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Auszug aus dem Tagebuch von Hannah Snow

Mai 1933

Jetzt sind Lawrie und Freddie abgereist. Laut Lawrie werden sie mit einem Segelschiff nach Tanger fahren. Das klingt sehr unkonventionell, deshalb wird Freddie bestimmt vom ersten Tag an glücklich sein, auch wenn ich mir nicht sicher bin, wie Lawrie sich fühlen wird. Womöglich aber wird er uns ja alle überraschen und legt dort seine spröde Art ab.

Nachdem sie einen Tag nach seinem »Verschwinden« schon im Morgengrauen das Hotel verlassen hatten, richtete Davina mir von Angus aus, er sei im Hotel und wolle mit mir sprechen.

Ich war mir sicher, er würde mir erzählen, dass man ihm dank des Interviews mit Webster endlich eine Stelle in Edinburgh angeboten hatte und er nur noch mal gekommen war, um mir Lebewohl zu sagen. Aber als ich ihn im Garten antraf, wo er auf den See hinunterblickte, überraschte er mich.

»Was macht dein Auge?«, fragte er, als er mich näher kommen sah.

»Es tut noch ziemlich weh.«

Zögernd setzte ich mich zu ihm auf die Bank.

»Dann hast du also jetzt ein gutes Angebot in Edinburgh bekommen?«

»Allerdings. Das Interview mit Webster hat sie überzeugt.«

»Das ist schön für dich«, sagte ich aufrichtig, aber mit einer Spur von Neid.

»Lawrie war noch bei mir«, meinte Angus und nahm meine Hand.

Ich funkelte ihn zornig an, denn der Gedanke, dass die beiden Männer hinter meinem Rücken über mich gesprochen hatten, sagte mir nicht im Geringsten zu. Das spürte Angus offenbar, denn eilig fügte er hinzu: »Er meinte, dass ich dich nicht gehen lassen solle, auch wenn er genau weiß, dass du dich sehr gut um dich selbst kümmern kannst.«

»Das stimmt.« Ich mochte das Gefühl von seiner Hand in meiner, sagte aber: »Es ist zu spät, schließlich gehst du jetzt nach Edinburgh.«

»Das ist es nicht.«

Ich rollte mit den Augen. »Doch, natürlich ist es das.«

»Der Redakteur der News ist begeistert von den Texten, die du unter deinem Pseudonym geschrieben hast. Sie suchen einen Kolumnisten und haben sich gefragt, ob Ann vielleicht Interesse hat.«

»Und woher kennt er meine Texte?«

»Die kennt doch inzwischen alle Welt. Die Auflage des Herald hat sich unglaublich gesteigert, seit du die Kolumnen für uns schreibst.«

»Weil alle Welt sich für das Ungeheuer interessiert.«

»Das auch, aber nicht nur.«

Ich starrte auf meine Füße. »Dann gibt es also eine Stelle für mich in Edinburgh?«

»Wenn du sie haben willst?«

»Wenn Mrs M auf mich verzichten kann.«

»Davina kommt doch sicher auch allein klar. Seit eure Chefin die vielen Interviews gibt, schmeißt sie den Laden mit Tobias doch schon fast allein.«

»Das stimmt.«

»Also, was sagst du, Ann O’Shawn?«

Ich sah ihn einen Moment schweigend an. Dann legte ich sanft meine Hände an seine Wangen, gab ihm einen Kuss und sagte: »Auf nach Edinburgh.«