29

Eilig liefen wir zum Nebenhaus. Da ich nicht wusste, ob vielleicht noch jemand anderes dort übernachtet hatte, klopfte ich an die Tür und schob sie sachte auf. Zu meinem Glück war außer Simon niemand da.

Er saß mit offenem Hemd, gelockerter Krawatte, rotem Kopf und wild zerzausten Haaren auf dem Bett und wirkte plötzlich wie ein alter, müder Mann.

»Guten Morgen«, sagte ich, und er sah stöhnend auf.

»Ich habe heute keine Energie für deine Spielchen, Hannah. Gib mir einfach, was du mitgenommen hast, dann bin ich weg.«

»Das kann ich nicht.«

Er stützte seine Hände auf den Knien ab und richtete sich mühsam auf.

»Dann bleibt mir keine andere Wahl, als zu den Zeitungen zu gehen.« Er schob sich die Haare aus der Stirn und lächelte mich böse an. »Ich habe dich gewarnt.«

»Zu spät.« Ich nahm Davina den Daily Mirror aus der Hand und warf ihm die Zeitung zu. Während er die Seite las, beobachtete ich sein Gesicht.

»Was hast du Luder dir dabei gedacht?«, fuhr er Davina an.

Ich wich erschrocken einen Schritt zurück, Davina aber baute sich mit einem spöttischen Lächeln vor ihm auf und sagte mit fester Stimme: »Das waren Sie selbst. Sie haben gestern Abend in der Bar gesungen wie ein Kanarienvogel, obwohl Sie sich hätten denken können, dass der Mann, der Sie auf einen Whisky eingeladen hat, Reporter war.«

»Ich brauche frische Luft.« Als Simon an uns vorbei in den Garten stürzte, sahen Davina und ich uns an und folgten ihm.

Als wir nach draußen kamen, lehnte er mit kreidebleichem Gesicht an einem Baum.

»Ich will doch nur, was mir gehört. Warum kriegt Lawrie alles, und ich kriege nichts?«

»Euer Vater hatte sicher seine Gründe.« Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Tobias in einiger Entfernung zum Hotel eilte, und war froh, dass die Reporter dort erst mal eine Zeit lang beschäftigt wären.

»Das ist nicht fair, und du bist eine Diebin«, hielt mir Simon jammernd vor.

»Ich habe nichts aus London mitgenommen, worauf du einen Anspruch hast.«

»Genauso hat Lawrie es formuliert, als er mir meine Hälfe unseres Erbes weggenommen hat.« Er richtete sich auf. »Er ist ein Dieb, und du bist eine Diebin. Ihr habt einander verdient.«

»Er ist ein guter, anständiger Mann«, gab ich zurück. »Vergiss das lieber nicht.«

Bei meinen Worten verzog Simon angewidert das Gesicht. »Vor allem ist er ein Mann, von dem du dir wohl erhoffst, dass er dir noch einmal verzeiht, dass du ihn ein paar Stunden nach der Hochzeit sitzen gelassen hast.«

Davina hatte sich bisher im Hintergrund gehalten, doch jetzt baute sie sich vor ihm auf und funkelte ihn zornig an. »Ist das Ihr Ernst? Sie denken, dass er ihr verzeihen muss? Es ist ja wohl eher umgekehrt, schließlich hat er sie betrogen.«

»Schon gut, Davina«, sagte ich, weil Simon nicht erfahren sollte, was der Grund für meine Flucht gewesen war.

Er sah mich aus zusammengekniffenen Augen an und stellte skeptisch fest: »Er hatte was mit einer anderen Frau? Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Ich hatte immer das Gefühl, als wären ihm Frauen ziemlich egal. Deswegen war ich überrascht, als diese Einladung zu seiner Hochzeit kam …«

Nachdenklich brach er ab, und da ich unbedingt verhindern musste, dass er eins und eins zusammenzählte, schlug ich verzweifelt vor: »Wir sollten überlegen, wie wir Lawrie dazu bringen, dass er dir einen Teil des Erbes überlässt.«

Er aber hörte nicht zu.

»In Wahrheit hatte er gar nichts mit einer anderen Frau, nicht wahr? Lawrence ist homosexuell und hatte eine Affäre mit einem anderen Mann!«

Davina rang nach Luft.

»Simon, vielleicht sollten wir wann anders …«

»Es gab immer schon Gerüchte, aber Lawrence ist so puritanisch, dass ich dachte, politische Rivalen hätten sie verbreitet, damit er seinen Sitz im Parlament verliert. Aber es stimmt, nicht wahr?«

Da ich die Sache nicht noch schlimmer machen wollte, wandte ich mich schweigend ab.

Mit einem bösen Lachen stellte Simon fest: »Das war der Grund, warum mein Vater ihn gezwungen hat zu heiraten. Der arme alte Mann. Er musste sich entscheiden, ob er sein Vermögen einem Säufer oder einem warmen Bruder hinterlassen soll.«

Als ich den Blick wieder zu ihm wandte, sah er plötzlich aus, als bräche er im nächsten Augenblick in Tränen aus. »Und trotzdem hat er Lawrence und nicht mich in seinem Testament bedacht.«

Bei diesen Worten zog er einen Flachmann aus der Tasche und schüttelte ihn leicht. »Offensichtlich habe ich gestern Abend zumindest eine Sache gut gemacht und dieses Ding noch einmal aufgefüllt.« Er schraubte den Deckel auf, kippte den Alkohol in sich hinein und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund.

»Und trotzdem hat er ihn in seinem Testament bedacht …«

»Worum ich unseren Vater nicht gebeten habe«, sagte eine Stimme hinter mir, und eilig drehte ich mich um.

»Lawrie!«, rief ich erleichtert, als ich ihn neben Angus stehen sah. Mir fiel wieder ein, wie ich ihn bei unserem letzten Aufeinandertreffen bewegungslos auf dem Boden neben dem Bett hatte liegen sehen. Ich lief auf ihn zu, er breitete die Arme aus, und ich schmiegte mich an ihn. Trotz allem, was passiert war, hatte ich eine Zeit lang daran geglaubt, dass wir glücklich miteinander werden könnten, und vor allem tat mir unendlich leid, was alles geschehen war.

Dann sah ich über seine Schulter einen anderen Mann, der etwas abseits stand, und fragte mit ungläubiger Stimme: »Du hast Freddie mitgebracht?«

»Ich wollte mitkommen«, wandte Freddie sich an mich. »Weil ich dich schließlich noch für mein Verhalten um Verzeihung bitten muss.«

»Das müssen wir wohl beide«, pflichtete ihm Lawrie bei und sah mich an. »Es tut mir leid, Hannah. Ich hatte das Gefühl, das Richtige zu tun, und wollte dich niemals derart verletzen.«

In meinem Innern wogten abermals die Scham und das Entsetzen auf, die ich in der Hochzeitsnacht empfunden hatte, ich nickte nur knapp.

»Ist das dein Geliebter?«, mischte sich Simon spöttisch ein. »Wie schön. Willkommen in der Familie, mein Lieber.« Er sprach so laut, dass sich ein älteres Paar, das schon seit Jahren in Drumnadrochit Urlaub machte und sich wieder einmal vor den Nessie-Touristen in den Garten flüchten wollte, verwundert nach ihm umdrehte.

»Hier können wir nicht reden«, stellte Lawrence fest. »Gibt es einen Ort, an dem wir ungestört sind? Warum gehen wir nicht einfach ins Hotel?«

»Auf keinen Fall!«, riefen Davina, Angus und ich wie aus einem Mund, und eilig erklärte ich: »Das Haus ist voll mit Fotografen und Reportern, die über das Ungeheuer von Loch Ness berichten wollen.«

»Können Sie rudern?«, fragte Angus meinen Mann und zeigte auf den See.

»Ich war der Kapitän des Oxford-Teams.«

Ich musste schmunzeln, als ich Angus und selbst Freddie mit den Augen rollen sah.

»Auf dem Wasser kann man uns nicht hören. Also lasst uns eine Bootstour machen«, forderte uns Angus auf.

Wir gingen zum Seeufer, wo die Einheimischen ihre Boote festgemacht hatten und den Nessie-Touristen anboten. Zum Schutz waren die Boote neuerdings mit Eisenringen an den Felsen festgemacht, doch auch wenn die Bevölkerung des Dorfs den Fremden offenbar nicht traute, machte sie – genau wie Mrs M – gutes Geld mit ihnen.

Zwar waren schon ein paar Boote auf dem Wasser, aber dank Tobias, der die Leute im Hotel mit der Geschichte von der Bestie in Loch Lochy unterhielt, war es noch ziemlich ruhig.

Auch Websters großes Segelschiff war noch am Ufer festgemacht. Obwohl er sich den Hut tief ins Gesicht gezogen hatte, erkannte ich den Großwildjäger, der in der schwachen Frühlingssonne döste, aber Simon hatte offensichtlich keine Ahnung, dass der Mann, der er sich auf dem Schiff gemütlich machte, einer seiner alten Widersacher aus der Schulzeit war.

Er zeigte auf das Schiff und sagte: »Das da.«

»Nein, wir nehmen dieses hier«, sagte Angus und zeigte auf ein kleines Ruderboot. »Das habe ich schon mal benutzt, deswegen kenne ich den Zahlencode des Schlosses und weiß, dass der Besitzer nichts dagegen hat, wenn wir es uns kurz ausleihen.«

Mit Lawries Hilfe zerrte er das Boot auf das Wasser, hielt es fest und ließ Lawrie hineinklettern. Dann kämpfte sich auch Simon wenig elegant an Bord, nahm Platz und wandte sich mir zu.

»Hannah? Ich verlange, dass du mitkommst und dich deinem Ehemann erklärst.«

»Ich glaube nicht, dass ich das muss.«

»Du musst ihm sagen, was du ihm gestohlen hast. Oder weiß er das bereits?«

»Hannah?«, fragte Lawrence mich verwirrt. »Was redet Simon da?«

Aus Richtung des Hotels erklangen Stimmen, und wir sahen uns nervös um.

»Da kommen Leute«, stellte Angus fest. »Ihr solltet auf dem Wasser sein, bevor euch jemand sieht.«

»Um Himmels willen.« Verärgert stapfte ich zum Boot, Lawrie reichte mir die Hand, zog mich an Bord und ruderte entschlossen los.

Dank seiner Ausdauer und Kraft waren wir bereits nach wenigen Minuten recht weit draußen auf dem See. Er zog die Ruder durch das Wasser, sah mich an und stellte fest: »Du siehst gut aus.«

»Es geht mir auch gut.« Ich saß mit vor der Brust verschränkten Armen da und sah an ihm vorbei, weil mir der Sinn nicht nach oberflächlichen Plaudereien stand.

Inzwischen waren wir weit genug vom Seeufer entfernt, um ungestört zu sein, und Lawrence zog die Ruder in das Boot und sah sich bewundernd in den Highlands um. Sein staunender Blick erinnerte mich an meine eigene Faszination bei meiner Ankunft hier. »Man könnte wirklich glauben, dass in diesem See ein Ungeheuer lebt, nicht wahr?«

»Du bist das Ungeheuer«, stellte Simon fest. Er saß am Bug des Boots und hatte Lawrie schlecht gelaunt beim Rudern zugesehen. »Du widerst mich inzwischen nur noch an.«

»Ach, halt den Mund«, wies ich ihn zurecht.

»Und du bist auch nicht besser. Tust, als würdest du dir Sorgen um ihn machen, aber gleichzeitig bestiehlst du ihn und die Familie.«

Sein Blick fiel auf die Flasche Bier, die unter der Bank vor ihm lag. Schnell zog er sie hervor, machte sie auf und gönnte sich einen großen Schluck.

Ich blickte Lawrie an. »Ich habe nichts gestohlen. Ich habe etwas Wertvolles aus London mitgenommen, aber das …«

»Du meinst die Fotos, stimmt’s?«

»Weswegen sollten irgendwelche Fotos wertvoll sein? Es sei denn, es wären brisante Motive zu sehen«, bemerkte Simon, und ein bösartiges Grinsen huschte über sein Gesicht. »Gibt es etwa anzügliche Aufnahmen von deiner Ehefrau?«

Er setzte sich auf die Bank direkt mir gegenüber. »Du siehst nicht schlecht aus, Hannah, und ich kann mir vorstellen, dass du das Interesse meines Bruders wecken wolltest, indem du dich in aufreizenden Posen zeigst.«

»Es reicht, Simon. Es waren Aufnahmen von mir. Zusammen mit einem Mann«, mischte Lawrie sich mit bitterer Stimme ein.

»Das wird ja immer besser.« Simon trank den nächsten Schluck von seinem Bier. »Die Bilder sind bestimmt einiges wert.«

»Ich habe sie zerstört«, belog ich ihn. »Es gibt sie längst nicht mehr.«

»Und warum hättest du Davina dann erzählen sollen, dass du etwas Wertvolles aus London mitgenommen hast?«

»Um anzugeben?«, schlug ich achselzuckend vor.

»Du lügst.«

»Ich lüge nicht.«

»Ich kriege die Wahrheit schon noch aus dir raus!«, schrie er mich an, sprang auf, ließ die Flasche fallen und streckte seine Hände nach mir aus.

Das Boot fing derart an zu schwanken, dass ich unsanft auf den Rücken fiel. Ich sah zum Himmel auf, und dann war plötzlich Simon über mir. Ich schrie auf und rollte mich zusammen, als seine Faust mein Gesicht traf und mir vor Schmerzen schwarz vor Augen wurde.

»Hör auf!« Jetzt sprang auch Lawrie auf, um seinen Bruder festzuhalten, aber Simon fuhr herum und rammte ihm die Faust unter das Kinn.

Im Gegensatz zu Simon aber hatte Lawrie während seines Studiums auch geboxt und schlug so hart zurück, dass sein Bruder, als er rückwärts umfiel, eins der Ruder von der Bank ins Wasser schob.

»Hör auf, Lawrie!« Ich wollte aufstehen, war jedoch unter der Holzbank eingeklemmt.

Das Boot fing wieder an zu schwanken, als die beiden Männer weiter miteinander rangen, im nächsten Moment verlor Lawrie das Gleichgewicht, und Simon nutzte die Gelegenheit und legte ihm die Hände um den Hals.

»Hör auf!«, schrie ich ihn an. »Du bringst ihn um! Hör auf!«

Plötzlich wurden wir von einer Welle angehoben, die das Boot zur Seite kippen ließ. Jetzt war es Simon, der das Gleichgewicht verlor. Er rutschte aus und lockerte den Griff um Lawries Hals, um sich an irgendetwas festzuklammern und nicht über Bord zu gehen.

Ich verfolgte entsetzt, wie Simon Lawries Fuß ergriff und seinen Bruder mit ins Wasser zog.

Sie gingen augenblicklich unter, und mit einem lauten Aufschrei zwängte ich mich unter der Bank hervor und krabbelte zum Rand des Boots. »Lawrie? Lawrie!«

Ich begann verzweifelt zu winken, als ich Websters Segelschiff über die Wellen schießen sah, Angus vorne am Bug.

»Hilfe! Hilfe!«

»Hannah!«, erklang eine Stimme hinter mir, und eilig drehte ich mich um. Ich sah, dass Simon das von Bord gegangene Ruder fest umklammert hielt. Er strampelte nicht gerade würdevoll mit seinen Beinen und brüllte: »Hilf mir, Hannah! Hol mich raus!«

Ich überlegte kurz, ob ich ihn einfach seinem Schicksal überlassen sollte, aber schließlich beugte ich mich über Bord. »Halt dich am Ruder fest! Ich ziehe dich zum Boot.«

Mit Mühe drehte er das Ruder so, dass ich das Ende packen konnte, und mit angehaltenem Atem zog ich ihn zu mir heran und hoch genug, dass er es schaffte, sich ins Boot zu hieven.

Er landete mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, rang nach Luft und fragte keuchend: »Wo ist Lawrie? Hast du ihn gesehen? Ich wollte ihn nicht mit ins Wasser ziehen. Das war nie meine Absicht.«

»Ich weiß es nicht.« Ich brach in Tränen aus und suchte das Wasser ab. Mein linkes Auge schmerzte und war völlig zugeschwollen. »Es ist zu kalt, als dass man im Wasser lange überleben könnte.«

Wie zum Beweis fing Simon an zu zittern, und als ich ihn ansah, wogte blanker Hass in meinem Innern auf.

Verzweifelt suchte ich das Wasser in der anderen Richtung ab und sah zu meiner großen Erleichterung, wie der Großwildjäger mit Angus’ Hilfe Lawrie aus dem Wasser zog. Sie waren noch immer ziemlich weit von uns entfernt, und ich war überrascht, dass Lawrie in dem kalten Wasser derart weit gekommen war. Im Grunde aber zählte nur, dass er gerettet worden war.

Mit weichen Knien setzte ich mich hin, und Simon fragte zähneklappernd: »Hast du ihn gesehen?«

Ich schüttelte den Kopf, denn Simon hatte es verdient, dass ich ihn noch ein wenig leiden ließ. Das Segelschiff der anderen hatte inzwischen gewendet und fuhr zurück zum Ufer. »Am besten bringe ich dich erst einmal an Land.«

Tatsächlich zitterte er immer noch wie Espenlaub, und seine Lippen waren vor Kälte blau verfärbt. Ich suchte eine Decke, aber alles, was ich fand, war eine Regenjacke, die dem Bootsbesitzer zu gehören schien. Die warf ich meinem Schwager zu und wies ihn an: »Zieh deine nassen Sachen aus und dieses Ding hier an.«

»Ganz sicher nicht«, stieß er mit rauer Stimme aus.

»Dann frier meinetwegen weiter. Mir egal, was aus dir wird.« Wütend griff ich nach dem Ruder, das er immer noch umklammert hielt, und schob es wieder in die Halterung am Rand des Boots.

Noch immer heftig zitternd schälte Simon sich aus seinem Hemd, und da ich noch nicht oft gerudert hatte, war ich dankbar, dass die Strömung mir auf dem Weg zurück zum Ufer half. Angus wartete dort schon auf mich, zusammen mit Freddie, und zog das Boot an Land.

»Was ist passiert? Am besten bringen wir dich zu einem Arzt. Dein Auge sieht entsetzlich aus.« Er nahm mich in den Arm, und selig schmiege ich mich an ihn.

Mein Rücken und der Kopf schmerzten fürchterlich, und unumwunden gab ich zu: »Dafür ist mein Schwager verantwortlich. Und dann ist er auf Lawrie losgegangen und hat ihn mit über Bord gerissen.«

Jetzt kletterte auch Simon wenig elegant aus dem Boot. Angus sah ihn böse an. »Was haben Sie getan? Was haben Sie sich dabei gedacht? Am besten rufen wir die Polizei.«

Mein Schwager stand in Regenmantel und Unterhose da, und als er wie ein Kind zu schluchzen begann, stellte Freddie mit Verachtung in der Stimme fest: »Was sind Sie für ein jämmerlicher Kerl. Ihr Vater hat Sie vollkommen zu Recht enterbt.«

Es tat mir nicht mal ansatzweise leid, als Simon unter diesem Seitenhieb zusammenfuhr.

»Wo ist mein Bruder?«, heulte er, und Angus gab mir durch ein Nicken zu verstehen, dass Lawrie noch immer auf dem Segelschiff bei Webster war.

»Wir müssen Lawrie finden«, stieß mein Schwager schluchzend aus. »Ich hätte ihn nicht mit ins Wasser ziehen wollen. Das wollte ich nicht. Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid.«

Ich tauschte einen Blick mit Freddie aus, und als ich nickte, zwinkerte er mir zum Zeichen, dass er mich verstanden hatte, unauffällig zu und atmete tief durch.

Dann wandte er sich Simon zu und sagte mit derselben Überzeugung und Verzweiflung wie in meiner Hochzeitsnacht: »Er lebt nicht mehr. Er lebt nicht mehr, und das ist allein Ihre Schuld.«