholz auf den Fliesen zu meinen Füßen. Vor dem Haus fuhr ein Wagen vor.

Ein grauhaariger Mann mit einem weißen Bart und Ringen unter den Augen wie Glasränder auf einer Bartheke kam mit einer schwarzen Tasche herein und strebte ohne von einem der Anwesenden Notiz zu nehmen auf die Leiche zu. Als er sich steifbeinig auf ein in Nadelstreifen gekleidetes Knie niederließ, stand der dunkelhaarige Polizist auf, um ihm Platz zu machen. Von seinen Gummihandschuhen hatte der Polizist nicht einmal Gebrauch gemacht.

»Wann ist er erschossen worden, Doc?« erkundigte sich der Sergeant.

»Woher soll ich das wissen? Und nennen Sie mich nicht Doc. Wir sind hier nicht im Wilden Westen.« Seine scharfe, dünne Stimme klang wie das Knallen einer Peitsche. Er befühlte Golds Hals nach dem Puls, öffnete dann das Hemd und untersuchte die Wunde. Seine Finger waren dünn und faltig und fast zu schnell, um ihren Bewegungen folgen zu können.

»Zwei Stunden«, sagte er. »Vielleicht eine mehr oder eine weniger. Das ist alles, was Sie bis nach der Autopsie aus mir herauskriegen. Natürlich ist der Tote bewegt worden.«

»Ich weiß.«

Der Arzt sah mißbilligend zu dem dunkelhaarigen Polizisten hoch. »Ach ja, tatsächlich? Wie viele Vorlesungen haben Sie über postmortem-Verfärbungen gehört? Was wissen Sie über die Entstehung von Leichenflecken?«

Der Polizist machte ein verlegenes Gesicht. »Ich weiß nur, daß Tote gewöhnlich nicht auf dem Rücken landen.«

Diesmal zuckte der Blick des alten Mannes hinüber zu Hardacre. »Ich wette, Sie haben ihm das erzählt.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Leiche zu. »Tote landen, wo immer sie landen wollen, junger Mann. Vor fünfzehn Jahren habe ich einmal einen Anstreicher untersucht, der vom Dach gefallen war und sich mit dem Kopf voran an einem Zaunpfosten aus Stahl aufgespießt hatte. Wir mußten ihn wie den Deckel von einer Flasche abschrauben. Ich werde Ihnen einen Vorschlag machen: Ich untersuche keine Kriminalfälle, wenn Sie versprechen, sich nicht in forensischer Pathologie zu versuchen. Und ziehen Sie diese albernen Handschuhe aus. Gefährliche Bazillen zeigen sich frühestens zwölf Stunden nach Eintritt des Todes, es sei denn, die Leiche ist extremer Hitze ausgesetzt.«

Während er sprach, blieben die Hände des Arztes unaufhörlich in Bewegung, hoben einen schlaffen Arm, ließen ihn wieder fallen, beugten tote Ellbogen, drückten und bohrten, knöpften auf und wieder zu. Der jüngere Polizist wurde immer blasser um die Nase, je länger er zusah.

»Zwei Stunden«, sagte Hardacre nachdenklich. »Wo waren Sie mittags um zwölf, Walker?«

»In meinem Büro. Ich habe mich mit Fitzroy und Cranmer vom Detroiter Morddezernat unterhalten.«

»Wir werden das nachprüfen. Vorläufig haben wir Sie ja erst einmal wegen der beiden anderen Delikte.«

»Vergessen Sie mich nicht, Fred«, erinnerte ihn Maggie. »Wenn Sie ihn festnehmen, müssen Sie mich als Komplizin ebenfalls einkassieren.«

»Das ist überflüssig, und das wissen Sie auch. Sie haben nur Ihre Arbeit gemacht.«

»Genauso wie Mr. Walker.«

»Das ist nicht dasselbe.« Er wurde allmählich gereizt.

»Doch«, beharrte Maggie. »Sie wollen bloß eine schnelle Festnahme, und ich soll darüber im Herald berichten. Ihre Motive sind mehr als durchsichtig, Fred. Kein Wunder, daß man Sie in Detroit abgeschoben hat.«

Er musterte sie stirnrunzelnd. Die Hand mit dem Taschentuch lag vergessen auf seinem Schoß. »Wir sind immer gut miteinander ausgekommen, Maggie. Setzen Sie das nicht aufs Spiel.«

»Was wollen Sie machen? Mir künftig Ihre Protokolle über irgendwelche Blechschäden vorenthalten? Sie wissen, wieviel Wert der Sheriff auf eine gute Presse legt. Und Sie stehen zu dicht vor der Pensionierung. Was werden Sie anfangen, wenn die Geschichte, die ich schreibe, Sie Ihre Streifen kostet und Sie von der Pension eines einfachen Polizisten leben müssen? Sie und der Sheriff haben nie ein besonders gutes Verhältnis gehabt. Dies könnte genau der Vorwand sein, den er sucht, um Sie abzuservieren.«

In dem Raum herrschte Stille bis auf die leisen Geräusche, die der Arzt bei seiner Beschäftigung mit der Leiche machte. Der dunkelhaarige Polizist beobachtete ihn so interessiert wie ein Krankenhaus-Praktikant. Dennis wußte nicht so recht, wo er seine Blicke lassen sollte. Maggie starrte mit einem festgefrorenen Lächeln auf den Sergeanten, der die Augen wieder auf sein Taschentuch gerichtet hielt.

»Verlassen Sie die Stadt nicht«, befahl er mir schließlich.

Ich zog eine meiner Karten aus der Tasche und legte sie ihm auf das Knie. »Ohne Haftbefehl können Sie mich nicht hier festhalten, das wissen Sie selbst«, sagte ich. »Aber um Ihnen zu beweisen, daß ich das Herz auf dem rechten Fleck habe, können Sie mich unter dieser Nummer hier anrufen. Falls ich nicht da bin, nimmt mein Auftragsdienst eine Nachricht entgegen.« Ich wartete eine Sekunde, doch er schwieg. Ich fing Maggies Blick auf. »Soll ich Sie mit zurücknehmen zu Ihrem Büro?«

»Okay, aber lassen Sie sich Zeit. Sie brauchen keinen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen.«

»Bitte nach Ihnen.« Ich hielt ihr die Tür auf.